Das Spiel mit dem Licht

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EINSICHTEN 2008
NEWSLETTER 01
n at u r w i s s e n s c h a f t e n
Thorsten Naeser
Das Spiel mit dem Licht
In Leuchtdioden kommen bisher hauptsächlich herkömmliche Halbleiter-Materialien
zum Einsatz. Ihnen gegenüber bieten Kunststoffpolymere einige Vorteile. Mit solchen
organischen Materialien sollen in Zukunft großflächige und biegsame Leuchtdioden
hergestellt werden. Physik-Professor Jochen Feldmann und sein Team erforschen, wie
Kunststoffpolymere sowie kleinste Festkörperpartikel, so genannte Nanokristalle, mit
Licht und elektrischen Feldern umgehen.
Leuchtende Tapeten, Vorhänge oder Kühlschränke, die in regelmäßigen Abständen ihre
Farben wechseln. Die Visionen, die Wissenschaftler und Beleuchtungsingenieure mit dem
Stichwort Organische Leuchtdioden (OLEDs) verbinden, kennen kaum Grenzen. OLED
steht für Organic Light Emitting Diode. Derzeit werden OLEDs vor allem bei Displays eingesetzt, doch ihre Zukunftsaussichten in der Beleuchtungsindustrie sind äußerst vielseitig
und regen nicht zuletzt die Fantasien der Raumdesigner an. Einer, der unter anderem an
der grundlegenden Funktionsweise und der Verbesserung der in der OLED-Technologie
eingesetzten Materialien forscht, ist Professor Jochen Feldmann, Lehrstuhlinhaber für Photonik und Optoelektronik des Departments für Physik der LMU. Zusammen mit seinem
Team aus rund 30 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen untersucht der Physiker,
wie Kunststoffpolymere sowie kleinste Festkörperpartikel, so genannte Nanokristalle, mit
Licht und elektrischen Feldern umgehen. Sein Forschungsteam hat sich darauf spezialisiert, optische und elektrische Experimente an einzelnen Polymermolekülen und einzelnen
Nanokristallen durchzuführen.
Jetzt haben Jochen Feldmann und seine Kollegen John Lupton und Florian Schindler untersucht, wie sich einzelne Polymermoleküle in elektrischen Feldern verhalten, die die
Forscher von außen anlegten. Solche Kunststoffpolymere stellen eine wichtige Materialklasse für den Einsatz in organischen Leuchtdioden dar. Denn sie bieten einige Vorteile
gegenüber den herkömmlichen Halbleiter-Materialien, wie Galliumarsenid, die bisher in
Leuchtdioden zum Einsatz kommen. Mit organischen Materialien wie Kunststoffpolymeren
werden sich in Zukunft großflächige und biegsame Leuchtdioden herstellen lassen. „Wir
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betreiben hier Grundlagenforschung“, erklärt Jochen Feldmann. „Wir wollen verstehen,
was auf der Nanometerskala in den Polymeren passiert, die später in größerem Umfang
in der Beleuchtungsindustrie zum Einsatz kommen könnten. Unsere Erkenntnisse über
das Verhalten einzelner Moleküle sind wegweisend für die Verwendung dieser Materialien
in OLEDs und anderen organischen Bauelementen.“ Ehemalige Doktoranden wie Florian
Schindler sind daher begehrte Mitarbeiter in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen
weltweit führender Firmen der Beleuchtungsindustrie.
Grundsätzlich sind Polymere chemische Verbindungen, die aus Ketten von gleichen Moleküleinheiten, so genannten Monomeren, bestehen. Diese speziellen, konjugierten Polymere,
für deren Eigenschaften und Verhaltensweisen sich die Münchner Physiker interessieren,
erlauben Elektronen im idealen Fall, sich über das gesamte Polymermolekül auszudehnen.
Hierdurch erhält diese Klasse von Polymermaterialien ihre charakteristischen Farbeigenschaften. Den Polymeren führen die Forscher optisch oder elektrisch Energie zu. Diese
Anregung führt dazu, dass Elektronen im Polymermolekül auf eine höhere Bahn gehoben
werden. Dabei entstehen auf den niederen Bahnen Löcher oder Fehlstellen. Diese Fehlstellen verhalten sich wie geladene Teilchen, ihre Ladung jedoch ist denen der negativ
geladenen Elektronen entgegengesetzt. Unter dem Einfluss der von außen angelegten
Spannung bewegen sich die Löcher in die entgegengesetzte Richtung wie die Elektronen.
Wenn sich nun ein angeregtes Elektron von einer höheren Umlaufbahn mit einem Loch
trifft, kommt es zur Rekombination – das Polymer setzt Energie in Form eines Photons
frei und strahlt damit Licht aus. Nun haben die Wissenschaftler um Jochen Feldmann, die
auch alle Mitglieder des Center for Nanoscience (CeNS) in München sind, untersucht, wie
einzelne Kunststoffmoleküle ihre Farbe unter Einfluss eines elektrischen Feldes verändern.
Die Farbänderung von Molekülen durch ein elektrisches äußeres Feld wird als Stark-Effekt
bezeichnet. Benannt ist das Phänomen nach Johannes Stark, der unter anderem für die
Entdeckung im Jahr 1919 den Nobelpreis erhielt. Ursprünglich beschreibt der Effekt spezifische Veränderungen der ausgestrahlten Spektrallinien von Atomen unter der Einwirkung
großer elektrischer Felder.
Elektrische Felder führen zu Farbänderungen
Im Fall der konjugierten Polymer-Moleküle stellt sich die Abhängigkeit der Farbänderung
vom angelegten elektrischen Feld anders dar als es die Forscher zuerst erwarteten. Ihre Untersuchungen an einzelnen Molekülen zeigen, dass in dem Material elektrische Ladungen
und Polarisationen vorhanden sind, die das Molekül auch ohne von außen angelegtes Feld
beeinflussen. Diese eingebauten elektrischen Felder führen ohne von außen angelegte
Spannungen zu Farbänderungen und vor allem zur Unterdrückung der Lichtemission. Insbesondere letzteres ist für organische Leuchtdioden ein Problem, welches vor diesen Untersuchungen in seiner Ursache gar nicht bekannt war, jetzt aber gezielt gelöst werden
kann. Die Möglichkeit, durch angelegte elektrische Felder nicht nur die Fluoreszenzwellenlänge, also die Farbe des Polymers zu steuern, sondern auch die Intensität, mit der das
Licht ausgestrahlt wird, zeigt neue Anwendungsmöglichkeiten der konjugierten Polymere
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als optoelektronische Schalter auf. „Manche der
Moleküle haben sogar eine Art Gedächtnis und
könnten als Speicherbausteine fungieren“, erläutert Jochen Feldmann. Für diese Art von Anwendungen hat das Forschungsteam aber schon eine
viel bessere Lösung zu bieten. In einer Kooperation mit der Universität Hamburg und der University of California at Berkeley werden wenige
Nanometer lange Kristallstäbchen, die aus unterDie Forscher am Lehrstuhl von Jochen Feldmann untersuchen, wie sich einzelne Polymermoleküle in elektrischen Feldern verhalten. Solche Kunststoffpolymere
schiedlichen Halbleitermaterialien bestehen, untersucht. Bei Anlegen elektrischer Felder zeigen
stellen eine wichtige Materialklasse für den Einsatz in
diese so genannten nano-rods noch drastischere
organischen Leuchtdioden dar.
Farbänderungen als die Polymere. Außerdem lassen sich hiermit optische Anregungen über lange
Zeit speichern und durch Ausschalten des elektrischen Feldes kontrolliert wieder abgeben.
„Nanokristalle spielen eine immer wichtigere Rolle im Bereich der Nanowissenschaften
und der Nanotechnologie“, sagt der LMU-Forscher. „Wir sind bestens gerüstet, bei diesem
wissenschaftlichen und technologischen Wettbewerb international vorne mitzuspielen.“
Forschung aus einem Guss
Jochen Feldmanns Erfolge in der Polymer- und Nanokristall-Forschung kommen nicht von
ungefähr, denn seine Forschungsarbeiten entstehen am Lehrstuhl mehr oder weniger aus
einem Guss. In den oberen Stockwerken des Instituts in Schwabing befinden sich Räume
für die chemische Aufbereitung der Polymere und die Synthese von Nanokristallen. Auch
einen modernen Reinraum für die Mikrostrukturierung der Materialien gibt es hier. In den
weitläufigen Kellergewölben finden sich schließlich Laserlabore, in denen die optischen
Experimente an den Polymeren und Nanomaterialien stattfinden. „Dadurch dass wir alle
Einrichtungen hier unter einem Dach haben, können wir schnell reagieren, wenn ein wissenschaftliches Problem auftaucht“, hebt er hervor. Sein Team ist nicht nur interdisziplinär
mit Physikern und Chemikern sondern auch international zusammengesetzt. Aus allen Himmelsrichtungen hat der Münchner Physiker Kollegen um sich versammelt. Am Lehrstuhl
geben sich Wissenschaftler aus Weißrussland, Italien, Indien, Argentinien, Holland und der
Ukraine die Klinke in die Hand. „Vor allem aus dem weißrussischen Minsk stammen mehrere hochkarätige Chemiker wie Dr. Andrey Rogach, der die Chemie- und Reinraumlabors
am Institut leitet und zu den weltweit zehn meist zitierten Wissenschaftlern auf dem Gebiet
der Nanokristalle gehört“, verrät Jochen Feldmann. Neben seinem Büro im zweiten Stock
befinden sich eine Küche und ein gemütlicher Aufenthaltsraum, in denen sich die Wissenschaftler treffen und sich entspannt über ihre wissenschaftlichen Ergebnisse austauschen
aber auch einmal über Privates plaudern können. „Ich spiele gerne mit Licht, die Phänomene faszinieren mich“, sagt er. Dass sich diese Begeisterung nicht nur auf die Forschung
an Polymeren für Organische Leuchtdioden bezieht, zeigen auch andere ForschungsaktiFebruar
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vitäten und Ergebnisse, die in letzter Zeit unter
seiner Leitung an der LMU entstanden sind. Im
Fokus der Wissenschaftler befanden sich erst vor
kurzem mit Nanokristallen hergestellte Systeme,
welche die Vorgänge bei der Photosynthese der
Pflanzen nachahmen sollen. Bei der Photosynthese entstehen aus Kohlendioxid, Licht und Wasser
mit Hilfe des Blattgrüns Sauerstoff und der Energielieferant Glucose. „Der erste entscheidende
In den wietläufigen Kellergewölben des Lehrstuhls für
Photonik und Optoelektronik finden sich die Laserlabore, in denen die optischen Experimente an den Polymeren und Nanomaterialien stattfinden.
Schritt bei der Umwandlung ist das Einfangen
und Transferieren der Lichtenergie zwischen
einzelnen Pigmentmolekülen“, erläutert er. „Wir
versuchen, solche Einfangsysteme mit Nanokri-
stallen nachzubauen und den Energietransfer mit unseren Messgeräten zu verfolgen. Weiterhin gelingt es uns mittlerweile, das Geschehen über angelegte elektrische Felder von
außen zu steuern.“
Die Pflanzen bewerkstelligen den Energietransfer, der in der Physik als Förster-Effekt bekannt ist, mit einer einzigartigen Bravour. Dabei wird aus der eintreffenden Sonnenstrahlung sehr effizient chemisch nutzbare Energie in Form von Zucker produziert ohne dass
dabei viel unbrauchbare Wärme entsteht. „Man weiß heute sehr genau, wie die Natur die
Ladungstrennung bei der Photosynthese bewerkstelligt, wie sie das Licht einsammelt und
dann in nutzbare Energie umwandelt.“ Im Prinzip werden bei dem Transfer zwei benachbarte Moleküle als Lichtantennen aufgefasst. Wenn beide Antennen, also ein Sender und ein
Empfänger, mit der gleichen Einstellung arbeiten, dann kann zwischen ihnen Energie, wie
etwa beim Lichteinfall, übertragen und anschließend vom Empfänger in einer anderen Form
weiter verwendet werden. „Für uns stand fest, dass wir diesen Energietransport auch extern
kontrollieren können, wenn wir es schaffen, das Spektrum zwischen Sender und Empfänger
zu beeinflussen“, erklärt er. Als Lichtsammelkomplex verwendeten die Wissenschaftler die
Nanostäbchen, denn diese lassen sich mittels elektrischer Felder in ihrer Farbe hervorragend abstimmen. Neben die Nanostäbchen positionierten die Forscher Farbstoffmoleküle.
Nachdem sie die Nanostäbchen mit Hilfe von Laserlicht angeregt hatten, konnten sie mittels einer angelegten Spannung ein Nanostäbchen (= Sender) in und außer Resonanz mit
einem benachbarten Farbstoffmolekül (= Empfänger) bringen. Das Molekül begann bei Resonanz zu leuchten und erlosch, wenn die Farbe des Nanostäbchens mit Hilfe der Spannung
verschoben wurde. „Dass man die farbliche Abstimmung des Energietransfers bei einem
einzelnen Sender-Empfängersystem jetzt erstmals elektrisch abstimmen kann, erzeugt eine
Fülle neuer Anwendungsmöglichkeiten“ schwärmt Jochen Feldmann. „Man kann sich ein
optisches Energienetzwerk auf der Nanometerskala vorstellen, in dem wie beim Straßenverkehr mit Ampeln der Fahrzeugstrom kontrolliert und gelenkt werden kann.“ Neben dem
An- und Abschal-ten des Moleküls waren bei diesem Experiment für die Physiker aber auch
die Erkenntnisse über den eigentlichen Energietransfer enorm aufschlussreich. Denn dieFebruar
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ser findet nicht zwischen jedem Sender und Empfänger statt, obwohl sie vielleicht direkte
Nachbarn sind. Funken die beiden nicht exakt auf derselben Energie-Wellenlänge, dann
kommt keine Kopplung zustande. „Auch in der Natur ist dieser Energietransfer durch eine
gewisse Unordnung limitiert“, sagt Klaus Becker, Doktorand am Lehrstuhl für Photonik und
Optoelektronik. Das bedeutet, dass es auch in der Natur die Pflanzen nicht zu hundert Prozent bewerkstelligen, das gesamte Sonnenlicht in chemische Energie umzuwandeln. Vielen
Phänomenen des Lichts kann Jochen Feldmann an seinem Lehrstuhl selber auf den Grund
gehen – mit ausgeklügelten technischen Methoden. Doch es gibt auch Fragen rund ums
Licht, die dem Physiker außerhalb seiner Arbeit immer wieder durch den Kopf gehen und
denen er nicht sofort im Labor nachgehen kann, wie er bedauert. „Katzen und Eulen können
viel besser sehen als Menschen“, sagt er. „Mich würde brennend interessieren, ob diese
Tiere auch einzelne Lichtteilchen wahrnehmen können.“ Die Biologie fasziniert ihn aber
auch noch auf ganz andere Weise. Als Prorektor der Universität war der Wissenschaftler in
den letzten zwei Jahren auch oft unterwegs bei Kollegen von anderen Instituten der LMU.
„Spannend fand ich dabei die Einblicke, die ich in die Neurobiologie bekommen habe“, erzählt der Physiker. „Vor allem die Erforschung der neuronalen Mechanismen bei Denk- und
Entscheidungsprozessen war für mich besonders beeindruckend.“
Prof. Dr. Jochen Feldmann ist seit 1995 Professor für Photonik und Optoelektronik an der Fakultät für Physik.
1999 erhielt er den Philip Morris Forschungspreis, im Jahr 2001 den Leibniz-Preis der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Von 2005 bis 2007 war er Prorektor der LMU.
http://www.phog.physik.uni-muenchen.de/
[email protected]
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