Holz(hoch)häuser stehen hoch im Kurs - Forum

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Seite 106 · Nummer 4 · Holz-Zentralblatt
Holzbau
Freitag, 29. Januar 2016
Holz(hoch)häuser stehen hoch im Kurs
Urbanes Bauen hat viele Gesichter – das zeigte ein Vortragsblock des IHF-Kernforums
Im Rahmen des zweitägigen Kernforums des 21. „Internationalen Holzbau-Forums“ (IHF) in Garmisch-Partenkirchen (2. bis 4. Dezember 2015)
stellten fünf Referenten unter dem Titel „Aufstockung, Mehrgeschossig,
Hochhaus“ neue Projekte in der Planung und Realisierung vor. Zum einen
geht das Bauen mit Holz international
mittlerweile weit über zehn Geschosse
hinaus, wie ein Blick nach Bergen und
Wien zeigt. Zum andern schaffen Aufstockungen nicht nur neuen Platz,
sondern können Bestandsgebäude
auch aufwerten, wie ein aktuelles
Großprojekt in Nürnberg eindrucksvoll demonstriert.
Inzwischen ist klar: Der mehrgeschossige Holzbau ist salonfähig geworden.
Besonders in Städten finden die Vorteile von Holz immer mehr Zuspruch. Begünstigt hat diese Entwicklung auch der
Trend „Zurück in die Stadt“. Immer
mehr Menschen erkennen die Vorzüge
kurzer Wege und vorhandener Infrastruktur. Aber auch die Zuwanderung
und ein steigender Wohnflächenbedarf
je Person sorgen in Ballungszentren für
wachsende Nachfrage. Es gilt daher, die
vorhandenen Potenziale bestmöglich
zu nutzen; sie liegen in der städtischen
Nachverdichtung, u. a. im Aufstocken
von Gebäuden oder auch im Bau mehrgeschossiger Holzhäuser, in denen auf
kleiner Grundstücksfläche viele bzw.
mehr Menschen unterkommen.
In Sachen umwelt- und klimagerechtes Bauen ist die Holzbauweise sowieso
ungeschlagen und gewinnt Anhänger
auch außerhalb der Gruppe holzaffiner
Planer und Bauherren. Diese Entwicklungen spiegelten auch die Vorträge des
Themenblocks „Aufstockung, Mehrgeschossig, Hochhaus“ wider. Moderiert
hat ihn Prof. Uwe Germerott von der
Berner Fachhochschule Architektur,
Holz und Bau (BFH-AHB) in Biel,
Schweiz.
Gelungener Umbau eines
unschönen Industriebaues
Das Projekt „TM 50 – 5 000 m² Aufstockung in High Performance-Teamarbeit“ stellte Heiko Seen vor, Geschäftsführer der Kooperation Holzunion aus
Heiko Seen
Rotenburg/Wümme (Niedersachsen).
Aus einem Teil des ehemaligen Laborgebäudes von Foto-Quelle wurde 2015
ein Aufstockungsprojekt der Superlative in der Gebäudeklasse 5 (GK 5) als
Sonderbau. Benannt nach seinem
Aufstockung aus Holzrahmenbau- und
Brettsperrholzelementen bedingte, dass
bereichsweise Zwischengeschosse eingezogen werden mussten. Für die langgezogenen, flachen und unsymmetrischen Satteldächer mit zum Teil weit
hinuntergezogenen Abkantungen kam
BSP zum Einsatz. „Trotz vieler gleicher
Bauteile aufgrund der fünf aufgesetzten
und sehr ähnlichen Querriegel war die
Logistik für die Bauteilfertigung, -anlieferung und den Montageablauf eine
Kunst für sich, versicherte der Holzunion-Geschäftsführer. Eine weitere He-
Marie
Johansson
Aus einem Teil des ehemaligen Laborgebäudes von Foto-Quelle in Nürnberg wurde 2015 ein Aufstockungsprojekt der Superlative in der Gebäudeklasse 5. Auch
der Bestand wurde energetisch saniert und insgesamt architektonisch aufgewertet
Foto: Fotodesign Peter Dörfel
Das Luftbild vermittelt einen guten Eindruck vom baulichen Umfeld und von der
Dimension der 102 m langen und 74 m breiten, zweigeschossigen Aufstockung
„TM 50“ mit ihren fünf versetzt angeordneten Querriegeln und vier
Innenhöfen
Foto: Enis Avdic
Standort (Thomas-Mann-Str. 50 in
Nürnberg), ist die zweigeschossige
Aufstockung ein Paradebeispiel für
professionellen Holzbau und minutiöses Großbaustellen-Management, wie
Seens Vortrag an vielen repräsentativen
Bauablauf- und Montagevorgängen
deutlich machte.
Allein die Dimension des (Teil-)Objekts mit 74 × 102 m ist beeindruckend.
„Die Größe war schließlich auch der
Grund, dass der Auftrag nicht an einen
einzelnen Betrieb, sondern an die Holzunion, einen Zusammenschluss von
fünf Holzbauunternehmen, vergeben
wurde“, so der Referent. „Der Holzbau
an sich – die vorgefertigten Holzrahmenbauwände inklusive eingebauter
Fenster und die Brettschichtholz-Stützenkonstruktion mit Nagelplattenbindern und biegefesten Eckanschlüssen –
stellte dabei nicht die eigentliche Herausforderung dar. Das waren vielmehr
Logistik und Montage im Bestand, bei
der ein extrem knapp bemessener Zeitplan einzuhalten war“, erklärte Seen.
Die Kooperation der Firmen war insofern entscheidend, als über vier Monate
25 bis 30 Mitarbeiter in das Projekt eingebunden waren; eine Zahl, die nur we-
nige Einzelbetriebe des Holzbaus auf
längere Zeit alleine stemmen könnten.
Die Gründe für die Entscheidung des
Bauherrn (H. Schmelzer GmbH, Nürnberg), die ambitionierte Aufstockung
auf dem massiven, im Inneren aufgrund
seiner raumtiefe dunklen und unwohnlichen Altbaukörper aus den 1970erJahren fast ausschließlich in Holzbauweise auszuführen, lagen in den stati-
rausforderung waren teilweise erhebliche Maßintoleranzen des Bestandsbaus
und, wie eingangs bereits erwähnt, der
enge Zeitplan. Dennoch bewältigte das
Team die Aufgabe in nur fünf Monaten
Bauzeit, von Anfang Oktober 2014 bis
Ende Februar 2015.
Auf einem etwa 5 000 m² großen
Gebäudeteil – das entspricht der Größe
eines Fußballfeldes – entstand so ein
hochwertiger Holzbau, der heute verschiedenen Mietern (u. a. die Bundesagentur für Arbeit) ein attraktives Gewerbeumfeld bietet. Das Gebäude mit
seiner neuen architektonischen Gestaltung wirkt heute zeitgemäß frisch, die
Menschen fühlen sich wohl darin, weiß
Seen aus erster Hand.
Holzbau in Schweden und
der Schweiz politisch gewollt
Über die kommunale Holzbaustrategie der Stadt Växjö und verschiedene
Wohnbauprojekte in Holzbauweise, davon ein (fast) Neungeschosser in dem
aus Holz gebauten Stadtteilgebiet Välle
Broar, sprach Prof. Marie Johansson
von der Linnaeus University Växjö/SP
Das derzeit im Bau befindliche Projekt „Freilager Zürich“
entsteht auf einer Fläche von zehn Fußballfeldern. Die 20 m
hohen Häuser werden bis auf die Erschließungskerne komplett aus Holz errichtet Visualisierung: Business Images AG
Zwischen den fünf Gebäuderiegeln des TM 50 haben die Planer Innenhöfe geschaffen, die nun viel Tageslicht ins Innere bringen. Zu diesem Zweck wurden Teile der alten Stahlbeton-Fertigteil-(Dach)decke herausgeschnitten
Foto: L. Pirson
schen Vorteilen von Holz bei geringerem Eigengewicht – vorgefertigte Elemente aus Holz sind wesentlich leichter
als Stahlbetonteile gleicher Dimension
–, in der hohen Belastbarkeit der gewählten Bindertypen und schließlich
darin, dass Holz mit seinem eingelagerten Kohlenstoff zum Klimaschutz beiträgt.
Im Zuge der Aufstockung wurden
auch gleich Teile des Bestandsgebäudes
mit saniert, während im Erdgeschoss
Mieter ihrer Geschäftstätigkeit weiter
nachgehen konnten, was allerdings
auch eine gewisse Erschwernis darstellte. Die Gebäudehülle wurde energetisch mit vorgehängten Holzrahmenbau-Elementen verbessert, ebenso die
Lichtsituation durch Schaffung von vier
Innenhöfen. Dazu wurde die Stahbetondecke an mehreren Stellen aufgeschnitten. Die teilweise bis zu 7 m hohe
2020 die Hälfte aller Neubauten in
Holzbauweise zu errichten; Holzbau
heißt dabei, dass der größte Teil der
Tragstruktur aus Holz besteht.
Johansson stellte außerdem die mehrgeschossigen Holzbauten vor, die innerhalb der Stadtgrenze Växjös im Laufe
der letzten 21 Jahre entstanden sind –
überwiegend durch die Kommune
selbst. Dabei handelt es sich um die Projekte Wälludden (1995), Limnologen
(2009) und Portvakten (2010). Aber vor
allem vom Neubaugebiet „Vallen“ und
den dort errichteten und 2015 fertiggestellten beiden Wohnblocks in Holzbauweise mit bis zu acht Vollgeschossen
plus ein Dachgeschoss, die u. a. mit den
‚Trä 8‘-Systembindern errichtet wurden,
berichtete sie ausführlich (vgl. HolzZentralblatt, 2015, Nr. 48, Seite 1187).
Mit den ambitionierten Zielen für die
Zukunft dürfte der Holzbau in Schweden wieder zu neuer Blüte erwachen, so
ihre Prognose.
Dass das Thema „urbanes Bauen mit
Holz“ auch in der Schweiz dank der politischen Verankerung mehr denn je
gewollt ist und stattfindet, zeigte Max
Renggli vom gleichnamigen Holzbau-Unternehmen aus Sursee (Kanton Luzern)
in seinem Vortrag „Holzbauten finden
Akzeptanz in den Städten. Anlass sind
hier ebenfalls Klimaschutz- und Nach-
Max Renggli
haltigkeitsaspekte, die Verringerung des
Primärenergiebedarfs und damit die Verminderung des CO2-Ausstoßes.
Als beispielhaftes Projekt für die aktuellen Entwicklungen im Holzbau in
der Schweiz stellte Renggli das Projekt
„Freilager“ in Zürich vor. Das rund
70 500 m² große Areal, dessen Fläche etwa so groß ist wie zehn Fußballfelder
und auf dem jahrzehntelang Autohan-
Das (derzeit noch) höchste Holzhochhaus der Welt, ein 14Geschosser im norwegischen Bergen, misst 51 m Höhe. Ein
turmähnliches Gerüst aus Fachwerkbindern dient gestapelten
Raummodulen als Tragwerk
Visualisierung: Sweco
Trätek (Schweden). Seit 1994, mit Änderung der Baunorm zugunsten des
Holzbaus, aber auch seitdem es Umwelt- und Klimaschutzdebatten gibt,
wollen Staat und Kommunen in Schweden mehr und mehr den Holzbau fördern. Die Stadt Växjo entschloss sich
2005 dazu, der staatlichen Strategie zu
folgen und in den Städten mehr Holzbau zu betreiben. Wegen ihrer umweltfreundlichen Aktivitäten und der damit
verbundenen CO2-Reduzierung von
47% auf 2,4 t pro Einwohner und Jahr
wurde Vaxjö 2007 dann sogar zur
grünsten Stadt Europas ernannt, erzählte die Professorin.
Vor dem Hintergrund der neuen
Holzbaustrategie baute man zuerst einen ganzen Stadtteil von Växjo aus
Holz, das eingangs genannte Välle Broar. Das nächste Ziel war, bis 2015 ein
Viertel aller neuen Gebäude bzw. bis
del betrieben wurde, steht heute für
nachhaltigen Wohnungsbau – in einer
heute fast autofreien Zone. Ökologisch
orientieren sich die Gebäude an den
Kriterien der „2000-Watt-Gesellschaft“.
Bis 2016 entstehen auf dem ehemaligen Zollfreilager 800 Mietwohnungen
und 200 Studentenzimmer, verteilt auf
zwei Bestandsgebäude und zehn Neubauten. Davon werden drei sechsgeschossige Gebäuderiegel in Holzsystembauweise realisiert. „Hier ging die
Bauherrschaft neue Wege“, so Renggli
und lieferte die Begründung gleich
nach: „Sie errichteten die zwischen 70
und 100 m langen, 18 m breiten und
20 m hohen Häuser bis auf die Erschließungskerne komplett aus Holz, was in
Bezug auf die Gebäudehöhe eine
schweizerische Pionierleistung ist.“
Fortsetzung auf Seite 107
Holzbau
Freitag, 29. Januar 2016
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Multifunktionaler Holzbau auf dem Chäserrug
Schweißbare Unterdachbahn trotzt auch extremen Witterungsbedingungen
Im Juni 2015 eröffnete auf dem
Schweizer Berg Chäserrugg ein neues
Gipfelrestaurant (vgl. auch Beitrag auf
Seite 101). Das Gebäude wurde als
multifunktionaler Holzbau konzipiert,
der über die alte Gondelstation gesetzt
wurde. Der Chäserrugg (2 262 m über
Meereshöhe) gehört zu den sieben
Churfirsten in den Appenzeller Alpen,
deren Gipfel aufgereiht wie auf einer
Schnur in den Himmel ragen. Mit dem
Neubau des Gipfelrestaurants auf
seiner Spitze möchte die Toggenburger Bergbahnen AG, Unterwasser
(Schweiz), den Tourismus stärken.
Das Basler Architekturbüro Herzog
und de Meuron erhielt den Auftrag,
nicht nur eine reine Gondelstation mit
Skihütte zu planen, sondern ein Kulturund Tagungszentrum, das das ganze
Jahr hindurch Besucher anzieht.
Hinter die bestehende Gondelstation,
die aus Norden von der Station Unterwasser angefahren wird, wurde ein großer Querriegel gesetzt – der eigentliche
Neubau. Ein asymmetrisches Satteldach mit weiten Dachüberständen
spannt sich über beide Gebäudeteile.
Richtung Süden hin ist es breiter und
tief heruntergezogen. Im Querriegel befindet sich das Restaurant; seine südliche Seite ist voll verglast und bietet Zutritt auf die davor liegende Terrasse. Bis
zu 350 Gäste finden Platz, weitere 90 im
Außenbereich.
Der multifunktionale Holzbau kombiniert konventionell erstelltes Tragwerk und vorgefertigten Holzrahmenbau. Er sitzt auf einem Betonfundament
auf. Das Dach ist als Sparrendach konzipiert. Seine auskragende Form hat eine einzigartige Stützengeometrie: Dreiarmige Betonfundamente tragen die
Ein asymmetrisches Satteldach mit weiten Dachüberständen spannt sich über
beide Gebäudeteile
Das Dach ist als Sparrendach konzipiert und zieht durch seine auskragende Form
eine einzigartige Stützengeometrie nach sich
Alle Fotos: Blumer-Lehmann
sich vertikal und diagonal auffächernden Pfettenstützen an der Ostseite der
Gondelstation, die Fußpunkte der Streben sitzen auf unterschiedlichen Höhen. Eine weitere Besonderheit sind die
„fliegenden“ Sparrenköpfe: Da auf einen abschließenden Schrägsparren verzichtet werden sollte, sind sie an in der
Dachebene versteckten Brettschichtholzträgern befestigt und von oben verschraubt.
oberer und unterer Deckschicht sowie
einer dazwischenliegenden Funktionsschicht zusammen. Aufgrund der verwendeten monolithischen Technologie
ist die Funktionsschicht durchgehend
homogen und weist keine Porösität auf,
d. h. sie lässt keine Feuchtigkeit von außen in die Konstruktion, führt jedoch
Dampf über Molekulartransport von
innen nach außen ab. Unter der Bedachung garantiert sie als zweite wasserführende Ebene Schutz vor der Witterung, und das bei hoher Temperaturbeständigkeit (-40 °C bis +100 °C). Ihre
Nähte sind entweder mit Heißluft oder
mit dem Quellschweißmittel „Ampacoll
Liquiseal“ verschweißbar. Das macht
die „Ampatop Seal“ auch an Material-
Unterdachbahn für
extreme Bedingungen
Wegen der exponierten Lage ist besonders das Dach hohen Wind- und
Schneelasten ausgesetzt. Hier kamen
Unterdachbahnen des Schweizer Herstellers Ampack zum Einsatz. Gleich
zwei Folien wurden im Dach verbaut:
Unter einer Blecheindeckung und einer
Konterlattung liegen 2300 m² Unterdachbahn „Ampatop Seal“. Darunter
liegen Holzfaserplatten, eine längs und
quer geschichtete Mineralwolledämmung und 2 200 m² der Dampfbremse
„Ampatex SB 130“. OSB-Platten und
eine Dreischichtplatte aus Fichte schließen nach innen ab.
Die „Ampatop Seal“ ist eine diffusionsoffene Unterdachbahn für außerordentliche Beanspruchung; sie besteht
aus thermoplastischem Polyurethan
und ist frei von PVC und Weichmachern. Ihre drei Lagen setzen sich aus
Holz(hoch)häuser stehen hoch im Kurs
Fortsetzung von Seite 106
Die Herausforderung bestand außerdem in der Materialbeschaffung und der
Fertigung. Die Prozesse konnten jedoch
mithilfe des Lean Managements gesteuert werden. Dabei gilt es das Zusammenspiel zwischen der Vorfertigung
und allen an der Planung Beteiligten
stringent zu koordinieren, um eine bestmögliche Bauteilqualität, Geschwindigkeit, Baustellen-Logistik, Kosten- und
Termintreue zu erreichen. So ließen
sich schließlich die 617 Außenwände,
439 Innenwände, 1902 Brettstapel-Elemente und die 2 315 Fassadenelemente
– um nur einige Zahlen je „Langhaus“
zu nennen – fertigen, just in time anzuliefern und an der richtigen Stelle passgenau zu montieren.
14-Geschosser fertig, Bau mit
24 Stockwerken in Planung
Einblicke in Planung, Fertigung und
Montage des mit 14 Stockwerken derzeit weltweit höchsten Holzhochhauses
namens „Treet“ (norwegisch: Baum) am
Fjord von Bergen gab Rune B. Abrahamsen von Sweco Norway aus Lillehammer. Das umhüllende Tragwerk des
als Passivhaus konzipierten Objekts ist
im Prinzip von einer Fachwerkbrücke
abgeleitet, erklärte Abrahamsen die
Idee. Bei Treet hat man diese Struktur
lediglich in die Senkrechte gekippt und
damit ein turmähnliches Gerüst aus
Rune B.
Abrahamsen
Fachwerkbindern geschaffen. Der eigentliche Bau besteht aus vorgefertigten, gestapelten Holzmodulen und einem tragenden Holzskelett aus Brettschichtholz. Maximal vier Module wurden dabei aufeinandergestapelt; Zwi-
schenebenen aus Stahlbeton nehmen
die Module der oberen Etagen auf und
entlasten die der unteren. Balkone,
Treppenhaus, Zwischenpodeste und
Aufzugsschacht bestehen aus Brettsperrholz-Bauteilen.
Damit die BS-Holz-Binder einem
Brand 90 min lang ohne Kapselung
standhalten (F 90), betragen deren
Querschnittsabmessungen 50 × 50 cm.
Um sie und die übrige Fassade dauerhaft vor der Witterung zu schützen und
um den Wartungsaufwand zu minimieren, wurden die Nord- und Südseite des
Gebäudes mit einer Glasfassade versehen und an der West- und Ostseite eine
Metallbekleidung angeordnet.
Bei 51 m Höhe ist der Holzbau vergleichsweise leicht. Um besser abschätzen zu können, wie sich die komplexe
Struktur des Gebäudes aus BS-HolzFachwerk bzw. -Skelett, Beton-Zwischenebenen und vorgefertigten Raummodulen z. B. unter Windlasten verhält,
habe man auf Basis eines Finite-Elemente-Modells (FEM) die Eigenfrequenzen und modalen Massen (Masse,
die bei einer bestimmten Schwingungsform aktiviert wird) des Gebäudes berechnet, so der Ingenieur über die speziell zu berücksichtigenden Betrachtungen. Diese Parameter nutzte man, um
die windbedingten Gebäudeschwingungen zu ermitteln. Die gleichen Untersuchungen führten die Planer gesondert an den Raummodulen durch.
Abschießend zog Abrahamsen folgenden Schluss: „Insgesamt kann das
Pilotprojekt als gelungen bezeichnet
werden. Wir würden das Gebäude wieder so bauen und das gleiche Tragwerk
dafür nutzen, das im Übrigen auf niedrigere wie auch auf höhere Gebäude angepasst werden kann. Dass das Projekt
möglich wurde, ist dem Bauherrn zu
verdanken, der an das Projekt glaubte
und auch bereit war, Risiken in Kauf zu
nehmen. Doch auch die politische Unterstützung spielte eine wichtige Rolle.
Das Projekt hat uns natürlich auch gelehrt, wo es noch Verbesserungspotenzial gibt und wie wir das Wissen beim
nächsten Gebäude mit Gewinn einbrin-
24 Geschosse auf 84 m Gebäudehöhe:
Das Ho-Ho in Wiens Seestadt Aspern
wird nach Fertigstellung eine zeitlang
welthöchstes Holzhochhaus sein.
Visualisierung: Office le Nomade/
Rüdiger Lainer + Partner
gen können.“ Seinen Vortrag beendete
er mit einem Zeitraffer-Film vom Bau
des Hochhauses, der auch auf der Firmenwebsite von Sweco zu finden ist
(http://tinyurl.com/jmtv3r2).
Tragwerksplaner Richard Woschitz
vom Ingenieurbüro RWT Plus in Wien
(Österreich), setzte die Reihe der spektakulären Holzbauten mit dem geplanten 24-stöckigen Holzhochhaus, kurz “
Ho-Ho“ genannt, in der Seestadt Aspern fort. Es ist eines der größten Stadtbauprojekte Europas 15 km östlich des
Stadtzentrums von Wien. Mit 84 m wird
es Treet dann um 33 m überragen und
ihm den Rang des höchsten Holzhauses
der Welt ablaufen.
Genau genommen handelt es sich
beim Ho-Ho um drei Holzhochhäuser,
die in L-Form angeordnet sind. Das 24stöckige, höchste von dreien, steht im
Winkel, zwischen den beiden niedrigeren mit 57 m und 40 m Höhe. Bauherr
ist die Kerbler Holding GmbH in Wien.
Sie investiert rund 65 Mio. Euro in das
Projekt, bei dessen Tragstruktur es sich
um eine bereits auf dem Markt befindli-
Statisches Grundkonzept des aus drei
Hochhäusern bestehenden „Ho-Ho“:
An den aussteifenden Stahlbeton-Erschließungskern (inklusive StahlbetonFlurzonen) dockt die Holzkonstruktion
an
Zeichnung: RWT Plus
Richard
Woschitz
che Hybridbauweise handelt, die die
Planer überarbeitet haben. Das Konzept
sieht ein Mischsystem aus dem aussteifenden Stahlbeton-Erschließungskern
inklusive Stahlbeton-Flurzonen und die
an den Kern angedockten Holzbauten
vor. Der Holztragstruktur werde dann
die Holzfassadenkonstruktion vorgesetzt, so der Plan. Mit der Trennung von
aussteifenden Kernen und angedockten
Nutzflächen in Holzbauweise wollen
die Planer eine einfache, wirtschaftliche
Montagelogistik erreichen. Der Holzbauanteil soll ab Erdgeschoss bei rund
75 % liegen. Das Deckensystem besteht
aus schubsteifen, vorgefertigten Holz-
stößen absolut wasserdicht. Ihre hohe
UV-Beständigkeit lässt drei Monate
Freibewitterung zu.
Das Material ist angenehm anzufassen, weich und dehnbar, aber dennoch
griffig. So kann es leicht ausgerollt und
über bestehende Konstruktionen gezogen werden. Die Folie ist beidseitig zu
verarbeiten, rutsch- und sitzfest, lässt
sich problemlos falten und bleibt auch
bei Kälte bruchfest.
Auf Wunsch ist die Unterdachbahn
vorkonfektioniert in Rechteck- oder
Sondermaßen lieferbar, was die Verlegung nach Montageplänen sehr effizient macht und Abfall vermeidet.
Hersteller: Ampack AG,
9401 Rohrschach (Schweiz)
Beton-Verbunddecken mit Massivholzplatten. Sie funktionieren als
einachsig gespannte Platten wie ein
klassisches Biegebalkensystem. Die BSHolz-Stützen im Bereich der Fassaden
sind die Haupttragelemente in vertikaler Richtung und tragen die Vertikallasten als Pendelstützen ab. Diese sind
mit den rundum laufenden Fertigteil-Randträgern, die als Ringzuganker
ausgebildet werden, kraftschlüssig verbunden. Mit den Randträgern aus
Stahlbeton ließ sich auch das Thema
Querpressung lösen. Die HBV-Decken
binden ebenfalls in die Randträger ein;
so können die Decken in Kombination
mit den Erschließungskernen sowie
der Anbindung an die beiden niedrigeren Gebäude die Aussteifung übernehmen.
Dieses Tragwerkskonzept ermögliche
auch eine relativ einfache Ausbildung
der Knotenpunkte. Im ganzen Gebäude
wird es zudem keine tragende Holzwand geben – das schafft größtmögliche
Flexibilität bei der Grundrissgestaltung,
erklärte der Tragwerksplaner.
Zur Vermeidung eines sogenannten
‚Progressiven Kollapses‘ (wenn das Versagen eines Tragwerkselements zum
Versagen anderer Tragwerkselemente
führt) und damit zur Begrenzung von
Schäden bei lokalem Versagen z. B. einer Stütze, haben die Planer drei Maßnahmen getroffen, wie Woschitz zeigte:
Sie haben in die 36/36-cm-BS-HolzStützen (aus Buchen-Furnierschichtholz (FSH), GL70) vertikale Zugverankerungen eingeklebt und jede der 26 cm
dicken HBV-Decken (mit 14 cm BSPPlatte) per Zugverankerung mit dem
erwähnten Randträger verbunden. Als
dritte Maßnahme sollen die Rand
(-Durchlauf)träger so dimensioniert
werden, dass sie bei Versagen einer
Stütze beispielsweise im Falle einer Explosion die Laständerungen kompensieren können. In Laborversuchen wurde die Konstruktion an Regelquerschnitten bzw. -knoten bestehend aus
Stütze, Randträger und HBV-Decke
auch in Sachen Brandschutz geprüft.
Im Frühjahr 2016 soll der Bau des kombinierten Wohn- und Gewerbehochhauses beginnen, 2017 soll er fertig sein.
Man darf gespannt sein.
Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe
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