Expertenforum Beton Heizen + Kühlen mit Beton Klimawandel fordert Baukonzepte Sehr geehrte Damen und Herren! Foto: Fischer Energie, in all ihren Facetten und Ursprungsformen, bestimmt zurzeit unsere Gespräche am Stammtisch, die nationale und internationale Medienlandschaft und natürlich auch uns, die politischen Entscheidungsträger. Als Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz sehe ich die Auseinandersetzung mit diesem gesellschaftspolitischen Thema als Chance, alle vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um gemeinsam ein Energieeff zienzzentrum in Graz zu entwickeln und über die Stadtgrenzen hinaus effektiv zu nutzen. In Graz können wir eine Energiewende herbeiführen, davon bin ich überzeugt. Mit konkreten nachhaltigen Projekten wie etwa einer optimalen Wärmedämmung, Solarenergie und Photovoltaik, Wind, Wasserkraft und Erdwärme. Graz hat 2.000 Sonnenstunden im Jahr, so könnte die Stadt energiepolitisch unabhängiger werden. Rund 10 Millionen Quadratmeter Dachf äche gibt es in der Murmetropole. Wenn wir nur 30 Prozent dieser Fläche für Solarenergie- und Photovoltaik-Projekte nutzen würden, hätte dies die Dimension eines Kraftwerks in der Größenordnung von Voitsberg. Als Bürgermeister ist es meine Aufgabe vorauszudenken und gesellschaftspolitische Anstöße zu geben. Wir können eine Wende schaffen, ich bin überzeugt in den nächsten Jahren mit alternativen Ideen zum Themenkomplex Energie zu punkten. Mag. Siegfried Nagl Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz Inhalt Energieeffizientes Bauen in Gegenwart und Zukunft ...........................................................................3 LR Ing. Manfred WEGSCHEIDER Das Land Steiermark Klimabedingte Änderungen des Heiz- und Kühlenergiebedarfs für Österreich.................................6 Mag. Dr. Franz PRETTENTHALER MLitt Joanneum Research, Graz Klimadesign als zentrale Planungsdisziplin ........................................................................................12 Univ.-Prof. Brian CODY BSc (Eng) Hons CEng MCIBSE Vorstand des Instituts für Gebäude und Energie, TU Graz Innovative Systeme der Erdwärmenutzung – regenerative Energie aus dem Untergrund .............13 Univ.-Doz. DI Dr. techn. Dietmar ADAM Geotechnik Adam ZT GmbH, Brunn am Gebirge Wärmepumpen – rechtliche Erfordernisse ..........................................................................................20 Mag. Dr. Michael FERSTL Amt der Steiermärkischen Landesregierung, FA 19A Wasserwirtschaftliche Planung, Graz Beton als Speichermasse – Konzepte für Energieoptimierung und Behaglichkeit .........................25 Arch. DI Ernst GISELBRECHT Ernst Giselbrecht + Partner architektur zt gmbh, Graz Schnittstelle Beton und Kühltechnik – von der Baustellenkoordination bis zur Gewährleistung ..........................................................................................................................28 DI Dr. techn. Gernot TILZ REHAU Gesellschaft m.b.H., Guntramsdorf Schnittstelle Beton und Akustik – schalltechnische Optimierung thermisch genutzter Decken ...31 Ing. Manfred BULLA Saint-Gobain Ecophon, Leibnitz Nutzung speicherwirksamer Massen zum Heizen von Billa-Filialen .................................................38 Ing. Markus KNAR, BSc. ERNST Haustechnik GesmbH. & Co KG, Olbendorf Visionen werden wahr: ENERGYbase – eine sonnige Bürozukunft ..................................................42 DI Tim SELKEarsenal research, Wien Medieninhaber und Herausgeber: Zement + Beton Handels- und Werbeges.m.b.H. im Auftrag der Österreichischen Zementindustrie A-1030 Wien | Reisnerstraße 53 | T: 01/714 66 85 0 | F: 01/714 66 85 26 [email protected] | www.zement.at Druck: simply more printing | 1130 Wien Jänner 2009 Expertenforum Beton Betonfertigteile liefern Heiz- und Kühlenergie – die neue Trepka-Zentrale ......................................34 Bmstr. DI (FH) Robert KAMLEITNER Alfred Trepka GmbH, Obergrafendorf, www.trepka.at 1 Energieeffizientes Bauen in Gegenwart und Zukunft LR Ing. Manfred WEGSCHEIDER Das Land Steiermark Die derzeitige Bauweise wird maßgeblich von den baurechtlichen Anforderungen der Bundesländer sowie – bei Wohngebäuden – von den Bestimmungen der Wohnbauförderung beeinf usst, welche wiederum die nationale Energie- und Klimapolitik und die Forderungen der Europäischen Union hinsichtlich Klimaschutz und Energieeff zienz widerspiegeln: Hier liegt der Schwerpunkt derzeit bei einer – im europäischen Kontext gesehen - durchaus fortschrittlichen Regelung insbes. bei der Wohnbauförderung im Bereich des Heizwärmebedarfs; im Mehrfamilienhaus-Wohnbau liegt beispielsweise der spezif sche Heizwärmebedarf beim Referenzklima (HWBBGF,ref) schon jetzt bei etwa 44 kWh pro m² und Jahr, für Eigenheime bei rund 52 kWh/m².a. Dieser Gebäude-Nutzenergiebedarf berücksichtigt allerdings die Verluste der Heizung und Warmwasserbereitung noch nicht. In Folge ist die derzeitige Baupraxis bereits auf einen guten Wärmedämm-Standard bei Außen- bauteilen und auch schon auf kompaktere Bauweise – d. h. ein günstiges Verhältnis von wärmeabgebender Oberf äche zu Volumen – eingestellt, wozu auch die vorgeschriebene Verpf ichtung zur Erstellung von Energieausweisen für Neubauten beigetragen hat (seit vorigem Jahr im Baurecht gesetzlich verankert, zuvor schon seit vielen Jahren für geförderte Wohnbauten verpf ichtend). Auch dem Aspekt der Luftdichtheit wird zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und auch die solare Warmwasserversorgung gehört bereits durchaus zum Standard. Noch immer aber ist die sequenzielle Planung von Bau und zugehöriger Haustechnik traditionell stark verankert, d. h. zuerst wird das Gebäude fertig geplant und anschließend der Heizungsbauer und ggf. der Lüftungstechniker hinzugezogen; damit werden aber häuf g fortschrittliche Lösungen verhindert, wie z. B. die Bauteilaktivierung (s. u.). Zukünftig wird eine weitere Senkung des durchschnittlichen Energiebedarfs bei Neubauten eine integrale Planung notwendig machen: D. h. bereits bei der Planung des Baukörpers muss die Haustechnik – z. B. in puncto Platzbedarf und Einbaumöglichkeit - mit berücksichtigt und auf das konkrete Bauvorhaben abgestimmt werden. Als Beispiel sei hier die Bauteilaktivierung angeführt, Expertenforum Beton Die Art und Weise, wie Gebäude jetzt errichtet werden, bestimmt deren Energiebedarf über einen langen Zeitraum: Die Planung wirkt über die gesamte Lebensdauer nach, die Ausführung der Gebäudehülle lässt sich später nur mit großem Aufwand verbessern. Auch bei der Haustechnik lässt die Planung im Allgemeinen Verbesserungen nur durch den nachträglichen Einbau von energieeff zienteren Komponenten zu; eine Nachbesserung des Energieversorgungskonzepts scheitert meist an Platz- oder konstruktiven Gründen, so können zum Beispiel fortschrittliche Speichersysteme häuf g nicht nachträglich installiert werden, ebenso wie Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. 3 Vorjahr bei der Installation von Fußboden- oder Wandheizsystemen in Außenbauteilen die Wärmedämmung wesentlich höhere Anforderungen erfüllen, um nicht zusätzliche Verluste durch die stärker aufgeheizte Wand bzw. den Boden zu produzieren: In der Praxis ist es zu einem späteren Planungszeitpunkt kaum mehr möglich, die nötige Dämmstärke bei einem Kellerdeckenaufbau unterzubringen, ohne die Mindesthöhe des Kellers zu unterschreiten. wo die Wärmespeicherfähigkeit von massiven Bauteilen (z. B. Zwischendecken) sowohl bei der Nutzung der Sonnenenergie für Heizzwecke eine durchaus wirtschaftliche Alternative zu Pufferspeichern darstellt als auch gleichermaßen zur Kühlung (von Gebäuden mit entsprechendem Kühlbedarf) dienen kann. Expertenforum Beton Ein anderes, geradezu simples Beispiel gibt es auch bei den dzt. überwiegend installierten Niedertemperatur-Heizsystemen, wie sie nicht nur bei Wärmepumpen nötig sind: Hier muss seit dem 4 Ein weiterer Nachteil der zurzeit noch allzu verbreiteten sequenziellen Planung ist das Faktum, dass damit eine Lebenszykluskostenbetrachtung gar nicht angestellt werden kann: Wie eingangs erwähnt, beeinf ussen die Planung und Ausführung eines neu errichteten Gebäudes inkl. der darin verbauten Komponenten über die jeweilige (hohe) Lebensdauer den Energieverbrauch und damit die laufenden Kosten, welche die Errichtungskosten bei Weitem übersteigen. Bei einer Lebenszykluskostenbetrachtung kann bzw. wird meist ein auf niedrigen Energieverbrauch konzipierter Neubau trotz höherer Investitionskosten in Summe preisgünstiger kommen als ein nach (noch) üblichem Standard gebautes Objekt. Voraussetzung dafür ist aber eine gesamthafte (integrale) Planung, zu der als wesentlicher Bestandteil auch die aktive und passive Nutzung der Sonnenenergie sowie die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung (bei Wohnbauten vom Baugesetz gefordert) bzw. die Verringerung von Kühlenergiebedarf bei Nichtwohngebäuden zählen. In naher Zukunft wird einerseits zur Erfüllung noch strengerer Vorschriften beim Energiebedarf, andererseits aber auch aus wirtschaftlichen Gründen der Schwerpunkt der Weiterentwicklung energiesparender Gebäudekomponenten nicht – wie bisher – vorwiegend bei der Gebäudehülle, sondern bei der Haustechnik liegen; dies deshalb, da wesentliche Einsparmöglichkeiten durch verbesserte Wärmedämmeigenschaften von Bauteilen naturgemäß nur mehr in begrenztem Ausmaß möglich sein werden: Natürlich ist zukünftig bei der Verglasung mit noch niedrigeren Wärmedurchgangskoeff zienten zu rechnen, und auch der Wärmedurchgang von Wänden und Decken kann noch verringert werden. Hier ist aber nicht mehr jenes Verbesserungspotenzial wie in den vergangenen Jahrzehnten vorhanden, und man muss sich vor Augen führen, dass bei großvolumigen Neubauten der Wärmeverlust durch die Lüftung bereits jetzt mehr ausmacht als jener Wärmeverlust, welcher aus dem Wärmedurchgang durch die Außenbauteile resultiert. Nochmals größer sind im Wohnungsneubau die Verluste bei Heizung und Warmwasserbereitung! Als logische Folge wird daher die kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung in allernächster Zukunft ebenso zum Standard gehören wie die Nutzung der Sonnenenergie – und der Eff zienz der Warmwasserbereitung wird die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen sein wie jener der Beheizung. Das Land Steiermark forciert diese Entwicklung in fachlicher Hinsicht mit seinen Energieberatungsstellen und f nanziell mit entsprechenden Förderinstrumenten. Die besonders erfreulichen Zuwachsraten in den letzten Jahren sowohl bei der Anzahl der Beratungen als auch bei der eff zienten Nutzung erneuerbarer Energieträger sprechen hier für sich und untermauern die Wichtigkeit dieser Entwicklung. Expertenforum Beton Als zuständiger Landesrat für erneuerbare Energie wünsche ich in diesem Sinne der Veranstaltung einen erfolgreichen Verlauf und freue mich auf interessante Beiträge. 5 Klimabedingte Änderungen des Heiz- und Kühlenergiebedarfs für Österreich Mag. Dr. Franz PRETTENTHALER MLitt Joanneum Research, Graz 1 Entwicklung des energetischen Endverbrauchs für Raumwärme, Klimaanlagen und Warmwasser in Österreich Expertenforum Beton Obwohl vielfach der Eindruck entsteht, dass der energetische Endverbrauch im Gebäudesektor abnimmt (Altbausanierungen, Niedrigenergiebauweise etc.), genügt ein Blick in die Energiestatistik, um Gegenteiliges festzustellen. Den Maßnahmen zur Steigerung der Energieeff zienz im Gebäudebereich wirkt im Wesentlichen der Trend zu mehr und größeren Wohnungen entgegen. Die Anzahl der Hauptwohnsitze erhöhte sich in Österreich zwischen 1990 und 2003 um zwölf Prozent, die durchschnittliche Wohnungsgröße 6 stieg zwischen 1990 und 2003 um 23 Prozent (Statistik Austria, in: Gugele et al. 2005). Insgesamt stieg der energetische Endverbrauch seit 1995 deutlich an. Eine Bereinigung der ausgewiesenen Werte der Statistik Austria um den Heizgradtag(HGT)-Index der ZAMG zeigt allerdings zumindest in den letzten Jahren eine leichte Trendwende (Abbildung 1). Es scheint allerdings zu früh, um von einem langfristigen Trend zu sprechen. Für eine nähere Untersuchung des Wetter- und Klimaeinf usses auf den Heiz- und Kühlenergiebedarf sind die in Abbildung 1 dargestellten Daten nur bedingt tauglich, weil eine weitere Aufgliederung der Jahresreihen in die Nutzungs- Abbildung 1: Energetischer Endverbrauch für Raumwärme, Klimaanlagen und Warmwasser in Österreich Quelle: Datenquelle: Statistik Austria, ZAMG. 2 Derzeitiger Heizenergiebedarf Der aggregierte Heizenergiebedarf wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Insgesamt ist zu beobachten, dass der spezif sche Heizenergiebedarf zwischen den einzelnen Gebäuden in hohem Maße variiert. Gebäude mit besonders gutem thermischen Standard (Passivhaus-Standard) benötigen dabei mitunter um einen Faktor 20 weniger Heizenergiebedarf als schlecht gedämmte Gebäude. Neben dem klimatischen Einf uss auf die einzelnen Wohnungsstandorte spielen charakteristischerweise Kriterien wie Gebäudealter, Gebäudetyp und Beheizungsart eine Rolle. Abbildung 2 fasst die Unterschiede zwischen den einzelnen Baualtersklassen für die einzelnen Gebäudetypen zusammen, wobei berücksichtigt werden muss, dass in den letzten Jahren errichtete Gebäude in dieser Klassif zierung noch nicht ausgewiesen sind. Insgesamt ist festzustellen, dass es mit einer ersten theoretischen Darstellung des österreichischen Gebäudebestandes noch nicht möglich ist, konkrete Aussagen über dessen Temperatursensitivität zu treffen sowie den Einf uss von Sanierungsmaßnahmen beziehungsweise von Bestandsänderungen zu beurteilen. 3 Derzeitiger Kühlenergiebedarf Im Gegensatz zum Energieeinsatz für Raumwärme gibt es derzeit keine statistischen Aufzeichnungen bezüglich des Kühlenergieeinsatzes in Österreich sowie kaum österreichspezif sche Literatur zu diesem Thema. Wichtig ist es, eine Abgrenzung darüber zu geben, was in der Folge unter Kühlenergie verstanden wird. Auch wenn aufgrund der Datenlage nicht immer eine exakte Abgrenzung möglich ist, erfolgt eine Konzentration auf den Bereich Raumkühlung. Dies bedeutet, dass einerseits nur der Gebäudesektor betrachtet Abbildung 2: Raumheizungskennzahlen (nutzenergiebezogen) nach Baualter und Gebäudetyp Quelle: Jungmeier et al. 1996 Expertenforum Beton bereiche Raumwärme, Warmwasser und Klimaanlagen nach derzeitigem Datenstand bei der Statistik Austria nicht möglich ist. Gerade für die Klimafolgenforschung ist es aber notwendig, die unterschiedlichen Temperatursensitivitäten der Nutzungsbereiche zu kennen. 7 wird, während die Transportkühlung bzw. die Kühlung von Lebensmitteln ausgeklammert werden. Andererseits ist die Raumkühlung wiederum nur ein Teilbereich der Klimatisierung, weil Klimaanlagen neben dem Kühlen auch eine LüftungsHeiz-, Befeuchtungs- und Entfeuchtungsfunktion aufweisen. 3.1 Internationale Erfahrungen Europaweit bzw. OECD-weit sind verschiedene Untersuchungen zum Elektrizitätsverbrauch für die Klimatisierung von Wohn- und Nichtwohnbauten vorhanden, die Hinweise über den künftigen Klimatisierungstrend in Österreich geben können. In Studien mit Ländervergleich wird vielfach betont, dass zwischen den Ländern direkt vergleichbare Angaben kaum möglich sind. Vor allem bei Prognosen muss man davon ausgehen, dass Ergebnisse und Zusammenhänge aus anderen, vor allem aus nichteuropäischen Ländern nicht unbesehen übernommen werden können, da Bauweisen, Heiz- und Kältetechnologien, Einstellungen und Verhaltensweisen nicht unmittelbar übertragbar sind. Tabelle 1 illustriert beispielsweise die unterschiedlichen Ausstattungsgrade mit Klimaanlagen in den USA, Japan und Europa, wobei innerhalb der EU wiederum ein deutlicher Unterschied zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten besteht: Einigkeit herrscht in der Literatur darüber, dass für Europa ein mehr oder weniger starker Zuwachs der klimatisierten Fläche und des Elektrizitätsverbrauchs für die Klimatisierung im Nichtwohn- und Wohnbereich zu erwarten ist. Obwohl deutliche Eff zienzsteigerungen für möglich gehalten werden, können diese die hohen Zuwachsraten derzeit nicht kompensieren (siehe Abbildung 3). Die in Abbildung 3 dargestellte Projektion zeigt den in einer europaweiten Studie errechneten Expertenforum Beton Tabelle 1: Austattungsgrad mit Klimaanlagen Quelle: Centre for Energy Studies 2003, in: Waide 2004. 8 Bereich USA Japan Haushalte 65 % 85% 5% Dienstleistungssektor 80 % 100 % 27 % Abbildung 3: Kühlenergiebedarf von Klimaanlagen in den EU-15: BAU-Projektion Quelle: Adnot et al. 2003 Europa 3.2 Österreich Dem steigenden Energiebedarf für Raumkühlung wird auch in Österreich in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere wenn über die Auswirkungen von sommerlichen Hitzeperioden berichtet wird, f nden sich Meldungen darüber in den österreichischen Medien. Konkrete Einschätzungen des Kühlenergiebedarfes erfolgten bisher in drei Studien, deren Ergebnisse an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden. In der bereits erwähnten EU-Studie f nden sich auch Projektionen für Österreich. Demzufolge betrug der in Österreich im Jahr 2005 für Kühlzwecke im gesamten Gebäudebereich benötigte Energieeinsatz 549 Gigawattstunden bei einer insgesamt gekühlten Fläche von 26 Millionen Quadratmeter. Dieser Wert entspricht in etwa einem Prozent des Endenergieeinsatzes für Raumwärme im privaten Sektor beziehungsweise weniger als einem Prozent des für die EU-15 angegebenen Kühlenergiebedarfs (78.100 GWh). Obwohl der Vergleich mit dem Heizenergiebedarf zeigt, dass das Thema Kühlen zurzeit in Österreich noch eine untergeordnete Rolle spielt, weisen die ausgewiesenen Projektionen eine rasante Steigerung des Kühlenergiebedarfs auf. Für Österreich wird beispielsweise eine Steigerung von 296 GWh im Kyoto-Basisjahr 1990 auf in etwa 700 GWh im Jahr 2020 vorausgesagt. Damit würden im Jahr 2020 durch Kühlung in etwa 250.000 Tonnen Treibhausgase verursacht werden. Ein ähnlicher Trend geht aus Untersuchungen des oberösterreichischen Energiesparverbands hervor, welcher für die Periode 2001 bis 2010 eine Steigerung des oberösterreichischen Kühlenergiebedarfs von mindestens 20 Prozent errechnet. Insgesamt weist die Studie einen Verbrauch von 131 GWh in der Basisperiode 2001 aus, wobei 97 GWh dem Bürosektor und 15 GWh dem Haushaltssektor zugeschrieben werden. Abbildung 4: Kühlenergiebedarf für unterschiedliche Wachstumsraten des Kühlkoeffizienten bei linearem KGT-Trend bzw. KGT-Trend-Szenario Quelle: Töglhofer et al. 2008. Expertenforum Beton Kühlenergiebedarf der einzelnen Klimagerätetypen sowie im Vergleich dazu deren Heizenergiebedarf zwischen 1990 und 2020. Sowohl für zentrale als auch dezentrale Klimaanlagen werden weitere Zuwachsraten erwartet, wobei insgesamt große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gegeben sind. Deutlich über dem EU-Schnitt von 4 % pro Jahr in der Periode 2000 bis 2020 liegen dabei südliche Länder wie Portugal (8 % p. a.), Griechenland (6 % p. a.), aber auch Länder wie Dänemark (7 % p. a.), Deutschland (6 % p. a.) und Frankreich (5 % p. a.). Selbst wenn letztere Länder von einem niedrigeren Pro-Kopf-Niveau ausgehen wie etwa Spanien, Italien oder Griechenland, zeigt sich deutlich, dass Diskussionen rund um das Thema Kühlung und Klimatisierung keinesfalls nur auf Südeuropa reduziert werden dürfen. 9 Eine erste Abschätzung der Temperatursensitivität des Elektrizitätsbedarfs in Österreich wird in einer weiteren Studie durchgeführt. Mittels einer einfachen Regressionsanalyse wird in dieser Studie die Tagesmitteltemperatur in Wien dem Tagesstromverbrauch im öffentlichen Netz gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass in den Wintermonaten ein Rückgang der tagesmittleren Temperatur gegenüber dem Vorjahr um einen Grad Celsius einen Verbrauchszuwachs von 1 bis 1,1 GWh bedeutet, während im Hochsommer (>21 Grad Celsius) ein Temperaturanstieg gegenüber dem Vorjahr um ein Grad Celsius einen Anstieg des Stromverbrauchs um etwa 0,5 GWh bewirkt. 4 Ergebnisse Expertenforum Beton Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des Kühlenergiebedarfs unter Annahme verschiedener Wachstumsraten unter Zugrundelegung einer linearen Zunahme der durchschnittlichen KGT sowie für ein Trend-Szenario, welches die Variabilität der KGT zwischen den einzelnen Jahren beinhaltet. Letzteres scheint insbesondere bezüglich der Auswirkungen heißer Jahre besonders relevant. Während bei einem konstanten Kühlkoeff zienten in einem zukünftigen heißen Jahr (die KGT des Szenarios für die Jahre 2020 und 2029 entsprechen ungefähr dem Jahr 2003) etwa 100 GWh für Kühlung benötigt werden, sind es bei vier Prozent Wachstum im Jahr 2020 150 GWh, im Jahr 2029 bereits 250 GWh. Der gezeigte Vergleich zeigt die Wichtigkeit, nicht nur Mittelwerte heranzuziehen, sondern auch Schwankungen zwischen den einzelnen Jahren zu betrachten. 10 5 EXKURS: Die Kosten zusätzlicher Gebäudekühlung Angesichts des steigenden Kühlenergiebedarfs wird häuf g die Frage nach den Kosten zusätzlicher Gebäudekühlung gestellt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die verbrauchsgebundenen Kosten für den derzeit dominanten Kühlenergieträger Elektrizität nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen. So wird beispielsweise bei konventionellen Kompressionskältemaschinen für Bürogebäude von einem Anteil der Stromkosten an den Gesamtkosten von weniger als 30 Prozent ausgegangen, der Rest fällt auf Investitionskosten sowie zu einem geringen Teil auf Wartungskosten. Für Einkaufszentren betragen die Stromkosten rund 50 Prozent der Gesamtkosten. Die spezif schen Kühlkosten (pro kWh) sind im Vergleich zu den Heizkosten dementsprechend deutlich höher. Es werden je nach Technologie, Gebäudetyp und -größe spezif sche Kühlkosten von 11 bis 35 Cent ausgewiesen. Währenddessen betragen die Heizkosten für Privathaushalte derzeit etwa zehn Cent pro kWh, bei größeren Objekten liegen sie deutlich unter diesem Wert. Weiters ist es notwendig, die Kosten zusätzlicher Infrastruktur zu berücksichtigen. Schätzungen zeigen beispielsweise für Italien, dass aufgrund von vermehrten Kühlspitzen bis 2020 zusätzliche 3.500 MW Kapazität benötigt werden, mit etwa zwei Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen in die Elektrizitätsinfrastruktur. Auch wenn für Österreich zumindest in den nächsten Jahrzehnten keine Zusatzkapazitäten für Kühlzwecke benötigt werden, weil die Lastspitzen weiterhin in den Wintermonaten deutlich höher sein werden, wirken sich europaweite Kühlspitzen dennoch auf den Marktpreis für Elektrizität und damit unmittelbar auf Österreich aus. 6 Schlussfolgerungen Fasst man die bisher getroffenen Überlegungen zusammen, so ergibt sich in etwa folgendes Bild: Auch wenn der Faktor Klima einen deutlichen Einf uss auf den Heiz- und Kühlenergiebedarf hat, wird dieser überwiegend durch zukünftige technische und sozioökonomische Entwicklungen, also durch den Faktor Mensch bestimmt. Höhere Temperaturen wirken sich insgesamt günstig auf den Gesamtenergiebedarf aus. Der Kühlenergiebedarf wird in Österreich auf absehbare Zeit weiterhin nur einen Bruchteil des Heizenergiebedarfs ausmachen. Die klimabedingte Einsparung an Heizenergiebedarf wird um ein Vielfaches höher sein als der zusätzliche klimabedingte Kühlenergiebedarf. Der Heizenergiebedarf liegt in Österreich derzeit bei etwa 80.000 Gigawattstunden, während Beim Energieträger Elektrizität könnte der zusätzliche Bedarf im Sommer längerfristig allerdings mengenmäßig die Einsparungen an Heizenergie im Winter kompensieren, da zur Kühlung derzeit fast ausschließlich auf Elektrizität zurückgegriffen wird, während nur ein kleiner Teil des Heizenergiebedarfs aus Elektrizität gedeckt wird. Dies scheint vor allem dahingehend problematisch, dass die Kühllast sich im Gegensatz zur Heizlast tageszeitlich eher mit der allgemeinen Lastspitze überschneidet. Insgesamt geht aus den Szenarienrechnungen klar hervor, dass der zukünftige Heiz- und Kühlenergiebedarf weniger durch den Faktor Klima, sondern viel mehr durch technische und sozioökonomische Entwicklungen bestimmt wird. Beim Heizenergiebedarf können zusätzliche Anstrengungen im Bereich Energieeff zienz eine wesentlich größere Einsparung bewirken als höhere Temperaturen. Umgekehrt geht es beim Kühlenergiebedarf derzeit darum, dem - zum einen aufgrund von Konsum- und Verhaltensänderungen, zum anderen aufgrund derzeitiger Entwicklungen in der Gebäudeplanung - stattf ndenden rasanten Anstieg sowohl der klimatisierten Flächen als auch des Elektrizitätsverbrauchs entgegenzuwirken. Auf Ebene der Privathaushalte spielt eine Reduktion des Heizwärmebedarfs übrigens aufgrund wärmerer Winter im Vergleich zu anderen Faktoren wie den Zinssätzen oder den Energiepreisen nur eine unwesentliche Rolle. Bei einer Abnahme der Heizgradtage um sechs Prozent in den nächsten 20 Jahren beträgt die Abnahme der Gesamtheizkosten etwa für Hackgutheizungen zwei Prozent, für Öl- und Gasheizungen wegen des höheren Anteils der verbrauchsgebundenen Kosten vier Prozent. Für letztere Technologien kann jedoch erwartet werden, dass die Preise, abgesehen von der unsicheren Marktpreisentwicklung, in den nächsten Jahren durch klimapolitische Maßnahmen (CO2-Steuer, Erhöhung der Energieabgaben) zusätzlich angehoben werden. Die Tatsache, dass unterschiedliche menschliche Anpassungsreaktionen an die steigenden Temperaturen im Bereich der Raumtemperierung den tatsächlichen künftigen Energiebedarf stark in die eine oder andere Richtung beeinf ussen können, darf nicht den Eifer der gerade begonnenen Forschungen in diesem Bereich dämpfen. Ganz im Gegenteil. Es wird dadurch offensichtlich, dass Heizen und Kühlen im Klimawandel ein ideales Beispiel für die Dringlichkeit jener Untersuchungen sind, die Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und CO2-Reduktionsmaßnahmen gemeinsam untersuchen und auf ihre technischen und ökonomischen Synergiepotenziale testen. Nur so kann es gelingen, dass Anpassungsstrategien durch die positive Rückkoppelung das Klimaproblem nicht weiter verschärfen bzw. dass ausgeklügelte CO2-Reduktionspakete auch unter sich ändernden Klimabedingungen im Hinblick auf die einzusetzenden Mittel optimal gewählt werden können. Die genauen Literaturhinweise sowie weitere Details entnehmen Sie bitte dem folgenden Band: Prettenthaler, F., Gobiet, A., (Hg.), Heizen & Kühlen im Klimawandel, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2008, 134 Seiten, ISBN 978-3-7001-4001-6 Expertenforum Beton der Kühlenergiebedarf im Vergleich im Bereich mehrerer Hundert Gigawattstunden liegt, genaue statistische Zahlen liegen hierfür nicht vor. Dementsprechend überwiegt bei einem Temperaturanstieg von durchschnittlich zwei Grad Celsius deutlich der Effekt einer in etwa 20-prozentigen Reduktion des Heizenergiebedarfs gegenüber einer ungefähren Verdoppelung des Kühlenergiebedarfs. 11 Klimadesign als zentrale Planungsdisziplin Expertenforum Beton Univ.-Prof. Brian CODY BSc (Eng) Hons CEng MCIBSE Vorstand des Instituts für Gebäude und Energie, TU Graz 12 Klimadesign ist die Entwicklung von ganzheitlichen Konzepten zur Maximierung der Energieeff zienz von Gebäuden und Städten. Was aber ist Energieeff zienz? Alle reden heute von „Energieeff zienz“. Dieser Begriff wird dabei leider häuf g missverstanden, missbraucht und mit „Energiebedarf“ und „Energieverbrauch“ verwechselt, vor allem im Gebäudesektor, in dem niedriger Energieverbrauch mit einer hohen Energieeff zienz gleichgesetzt und statt in die Maximierung der Energieeff zienz der Schwerpunkt von Forschung und Praxis in eine maximale Senkung des Energieverbrauchs gesteckt wird. Dieses Missverständnis ist grundlegend und muss umgehend aufgeklärt werden, um zukünftige Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Maximierung der Energieeff zienz ist mehr als die Minimierung des Energieverbrauchs. Energieeff zienz impliziert Leistung und ist das Verhältnis zwischen Output (Nutzen) und Input (Ressourcen). Dabei geht es hauptsächlich darum, welchen Nutzen man aus der „verbrauchten“ Energie zieht. Im Zusammenhang mit der thermischen Leistung von Gebäuden ist die Energieeff zienz als Verhältnis zwischen der Qualität des Raumklimas und der Quantität des Energieverbrauchs zu begreifen. Derzeit gültige Instrumente zur Regulierung der Energieeff zienz von Gebäuden, einschließlich der neuen EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeff zienz von Gebäuden und insbesondere der in den einzelnen Mitgliedsstaaten implementierten Methoden zur Bestimmung und Bewertung der energetischen Leistung von Gebäuden entsprechend der genannten Richtlinie, behandeln nur den Energiebedarf und nicht die Energieeff zienz. An meinem Institut haben wir nun eine Methode entwickelt, mit der wir die tatsächliche Energieeff zienz eines Gebäudes bestimmen können, sodass verschiedene Entwurfsoptionen wirklich miteinander verglichen werden können. Energieeff zienz bedeutet in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen der Qualität des Raumklimas eines Gebäudes einerseits und der Energie, die aufgewendet werden muss, um dieses Raumklima aufrecht zu erhalten andererseits. Diese – BEEP genannte – Methode berücksichtigt den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Energiebedarf und Raumklima und der berechnete BEEP-Wert ist ein Indikator für die gesamte Building Energy and Environmental Performance eines Gebäudes. Ergebnisse von Fallbeispielen, die mit dieser Methode untersucht wurden, zeigen eindeutig, dass niedriger Energieverbrauch mit einer hohen Energieeff zienz nicht gleichgesetzt werden kann. Jüngste Fehlentwicklungen haben gezeigt, welche Folgen einseitiges eindimensionales Denken haben kann. Um diese zukünftig zu vermeiden, ist die Betrachtung von gesamten Systemen zwingend notwendig. Beim Vergleich verschiedener alternativer Lösungen im baulichen Kontext müssen neben der Energieeff zienz im Betrieb auch die Herstellung, die Errichtung und die Entsorgung eines Gebäudes berücksichtigt werden. Der Ausgangspunkt für eine hohe Energieeff zienz ist dabei die Stadtplanung, nicht das einzelne Gebäude. Auch ein Gebäude mit der höchsten Energieeff zienz der Welt ist relativ ineffektiv, wenn es nicht in eine energieeff ziente städtische Struktur eingebunden ist. Weiche Faktoren wie Flexibilität und Adaptabilität während der Lebensdauer sind zu berücksichtigen – der Einf uss des voraussichtlichen Klimawandels auf das notwendige energetische Verhalten unserer Gebäude aber auch. Synergien durch die Vernetzung von Gebäude- und Verkehrssystemen sollten ausgeschöpft werden. Bei der Entwicklung von Lösungen ist es wichtig, in Systemen zu denken und Gesamtkonzepte von einem holistischen Ansatz heraus zu entwickeln. Außerdem muss neben der Quantität der in einem spezif schen Prozess „verbrauchten“ Energie auch die Qualität dieser Energiemenge berücksichtigt werden. Im Vortrag werden diese Prinzipien anhand von aktuellen Forschungsprojekten und Beispielen aus der Praxis illustriert und verdeutlicht. Innovative Systeme der Erdwärmenutzung – regenerative Energie aus dem Untergrund Univ.-Doz. DI Dr. techn. Dietmar ADAM Geotechnik Adam ZT GmbH, Brunn am Gebirge 1 Einleitung Erdberührte Bauwerksteile („Erdwärmeabsorber“) ermöglichen eine sehr wirtschaftliche Nutzung der geothermischen Energie. Dies betrifft vor allem Bauwerksteile aus Beton („Massivabsorber“). Hiefür kommen primär Tieffundierungen (Pfähle, Schlitzwände), aber auch Flachfundierungen und sogar Keller- bzw. Stützwände infrage. Die Absorberleitungen werden unmittelbar in die Fundierungselemente verlegt, zusätzliche Einbauten im Erdreich sind nicht erforderlich. Sonderanwendungen sind „Energietunnel“, Heizungen von Straßendecken, „Energie-Brunnen“ etc. Es werden Systeme mit und ohne Wärmepumpen verwendet. Das Verfahren der geothermischen Energiebewirtschaftung ermöglicht eine umweltfreundliche, Ressourcen schonende Heizung und/oder Kühlung von Bauwerken. 2 Geothermische Energiebewirtschaftung Prinzipiell kann zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Möglichkeiten der geother- mischen Energiebewirtschaftung unterschieden werden: – einfache geothermische Energieentnahme bzw. -zufuhr – saisonaler Betrieb mit Wärme- und Kältespeicherung Während beim einfachen geothermischen Betrieb (Entnahme bzw. Zuführen von Wärme aus dem bzw. in den Boden) der Energief uss lediglich in einer Richtung erfolgt, wird beim saisonalen Betrieb die thermodynamische Trägheit des Bodens herangezogen, um Energie im Boden zu speichern, sodass diese zum benötigten Zeitpunkt wiederum entnommen werden kann. Bei einem saisonalen Speicher ist es daher möglich, eine ausgeglichene Energiebilanz im Zeitraum eines Jahres zu gewährleisten. 3 Prinzip der geothermischen Energienutzung von Fundierungen In den meisten Klimazonen Europas ist die Temperatur des Untergrundes ab einer Tiefe von ca. 10-15 m relativ konstant: Bis zu einer Tiefe von ca. 50 m beträgt sie in der Regel 10-15° C. Daher reicht eine Umwälzung der Wärme für eine Heizung im Allgemeinen nicht aus; Ahnliches gilt für eine Kühlung. Aus diesem Grund ist zu unterscheiden zwischen – Systemen ohne Wärmepumpe – Systemen mit Wärmepumpe. Mittels Wärmepumpe können Absorbersysteme zur Gebäudeheizung verwendet werden; umschaltbare Wärmepumpen ermöglichen sowohl eine Beheizung als auch eine Kühlung. Die Bodenwärme wird der Wärmepumpe durch den sog. Primärkreislauf zugeführt; der Sekundärkreislauf bef ndet sich im Bauwerk. Leistungsfä- Expertenforum Beton Die Nutzung der ausgeglichenen Temperaturen im Untergrund zur Klimatisierung durch den Menschen hat eine lange Tradition, in Erdkellern und Höhlen wird dies zur Lagerung von Lebensmitteln bereits seit Jahrtausenden verwendet. Die Einführung leistungsfähiger Wärmepumpen ermöglicht seit einigen Jahrzehnten die Anhebung der im Untergrund gespeicherten Energie auf Temperaturniveaus, die auch eine aktive Beheizung oder Kühlung von Gebäuden erlauben. Seit Anfang der 90er- Jahre wurden Technologien entwickelt, die es erlauben, Absorbersysteme in die Fundamente von Gebäuden zu integrieren und damit größere Energiepotenziale zu günstigeren Preisen zu erschließen. 13 hige Wärmepumpen weisen einen Wirkungsgrad von ca. 4 auf: In diesem Fall ist nur ¼ elektrische Energie erforderlich; der Hauptanteil von ¾ der erforderlichen Gesamtenergie stammt aus der Umweltwärme. Bei einem geothermischen Kühlsystem wird dem Gebäude Wärme entweder über eine Luftkühlung oder über ein auf Wasser basierendes Kühlsystem entzogen. Die Kältemaschine ist dabei an das Absorbersystem angeschlossen und leitet die Überschusswärme über das Transportmedium im Primärkreislauf in den Boden. Bei kombinierten Systemen bzw. saisonaler Erdwärmespeicherung kann die Energie bei Bedarf wiederum entnommen werden. Beim sog. „Free Cooling“ wird der Fremdenergiebedarf auf den Betrieb einer Umwälzpumpe reduziert. Das Grundprinzip besteht darin, Betonelemente mit Kunststoff- bzw. Kupferrohren zu bestücken und mit einem geeigneten Medium (im Allgemeinen Wasser bzw. Mischungen aus Wasser und Frostschutzmittel [Glykol]) Erdwärme umzuwälzen und diese einer späteren Nutzung (Heizung, Kühlung) zuzuführen. Die hohe Wärmeleit- und Speicherfähigkeit von Beton machen diesen Baustoff zu einem geeigneten Energieabsorber. Expertenforum Beton Platten- und Pfahlgründungen von Bauwerken werden etwa seit Mitte der Achtzigerjahre zur Nutzung von geothermischer Energie herangezogen, ohne dass ein großer Mehraufwand bei der Herstellung der statisch ohnehin erforderlichen Bauteile notwendig ist. Seit dem Jahre 1996 sind auch Schlitzwände, die zur Baugrubensicherung bzw. Fundierung von Bauwerken dienen, als Energieabsorber im Einsatz. 14 Im Prinzip können alle erdanliegenden Betonbauteile als Energieabsorber verwendet werden, somit auch Flachfundierungen. Tieffundierungen (Pfähle, Schlitzwände) eignen sich in besonderer Weise, da tiefer liegende Bereiche des Untergrundes erschlossen werden, welche nicht mehr unter dem Einf uss der saisonalen Temperaturschwankungen an der Oberf äche stehen. Aus diesem Grund ist auch der „Energiepfahl“ jenes Element, mit dem am häuf gsten eine geothermische Energiebewirtschaftung erfolgt. Grundsätzlich kommen folgende Tieffundierungen infrage: – Ortbetonbohrpfähle – Rammpfähle aus Stahlbeton (Voll- und Hohlquerschnitt) – Schlitzwände An der Bewehrung werden in situ bzw. im Werk Wärmetauscherrohre montiert. Diese Rohre, die im Allgemeinen einen Durchmesser von 20 mm bis 25 mm aufweisen, bestehen aus PE, HDPE Abb. 1: HDPE-Absorberleitungen einer „Energiebodenplatte“, montiert auf der Sauberkeitsschichte eines Hochbaus Abb. 2: HDPE-Absorberleitungen eines „Energiepfahles“, montiert am Bewehrungskorb eines Bohrpfahles Abb. 3: HDPE-Absorberleitungen einer „Energieschlitzwand“, montiert am Bewehrungskorb eines Schlitzwandelementes Ist die Bewehrung aufgrund großer Pfahllänge zu stoßen, so kann mittels einer Schweißverbindung bzw. Patentkupplung die Verbindung der Rohrleitungen in wenigen Minuten hergestellt werden. Im Bereich des Pfahlkopfes ist eine Aussparung angebracht, in der sich die Vor- und Rücklauf eitungen bef nden. Die Pfähle können mit einem oder mehreren Kreisläufen ausgestattet werden. Beispiele von ausgeführten bzw. in Ausführung bef ndlichen Projekten mit Energiefundierungen sind: – das Rehabilitationszentrum Bad Schallerbach – die Messe- und Eishalle Dornbirn – das Kunsthaus Bregenz – das Keble College Oxford – das EA GeneraliCenter Wien – das Columbuscenter Wien – der Uniqa Tower Wien – die Strabag-Zentrale Wien 4 Neuentwicklungen Die geothermische Heizung und/oder Kühlung von Wohnhäusern, Büro- und Geschäftsgebäuden, Industriebauwerken oder Sportstätten (z. B. Eislaufhallen) etc. wird in Österreich seit etwa 10 Jahren immer häuf ger angewendet. Hinzu kommen verschiedenste weitere Einsatzmöglichkeiten der geothermischen Energienutzung. 4.1 „Energietunnel“ Die Nutzung von Erdwärme mittels Tunnelbauwerke bietet gegenüber den traditionellen Anwendungen folgende Vorteile: – Tunnelbauwerke liegen von Natur her in Tiefen, wo bereits mit konstanter Jahresmitteltemperatur gerechnet werden kann. – Tunnelbauwerke bieten große erdberührte Flächen und ermöglichen damit die Erschließung deutlich größerer Energiemengen. – Längere Tunnel weisen erhebliche innere Wärmequellen, vor allem durch die Abwärme der Fahrzeuge, auf. In U-Bahn-Tunneln ist dies besonders prägnant, wo auch im Winter Temperaturen über 20° C vorherrschen können. – In den großen Genehmigungsverfahren, die für Tunnelbauwerke erforderlich sind, können aus Vorhaben wie der Erdwärmenutzung auch immaterielle Vorteile erwachsen, wie etwa ein positives Image des Projektwerbers oder eine erhöhte Akzeptanz des Tunnelbaus beim Anrainer. Die Möglichkeiten der Nutzung der Energie für Heiz- und Kühlzwecke sind vielfältig. Jedes Tunnelbauwerk verfügt zunächst über einen nicht unerheblichen Eigenbedarf an Energie. Besonders deutlich ist dies bei U-Bahn-Stationen, wo verschiedene Räumlichkeiten beheizt und gekühlt werden müssen. Im Eisenbahn- und Straßentunnelbau besteht jedoch auch oft die Notwendigkeit der Beheizung und Kühlung von Betriebsräumen, Schaltwarten oder Lüfterzentralen. Ein weiteres wichtiges Feld der Eigennutzung stellt die Eisfreihaltung dar, besonders im Straßentunnelbau, wo dies in den Portal- und Einfahrtsbereichen aus Gründen der Verkehrssicherheit sehr wünschenswert wäre. Im Eisenbahntunnelbau sind ebenfalls Zufahrten, besonders zu Wartungs- und Sicherungsanlagen wie Rettungsstollen, sowie Bahnsteige eisfrei zu halten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Veräußerung von Tunnelenergie an Drittnutzer. Dies ist vor allem bei innerstädtischen Tunnelbauwerken interessant, wo die Tunnel meist nah an der Oberf äche liegen und die Abstände zu den Nutzern gering sind. Ideal sind hier große, neu errichtete Objekte mit gemischter Wohn- und Gewerbenutzung und einem möglichst hohen Kühlbedarf. Beim Einbau von Massivabsorbern in Tunnels ist zunächst zwischen offenem und bergmännischem Tunnelbau zu unterscheiden. Bei der Anwendung der offenen Bauweise steht das bereits aus dem Hochbau bekannte Arsenal an Methoden zur Verfügung: Einbau von Absorbern in Bohrpfählen, Schlitzwänden und unter den Bodenplatten, zum Beispiel nach dem bewährten „Enercret“-System der Firma Nägelebau. Im bergmännischen Tun- Expertenforum Beton oder Kupfer. Beim Betoniervorgang werden die Schläuche unter Druck gesetzt, anschließend erfolgt eine Dichtheitsprüfung der Rohrleitungen mit einem def nierten Druck von 8 bis 10 bar. 15 nelbau kann mit bestehenden Methoden lediglich der Sohlbereich von Tunnelröhren mit Absorberleitungen ausgestattet werden. Um auch die Tunnelschalen nutzen zu können, wurde von der TU Wien in Zusammenarbeit mit der Firma Polyfelt das so genannte „Energievlies“ entwickelt und im Rahmen einer Versuchsanlage im Lainzer Tunnel Bauabschnitt „LT22-Bierhäuselberg“ (Abb. 7) getestet. Weiterführende Forschungsaktivitäten beschäftigen sich derzeit mit der Nutzung von Erdwärme über Anker. Die Pilotanlage „Hadersdorf-Weidlingau“ im Lainzer Tunnel Bauabschnitt LT24, die im Februar 2004 in Betrieb ging, stellt die erste großmaßstäbliche Anwendung zur Erdwärmenutzung im Tunnelbau dar. Über 59 Energiepfähle (Abb. 5) kann eine Wärmeleistung von 150 kW erzeugt werden, die zur Beheizung der nahe gelegenen Sporthauptschule Hadersdorf verwendet wird. Der Betrieb der Anlage wird durch ein umfassendes wissenschaftliches Forschungsprogramm begleitet, das es ermöglichen soll, künftige Anlagen noch eff zienter zu errichten und die verschiedenen Betriebszustände zu optimieren. Abbildung 4: „Energietunnel“ mit bergmännischem Vortrieb. Situierung der verschiedenen Absorberelemente – schematisch Expertenforum Beton Abbildung 5: Querschnitt der geothermischen Versuchsanlage in Hadersdorf-Weidlingau 16 Die Erfolge dieser Pilotanlage haben schließlich dazu beigetragen, dass diese Technologie auch im U-Bahn-Bau eingesetzt wird. Die Wiener Linien GmbH hat sich entschlossen, im Rahmen der Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 die vier unterirdischen Stationen „Schottenring“, „Taborstraße“, „Praterstern“ und „Messe“ mit einer Erdwärmeanlage zur Deckung des Heiz- und Kühlbedarfs der Stationen auszurüsten. In Abhängigkeit der Fundierungselemente werden Energiepfähle, Energieschlitzwände oder Energiebodenplatten (Abb. 8) verwendet, um eine gesamte Heizleistung von 449 kW und eine gesamte Kühlleistung von 131 kW zu gewährleisten. Besonders bei der Kühlleistung erweist sich die Nutzung der Erdwärme als hervorragende Energiequelle, da die Aggregate im Vergleich zur konventionellen Ausstattung kleiner ausfallen können und die angesaugten Luftmengen geringer sind, was wieder zu einer Reduktion von Stollenquerschnitten führt. Auch bei der Anwendung im U-Bahn-Bau ist ein intensives Mess- und Forschungsprogramm integriert, wobei einerseits die Auswirkungen der Erdwärmeanlagen auf das Tragverhalten der Fundierungen und andererseits der Temperaturhaushalt des Untergrundes untersucht werden. Abb. 7: Versuchsanlage mit Energievlies beim Baulos „LT22-Bierhäuselberg“ Abb. 8: Herstellung einer Energiebodenplatte beim Baulos „U2/3-Praterstern“ Expertenforum Beton Abb. 6: Wärmebild des mit Energiepfählen ausgerüsteten Tunnelabschnittes beim Lainzer Tunnel Baulos „LT24 – Hadersdorf-Weidlingau“. Links ist die lokale Abkühlung (Pfeile) der Tunnelschale durch die Energiepfähle deutlich zu erkennen. Rechts ist im Vergleich dazu die gegenüberliegende Tunnelwand zu sehen, bei der kein Erdwärmeentzug stattfindet. 17 4.2 „Energiebrunnen“ Bei vielen Bauvorhaben werden Brunnen zur Absenkung des Grundwasserspiegels benötigt. Diese meist temporären Maßnahmen können auch zur Heizung und/oder Kühlung benachbarter Bauwerke genutzt werden, und zwar sowohl temporär als auch permanent. Letzteres erfordert im Allgemeinen keine aufwändige zusätzliche wasserrechtliche Genehmigung, da die Nutzung von einzelnen Brunnen nur zur geothermischen Energiebewirtschaftung keinen Eingriff in den Wasserhaushalt des Untergrundes darstellt. Eine zu Forschungszwecken umfassend instrumentierte Versuchsanlage wird derzeit in Wien betrieben, bei der sowohl Entnahmebrunnen (Wärmequelle) als auch Versickerungsbrunnen (Wärmesenke) verwendet werden. Zur Erzielung eines geschlossenen Wärmeträgersystems dienen U-förmige Rohre als Erdwärmesonden. 4.3 Heizung/Kühlung von Straßenkonstruktionen Die Nutzung der Geothermik im Straßenwesen betrifft vor allem die Heizung von Verkehrsf ächen in den Wintermonaten, und zwar mit folgenden Zielen: – eisfreie Fahrbahn, somit erhöhte Verkehrssicherheit – Reduktion des Winterdienstes – erhöhter Umweltschutz, da Salzung und Splittstreuung entfallen – Erhöhung der Lebensdauer der Fahrbahn Expertenforum Beton – Verbesserung des Fahrkomforts (keine Montage von Schneeketten) 18 – Minimierung von Frost-Tau-Schäden, besonders bei frostgefährdetem Untergrund – Kosteneinsparungen sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Straßenverwaltung als auch aus übergeordneter volkswirtschaftlicher Sicht Auch in Galerien gegen Lawinen, Steinschlag oder Muren und in kurzen Tunnels bietet die Fahrbahnheizung Vorteile im Winter erfährt der kalte Fahrbahnbelag einen besonders intensiven Abrieb durch den Autoverkehr. Autoreifen mit Spikes und/oder Ketten verstärken diesen Effekt noch mehr. Die daraus resultierende Luftverschmutzung erfordert eine erhöhte Leistung der Ventilation, was die Lufttemperatur und damit die Belagstemperatur zusätzlich absenkt. Eine Fahrbahnheizung kann diesen negativen Kreislauf unterbrechen. Derzeit läuft ein mehrjähriges Forschungsprojekt, um unter anderem die optimale Situierung der Absorberleitungen (Rohre) aus energetischer und konstruktiver Sicht zu ermitteln. Die beiden Aspekte weisen z. T. konträre Optima auf, sodass meist Kompromisslösungen erforderlich sind. Auch die Möglichkeiten eines intermittierenden Betriebes werden untersucht. 4.4 Heizung/Kühlung von Brückenfahrbahnen Bei auf Pfählen, Schlitzwänden, Brunnen oder Caissons gegründeten Straßen- und Autobahnbrücken können die Fundierungskörper als Energieabsorber ausgebildet werden, um die geothermische Energie für die Klimatisierung der Brückenfahrbahn zu nutzen. Das Energiebewirtschaftungssystem in Form eines saisonalen Speichers erfordert nicht unbedingt eine Wärmepumpe, sondern nur eine Umwälzpumpe. Mit dieser wirtschaftlichen Methode lassen sich folgende Vorteile erzielen: – Eis- und Schneefreihaltung der Fahrbahn, womit nicht nur auf Streusalz und Splitt vollständig verzichtet werden kann, sondern auch die Verkehrssicherheit deutlich erhöht wird. – Verringerung der temperaturbedingten Spurrillenbildung im Sommer, wobei die Fahrbahntemperatur immer unter der kritischen Temperatur gehalten werden kann. – Schonung des Tragwerkes, der Fahrbahn und insbesondere der Brückenlager durch den Ausgleich von saisonal und tageszeitlich bedingten Temperaturdifferenzen (Reduktion von temperaturbedingten Zwängungsspannungen). Abbildung 9: Straßenkonstruktion mit geothermischer Heizung oder Kühlung der Fahrbahn. Beispiel für Heizschlangen in 10 cm Sandbettung Literatur – Adam, D.; Markiewicz, R. (2002): Nutzung der geothermischen Energie mittels erdberührter Bauwerke – Teil 1: Theoretische Grundlagen. In: ÖIAZ, 147. Jg., Heft 4/2002. Teil 2: Experimentelle Untersuchungen und Computersimulationen. In ÖIAZ, 147. Jg., Heft 5/2002. Teil 3: Ausführungsbeispiele und Neuentwicklungen. Erscheint in ÖIAZ, 147.Jg., Heft 6/2002, Wien. – Brandl, H.; Adam, D.; Kopf, F. (1999): Geothermische Energienutzung mittels Pfählen, Schlitzwänden und Stützbauwerken. Pfahl-Symposium 1999, TU Braunschweig, Deutschland. – Brandl, H.; Markiewicz, R. (2002): Die Nutzung geothermischer Energie im Bauwesen. Zement+Beton 4/02. Zement+Beton Handels- und Werbeges.m.b.H., Wien. Expertenforum Beton – Brandl, H.; Markiewicz, R. (2001): Geothermische Nutzung von Bauwerksfundierungen („Energiefundierungen“). In: ÖIAZ, 146. Jg., Heft 5-6/2001, Wien. 19 Wärmepumpen – rechtliche Erfordernisse Mag. Dr. Michael FERSTL Amt der Steiermärkischen Landesregierung, FA 19A Wasserwirtschaftliche Planung, Graz 1 Unterscheidungen 2 Rechtliche Grundlagen 1.1 Thermische Nutzung des Grundwassers 2.1 W § 31c WRG: Sonstige Vorsorge gegen assergefährdung Für den wirtschaftlichen Betrieb von thermischen Nutzungen des Grundwassers gilt die Voraussetzung, dass möglichst ganzjährig Grundwasser mit konstanter Temperatur zur Verfügung steht. Bei der thermischen Nutzung von Grundwasser wird dieses aus einem Entnahmebrunnen entnommen, in einem Wärmetauscher abgekühlt oder aufgewärmt und bevorzugt grundwasserstromabwärts wieder dem Entnahmeaquifer zugeführt. 1.2 Thermische Nutzung des Untergrundes – Die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von Erdwärme in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten und in geschlossenen Siedlungsgebieten ohne zentrale Wasserversorgung ist bewilligungspf ichtig. – Die Errichtung von Anlagen zu Gewinnung von Erdwärme in Form von Vertikalkollektoren (Tiefensonden) ist anzeigepf ichtig. – Die Errichtung von Anlagen zur Wärmenutzung der Gewässer ist anzeigepf ichtig 2.2 1.2.1 Flachkollektoren – Ein Vorhaben ist 3 Monate vor Inangriffnahme mit Projektsunterlagen (siehe § 103) unter Angabe einer 3 Jahre nicht überschreitenden Bauvollendungsfrist anzuzeigen. Bei Flachkollektoren werden in einer Tiefe von etwa 1,2 bis 1,5 m f ächig und in Schlaufen Kunststoffrohre bzw. kunststoffummantelte Kupferrohre horizontal eingebaut und mit dem Wärmeträgermedium bzw. dem Arbeitsmittel gefüllt. Die über die Horizontalkollektoren aufgenommene Erdwärme wird der Wärmepumpe zugeführt. – Eine Anlage gilt als bewilligt, wenn die Behörde nicht innerhalb von 3 Monaten ab Einlangen der Anzeige schriftlich mitteilt, dass die Durchführung eines Bewilligungsverfahrens erforderlich ist. – Im Anzeigeverfahren bewilligte Anlagen sind mit 15 Jahre ab Einbringung der Anzeige befristet. Expertenforum Beton 1.2.2 Vertikalkollektoren (Tiefensonden) 20 Bei diesem Verfahren wird ein Kollektorsystem in ein Bohrloch eingebracht und mit dem Wärmeträgermedium bzw. dem Arbeitsmittel gefüllt. Es wird in erster Linie Wärme aus dem Erdinneren genutzt. Der Wärmeentzug f ndet hauptsächlich im Umkreis von 5 m um die Sonden statt. Daher wird bei Errichtung mehrerer Sonden ein Mindestabstand von 10 m empfohlen. Kann dieser Abstand nicht eingehalten werden, ist eine geringere spezif sche Entzugsleistung für die Bemessung in Rechnung zu stellen. § 114 WRG: Anzeigeverfahren 3 Wasserwirtschaftliche Rahmenbedingungen 3.1 Allgemein In der Schutzzone III von Schutzgebieten sowie in Schongebieten gemäß § 34 WRG 1959 dürfen Anlagen zur thermischen Nutzung des Untergrundes und des Grundwassers nur errichtet werden, wenn: – Einschränkung bestehender Rechte an der Nutzung des Grundwassers und des Untergrundes. – die Anlagentypen dem besonderen Schutzbedarf entsprechen – spezielle Begleitmaßnahmen gesetzt werden (z. B. Sperrrohre, Hilfsverrohrung) – besondere hydrogeologische Standortbedingungen gegeben sind – Thermische Nutzung von gespannten und artesisch gespannten Grundwasservorkommen. – Flachkollektoren bzw. Direktverdampferanlagen über HHGW verlegt werden (Richtlinie W72 der ÖVGW) – Anbohren von artesischen Grundwasservorkommen mit einem artesischen Überdruck von mehr als 3 m über Gelände. – korrosionsbeständige Werkstoffe eingesetzt werden. – Anbohren bzw. Durchörtern von gespannten Grundwasservorkommen mit wesentlichen Druckunterschieden. Ablehnungsgründe Zur nachhaltigen Sicherung der derzeitigen und zukünftigen Trinkwasserversorgung, öffentlicher Interessen und fremder Rechte sind die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur thermischen Nutzung in folgenden Fällen nicht zulässig: – Lage der Anlage innerhalb der Schutzzonen I und II von Wasserschutzgebieten gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959. (Bei Abänderungen bzw. Neuausweisungen von Schutzgebieten der Zone II, wo Wohn- oder Betriebsobjekte mit Ölheizungen existieren, ist nach Einzelfallprüfung die Errichtung von Horizontalkollektoren mit nicht wassergefährdenden Kältemitteln wie z. B. R 290 – Propan bzw. CO2 möglich.) – Lage der Anlage innerhalb der Schutzzone III von Wasserschutzgebieten gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959, wenn ein besonderer Schutzbedarf der Grundwasserüberdeckung gegeben ist (z. B. Ergiebigkeitsschutzgebiet bei Nutzung gespannter und artesisch gespannter Grundwässer). – Lage der Anlage im unmittelbaren Einzugsbereich von nach § 10 Abs. 1 WRG 1959 bewilligungsfreien Grundwasserentnahmen zum Zwecke der Trinkwasserversorgung, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist. – Thermische Auswirkungen der Anlage bis in die Schutzzone II von Wasserschutzgebieten gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959. 4 Anforderungen an ein Einreichprojekt Die Anforderungen für ein wasserrechtliches Einreichprojekt sind in § 103 WRG geregelt: 4.1 Erdwärmepumpe (EWP) – Eigentümer/Betreiber (Name, Anschrift, Firmensitz), Projektverfasser (verantwortliche Zeichnung) – Art und Zweck – Dauer der Erdwärmenutzung – grundbuchmäßige Bezeichnung aller beanspruchten Liegenschaften und deren Eigentümer – berührte fremde Rechte (Wasser-, Fischerei-, Einforstungsrechte etc.) einschließlich Vereinbarungen, insbesondere Angabe bestehender wasserrechtlich bewilligter Wasserversorgungsanlagen in einem Umkreis von zumindest 150 m – Gegenstand und Umfang der Inanspruchnahme fremder Rechte – technische Beschreibung der EWP – Hersteller, Fabrikat, thermische und elektrische Leistungsdaten – verwendete Werkstoffe aller Bauteile, Art und Menge der eingesetzten Arbeitsmittel (Kältemittel, Kältemaschinenöl, Wärmträger etc.) mit Sicherheitsdatenblättern Expertenforum Beton 3.2 21 – technische Daten des Kollektors (Anzahl der Kreise, Gesamtlänge und Gesamtinhalt der Leitungen etc.) – technische Ausrüstung und Sicherheitseinrichtungen, Betriebsweise – Darstellung der hydrologischen, hydrogeologischen und wasserwirtschaftlichen Verhältnisse – Untergrund- und Grundwasserverhältnisse bis zur Endteufe – Lage in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten – Angaben betreffend Bohrverfahren, Bohrlochausbau, oberf ächennahe Abdichtung des Kollektorkopfes, Ringraumfüllung, Verrohrung etc. – technische Vorkehrungen, die bei der Durchörterung trennender Dichtschichten zwischen Grundwasserstockwerken ergriffen werden müssen, um deren Kurzschluss zu verhindern, einschließlich Zeitplan – Ermittlung des Wärmebedarfes und seine vorgesehene Deckung – Betriebsvorschrift – Betriebszeitdokumentation – Wartung und Überwachung (Wasserzähler, Entnahme- und Rückleittemperatur) – Vorgangsweise bei Störungs- und Gebrechensfall 5 Verfahrensablauf 5.1 W Entscheidung – Erdwärme oder asserwärme? Entscheidungsgrundlage: Energiebedarf, Geologie, abgeschätzte Kapazität der Ressource, Kosten-Nutzen 5.2 Erstellung der Antragsunterlagen nach § 103 WRG unter Beiziehung eines fachkundigen und befugten Ingenieurkonsulenten oder technischen Büros für Geologie und Hydrogeologie 5.3 5.4 – bei einer Lage innerhalb eines wasserrechtlich besonders geschützten Gebiets oder Siedlungsgebiets ohne zentrale Wasserversorgung muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden! – Wasserwärmepumpen: < 5 l/s --- Bezirkshauptmannschaft (BH), > 5 l/s --- Landeshauptmann (LH, FA13A – Wasserrecht, Landhausgasse 7, 8010 Graz) Expertenforum Beton Zusätzlich zu 4.1: 22 – Ermittlung des Wasserbedarfes und seine vorgesehene Deckung – Darstellung der Versickerungsanlage (samt Versickerungsleistung) – Ergebnis der rechnerischen Abschätzung der Einf usslänge der Abkühlung des Grundwassers; bei Flurabständen unter 2 m auch Beurteilung der Wärmewirkung auf Boden und Vegetation Antrag um wasserrechtliche Bewilligung – Wenn durch die Bohrung und/oder den Pumpversuch eine Beeinträchtigung fremder Rechte oder öffentlicher Interessen befürchtet wird oder Grundwasserwärmepumpe (GWP) – Ergebnis des Pumpversuches und evtl. Beweissicherungen Planungsanmeldung Durchzuführen gem. § 55 (3) WRG beim wasserwirtschaftlichen Planungsorgan (FA19A – Wasserwirtschaftliche Planung und Siedlungswasserwirtschaft, Stempfergasse 5-7, 8010 Graz) – Vorgangsweise bei endgültiger Einstellung der Wärmegewinnung 4.2 Projektierung – Erdwärmepumpen mittels Tiefensonde: Bezirkshauptmannschaft (BH) 5.5 Vorbegutachtung durch den Amtssachverständigen (ASV) 5.6 Entscheidung, ob eine mündliche Verhandlung erforderlich ist Erfolgt innerhalb von 3 Monaten ab Antragstellung keine Rückmeldung der Behörde, gilt das Vorhaben als bewilligt. Ansonsten wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Parteiengehör (Wahrung der Berufungsfrist: 2 Wochen) 5.8 Au Bewilligung – Bewilligung unter f agen – Ablehnung 5.9 Berufung – Sämtliche Störfälle beim Betrieb, die mit einer Verunreinigung von Boden und/oder Grundwasser einhergehen: Bei größeren Austritten von wassergefährdenden Stoffen in den Boden (> 100 l) und bei jedem Austritt in das Grundwasser ist der Chemiealarmdienst des Landes Stmk. zu kontaktieren. – Nächsthöhere Instanz: BH LH Verwaltungsgerichtshof (VwGH) LH Lebensministerium = Bundesministerium für Land-, Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) VwGH – Sämtliche gemeldeten Beeinträchtigungen fremder Rechte – die Fertigstellung – das Ansuchen um Wiederverleihung – die dauerhafte Außerbetriebnahme der Anlage – Zurückverweisung an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung 5.10 Entscheidung 5.11 Errichtung durch ein konzessioniertes Unternehmen 5.12 Kollaudierung Nach Ablauf der Bauvollendungsfrist wird die Übereinstimmung der ausgeführten Anlage mit der erteilten Bewilligung überprüft. 5.13 Wiederverleihung nach Ablauf der Bewilligungsfrist Im Anzeigeverfahren gilt eine Anlage für 15 Jahre, ansonsten für mindestens 10 Jahre bewilligt. Frühestens 5 Jahre, spätestens 6 Monate vor Ablauf kann ein Antrag auf Wiederverleihung eingebracht werden. 6 Meldepflichten (an die Behörde) – Sämtliche Änderungen des Projektes – bei geringfügigen Änderungen erst bei der Kollaudierung erforderlich – sämtliche Störfälle bei der Errichtung (z. B. Austritt von Mineralölen, Übertagetreten von artesischem Wasser, Auftreten von Gasen etc.). Bei größeren Austritten von wassergefährdenden Stoffen in den Boden (>100 l) und bei jedem Austritt in das Grundwasser sowie bei Auftritt von Gasen ist der Chemiealarmdienst des Landes Stmk., bei Austreten von artesisch gespanntem Grundwasser auch die wasserwirtschaftliche Planung zu kontaktieren. 7 Normen und Richtlinien (auszugsweise) 7.1 Rechtliche Normen – Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) BGBl Nr. 215/1959 i. d. F. BGBl. I Nr. 123/2006 – Grundwasserschutzverordnung BGBl. II Nr. 398/2000 – Trinkwasserverordnung BGBl. II Nr. 304/2001 i. d. F. BGBl II Nr. 254/2006 7.2 W Regelblätter des Österreichischen asser- und Abfallwirtschaftsverbandes – Wasserwirtschaftliche Gesichtspunkte für die Projektierung von Grundwasserwärmepumpenanlagen, Arbeitsbehelf Nr. 3, ÖWAV, Wien 1986 – Anlagen zur Gewinnung von Erdwärme, Regelblatt 207, ÖWAV, Wien 1993 – Bohrungen zur Grundwassererkundung, Regelblatt 208, ÖWAV, Wien 1993 – Nutzung des Grundwassers und der Erdwärme für Heizen und Kühlen, Entwurf Regelblatt 207-2, ÖWAV 7.3 Regelblätter des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches – Sanierung und Rückbau von Bohrungen - Grundwassermessstellen und Brunnen, Arbeitsblatt W 135, Nov. 1998 Expertenforum Beton 5.7 23 – Geophysikalische Untersuchungen in Bohrungen - Brunnen und Grundwassermessstellen, Arbeitsblatt W 110, Juni 2005 – Planung, Durchführung und Auswertung von Pumpversuchen bei der Wassererschließung - Arbeitsblatt W 111, März 1997 – Bohrungen zur Erkundung, Gewinnung und Beobachtung von Grundwasser – Arbeitsblatt W 115, März 2001 – Verwendung von Spülungszusätzen in Bohrspülungen bei Bohrarbeiten im Grundwasser – Arbeitsblatt W 116, Apr. 1998 – Bestimmung des Schüttkorndurchmessers und hydrologischer Parameter aus der Korngrößenverteilung für den Bau von Brunnen – Arbeitsblatt W 113, März 2001 – Qualif kationsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau und Brunnenregenerierung – Arbeitsblatt W 120, Dez. 2005 – Gewinnung und Entnahme von Gesteinsproben bei Bohrarbeiten zur Grundwassererschließung – Arbeitsblatt W 114, Juni 1989 7.4 ÖNORMEN – ÖNORM B 2400: Hydrologie – Hydrograf sche Fachausdrücke und Zeichen, 1. 11. 2004 – ÖNORM B 2601: Wassererschließung – Brunnen – Planung, Bau und Betrieb, 1. 2. 2004 – ÖNORM B 2602: Wassererschließung – Quellfassungsanlagen – Planung, Bau, Betrieb, 1. 6. 2004 Expertenforum Beton – ÖNORMEN M 7753, M 7755-1, M 7763 „Technische Ausführung von Wärmepumpenanlagen“ 24 – ÖNORM B 3120-3: Natürliche Gesteine – Probenahme – Körnungen, 1. 6. 2004 – ÖNORM B 4422-2: Erd- und Grundbau – Untersuchung von Böden – Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit – Feldmethoden für oberf ächennahe Schichten, 1. 6. 2002 – ÖNORM EN ISO 14688-1: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und Klassif zierung von Bo- den, Teil 1: Benennung und Beschreibung, 1. 2. 2003 – ÖNORM EN ISO 14688-2: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und Klassif zierung von Boden, Teil 2: Grundlagen der Bodenklassif zierung, 1. 12. 2004 – ÖNORM EN ISO 22475-1: Probenentnahmeverfahren und Grundwassermessung, Teil 1: Technische Grundlagen der Ausführung, 1. 12. 2006 – ÖNORMEN B 4401, Teil 1-4: Erd- und Grundbau – Erkundung durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Proben Beton als Speichermasse – Konzepte für Energieoptimierung und Behaglichkeit Arch. DI Ernst GISELBRECHT Ernst Giselbrecht + Partner architektur zt gmbh, Graz Klimadesign, Energieoptimierung und Behaglichkeit sind Themen unserer Zeit, welche nicht nur die Bauherren und Gebäudeerrichter interessieren, sondern auch alle Nutzer. Als Architekten haben wir während des Studiums gelernt, dass wir unsere Bauwerke in das geograf sche Umfeld einbinden sollen. Heute ist es so, dass wir unsere Gebäude nicht nur in den landschaftlichen, sondern auch in den energetischen Umraum einfügen sollen. Dies wird immer mehr zum Thema, da sich dadurch Synergien und Möglichkeiten ergeben, welche in großem Rahmen Energieeinsparungen bringen. Wenn wir das Potenzial des energetischen Umraums nutzen wollen, so brauchen wir die Möglichkeit der Speicherung, da die Energiepotenziale nicht jederzeit zur Verfügung stehen. Beton ist in diesem Fall ein ideales Material für uns Architekten, da Beton neben der Speicherung auch noch viele andere Aufgaben übernehmen kann. So ist z. B. die Statik, die Raumbildung, aber auch die ästhetische Komponente der Oberf äche von Sichtbeton aus vielen modernen Architekturen nicht mehr wegzudenken. VN Medienhaus, Schwarzach Neben der Speicherfähigkeit ist es natürlich auch die Aktivierung der Betonteile, welche eine breite Verwendungsmöglichkeit von Energiepotenzialen bietet. Wir verwenden unser Tragsystem nicht nur für die Konstruktion des Bauwerks, sondern gleichzeitig für Heizung und Kühlung. Wie wir alle wissen, ist die Strahlungswärme mit Abstand die gesündeste und angenehmste Wärme. Mithilfe der Betonkernaktivierung können wir nicht nur das Prinzip des Kachelofens für das ganze Gebäude einsetzen, sondern das Gebäude auch kühlen. Wir sind heute aufgefordert, sehr leichte Gebäude zu bauen. Das hat damit zu tun, dass die Masse eines Gebäudes in der heutigen Zeit auch einer der Indikatoren für die Kosten ist. Wir können mithilfe der Betonkernaktivierung sehr leichte Gebäude mit dünnen Mauern bauen und einige Zentimeter hinter der Oberf äche die Wärme abführen. Dies führt dazu, dass wir in diesen leichten Gebäuden im Sommer ein Klima haben, wie wir es von alten Schlössern mit meterdicken Mauern kennen. Expertenforum Beton Moderne Architektur zeigt sich nicht nur darin, dass sie den Zeitgedanken Formen gibt, sondern auch die Energieoptimierung zum Thema der Gebäude macht. Es geht uns Architekten also darum, die Energiedaten zu optimieren, die Materialien richtig einzusetzen, und darüber hinaus soll dieses neue Interesse auch zu einer neuen Ästhetik führen, zu einer Architektur, die in ihrer Ausformung Ausdruck dieser neuen Gesinnung ist. Um dies zu erreichen, ist eine der Optionen, die zur Verfügung stehenden Materialien so zu wählen, dass sie ihre spezif schen Potenziale einsetzen können. Ein wichtiges Thema dabei ist die Speichermasse, und wie schon in der Einleitung erwähnt, ist Beton hier das Material schlechthin, welches wir in der Architektur verwenden. 25 ▲ Biokatalyse, Graz Expertenforum Beton ▼ Villa R., Graz 26 Medienhaus der Vlbg. Nachrichten Das Vorarlberger Medienhaus ist ein Beispiel dafür, wie Betriebsgebäude Energiepotenziale nutzen können. Die Heizung dieses Gebäudes wird gespeist durch die Abwärme der Druckmaschine. Das Gebäude ist eines der ersten, bei denen in Vorarlberg Betonkernaktivierung angewandt wurde. Die Kühlung verläuft über die Piloten, die notwendig waren, da sehr schlechte Grundverhältnisse den Bau dort bestimmten. Die Piloten gehen ca. 36 m tief ins Erdreich und sind auch aktiviert und bestreiten die Kühlung. Das Gebäude hat ca. 5.000 m² Nutzf äche und weist Energiekosten für Heizung und Kühlung pro Jahr auf, die einem Einfamilienhaus entsprechen. Roche Diagnostics - New Site Graz Die Kühlanlagen der Reinräume übernehmen in der produktionsfreien Zeit die Kühlung über die Betonkernaktivierung. Die Speicherfähigkeit von Beton macht es möglich, die Zeiten, in denen keine Kühlenergie zur Verfügung steht, zu überbrücken. So ist es möglich, ein Kühlaggregat einzusparen und die vorhandenen optimal einzusetzen. Biokatalyse TU Graz Laborgebäude mit Verglasung nach Süden - die besondere städtebauliche Situation machte es notwendig, dieses Laborgebäude nach Süden zu orientieren. Mithilfe von speziellen Sonnenschutzelementen, welche dem Gebäude als dynamische Fassade eine spezielle Ästhetik verleihen, und der Betonkernaktivierung war es möglich, ein höchst behagliches Arbeitklima für dieses internationale Forschungszentrum zu realisieren. Villa in Rot Die Anwendung von Erdsonden und Wärmepumpe in Verbindung mit Betonkernaktivierung schafft neue Möglichkeiten für Behaglichkeit auch im Wohnhausbau. Zentrale ÖWG/ÖWGES GRAZ Die größte steirische Wohnbaugenossenschaft hat für ihre Zentrale einen baukünstlerischen Wettbewerb ausgeschrieben, den wir gewinnen konnten. Das Gebäude beinhaltet neben den Administrations- und Technikerbüros auch eine Repräsentations- und Servicezone. Sämtliche Decken und Betonteile sollen aktiviert werden und über ein Erdsondenfeld und Wärmepumpen die Heiz- und Kühlenergie beziehen. Zusammen mit einer kontrollierten Be- und Entlüftung soll eine optimale Behaglichkeit garantiert werden. Dies könnte große Breitenwirkung haben und so vielleicht demnächst zum Standard im steirischen Wohnbau werden. Expertenforum Beton In diesem Zusammenhang müssen natürlich die Einsatzmöglichkeiten der Materialien intelligent verknüpft werden. Es geht darum, dass die Qualitäten des Glases mit den Qualitäten der Speichermasse verbunden werden, um so Behaglichkeit zu schaffen. Das Multitalent Beton hilft uns dabei, und ich darf Ihnen einige Beispiele aus meinem Architekturbüro zeigen. 27 Schnittstelle Beton und Kühltechnik – von der Baustellenkoordination bis zur Gewährleistung DI Dr. techn. Gernot TILZ REHAU Gesellschaft m.b.H., Guntramsdorf Die Nutzung regenerativer Quellen auf der „Energiegewinnungsseite“ sowie die eff ziente Energieverteilung und Abgabe auf der „Nutzerseite“ haben den Einsatz neuer Technologien und Verfahren im Bauwesen erzwungen. Dem schnell wachsenden Markt und unbändigen Nachfragen nach derartigen Lösungen waren Planer, Verarbeiter und Systemanbieter in letzter Zeit nicht stets gewachsen. Nach vielen Versuchen und differenzierten Ansätzen mit anschaulichen, aber auch weniger glücklichen Lösungen lassen sich aus heutiger Sicht Qualitätskriterien def nieren, die, in Abhängigkeit der Projekteigenschaften, bestimmte Anforderungen an Planung, Verarbeitung, Systemkomponenten oder Materialien def nieren. Basis dieser Entwicklung war das intensive Zusammenspiel aus Forschung und Entwicklung, Fachplanern, Verarbeitern und der Industrie, deren Symbiose serienreife Systeme entsprungen sind, die wesentliche Qualitätskriterien wie – Betriebssicherheit – Dauerhaftigkeit – Eff zienz – Nachhaltigkeit in Hinblick auf Gewässer- und Bodenschutz erfüllen. Die eff ziente Kombination aus Aktivierung speicherwirksamer Massen und geothermischen Potenzialen ist längstens bekannt (Abb. 1). Um diesen Systemen auch langfristig einen fruchtbaren Boden für die eff ziente Gebäudebewirtschaftung zu sichern, bedarf es eines strikten Qualitätsmanagements, das sämtliche Bereiche der Herstellung, der Einzelkomponenten sowie der Planung berücksichtigt. Diese lassen sich im Wesentlichen in folgende Teilbereiche (Tab. 1) abbilden: Expertenforum Beton Tab. 1: Qualitätskriterien und Einflussparameter bei Bauteilaktivierung und Geothermie 28 Qualitätskriterium Dimensionierung Tiefbauverfahren Konstruktion Materialqualität Einf ussparameter – Geologie – Wasserverhältnisse Bohrverfahren – Bohrtiefe – Verpressvorgang – etc. – Leitungsstruktur – Verlegeschema Schachtkonzept – Flexibilität – Zugänglichkeit – etc. – Mediumtemperatur – Druck – mechanische Beanspruchung – chemische Beanspruchung – etc. – Heizbetrieb – Kühlbetrieb Betriebsstunden – Lasten – Regelung – etc. Abb. 1: Decken-Temperaturprofil bei Betonkerntemperierung. Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H. Heutige Erfahrungen zeigen uns, dass gerade im kombinierten Heiz- und Kühlbetrieb die hohe Eff zienz und Wirtschaftlichkeit der beschriebenen Anlagen liegt. Doch gerade in diesen Fällen sind aufgrund der höheren Beanspruchung, aufwändigeren Regelungen und komplexeren Hydraulikschemen alle Projektbeteiligten besonders gefordert. Wir sprechen aber auch von der Notwendigkeit einer exakten Darstellung bauphysikalischer Randbedingungen, die in standardisierten Berechnungstools geringen Einf uss f nden. Hocheff ziente Gebäude, die nicht zuletzt vom Einf uss solarer Gewinne abhängig sind, weisen eine hohe Empf ndlichkeit gegenüber wechselnden Witterungsverhältnissen auf. Die Herausforderung liegt darin, den Spagat zwischen hoher Flexibilität in Hinblick auf wechselnde Witterungsverhältnisse und einem trägen Abgabesystem zu schaffen, eine Kunst an Dimensionierung und Regelungstechnik. Flexibilität betrifft einen weiteren wichtigen Bereich – jenen der Nutzung: Die Eff zienz einer geothermischen Anspeisung der Betonkerntemperierung steigt mit zunehmendem Kühlenergiebedarf. Diese sind vorwiegend bei komplexen Gebäuden im Bürohaus- und Industriebau vorzuf nden. Dort werden wir auch zunehmend Abb. 3: Geplante Leitungsstrukturen als Mindeststandard Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H., Forster Abb. 4: Positiv- und NegativBeispiel einer Verpressung – direkter Einfluss auf die Effizienz der Anlage Quelle: Tilz/Forster Expertenforum Beton Abb. 2: Fehlende Punktlastbeständigkeit bei PE-100-Rohren Quelle: Tilz REHAU Gesellschaft m.b.H. 29 mit häuf gen Nutzerwechseln oder veränderlichen Raumstrukturen konfrontiert. Nur ausgeklügelte Leitungsstrukturen und Strangkonzepte könne auch dauerhaft diese räumliche Flexibilität gewährleisten. Dieser Qualitätsanspruch, der seinen Anfang in den ersten Grundzügen der Planung f nden muss, wirkt sich auch wesentlich auf den Betrieb sowie die Wartung und Instandhaltung des Gebäudes aus. Die Anforderung, den technischen Ausbau zugänglich und kontrollierbar zu halten, soll als Voraussetzung gelten. Sowie auch die Ansprüche an Verarbeitung und Materialqualität. Expertenforum Beton Die Werkstoffbranche hat an die hohen Anforderungen an Systemkomponenten bei der Verbauung von Rohren in Schüttmaterial, wie etwa im Bereich der Betonkerntemperierung oder Geothermie, reagiert. Fehler durch Einsatz minderwertiger Rohrqualität, wie sie Anfang der 80-er-Jahre im Bereich der Fußbodentechnik z. B. mit PEHD gemacht wurden, sollten auch in der Betonkerntemperierung und Geothermie der Vergangenheit angehören. So kann im Deckenbereich der Einsatz von PE-Xa als Standard 30 angesehen werden, im Erdbereich haben sich die kunststofftechnischen Schwächen von PE 100 bis dato noch nicht zur Gänze verbreitet. Tatsachen, wie die fehlende Punktlastbeständigkeit (siehe Abb. 2), das ausgeprägte Risswachstum bei Kerbverletzungen und die geringe Temperaturbeständigkeit bei PE 100, sollten gerade in Hinblick auf den steigenden Kühlenergiebedarf unbedingt berücksichtigt werden. Der Einsatz von vernetztem Polyethylen sollte sich als Standard durchsetzen. Denn die Rohrqualität und die zugehörige Verarbeitung (Bohrung, Verpressung etc.) haben direkte Auswirkungen auf wesentliche Eigenschaften der Anlagen wie Dauerhaftigkeit, Betriebssicherheit, Eff zienz oder wasserrechtliche Aspekte (Abb. 3). Zur Sicherung des langfristigen Erfolges der Betonkernaktivierung in Kombination mit geothermischen Potenzialen führt deswegen kein Weg an einer interdisziplinäre Betrachtungen nach Tab. 1 vorbei. Letztendlich kann nur dieses übergreifende Systemdenken Ausgang für noch eff zientere Lösungen im Dienste einer nachhaltigen Gebäudebewirtschaftung sein. Schnittstelle Beton und Akustik – schalltechnische Optimierung thermisch genutzter Decken Ing. Manfred BULLA Saint-Gobain Ecophon, Leibnitz Die Kühlung moderner Bürogebäude durch Betonkerntemperierung (BKT) hat sich in den letzten Jahren in Europa zu einem elementaren Bestandteil der technischen Gebäudekonzepte entwickelt. Insbesondere die wirtschaftlichen Aspekte eines ressourcenschonenden Heiz- und Kühlbetriebs, aber auch die Vorteile im Hinblick auf eine komfortable Temperierung überzeugen dabei. Eine behagliche Raumtemperatur lässt sich durch die Nutzung großer Speichermassen und lediglich geringer Temperaturdifferenzen zwischen System und Raum herstellen. Für Planer und Bauherren ist dieser Trend besonders dann eine Herausforderung, wenn die Überschneidung mit akustischen Lösungen im Deckenbereich stattf ndet. Die thermische wie die akustische Anwendungsforschung zeigen jedoch: Es gibt Möglichkeiten, beiden Aspekten durch eine frühzeitige und ganzheitliche Planung gerecht zu werden. Mit dem Ziel, das System der Flächenkühlung umfangreich zu nutzen und dabei mindestens die thermische Grundlast im Gebäude abzudecken, müssen allerdings grundsätzliche Entscheidungen über die Ansprüche an das Gebäude und den Raum getroffen werden. Basisentscheidungen zum Gebäude Basisentscheidungen zum Gebäudetyp und der Gebäudestruktur bilden die Voraussetzung für die Verbindung des akustischen Konzeptes mit der Funktionsweise der Betonkerntemperierung: – Begrenzung der Kühl- und Heizlasten durch Gebäudegestaltung und -konstruktion – größtmögliche Bauschwere zur thermischen Speicherfähigkeit – Akzeptanz einer eingeschränkten individuellen und genauen Regelbarkeit der Solltemperatur – Adaptation des Lüftungssystems an das thermische Konzept Die Decke mit ihrer Doppelfunktion im Hinblick auf die Temperierung und Bedämpfung des Raumes erhält dabei einen besonderen Einf uss. Konkurrierende Ansprüche an die Deckenfläche Wesentliche Bedeutung hat der thermische Komfort im Aufenthaltsbereich des Raumes bis zu einer Höhe von 2,0 m. Um dabei ein adäquates Maß an Kühlung zu erreichen, muss in der Regel ein wesentlicher Teil der Deckenf äche unverdeckt bleiben. Gleichzeitig benötigt die akustische Konditionierung des Raumes ebenfalls große Anteile der Deckenf äche. Denn zum einen kann das notwendige Maß an Absorptionsf äche über andere Raumbegrenzungsf ächen oder Einrichtungsgegenstände nur schwer erreicht werden, zum anderen ist die Minderung der Schallausbreitung entscheidend für die Privacy im Raum. Offenkundig nimmt der Temperaturverlauf an der Decke Einf uss auf die empfundene (operative) Raumtemperatur, die sich aus der Lufttemperatur und der mittleren Strahlungstemperatur der Umgebungsf ächen ergibt. Untersuchungen in der Klimakammer haben jedoch gezeigt, dass der thermische Komfort im Raum nicht allein von der energetischen Eff zienz der BKT abhängt. Auch die weiteren Raumbegrenzungsf ächen und die Wärmeübertragung zur Decke wirken sich entsprechend aus. Das Eintreten von konvektiver Kälteemission kann durch den Einsatz von Deckensegeln gezielt unterstützt werden. Zahlreiche Randbedingungen bieten also Spielraum für die parallele Verwirklichung von akustischem und Expertenforum Beton Herausforderungen zwischen Architektur und Technik 31 Expertenforum Beton SÜC Coburg, Verwendung von Ecophon-Baffeln in den Büroräumen 32 thermischem Komfort. Die thermische Behaglichkeit kann deshalb auch mit einer anteiligen Nutzung der Deckenf äche für akustische Maßnahmen erhalten bleiben, allerdings wächst der Energieaufwand damit stärker. Die Entscheidung für das erforderliche Maß an raumakustischem Komfort orientiert sich an Raumform und -größe, Raumbelegung und Aktivität. Es gilt zu bedenken, dass die Einschränkung von oder der Verzicht auf effektive Akustikmaßnahmen sich kontinuierlich leistungsmindernd auswirken kann. Für den Einsatz in betonkernaktivierten Gebäuden, in denen nur eine geringe „Störung“ der thermisch aktivierten Deckenf äche durch Akustikmaßnahmen erlaubt ist, können akustisch höchstwirksame Baffelelemente oder kleinformatige Deckensegel eine vermittelnde Lösung darstellen. Allerdings ermöglicht nur eine bewusste Auswahl und Platzierung der akustischen Elemente eine zuverlässige Wirkungsweise des thermischen Systems. Die Anpassung der akustischen Lösung an das Lüftungssystem Eine durchdachte Wahl von Akustikelementen und eine sorgfältige Planung der Raumluftführung sind Grundvoraussetzung für eine effektive Abfuhr der Wärmelasten über die Decke. Im europäischen Raum lassen sich dabei grundsätzlich zwei Systeme unterscheiden. Quelllüftung wird üblicherweise für das zusätzliche Abkühlen des Raumes verwendet. Deshalb unterstützt es die Behaglichkeitstemperatur im Aufenthaltsbereich, wo kühlere Luft vom Boden aus entlang der Wärmequellen (Büromaterial, Personen) aufsteigt. Mischlüftung ist eine sehr häuf ge Form der Luftverteilung und wird mitunter für die zusätzliche Beheizung verwendet. Sie erlaubt eine gleichmäßige Temperaturverteilung im ganzen Raum. Untersuchungsergebnisse deuten an, dass ein erheblicher Anteil an der Raumkühlung durch die natürliche Konvektion erzeugt wird. Deshalb ist es wichtig, die Luftumwälzung unter der Decke nicht zu behindern. Abhängig vom akustischen System, dem Belegungsgrad der Decke, der Abhängehöhe zur Decke und den Entfernungen zwischen den akustischen Elementen können unterschiedliche Effekte auf die Kühlwirkung eintreten. Eine Belegungsdichte von 30-45 % der Raumgrundf äche stellt bereits häuf g eine sinnvolle akustische Maßnahme dar. Generell zeigt sich, dass damit geringe Minderungen in der Kühlleistung und stabile Raumtemperaturen erreicht werden können. Ob eine derartige raumakustische Gestaltung für die vorgesehene Nutzung ausreichend ist, lässt sich erst in der individuellen Planung erkennen. Für eine optimale akustische Umgebung kann dann die ergänzende Nutzung untemperierter Flächen erforderlich sein. Dazu eignen sich Wandf ächen, Abkofferungen oder Deckenrandbereiche. Bewusste Entwicklung von anspruchsgerechten Räumen Die Betonkerntemperierung als nachhaltige Lösung f ndet nicht zuletzt solch großen Anklang durch die Vordergründigkeit der schieren Betondecke als zeitlose Verbindung von Form und Funktion. Die Ergänzung dieses Systems durch akustische Elemente setzt sowohl funktionale als auch ästhetische Akzente. Es entstehen räumliche Umgebungen, die sich an den Kernbedürfnissen des Menschen orientieren und damit für eine bewusste Planung stehen. Expertenforum Beton Die frühe Verankerung des raumakustischen Komforts innerhalb des Gesamtkonzeptes unterstützt eine gelungene und nutzerorientierte Raumgestaltung, denn: Akustik ist unverzichtbar. Doch im Hinblick auf eine wirksame Betonkerntemperierung ist nicht nur der Anteil der akustisch genutzten Deckenf äche zu berücksichtigen. Auch die Art der Luftführung trägt erheblich zum thermischen Komfort bei. 33 Betonfertigteile liefern Heiz- und Kühlenergie – die neue Trepka-Zentrale Bmstr. DI (FH) Robert KAMLEITNER Alfred Trepka GmbH, Obergrafendorf, www.trepka.at Ziel der Firmenleitung war es, ein zeitgemäßes Gebäude für zeitgemäßes Arbeiten zu schaffen. Dies spiegelte sich in Vorgaben wie Funktionalität, Transparenz und Energieeff zienz. Aufgrund der Tatsache, dass Beton im Allgemeinen und Fertigteile im Speziellen unser Haupteinsatzgebiet sind, war klar, mit welchem Material wir bauen. Die hohe Wärmespeicherkapazität des Betons legte für uns den Schluss nahe, ein Energiekonzept zu entwickeln, das Beton als Energiespeicher nutzt. Energiekonzept Klar ist, dass wer modern, innovativ und nachhaltig baut, nicht auf Energieträger wie Öl oder Gas greifen kann. Zur Gewährleistung der gewünschten Raumtemperatur und zur Sicherstellung einer ausreichenden Lüftung wurde ein Raumkonditionierunsgskonzept umgesetzt, das aus einer mechanischen Lüftung (kontrollierte Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung) sowie einer Bauteilaktivierung (Wasser-Wasser-Wärmepumpe) besteht. Für die Nutzung des Energiespeichers Beton wurden die Parapetwände (Betonsandwichwände) und die Betondecken vorgesehen (Abb. 1). Die kontrollierte Belüftung erfolgt in den Büros und wird in der zentralen Halle abgesaugt. Diese zentrale Halle (Abb. 2), das Herz des Gebäudes, dient zur passiven Solarenergienutzung und auch als grüne Lunge. Expertenforum Beton Zur Abschätzung der thermischen Qualität wurde ein dynamisches Simulationsmodell des Gebäudes über ein Jahr simuliert. Daraus ergab sich eine Energiekennzahl von 20 kWh/m2a. 34 Abb. 1: Systemansicht der betontemperierten Bauteile (rot) Abb. 2: Eingangshalle mit grüner Lunge Planung Das von Bauatelier Schmelz & Partner vorgegebene Entwurfskonzept und Raumprogramm wurde durch die bürointerne Planungsabteilung in Zusammenarbeit mit dem Statiker, Herrn DI Schuh, in eine Fertigteillösung umgeplant. Ca. 74 % der massiven Gebäudeaußenhülle sind aus Stahlbetonfertigteilen. Hinzu kommen noch die Säulen sowie Unterzüge bzw. Träger. Vor allem bei der Planung der als Energiespeicher nutzbaren Sandwichwände (Abb. 3) sowie der Sonderelementdecken (Abb. 4) wurden, neben einer genauen Führung der Schläuche, auch deren exakte Anschlüsse geplant. Bei der Sonderelementdecke wurde eine trapezförmige Untersicht geplant, um einerseits die Betonoberf äche zu erhöhen und andererseits die Möglichkeit zu bieten, an den Tiefpunkten Befestigungen von Lampen, Einrichtungen etc. durchführen zu können. Nebenbei wirkte sich die Prof lierung der Untersicht positiv auf die Raumakustik aus. DN100 miteingeplant, um zusätzliche Geschossverbindungen für Leitungsführungen zu ermöglichen. Produktion der Fertigteile zum Heizen und Kühlen Die Sandwichwand mit einem Aufbau von 8 cm Vorsatzschale, 16 cm Dämmung und 14 cm Tragschale wurde grundlegend wie eine übliche Sandwichplatte produziert. Es wurden lediglich auf den Bewehrungskorb der Tragschale die Schläuche für den Transport der Heiz- und Kühlenergie gebunden (Abb. 5). Auf die richtige Führung der Schläuche sowie deren Anschluss beim Fertigteil wurde besonders Wert gelegt. In die Fertigteilsäulen (40 cm x 40 cm) mit einer Länge von ca. 16,0 m wurde ein Kunststoffrohr Abb. 5: Bewehrungskorb mit aufgebundenen Schläuchen Abb. 3: Systemschnitt Sandwichwand Für die Prof lierung der Sonderelementdecke wurden Trapezteile aus Holz in die Schalung eingelegt. Ansonsten wurden ähnlich wie bei der Sandwichwand die Schläuche auf die Bewehrung gebunden, in die Schalung verlegt und miteinbetoniert. Bauphase Abb. 4: Systemschnitt Sonderelementdecke Baubeginn war Juli 07. Wie meistens bei hausinternen Baustellen, werden diese bei guter Auftragslage hintangestellt. So war fast den ganzen Sommer Stillstand und erst im Oktober 07 wurde wieder weitergearbeitet. Aufgrund der hohen An- Expertenforum Beton Des Weiteren wurde die Oberf äche der Vorsatzschale 2-mal gesäuert und hydrophobiert, wodurch diese vor Verschmutzung und Regen geschützt wird. Die Farbe (Anthrazit) erzielten wir durch Beigabe von Eisenoxyd-Schwarz. 35 zahl an Fertigteilen und der damit witterungsunabhängigen Montage, konnte aber trotzdem eine Komplettbauzeit (BM + Professionisten) von 11 Monaten realisiert werden. Im Vergleich zu Standard-Fertigteilen stellt das Versetzen von Bauteilen, die mit Rohrleitungen bestückt sind (Abb. 6) keinen zusätzlichen Aufwand dar. Die Schläuche bei den Sonderelementdecken wurden vor dem Betonieren des Aufbetons nach „oben“ gebunden (Abb. 7). Im Endausbau erfolgte dann der Anschluss der einzelnen Kreise (Decke und Parapetwand) an das Gesamtsystem, die dann unter dem Doppelboden verschwanden (Abb. 8 -10). Der Doppelboden ermöglicht es, nachträglich zu den einzelnen Kupplungsstellen der Heizkreis- bzw. Kühlkreisläufe zu gelangen. Abb. 8: Kupplungsstelle Decke Abb. 9: Kupplungsstelle Parapetwand Expertenforum Beton Abb. 6: Montage Sandwichwand 36 Abb. 7: Sonderelementdecke mit oben verlegter Bewehrung Abb. 10: Doppelboden Bürozeit Am 8. 8. dieses Jahres erfolgte der Umzug (Abb. 11). In den ersten Tagen hatten wir im Vergleich zur sommerlichen Außentemperatur (+30° C) sehr kühle Innentemperaturen. Mittlerweile ist durch diverse kurzfristige Maßnahmen eine angenehme Raum- und Arbeitstemperatur entstanden. Die Anlagen und das ganze System werden wahrscheinlich 1 Jahr brauchen, um sich „einzuspielen“. Abb. 11: Umzug 8.8.2008 Abb. 13: Neues Bürogebäude Tag In Anbetracht der schnellen Gesamtbauzeit und der einfachen Einbindung von innovativen Technologien wie die Nutzung der Betonfertigteile als Energiespeicher hat sich gezeigt, dass das „Produkt“ Beton und im Speziellen Fertigteilbeton zeitgemäß und wirtschaftlich ist und durchaus architektonische Highlights setzen kann. Daten & Fakten Das neue Bürogebäude (Abb. 12 + 13) soll aber nicht nur alleine dem Selbstzweck als innovatives und repräsentatives Gebäude dienen, sondern als Raum und Arbeitsplatz für die Mitarbeiter der Firma Trepka. EKZ: 20 kWh/m²a Bauherr: Fam. Wieder Architektur: Winfried Schmelz Haustechnikplanung: BPS Engineering Nutzf äche: 1.680 m² Sandwichfassade: U-Wert 0,24 W/m²K Betontemperierung: ca. 11.900 m Schläuche Bauzeit: Juli 2007-Juli 2008 Expertenforum Beton Abb. 12: Neues Bürogebäude Nacht 37 Nutzung speicherwirksamer Massen zum Heizen von Billa-Filialen Ing. Markus KNAR, BSc. ERNST Haustechnik GesmbH. & Co KG, Olbendorf Grundgedanke Expertenforum Beton Mit rund 16.300 Mitarbeitern ist BILLA der größte Nahversorger Österreichs. Mit über 1.000 Standorten zählt BILLA auch zu einem großen Abnehmer von Energie für Raumheizung, und es entsteht ein sehr großes Potenzial bei der Einsparung von Energie. Da REWE auch für Innovation und Umweltschutz steht, ist auch der schonende Umgang mit Ressourcen ein Anliegen des Konzerns. Um die Kosten für den Filialbetrieb auf einem angemessenen Level zu halten, werden Energiemarktpreisentwicklungen genauestens beobachtet. Aufgrund der steigenden Energiepreise in den letzten Jahren ist es nötig, eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern zu erreichen und die benötigte Energie eff zienter zu nutzen. 38 Es wird versucht, bei Filialneubauten die Beheizung nicht mittels Öl- oder Erdgasheizungen durchzuführen. Auch bei der Sanierung von bestehenden Filialen wird versucht, eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erreichen. Bei bestehenden Gebäuden ist dies nur mit einem erhöhten Aufwand möglich, wodurch eine wirtschaftliche Betrachtung der Umbausituation nicht außen vor gelassen werden darf. Bei vorhandener Fernwärmeinfrastruktur wird diese zuerst für die Energieversorgung der Filiale genutzt. Durch die Errichtung von Biomassefernheizanlagen auch außerhalb von Ballungsräumen ist ein Anschluss an dieses System auch im ländlichen Raum möglich. Jedoch stehen diese Szenarien nicht bei jeder Filialerrichtung zur Verfügung. Daher war es erforderlich, die auftretenden Energieströme in den Filialen genauer zu untersuchen. Dadurch sollten Ressourcen, welche in den meisten Filialen bereits vorhanden sind, ausreichend genutzt werden. Bei der Untersuchung hat sich deutlich herauskristallisiert, dass aufgrund des Einsatzes von Kühlenergie im Bereich der Kühlmöbel und Kühlräume Potenzial in der Abwärmenutzung dieser Anlagen besteht. In den vorhergegangenen Jahren wurde dieses Potenzial zur Erzeugung von Warmwasser mittels eines Wärmerückgewinnungsboilers genutzt. Für Reinigungszwecke und aufgrund der vorhandenen Fleischverarbeitung in den Filialen vor Ort wird ein großer Teil der Energie auch für die Warmwasserbereitung benötigt. Durch die ständig steigenden Energiepreise wurde dieses System weiterentwickelt und wird nun auch für die Beheizung von BILLA-Filialen eingesetzt. Bei bestehenden Filialen erfolgt die Wärmeabgabe mittels Torluftschleier, Deckenstrahlerplatten und Lufterhitzer. Hier kann mit geringem Investitionsaufwand die Abwärme der Kälteanlage genutzt werden. Bei Neubauten kann das System noch besser ausgenutzt werden, indem die Wärmeabgabe mittels Betonkernaktivierung erfolgen kann, da bei der Errichtung der Filiale auf das Heizsystem Rücksicht genommen werden kann. In nachstehenden Punkten soll auf das eingesetzte System und dessen Anwendung mittels Betonkernaktivierung eingegangen werden. Anwendungsvorgang Grundvoraussetzung für den Einsatz der Betonkerntemperierung ist die bauphysikalische Eigenschaft des Gebäudes. Hier ist darauf zu achten, dass sich die Wärmedurchgangswerte (U-Werte) aller Bauteile an den maximalen Werten der OIBRichtlinie 6 bzw. den geltenden Wärmeschutzbestimmungen des jeweiligen Bundeslandes orientieren. Nur dann kann nach der Wärmebedarfsberechnung eine vollkommene Abdeckung des Wärmebedarfs über die Betonkerntemperierung erfolgen. Würden diese Mindestanforderungen nicht eingehalten werden, wären zusätzliche Einbauten zur Wärmeabgabe erforderlich, welche für die Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage negative Auswirkungen hätten. Die Rohrabstände von 7 cm und 14 cm ergeben eine gleichmäßige Oberf ächentemperatur. Um den Erfordernissen (automatische Tür im Eingangsbereich, gewünschte höhere Temperatur im Kassenbereich) bestmöglich zu begegnen, Verlegung Registermatten Polyfusionsschweißung werden im Eingangs- und Kassenbereich Heizregister mit geringerem Rohrabstand verlegt sowie kleinere Heizkreise def niert. Als Ergebnis dieser Maßnahme schwankt am kältesten Tag die Lufttemperatur im Kassenbereich nur um 2° C (ohne Torluftschleier) und an der Fußbodenoberf äche nur um 0,4° C. Durch die hydraulischen Vorteile des ECONICsystems (gleichmäßige, laminare Durchströmung, spannungsfreies System, sehr geringer Druckverlust) ergibt sich die Möglichkeit, das zur Verfügung stehende niedrige Temperaturniveau bestmöglich zu nutzen: Puffertemperatur VL ca. 40° C – Oberf ächentemperatur ca. 22,5° C – Lufttemperatur ca. 20° C. Die konstante Grundtemperierung des Objektes stellt die Basis eines optimalen Behaglichkeitsempf ndens dar, zum Vorteil für Kunden und Mitarbeiter. Die Wärmebereitstellung für die Filialen erfolgt durch die Kältef rma. Für die Systementwicklung der Kälteanlage in den Filialen zeichnet die Fa. ARNEG verantwortlich. Die Abdeckung des Wärmebedarfs erfolgt über die Kälteanlage und eine Wärmepumpe. Die beiden Systeme speisen die Wärme in einem Puffer, der zusätzlich noch mit Heizstäben ausgestattet werden kann. In den bereits errichteten Filialen, in welchen die Wärmebereitstellung durch die Kälteanlage erfolgt, hat sich gezeigt, dass die Nachheizung mittels Heizstäben nicht erforderlich ist. Diese werden trotzdem in das System integriert, um bei eventuellen Wartungsarbeiten die kurzfristig fehlende Leistung in das System zu speisen bzw. um als Backup-System zu fungieren. Tageszeitliche Schwankungen (Kundenfrequenz) und jahreszeitliche Schwankungen (Sonneneinstrahlungen) im Wärmerückgewinnungssystem können durch die Betonkerntemperierung ausgeglichen bzw. abgeschwächt werden. Durch Fernablesung der aufgezeichneten Werte können Optimierungen im System durchgeführt werden. Da das Kältesystem für die Filiale regelmäßig gewartet werden muss, fallen keine zusätzlichen Serviceintervalle für die Anlage an, wenn diese für Wärmebereitstellung ausgelegt wird. An den durch die Kältef rma gespeisten Puffer wird ein Heizungsverteiler angebunden. Dieser verfügt über einen Abgang für den Torluftschleier Expertenforum Beton Bei den Filialen kommt das patentierte PE-RT-Register von der Fa. ECONICsystems zum Einsatz. Die Verlegung der Registermatten erfolgt direkt im Unterbeton – dadurch ergibt sich eine extrem große Speichermasse und Fläche für die Wärmeabgabe. Über den Betonkern kommt es zu einem großen Energieeintrag, welcher das Ausgleichen von Lastspitzen ermöglicht. Durch die diagonale Durchströmung mittels Tichelmannsystem kommt es zu geringen Druckverlusten in den einzelnen Registern. Durch die Vorfertigung der Heizregister sind kurze Montagezeiten und hohe Verlegeleistungen möglich. Die Register werden mittels Polyfusionsschweißung miteinander vor Ort verbunden. 39 Grundschema WRG- Anlage im Eingangsbereich sowie über einen Abgang für die Betonkernaktivierung. Das System kann alleine durch die Betonkernaktivierung die benötigte Wärme in die Filiale einbringen. Ein zusätzlicher Torluftschleier wird nur bei Filialen ohne Windfang ausgeführt, wodurch die Behaglichkeit im Kassenbereich erhöht wird. Der Heizkreis für die Betonkerntemperierung wird zu drei Verteilerkästen (Kassenbereich, Verkaufsbereich, Nebenräume) geführt. Expertenforum Beton Die Anforderung an die Haustechnik ist die exakte Berechnung des Wärmebedarfs unter Berücksichtigung aller möglichen Einf ussfaktoren. Diese Berechnung dient zur gesamten Auslegung des Heizungssystems. 40 Es ist auch darauf zu achten, dass im Bereich von Kühlmöbeln und Ziehschächten keine Heizregister im Beton verlegt werden – es wird daher für jedes Objekt ein individueller Verlegeplan angefertigt. Das System kann nur funktionieren, wenn die geforderten Wassermengen in den einzelnen Heizkreisen eingehalten werden. Nur durch genaue Einregulierung der Heizkreise kann eine Zuteilung der Wassermengen gewährleistet werden. Sollten die geforderten Wassermengen nicht eingehalten werden, so kann die Wärmeabgabe des Systems nicht die mögliche und nötige Leistung abgeben. Einregulierungsprotokolle werden hier zwingend von den ausführenden Firmen eingefordert, um eventuelle Fehler vor Inbetriebnahme beheben zu können. Zum Beispiel wurden bisher folgende BILLAFilialen in der Steiermark mit diesem System der Betonkerntemperierung in Kombination mit dem Wärmerückgewinnungssystem ausgestattet: – Graz, Wiesenauergasse – Wartberg im Mürztal – Eibiswald – Schwanberg – Sinabelkirchen – Knittelfeld Resümee Die Betonkerntemperierung hat sich in den bereits umgesetzten BILLA-Filialen bestens bewährt. Durch die Nutzung der Abwärme, welche durch die Kühlung der Vitrinen und Kühlräume anfällt, kann eine optimale Kombination mit einer Betonkernaktivierung erfolgen. Die durch die Abwärme bedingten niederen Temperaturen können hier bestmöglich eingesetzt werden. Die Abwärme wird nicht nur für die Warmwasserbereitung genutzt, sondern kann auch für Heizzwecke einge- setzt werden. Eine schnelle und sichere Verlegung des Systems lässt eine rasche Umsetzung des Bauvorhabens zu. Durch die Betonkernaktivierung können die Kollisionspunkte mit anderen Gewerken verringert werden, da die benötigte Heizungsverteilung in der Bodenplatte erfolgen kann. Tages- und jahreszeitliche Schwankungen des Wärmerückgewinnungssystems können durch die Betonkernaktivierung ausgeglichen werden. Expertenforum Beton Aufgrund der steigenden Energiepreise amortisieren sich die Investitionskosten in relativ kurzer Zeit. Die Filialen können unabhängig von fossilen Brennstoffen betrieben werden. Im Gegensatz zu einer erdgasbefeuerten BILLA-Filiale, können bei der Beheizung durch die Wärmerückgewinnungsanlage zirka 13 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Bei einer Befeuerung mittels Heizöl extraleicht kann der CO2 Ausstoß sogar um zirka 17 Tonnen CO2 reduziert werden, wenn die Wärmerückgewinnungsanlage ausgeführt wird. Jede einzelne Filiale trägt zur CO2- Reduktion bei und liefert somit ihren Beitrag zu den geforderten Zielen des Kyoto-Protokolls. Das System zeigt auf, dass durch eine ausgeklügelte Kombination von Systemen eine Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen in einem optimalen Bereich liegen kann. 41 Visionen werden wahr: ENERGYbase – eine sonnige Bürozukunft DI Tim SELKE arsenal research, Wien Einleitung Während im Wohnbau die Passivbauweise schon seit vielen Jahren bewährt ist, werden in der Sparte Büro- und Gewerbeimmobilien größere Projekte noch seltener ausgeführt. Etwa 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Europa entfallen auf die Energieversorgung von Gebäuden. Insbesondere Bürogebäude liegen mit einem durchschnittlichen spezif schen Wärmebedarf von 140 kWh/m².a [1] um etwa Faktor 10 über dem eines Einfamilienhauses im Passivhausstandard. ENERGYbase zeigt, welche Energieeff zienz-Potenziale in einer modernen Büroimmobilie durch heute vorhandene Technologien bereits genutzt werden können. Sunny Research - Konzept Expertenforum Beton Das Gebäudekonzept von ENERGYbase, (Abbildung 1), baut auf den Ergebnissen des von 42 Abbildung 1: ENERGYbase, Außenansicht – Südfassade arsenal research und dem Architektenbüro „pos architekten“ durchgeführten Haus der ZukunftForschungsprojekts „Sunny Research“ auf. Wesentliches Ziel war die konzeptionelle Entwicklung einer neuen Büroimmobilie unter dem Aspekt hoher Energieeff zienz unter Einsatz von erneuerbaren Energieträgern sowie höchstmöglichem Nutzerkomfort. ENERGYbase ist die praktische Umsetzung dieses Forschungsprojekts. ENERGYbase – Immobilie Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, Bauträger von ENERGYbase, stellt mit dem Projekt auf insgesamt fünf Ebenen 5.200 m² für Unternehmen, 1.000 m² für Forschungs- & Entwicklungs- sowie 1.300 m² für Bildungseinrichtungen an modernster Infrastruktur zur Verfügung. Die Baukosten betragen 12,5 Mio. EUR. Diese liegen um 2 Mio. Euro über den Kosten eines herkömm- Abbildung 3: ENERGYbase, Ansicht der Fotovoltaikanlage lichen modernen Büroobjektes. Rechnerisch reduzieren sich die anfallenden Energiekosten auf 20 Prozent und es werden im Vergleich zur Standardimmobilie rund 180 Tonnen weniger Kohlendioxid pro Jahr emittiert. eingearbeitete Kunststoffrohre, die im Winter mit warmem und im Sommer mit kühlem Wasser durchströmt werden. ENERGYbase verzichtet dadurch auf herkömmliche Heizkörper. Durch die großen Übertragungsf ächen kann die Heiz- und Kühlleistung mit niedrigen Vorlauftemperaturen in den Betonkern erreicht werden. Dies wirkt sich positiv auf die Energieeff zienz der Wärmebereitstellungssysteme aus. Die sommerliche Betonkernkühlung erfolgt über die Nutzung von örtlich verfügbarem Grundwasser und die Bereitstellung der notwendigen Heizenergie erfolgt vorrangig über eine Grundwasser gekoppelte Wärmepumpenanlage, die durch die Solarkollektoranlage unterstützt wird. Eine architektonische Besonderheit stellt die gefaltete Südfassade des Bürogebäudes dar, (Abbildung 3). Die spezielle Faltung der Südfassade ermöglicht einerseits hohe Energieerträge der solar aktiven Komponenten und Im Sommer wird die Zuluft durch eine so genannte solarthermisch angetriebene sorptionsgestützte Klimatisierung konditioniert, die zur Regeneration des Trocknungsrades erforderliche Antriebswärme wird durch eine 300 m² große Solarkollektoranlage generiert. Im Winter dient die thermische Solaranlage zur Heizungsunterstützung. Eine besondere Innovation in diesem Bauprojekt sind die sich über alle Geschossebenen erstreckenden Pf anzenpuffer, (Abbildung 2). In den vier Pf anzenpuffern wird im Winter die Zuluft biologisch befeuchtet. Die ganzjährige Temperierung der Büroräume erfolgt über eine Betonkernaktivierung. Darunter versteht man in die Betondecke Expertenforum Beton Abbildung 2: ENERGYbase, Ansicht der Pflanzenpuffer 43 andererseits wird baulich ein effektiver Sonnenschutz für die dahinter liegenden Bürobereiche geschaffen und vermeidet somit die sommerliche Überwärmung durch direkt einfallende Solarstrahlung. Diese Glasfassade ist mit 400 m² Fotovoltaikmodulen bestückt, die mit einem Jahresertrag von rund 42.000 kWh einen Teil des Strombedarfs decken. Expertenforum Beton Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurden während der Planung in Zusammenarbeit mit dem Bauträger, Architekten und dem Haustechnikplaner Detailfragen zur Optimierung der Betonkernaktivierung, Kühl- und Heizlastprof le, Komfortparametern in den Büroräumen, Einstrahlung durch die Südfassade usw. mit umfangreichen Simulationen untersucht und bewertet. Seit der Inbetriebnahmen des Gebäudes im August 2008 werden durch wissenschaftliche Langzeitmessungen Erkenntnisse über das gesamte Energieverhaltens dokumentiert und analysiert. Das Datenmaterial wird unter anderem Aufschluss 44 über den Energiebedarf für Heizen und Kühlen, den Betrieb der Haustechnikanlagen und deren Regelung geben, um daraus neue Strategien für eine optimierte Betriebsführung zu entwickeln. Weiters wird das umfassende Monitoring des Gebäudes wichtige Erfahrungen und Empfehlung für zukünftige Projekte bereitstellen, in denen analoge Ziele hinsichtlich Energieeff zienz, Nutzung von Erneuerbaren Energien bei hohem Wohlfühlcharakter in der modernen Büroimmobilie gesetzt werden. Literatur [1] K. Voss, G. Löhnert, S. Herkel, A. Wagner, M. Wambsganß; „Bürogebäude mit Zukunft“ Solarpraxis AG, 2. Überarbeitete Auf age 2006, ISBN: 978-3-934595-59-0 [2] BMWA, 2003. Energiebericht 2003, BMWA, S. 9 Sehr geehrte Damen und Herren! Foto: Fischer Energie, in all ihren Facetten und Ursprungsformen, bestimmt zurzeit unsere Gespräche am Stammtisch, die nationale und internationale Medienlandschaft und natürlich auch uns, die politischen Entscheidungsträger. Als Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz sehe ich die Auseinandersetzung mit diesem gesellschaftspolitischen Thema als Chance, alle vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um gemeinsam ein Energieeff zienzzentrum in Graz zu entwickeln und über die Stadtgrenzen hinaus effektiv zu nutzen. In Graz können wir eine Energiewende herbeiführen, davon bin ich überzeugt. Mit konkreten nachhaltigen Projekten wie etwa einer optimalen Wärmedämmung, Solarenergie und Photovoltaik, Wind, Wasserkraft und Erdwärme. Graz hat 2.000 Sonnenstunden im Jahr, so könnte die Stadt energiepolitisch unabhängiger werden. Rund 10 Millionen Quadratmeter Dachf äche gibt es in der Murmetropole. Wenn wir nur 30 Prozent dieser Fläche für Solarenergie- und Photovoltaik-Projekte nutzen würden, hätte dies die Dimension eines Kraftwerks in der Größenordnung von Voitsberg. Als Bürgermeister ist es meine Aufgabe vorauszudenken und gesellschaftspolitische Anstöße zu geben. Wir können eine Wende schaffen, ich bin überzeugt in den nächsten Jahren mit alternativen Ideen zum Themenkomplex Energie zu punkten. Mag. Siegfried Nagl Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz Expertenforum Beton Heizen + Kühlen mit Beton Klimawandel fordert Baukonzepte