Arzneimittel - Nutzen und Risiken Herausgeber: ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 1 „Pharmakon“ (griech.) Heilmittel Gift (Nutzen) (Schaden) Wirksamkeit Unbedenklichkeit Anwendung Dosierung Qualität 2 Nutzen von Arzneimitteln Heilung von Krankheiten Antibiotika bei Infektionskrankheiten Linderung von Beschwerden Tabletten gegen Halsschmerzen Verhütung von Krankheiten Impfungen Erkennung von Krankheiten Röntgenkontrastmittel Beeinflussung seelischer Zustände Psychopharmaka Beeinflussung von Körperfunktionen Hormone 3 Risiken von Arzneimitteln Nebenwirkungen (unerwünschte Wirkungen) Thromboserisiko bei Einnahme der „Pille“ Wechselwirkungen Abschwächung der Wirkung der Pille bei gleichzeitiger Einnahme von Johanniskrautpräparaten Gegenanzeigen Rauchen und Pille erhöht das Thromboserisiko Resistenzbildung Antibiotikatherapie Missgebrauch, Fehlgebrauch Opioide Schmerzmittel Gewöhnung, Abhängigkeit Abführmittel 4 Unerwünschte Wirkungen Arzneistoffspezifisch, dosisabhängig Nebenwirkungsspektrum erklärbar und vorhersehbar Bei bestimmter hoher Dosierung bei jedem Menschen Stärke ist dosisabhängig z. B. Atemdepression bei Opioiden 5 Unerwünschte Wirkungen Sekundäre unerwünschte Wirkungen Folgen der Hauptwirkung z. B. Schädigung der physiologischen Bakterienflora durch Therapie mit Breitspektrum-Antibiotikum Allergie Weitgehend dosisunabhängig Nicht charakteristisch für den Arzneistoff Arzneimittelkrankheit Durch Pharmaka ausgelöste krankhafte Zustände bleiben nach Absetzen des Arzneimittels bestehen 6 Beipackzettel Auflistung aller bekannten Nebenwirkungen des Arzneimittels Verunsicherung der Patienten Verpflichtung des Arzneimittelherstellers Hinweise zur Wahrscheinlichkeit, dass die Nebenwirkung auftritt 7 Häufigkeit der Nebenwirkungen Sehr häufig >10 % bei mehr als 1 von 10 Patienten Häufig 1-10 % bei 1 bis 10 von 100 Patienten Gelegentlich 0,1-1 % bei 1 bis 10 von 1000 Patienten Selten 0,01-0,1 % bei 1 bis 10 von 10000 Patienten Sehr selten <0,01 % bei weniger als 1 von 10000 Patienten 8 Nebenwirkungsfreie Arzneimittel? „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkungen zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“ G. Kuschinsky 9 Wieviel Nebenwirkung ist erlaubt? Abhängig vom: Krankheitsrisiko Vorhandensein gleich wirksamer Arzneimittel gegen die Erkrankung Ausmaß der unerwünschten Wirkungen vorhandener Arzneimittel Nutzen-Risiko-Bewertung 10 Nutzen-Risiko-Bewertung (I) tolerierbares Ausmaß der unerwünschten Wirkung abhängig vom Zweck der Anwendung Abwägen des Krankheitsrisikos gegen das therapeutische Risiko Indikation Tolerierte unerwünschte Wirkungen Mittel gegen Halsschmerzen verändertes Geschmacksempfinden Antibiotikum gegen lebensgefährliche Infektion Hörstörungen, Durchfall Tödlich verlaufende Tumorerkrankung Übelkeit, Erbrechen,Blutbildschädigung, Haarausfall, 11 Nutzen-Risiko-Bewertung (II) unerwünschte Wirkung im Vergleich zu bereits vorhandenen Arzneimitteln mit gleicher Wirksamkeit Wirksamkeit unerwünschte Wirkungen Fortschritt vergleichbar vergleichbar ? vergleichbar weniger oder unbedeutender ja vergleichbar häufiger oder bedeutender nein besser häufiger oder bedeutender ? 12 Nutzen-Risiko-Bewertung (III) Auftreten seltener unerwünschter Wirkungen oft erst nach der Zulassung Arzneimittel mit unbekanntem Wirkstoff werden der Verschreibungspflicht unterstellt ärztliche Kontrolle Sammlung von Informationen Auswertung Entscheidung über Verschreibungspflicht 13 Arzneimittelrisiken Pharmazeutischer Unternehmer Beobachtet von Ärzten bzw. Apothekern Arzneimittelkommissionen der Ärzte und Apotheker Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auswertung, Beurteilung Empfehlungen, Maßnahmen 14 23.09.2010 Rosiglitazon: Das BfArM ordnet Vertriebseinstellung an Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA bewertete Studienergebnisse zum Antidiabetikum Rosiglitazon, insbesondere für Patienten mit kardialer Vorerkrankung und kam zu einem ungünstigen NutzenRisiko-Verhältnis. Daraufhin wurden Arzneimittel mit diesem Wirkstoff vom Markt genommen. 15 Arzneimittelentwicklung Wirksamkeit Spezifität Unerwünschte Arzneimittelwirkungen 16 „Kortisonangst“ in den 70er Jahren „Hammermedikament“ mit starken Nebenwirkungen Keine Langzeiterfahrungen mit dem Hormon Falsche Dosierung Nebenwirkungen • Muskelabbau, Wasser- und Fetteinlagerungen • Müdigkeit, Appetitverlust, Gewichtsabnahme • Infektionen, Wundheilungsstörungen, Osteoporose • Magen-Darm-Geschwüre • Abnahme der Hautdicke, Akne 17 Kortisontherapie gestern und heute gestern heute Wirkstoffvielfalt Kleine Anzahl verschiedener Wirkstoffe Große Auswahl an Wirkstoffen mit spezifischer Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen Darreichungsformen Tabletten, Injektionen Neue lokale Anwendungsformen, z. B. Gele, Cremes, Salben, Augentropfen, Nasensprays, Aerosole Dosierung Zu hohe Dosen Hohe Dosen nur über kurze Zeit, niedrige Dosierung in der Langzeitbehandlung 18 Die moderne Kortisontherapie Asthma Aerosole zur Inhalation mit lokaler Wirkung Allergie Hauterkrankungen Augentropfen und Nasensprays mit lokaler Wirkung Cremes, Salben, Gele mit lokaler Wirkung Rheuma Tabletten, Spritzen mit systemischer Wirkung 19 Von der Neben- zur Hauptwirkung Erkrankung 1 Arzneimittel Gewünschte Wirkung = Unerwünschte Wirkung Unerwünschte Wirkung = Gewünschte Wirkung Arzneimittel Erkrankung 2 20 Von der Neben- zur Hauptwirkung Sulfonamidfarbstoffe Entdeckung der chemotherapeutischen Wirkung Einsatz als Antiinfektivum (Domagk 1935) Verbesserte Wirkstoffe in der Klasse der Sulfonamidantibiotika Entdeckung der blutzuckersenkenden Nebenwirkung (1942) Antidiabetikum (1955) Verbesserte Wirkstoffe (Sulfonylharnstoffe) ohne antibiotische Wirkung 21 Von der Neben- zur Hauptwirkung Entwicklung eines Blutdrucksenkers Nebenwirkung: Wirksamkeit bei erektiler Dysfunktion Sildenafil Ungeeignet als Blutdrucksenker Potenzmittel Viagra® Nebenwirkung: Blutdrucksenkung (Vorsicht vor Kombination mit Nitraten) 22 Produkt -sicherheit Vertriebswegsicherheit Arzneimittelsicherheit Anwendungssicherheit Arzneimittelgesetz, Großhandelsverordnung Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung 23 Produktsicherheit ArzneimittelVertriebsweg- sicherheit Anwendungssicherheit sicherheit Arzneimittelgesetz, Großhandelsverordnung Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung 24 Produktsicherheit (I) Zulassung von Arzneimitteln Nachweis der Qualität nach pharmazeutischen Standards Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit Nachweis der Unbedenklichkeit 25 Produktsicherheit (II) Nachweis der Qualität Qualitätsmerkmale, die der Hersteller nachzuweisen hat, sind z. B. Identität, Reinheit, Gehalt Stabilität, Haltbarkeit, Dosiergenauigkeit GMP-Richtlinien (Good Manufactering Practice = sachgerechte Herstellungspraxis) „Gute Manieren beim Produzieren“ Anforderungen an Personal, Räumlichkeiten, Hygiene usw. 26 Produktsicherheit (III) Nachweis der Wirksamkeit Nutzen der Behandlung bei einer bestimmten Erkrankung belegen Nachweis in pharmakologischen Versuchen im Labor Vergleich mit Scheinmedikamenten (Placebo) Vergleich mit anderen schon getesteten Arzneimitteln 27 Produktsicherheit (IV) Prüfung der Unbedenklichkeit Freiheit von – nach dem Stand der Wissen- schaft unannehmbaren – unerwünschten Arzneimittelwirkungen häufig gilt: je stärker und besser wirksam ein Arzneimittel ist, umso eher ist auch mit unerwünschten Wirkungen zu rechnen Abwägung zwischen Nutzen und evtl. Risiken 28 29.08.06 dpa Blutgerinnung: Neue Wirkstoffe in Aussicht Bei Patienten mit Herz- oder Venenkrankheiten lässt sich die Blutgerinnung durch neue Wirkstoffe künftig sicherer regulieren. Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie rechnet für 2008 mit der Zulassung eines neuen Präparates.[...] 29 IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Untersuchungen über den Nutzen medizinischer Leistungen für den Patienten Qualität und Wirtschaftlichkeit stehen auf dem Prüfstand 30 11.05.2010 IQWiG L-Methionin bei Patienten mit neurogenen Blasenstörungen Es gibt keinen Beleg für einen Nutzen oder Schaden von L-Methionin bei der Behandlung von Patienten mit neurogenen Blasenstörungen, weder für die Prophylaxe und Behandlung von Harnwegsinfektionen noch für die Vermeidung der Steinneubildung bei Phosphatsteinen oder die Optimierung der Wirkung von Antibiotika mit Wirkungsoptimum im sauren Urin. 31 Produktsicherheit ArzneimittelVertriebsweg- sicherheit Anwendungssicherheit sicherheit Arzneimittelgesetz, Großhandelsverordnung Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung 32 Vertriebswegsicherheit (I) apothekenpflichtig freiverkäuflich (apothekenfrei) auch außerhalb der Apo- theken im Einzelhandel schwach wirksame Heilmittel, z. B. Mineral- und Heilwässer Bademoore bestimmte Tees Pflaster Abgabe nur in Apotheken von pharmazeutisch geschultem Personal apothekenpflichtige Arzneimittel Selbstbehandlung (nicht rezeptpflichtig) verschreibungspflichtige Arzneimittel Betäubungsmittel 33 Apothekenpflichtige Arzneimittel Nicht verschreibungspflichtig keine Bedenken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Selbstmedikation z. B. leichte Schmerz- und Fiebermittel Mittel gegen Erkältungen Verschreibungspflichtig stärker wirkende Arzneimittel mit größerer Gefahr unerwünschter Wirkungen Ärztliche Verordnung z. B. Schmerzmittel Schlafmittel Blutdrucksenker Antibiotika Betäubungsmittel sehr stark wirkende Arzneimittel mit hoher Missbrauchsgefahr Ärztliche Verordnung spezielle Rezeptformulare Dokumentation z. B. stark wirksame Schmerzmittel 34 Produktsicherheit ArzneimittelVertriebsweg- sicherheit Anwendungssicherheit sicherheit Arzneimittelgesetz, Großhandelsverordnung Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung 35 Anwendungssicherheit Krankheitsbild Asthma bronchiale Diabetes mellitus Hypertonie Epilepsie Arthritis Osteoporose Grad der NonCompliance (%) 20 40 - 50 50 30 -50 55 - 70 > 50 Quelle: American Association of Retired Persons, 1993 36 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 37