extra Oktober 2014 Auszug Karosserie: INNOVATIVE LEICHTBAUKONZEPTE FÜR MOTORHAUBEN Das Projekt ThyssenKrupp InCar plus Lösungen für automobile Effizienz K AROSSERIE INNOVATIVE LEICHTBAUKONZEPTE FÜR MOTORHAUBEN Moderne Stahltechnologien und Leichtbaukonzepte machen Motorhauben mehr als 20 % leichter. Durch den Einsatz des biegesteifen und leichten Werkstoffverbunds Litecor kann dieses Leichtbaupotenzial gehoben werden, ohne Abstriche bei der Performance oder Sicherheit machen zu müssen. Geringe Leichtbaukosten sorgen zudem für eine hohe wirtschaftliche Attraktivität dieser Lösung. Ein Multimaterialkonzept mit Magnesiumblech ermöglicht sogar einen Gewichtsvorteil von bis zu 40 %. ThyssenKrupp hat im Rahmen von InCar plus verschiedene Konzepte für leichte und kostenoptimierte Motorhauben untersucht, 1. Der steifigkeitsopti- mierte Werkstoffverbund Litecor, der aus zwei sehr dünnen Stahl-Deckblechen und einem Kunststoffkern besteht, eignet sich besonders gut zur Erfüllung der Benchmark Motorhauben Segment Mittelklasse Werkstoff Gewicht Obere Mittelklasse Aluminium Stahl 20,4 kg 20,1 kg 20,9 kg 10,9 11,6 11,0 11,0 kg 12,2 kg 13,7 kg 5,7 6,2 6,9 Flächengewicht [kg / m²] InCar®plus InCar ®plus-Referenz InCar ®plus-Lösung LITECOR ® InCar ®plus-Lösung Stahl-MagnesiumHybrid 19,3 kg 14,9 kg 11,3 kg Konzept Stahl LITECOR ® Magnesium Gewicht 10,2 Flächengewicht [kg / m²] 7,9 1Benchmark von Motorhauben (oben) und InCar plus-Motorhaubenkonzepten (unten) 112 6,0 teilweise gegensätzlichen Anforderungen hinsichtlich Steifigkeit und Fußgängerschutz. Die Dicke der Stahl-Deckbleche und des Kunststoffkerns lassen sich variieren und ermöglichen so maßgeschneiderte Lösungen für spezielle Anwendungen und Anforderungen. Zu Beginn des Projekts standen umfangreiche Recherchen, in denen der Stand der Technik sowohl von Alu­ minium- als auch von Stahl-Motorhauben in der Mittelklasse und oberen ­M ittelklasse ermittelt wurde. Die für InCar plus entwickelte Referenzhaube aus Stahl ­orientiert sich hinsichtlich der globalen Steifigkeit und der Beulstei­ figkeit an den besten Motorhauben. Ein wichtiges Kriterium bei der Auslegung einer Motorhaube ist der Fußgängerschutz. Alle Haubenvarianten werden deshalb Aufprallsimulationen nach dem Euro-NCAP-Verfahren unterzogen. An 168 Messpunkten auf der Frontstruktur des Fahrzeugs wird am Beispiel eines Dummy-Kopfaufpralls ermittelt, wie kompatibel die Struktur mit den Zielen des Fußgängerschutzes ist. Die ReferenzMotorhaube von InCar plus und alle untersuchten Konzepte bieten ein Potenzial für fünf Sterne bereits ohne aktive Maßnahmen, wie etwa das Anheben der Motorhaube durch entsprechend gestaltete Scharniere. K AROSSERIE 250 AUSSENHAUT AUS LITECOR MIT GEWICHTSOPTIMIERTER INNENSTRUKTUR 200 50 0 0 250 4 6 8 10 InCar®plus-LITECOR® Kraft [N] 200 150 100 50 0 0 2 200 4 6 8 10 Verschiebung [mm] Beschleunigungsverlauf für Punkt A 4 8 Simulation 2Beulsteifigkeit der Referenz-Motorhaube (oben) und der Litecor-Motorhaube (unten) ­ 1700 < ∞ Punkt A48 2 Verschiebung [mm] 650 < 1000 1350 < 1700 STRUKTURMECHANISCHE AUSLEGUNG Die Litecor-Motorhaube mit gewichtsoptimiertem Innenteil wurde hinsichtlich der Lastfälle Torsionssteifigkeit, Quersteifigkeit vorne, Längssteifigkeit und Quersteifigkeit hinten überprüft. Sie erfüllt die Zielwerte der glo­balen Steifigkeit. Die Beulsteifigkeit erreicht ein ver- 100 Beschleunigung [m/s²] 1000 < 1350 150 Kraft [N] Die Motorhauben-Außenhaut aus dem Werkstoffverbund Litecor ist aufgrund der hervorragenden Steifigkeitseigenschaften und des geringen Flächengewichts 2,9 kg leichter als die Außenhaut der Referenzhaube. Zusätzlich besteht noch weiteres Gewichtseinsparpotenzial in der Innenstruktur. Im Vergleich zur Referenz-Außenhaut mit einer Blech­ dicke von 0,70 mm ist der Schichtaufbau von Litecor mit einer Gesamtstärke von 0,85 mm etwas dicker und verfügt daher über eine höhere Beulsteifigkeit. Dadurch kann die Innenstruktur durch eine Verringerung der Blechdicke und Optimierung des Strebenbilds angepasst werden. Das spart im Vergleich zur Referenzstruktur weitere 1,5 kg ein. ­Insgesamt ist die Motorhaube mit ­L itecor-Außenhaut und optimiertem Innenteil somit 4,4 kg leichter als die Referenz. Fußgängerschutzbewertung 0 < 650 InCar® plus-Referenz HIC-Wert: 519 150 Versuch HIC-Wert: 616 gleichbar 100hohes Niveau wie bei der Referenz-Motorhaube, 2. Die Euro-NCAP-Fußgängerschutz­ bewertung 50 wird virtuell am Gesamtfahrzeug bestimmt. Unter Berücksichtigung der HIC-Werte (Head Injury Criterion) aller0 168 Aufprallpunkte wird ein 0 0,005 0,01 Potenzial für eine Fünf-SterneBewer­­t ung erreicht. Um die virtuelle Entwicklung zu validieren, wurden Prüfstandsversuche an PrototypenMotorhauben durchgeführt. Die Versuchsergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung mit der ­Simulation, 3. 0,015 0,02 0,025 0,03 Zeit [s] Kopfaufprall Simulation Kopfaufprall Versuch 3Vergleich Simulation (links) und Versuch (rechts) Oktober 2014 ThyssenKrupp InCar p lus 113 K AROSSERIE MULTIMATERIALBAUWEISE ALS KONZEPT 114 77,10 € 53,70 € 44,20 € 19,3 kg 14,9 kg 11,3 kg 4Die InCar plus-Lösungen InCar ®plus-Referenz bieten bis zu 8 kg Gewichtsvorteil pro Motorhaube ATTRAKTIVE KOSTEN, POSITIVE AUSSICHTEN Beide Konzepte sind hinsichtlich Fertigung und Kosten ausführlich bewertet und für die Integration in den konventionellen Rohbau geeignet. Für jedes Konzept existiert eine detaillierte Rohbau­ planung samt Kostenaufstellung, 4. Das Falzen von Litecor erfordert nur geringfügige Anpassungen in der TableTop-Falzanlage. Bei kleineren Stückzahlen kann auch das Rollfalzen sinnvoll sein. Insgesamt schlagen für die LitecorMotorhaube Leichtbaukosten von weniger als 2,20 €/kg zu Buche. Beim Multimaterialkonzept führen die Materialkos- 500 Treibhauspotenzial [kg CO2-Äqv.] Eine innovative Möglichkeit, Gewicht zu sparen, ist die Kombination von Magne­ siumblech für die Innenstruktur und sehr dünnem, aber höherfestem Stahlblech für die Außenhaut. Eine Motorhaube in dieser Multimaterialbauweise wiegt dank der geringen Dichte von Magnesium nur 11,3 kg, mithin etwa 8 kg weniger als die Referenz. Das Leichtbaupotenzial verbirgt sich unter der Außenhaut in Form einer optimierten Innenstruktur der Motorhaube. Eine Wabengeometrie stützt die Außenhaut flächig ab und ermöglicht den ­Einsatz besonders dünner Stahlbleche für die Außenhaut. Selbst bei einer nur 0,50 mm dicken Außenhaut bietet das neu entwickelte Konzept eine gute Beulsteifigkeit. Die globalen Steifigkeiten entsprechen den Zielwerten. Im Euro-NCAPFußgängerschutz wird ein Potenzial für eine Fünf-Sterne-Bewertung erreicht. Die fertigungstechnische Machbarkeit des Magnesiumblechbauteils hat ThyssenKrupp vollständig geprüft. Das Umformen von Magnesium erfolgt bei einer Temperatur von etwa 240 °C im beheizten Werkzeug. Eine Umformsimulation bestätigt die Herstellbarkeit der Magnesiumblechbauteile. Die Scharnier- und Schlossverstärkungen aus Magnesiumblech lassen sich mit dem Magnesiuminnenblech durch Punktschweißen fügen. Die Taktzeiten betragen etwa 0,4 bis 0,65 s pro Schweißpunkt und sind vergleichbar mit denen von Stahlbauteilen. Die Außenhaut aus extrem dünnem Stahlblech wird per Table-Top-Falzen mit der Innenstruktur aus Magnesiumblech verbunden. Des Weiteren ist für die Magnesiumblechbauteile ein zusätzlicher Korrosionsschutz erforderlich. In diesem Fall wird eine Mehrschicht-Nasslackierung für hohe Korrosionsanforderungen verwendet. Da sich die mechanischen und ther­ mischen Eigenschaften von Stahl und ­Magnesium unterscheiden, ist eine werk­ stoffgerechte Konstruktion unabdingbar. ­Größere Querschnitte in den umlaufenden Profilen ermöglichen eine individuelle Anpassung der globalen Steifigkeit an die Kundenanforderungen. Damit die Motorhaube weiterhin die Vorgaben zum Fußgängerschutz erfüllt, ist eine gezielte Schwächung der Profile mittels Schlitzen möglich. Kosten- und Gewichtsvergleich [200.000 Fzg./ Jahr] InCar ®plus-Lösung LITECOR® InCar ®plus-Lösung Stahl-MagnesiumHybrid ten für das Magnesiumblech und dessen Weiterverarbeitung zu Leichtbaukosten von 4,11 €/kg. Beide Konzepte sind auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft, 5. Bezieht man die Rohstoffgewinnung, Materialherstellung und das Recycling in die Bilanz mit ein, sind beide Lösungen ökologisch sehr attraktiv. Die Serientauglichkeit von Litecor wurde bereits erfolgreich an der Motorhaube des VW Polo World Rally Car nachgewiesen. Die Großserienpro­ duktion von Litecor soll mittelfristig zunächst für Innenteile erfolgen, in Außenhautqualität für sichtbare Bauteile im Anschluss. Treibhauspotenzial InCar ®plusReferenz 400 InCar ®plusLösung LITECOR ® 300 InCar ®plusLösung StahlMagnesium-Hybrid 200 100 0 0 50.000 100.000 150.000 200.000 Laufleistung [km] 5Beide InCar plus-Lösungen sind bezüglich des Treibhauspotenzials besser als die Referenz