:.:)\:d# Chaos'Gestaltbildung und assoziatives Gedächtnis in rückgekoppelten Bildern Chassund Srdnrlrlg Von Gerd Häusler il il Wir betrachtendie Welt meistvereinfachend schlagenuns in der Welt erfolg<alsSummeihrer Teile>. Wie kommen die Komplexität und die llfir !f reich durch, indem wir uns im GeUnvorhersagbarkeitder Phänomeneum In Wirklichkeitist sieein uns hirn ein Modell dieser Welt enrwerfen. herum überhaupt zustande, wo Mit seiner Hilfe sagen wir im voraus, doch die Naturgesetzeso verhältnismäSystem von gekoppelten was passieren wird, und danach haneinfach und deterministisch sind? deln wir. Größen,die nichtlinear ßig Die Newtonschen Axiome der MechaUnsere einfachstenModelle sind linear: nik kann jedes Schulkind verstehen. voneinander abhängen. und Zwei Arbeiter leisten in der gleichen dennoch kann man den Lauf einer Zeit doppelt soviel wie ein Arbeiter. EiSysteme, die in der nicht- Roulettekugel nicht vorhersagen. Die nige Tonnen Fluor-Chlor-KohlenwasQuantenmechanikbeschreibtdie Atome serstoffekönnen der riesigen Masseder linearenDynamik modell- scheinbar vollständig, und doch versteErdatmosphäre nichts anhaben. Viel hen wir nicht, warum die Dinge um uns haft behandelt werden, hilft viel. Das Ganze ist die Summe der so aussehen,wie sie eben ausseTeile. Das ist lineares Denken. Im Allzeigenein reichhaltiges herum hen. Ein anderesBeispiel: Das menschtag, in der Politik und auch in der WisEigenleben:oft determini- liche Gehirn besteht aus einer Vielzahl senschaftwird Linearität meistensvorvon Nervenzellen(Neuronen).Die Bioausgesetzt- bewußt und. öfter noch. stischesChaoswie zum logen wissen bereits eine ganze Menge unbewußt. Jede Vorhersage ist damit darüber. Trotzdem war bis vor kurzem Beispielin der Hydroeinfacher. kaum etwas über die Mechanismen der dynamik,manchmalGe- Informationsspeicherung und die der DasGanzeist mehr als höheren Leistungenwie etwa der Assostaltbildungwie in der ziation oder der Verallgemeinerungbedie SummeseinerEinzelteile Biologie.Auch höhere kannt. Allerdings bewahrheitet sich der alte Allen diesen Systemen ist gemeinsam, Spruch, daß <Vorhersagen immer Gehirnfunkdonen- bei- daß die interessierendenGrößen - der schwierig sind, besonderswenn sie sich Ort der Roulettekugel, die Kräfte zwidasassoziativeschen auf die Zukunft beziehen>.Mit linearen spielsweise den Atomen, die Signalstärkeder Modellen sind die meisten Prognosen Gedächtnis - nichtlinear von anderen Neuronen oder das Abnur für ganz kurze Zeiträume möglich. Größen - von Ort, Zeit, Signalstärke - sind anderer Neuronen - abhängen. Wenn Mit linearen Modellen schließt man zu- straktionsvermögen dem die interessantestenPhänomene nichtlinearedynamische dann noch viele solcher nichtlinearer aus jeder Betrachtungaus. So ist unsere Komponenten miteinander gekoppelt Welt nicht zu versrehen;sie ist ebenptPhänomene. Besonders werden (Atome, Neuronen). wird es erst sächlichmehr als die Summe der Teile. interessant: Nichtlineare Syinteressant sind Systeme richtig Darauf hat schon der französischeMasteme zeigen plötzlich ein Eigenleben: thematiker Henri Poincarö (1854 bis mit vielengekoppelten sie entwickeln eine (zeitliche)Dynamik. 1912) gegenEnde des vorigen JahrhunUnsere Welt ist dafür ein einzigesgroderts hingewiesen.Aber erst seit etwa 10 Variablen.Als Modelle ßes Beispiel! Die Wolkenbildung, die bis 20 Jahren ist diese Tatsachewieder Strukturbildung in einem Pflanzenblatt, dafür eignen <Bilsich stärker ins Bewußtsein der Naturwisdie gesamteökologie, Leben überhaupt senschaftlergedrungen. der>>, die in einemnicht- - sie sind alle Ausdrucksformen komDiese Verzögerung hat sicher mit dem ungeheuren Erfolg zweier großer linearer Theorien zu tun, die heute unsere technischeWelt regieren:die Elektrodynamik und die Quantenmechanik. In der Eleltrodynamik setzen sich die elektromagnetischenFelder einfach aus der Summe von Teilfeldern zusammen. In der Quantenmechanikbesteht Materie aus der Summe der Materiewellen der Elementarteilchen. t2 linearen optischenRück- kopplungssystem umlaufen. Prof. Dr. Ceno HÄuslrn, Universität ErlaneenNürnberg,Physikalisches lnstitut. Angewandtebptik. Erwrn-Rommel-Srraße l, D-8520 Erlangen. plizierter nichtlinearer Systememit sehr vielen gekoppeltenVariablen. Das klingt zunächst alles sehr abstrakt. Eine genaue Erklärung der Phänomene ist aus verschiedenen Gründen noch nicht möglich: Die lineareAlgebra,mit der heute die Studenten der Naturwissenschaftgroß werden, ist nicht das geeignete Werkzeug dafür, und die Mathematik für die nichtlineare Dynamik ist noch nicht sehr weit entwickelt. TECHIUISCHEruilDSCHIU' 27I9O Titelbeitrag Rechts: digitalesRückkopplungssystem. Bild 1. Links:fernsehoptischesRückkopplungssystem. Deshalbhat sich neben der Theorie und neben dem Experiment eine dritte Methode entwickelt: die Numerik. Mit dem Computer lassensich nichtlineare Systemesimulieren. Wenn viele gekoppelte Variable betrachtetwerden sollen, braucht das allerdings auch bei schnellen Rechnern sehr viel Zeit. Mit Hilfe der Fernsehtechnikkann man den Zeitaufwand für die Untersuchungmancher dieser Systemeerheblich reduzieren. lm folgenden sollen einige Phänomene der nichtlinearen Dynamik anhand der Entwicklung von Fernsehbildernveranschaulicht werden. die in einem nichtlinearen Rückkopplungskreis umlaufen, wie er in Bild I skizziert ist. wir betrachtendie Intensitätjedes Bildpunktes als eine Variabie. In einem Fernsehbild gibt es etwa 250 000 Bildpunkte. Damit ergibt sich ein sehr hochdimensionalesSystem. Sorgen wir nun dafür, daß Bildpunkte miteinander wechselwirken (koppeln), dann zeigt dieses System tatsächlich viele Phänomene, wie wir sie auch in der Natur beobachten: deterministisches Chaos in Ort und Zeit, Entstehungvon Ordnung und Gestalt und schließlich assoziatives Gedächtnis. Daß die umlaufenden Signale Bilder sind, hat gegenüber abstrakteren Daten den Vorteil, daß wir die Ergebnissedank unserem hochentwickelten Gesichtssinn interpretieren können, der Ordnung und Symmetrie wie von selbst findet. EtwasChaospraxis Starten wir also unserc Experimente: Wir lassen zunächst nur einen Bildpunkt umlaufen, der immer wieder an den gleichen Ort abgebildet wird. Nach dem Umlauf mit der Nummer t hat er eine bestimmte Intensität u(t). Dann wird die Nichtlinearität NL angewendet, und es ergibt sich die neue Intensität nach dem Umlauf t*1. Wir benutzen die folgende Nichtlinearität: u(t+l) = au(tXl-u(t)l = 4[u(s)-uz(r)](1) Die Funktion ist in Bild 2 dargestellt. TEO{iltSOtEnmrHAl' 27t90 rechnen,könnten wir das Ergebnisauch gleich auswürf'eln! Die <empfindliche Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen) ist ein wesentlichesKennzeichen von <deterministischemChaos>, das zuerst (1963) vom Meteorologen Eoweno N. LoneNz in der Hydrodynamik beschriebenwurde. Das Beispiei mit der logistischen Parabel stammt von R. M. Mrv [1]. Mnv hat auch den anschaulichen Begriff vom Schmetterlingseffektzur Beschreibung des deterministischen Chaos geprägt: Wenn man den Ort und die Geschwindigkeit ailer Luftmoleküle zur Zeit t : 0 genau kennen würde, könnte man das Wetter im Prinzip mit der klassischen Physik exakt vorhersagen.Allerdings kann theoretischbereits ein einziger Schmetterling in Australien das Wener am Nordpol völlig durcheinanderbringen, nachdem er einige Tage zuvor mit seinem Flügelschlageinige Luftmoleküle durcheinandergewirbelt hat. (Eine Einführung in das deterministischeChaos findet man zum Beispiel bei HelNz-Geonc Scsusren [2], eine einfache Einführung in die nichtlineare Dynamik bei HrRunruu HerrN [3]). In Bild 3 ist der Effekt noch einmal für unseren umlaufenden Punkt veranschaulicht: In der ersten Zeile bei t - 0 alle mögPara- sind in horizontaler Richtung die logistische Bild 2. Nichtlinearität: von u : 0 Eingangsintensitäten lichen bel. (schwarz)bis u : I (weiß) aufgetragen. I n d e n Z e l l e nd a r u n t e r ,b e i t : 1 , 2 , . . . sieht man, wie sich die jeweils darüberliegende Intensität entwickelt hat. Zum Beispiel ntrZeit t : 15 ist die Intensität in horizontaler Richtung sehr fein strukturiert: Eine sehr kleine Anderung der Eingangsintensitätführt also bereits zu einer großen Anderung des Ergebnisses. Wir sehen, daß bereits das einfache eindimensionale (1-Punkt-)Rückkoppein sehr komplexesVerhallungssystem ten zeigen kann. Was Passiert, wenn man viele Variable koppelt? Interessantwäre zum Beispiel, die Populationsdichten von Würmern, Kä' fern, Bakterien und Insekten, die existentiell alle voneinander abhängen, in Cleichzeitig sind einige Umläufe skizziert, ausgehendvon der Intensität u10) erhalten wir u(1). u(2) usw. Diese spezielle Nichtlinearität heißt logistische Parabel und spielt in der Populationsdynamik eine wichtige Rolle, wenn man der Variablen u beispieisweisedie Populationsdichte von Lebewesen in eiGebiet zuordnet. nem abgeschlossenen Die Errechnung des zeitlichen Verhaltens unseresBildpunktes ist offensichtlich ganz einfach mit einem Taschenrechner durchführbar. In der Praxis aber ist es nicht ganz unproblematisch. Da wir den Anfangswert u(0) der Funktion nur mit einer begrenztenGenauigkeit (zum Beispiel mit acht Dezimalstellen) eintippen können. wissen wir natürlich, daß die Resultatenicht beliebig genau sein können. Überraschenderweise wächst diese Ungenauigkeit so schnell, daß das Ergebnis u(t) bereits nach wenigen Zyklen t praktisch unvorhersagbar wird. Ein kleiner Fehler am Anfang explodiert förmiich, er steigtexponentiell mit der Zeit an. Dazu ein Zahlenbeispiel, das jeder seibst nachrechnen kann: Eine Unsicherheit von 10-Efür u(0) führt bereits nach etwa 30 Iterationen zu einer Unsicherheit von 100 % des möglichen Wertes. Anstatt zu f3 ihrem Lebensraum zu untersuchen.Eines ist nach dem Gesagtenvorweg klar: Die Auffassung,wonach es wohl in einem solchen <Käfer-Würmer-Ökosystem> nichts ausmachenwürde, wenn man einen <schädlichen>Käfer einfach nach gängiger Praxis ausrottete, ist zweifellosvermessen. Ahnlich kompiizierte Probleme werfen heute zum Beispiei all die Verfrachtungen von Spurengasenaus künstlichen Prozessen in der AtmosphäreauL Überhaupt muß man annehmen, daß <fast alle> Vorgänge in der Natur chaotisch t:14 sind. Dabei kann der jeweiis gültige r - l E Zeitmaßstab wohl sehr unterschiedlich sein. so daß viele Prozessezunächstkeineswegs chaotisch erscheinen. Aber B i l d 3 . V e r a n s c h a u l i c h u ndge s e i n d i m e n s i o n a l eCnh a o s .I n d e r S p a l t e n r i c h t u nigs t d i e z e i t l i c h eE n t w i c k l u ndge r I n t e n s i t ädt a r g e s t e l fl tü r t : 0 , 1 , 2 , . . . nachdem bereits das berühmte Dreikörperproblem der Mechanik deterministisches Chaos zeigt, wäre es nicht ver4. (linke Spalte) und Entwicklungeines stabilen Musters (rechte Spalte) im wunderiich,wenn selbstim scheinbarso Bild Chaos fernsehoptischenRückkopplungssystem.In vertikaler Richtung sind die Bilder zu verstabilen Weltall mit seinen Milliarden s c h i e d e n e nZ e i t e nt : . . . d a r g e s t e l l t . SternenChaos im langen Zeitmaßstab vorherrschenwürde. Kehren wir zunächstwieder zu unserem einfachen,aber hochdimensionalen optischenModell zurück: Bild 4 zeigt zwei Arten des möglichen Verhaltens.In venikaler Richtung sind Filmbiider von verschiedenen Zeitpunkten angeordnet. Die linke Spalre zeigt die Entwicklung von Chaos. allerdings nun in Raum und Zeit. Kennzeichnendist. daß sich nie ein stabiles Bild entwickelt, aber auch kein periodischesVerhalten beobachretwird. ln der rechten Spalte ist ein ganz anderes Verhalten zu beobachten:Zwar wird das Eingangsbild sehr verändert, aber nach etwa 100 Umläufen hat sich ein stabilesMuster entwickelt. ln der Sprache der nichtlinearen Dynamik ausgedrückt: Es gibt einen stabilen Fixpunkt im Phasenraumalier möglichenBilder. Warum gibt es einmal Chaos und einmal Stabilität?Das hängt im wesentlichen von der Koppiung der Variabien ab. Die lntensität eines Bildpunktes nach einem Umlauf hängtja wegender Koppiung von der Intensität der Nachbarpunkteab. Es gilt: i - O r - 1 1 r - t ? I . l l=N u1(t+1)= NL{ITrr x ur(r)} (2) l=l r i i ii IJ Dabei ist U1 die Intensität des k-ten Biidpunktesnach dem Umlauf t+1. Tkr stellt einen Koeffizientensatz (Kopplungsmatrix) für die Stärke dar, mit der die Nachbarn des Punkres k in die Berechnung eingehen. Die Summation muß über alle n Bildpunkte erfolgen. Die Bedeutungder Gleichung (2) ist in Bild 5 auf verschiedeneWeise dargestellt: Oben ist am Beispielvon drei Bildpunkten gezeigt. wie sich die lntensität des 14 TECHilISO{Eft'TTDSTI{AI' 27/90 Titelbeitrag Biidpunktesmit der Nummer k : 2 aus d e n d r e i B i l d p u n k t e nI - l , 2 . 3 i m E i n gang errechnet.Unten im Bild ist skizziert, rvie man im Prinzip erreichen kann, daß die Bildpunkte miteinander koppeln. Hier wurde einfach die Ferndie auf ihren eigenenMoni:iehkamera, :or schaut.etwas defokussiert.Dann er-eugt jeder Objektpunkt auf dem Moniror ein Zerstreuungsscheibchen auf dem Kameratarget, das sich mit seinen Nachbarn überlagen. Kompliziertere Wechselwirkungenlassensich nach verschiedenen Verfahren realisieren, zum Beispieidurch holographischeFilter vor der abbildenden Linse. durch elektrischeFiiter im Videosignaloder rechne,'ischim Computer. im chaotischenFall wurde eine Kopplung gervählt, bei der die Intensität eines Bildpunktes durch unscharfe Abbildung zu den Nachbarn <diffundiert>. Das Punktbild und damit die KoeffizientenT11sind rein positiv. Im stabilen Fall ist die Kopplung komplizierter;wir lassentbrmal auch negativeIntensitäten des Punktbildes zu. Mit verschiedenen Kopplungsmatrizenkönnen wir nun ganz verschiedene Muster erzeugen lBilder 6 und 7). Interessantist dabei. daß man in der Natur ganz ähnliche Muster wiederfinden kann. Gestaltbildung in der Biologie wurde unter anderem von H. MrrNunno [4] untersucht.Sie soll hier jedoch nicht weiter betrachtetwerden. Vielmehr wollen wir uns jetzt mit der Frage beschäftigen,ob digitale Simulationen im Computer überhaupt das Chaos in kontinuierlichen Syitemen (der Natur) richtig wiedergeben können. Prinzipiell kann dies nicht gehen, denn ein Computerist ein endlichesSystem, das nicht aperiodisch sein kann. Beispielezeigendie Bilder 8 und 9. Die drei Rechteckein Bild 8 links sind symmetrisch angeordnet. Die Iteration im Computer muß notwendig die Symmetrie erhalten. In einem kontinuierlichen System würde die geringste <Symmetriebrechung> des Eingangssignalsdie Symmetrie sehr bald völlig zerstören. Dies kann man auch im digitalen System erzrvingen,indem man zum Beispiel die Rechtecks um nur jeweils einen Bildpunkt asymmetrischverschiebt (Bild 8 rechts).In diesem Fall zeigt das digitale System <Quasi-Chaos>.(Eine andere Möglichkeit zur Symmetriebrechung ist das Einbringen von etwas Rauschen.) N u k ( r + 1 )= N L i t I T k t u r ( t ) ) BeispielfürN=3 € l - , I ' , ' u 3 ( t )+ Bild 5. Oben: vernetzte Systeme. Unten: fernsehoptische Simulation einer einfachen Kopplung. höhere menschliche Gehirnleistungen wie etwa das Assoziations-und das Abstraktionsvermögen oder das sogenannte Lernen am Beispiel nachzubiiden. Betrachtenwir noch einmal Bild 1 (unten): Um Symmetrien im digitalen Experiment zu brechen,haben wir eine zusätzliche Rauschquellein den Kreis geschaltet. Das Rauschenist auch in Biid 3, zum Beispiel bei t : 7, im Hintergrund zu erkennen. Das Verblüffende ist nun, daß trotz des in jedem Umlauf hinzugefügtenRauschensdas Fixpunktbild stabil bteibt.Das Systemist also offenbar in der Lage, fehlerhafteoder unvollständige Information exakt zu restaurieren. Diese Fähigkeit nennt man Autoassoziation.Dies wird im Beispiel von Bild 9 noch deutlicher;Oben links ist ein Fixpunkt nach 2000 Umläufen abgebildet. Wir stören diesen Fixpunkt durch einen schwanen Balken (oben rechts) und lassen dann das gestörte Bild weiter umlaufen. Nach weiteren 30 Umläufen ist das ursprüngliche Muster wieder restauriert (untere Bildhälfte). Im Raum aller möglichen Bilder, im <Phasenraum>>, kann man sich das assoziative Gedächtnis als ein Gebirge vorstellen, in dem wir irgendwo eine Kugel loslassen.Sie wird zum jeweils nächstentiefsten Punkt laufen, den das Getälle zuläßt. Dieser Punkt stellt einen Fixpunkt (ein gelerntesBiid in unserem assoziativenGedächtnis)dar. Wenn wir die Kugel etwasvom tiefsten Punkt entfernen (das Bild stören),wird sie im allgemeinen wieder zunickrollen (assoziative Rekonstruktion). Dies funktioniert, solangedie Störung nicht zu groß wird. Bei einer großen Störung kann es pasBild 6. BildungeineskubischenKristallgit- sieren, daß die Kugei ins benachbarte ters im nichtlinearenfernsehootischenTal (zu einem anderen gelernten Bild) Rückkopplungssystem. Die kubischeSymmetrie entsteht,weil die Kopplungzwi- läuft. schenbenachbarten Bildounkten kubische Wenn es uns nun gelänge,ein nichtlineares Systemmit sehr vieien gekoppelten Svmmetriehat. Variablen so zu konfigurieren, daß es als Fixpunkte zu lernende Bilder (und nicht nur die Mäander aus Bild 9) hat, dann könnten wir eine wesentlicheLeistung unseres Gehirns nachvollziehen. Diese Aufgabe haben sich die Wissenschaftler gestellt, die künstliche, sogenannte neuronale Netzwerke erforschen.Neuronale Netzwerkewurden in DieHirnrindeals Muster der <Technischen Rundschau> beiDer für die nähere Zukunft vielleicht spielsweisevon Prrsn Serrz [5] einfühanwendungsträchtigste Aspekt der rend dargestellt. Eine weitere, detailnichtlinearenDynamik ist die Möglichlierte Einführung in neuronale Netze keit, technischin bestimmten Berei-ichen findet man bei LreeunNN[6]. TECHIIISo{E RurUrHrU, 27/90 t5 Aber es gibt immerhin eine Möglichkeit, ein neuronalesNetzwerk mit reduzierterKomplexität optisch aufzubauen. Dies wird im folgenden erklärt [8]. Jedes hochwertige optische System macht aus einem isolierten Punkt an der Stelle x6 in der Eingangsebene ein <Punktbild> h(x1-xs)in der Ausgangsebene. Es ist dort um den Ort x6 zentriert. Die Form dieses Punktbildes kann man in speziellenFilteraufbauten, zum Beispiel durch Hologramme, beliebig wählen. Ein anderer Objektpunkt bei x1 macht das gleiche Punktbild, allerBild 7. Links: Ergebniseines fernsehoptischenRückkopplungsexperiments. Rechts: madings um xr zentriert. Viele ObjektgnetischeDomänen in einem dünnen Film mit ähnlicherStruktur. punkte mit der Stärke..u1:u(xr)führen in der Bildebene zur Uberlagerung von dern. Wir haben mit unserem optischen vielen verschobenen Punktbildern mit Im Kontext der nichtlinearen Dynamik ist es für uns nicht mehr schwer, solche Rückkopplungssystemein Modell eines jeweils verschiedenerStärke.Daraus erNetzwerke zu verstehen: Wir haben recht großen neuronalen Netzwerks mit rechnet sich die Intensität u1 des k-ten wieder ein nichtlinearesgekoppeltesSy- n : 250 000 Neuronenvor uns, das wir Bildpunktesin der Bildebene: stem vieler Variablen. Im Falle der neu- einfach realisieren können [7]. Leider N ronalen Netzwerke sind die gekoppel- taucht da aber ein großes Problem auf, (3) ten Elemente jetzt nicht Bildpunkte, an dem bis jetzt die Realisation großer u * = ? h ( x r - x r ) x u ( x j sondern Neuronen. Formal hat sich ge- Netzwerke gescheitert ist, das sogegenüber den oben betrachteten Syste- nannte n2-Problem. Um n Neuronen Diese Operation, die als Faltung bemen nach Bild 5 nichts geändert. Die mit n anderen Neuronen zu verbinden zeichnetwird, ist eine <natürliche> opNeuronen führen die Summation durch (zu koppeln), braucht man n2 Leitungen tische Operation, die experimentelloder und wenden die Nichtiinearität nach und Synapsen. Dementsprechend hat auch rechnerisch,mit Hilfe der FourierGleichung (1) an. Die Neuronen sind die synaptische Matrix auch n2 Ele- transformation, sehr einfach und durch Leitungen gekoppelt. Die Stärke mente. Wollten wir in unseren Fernseh- schnell durchgeführt werden kann. Alder Kopplung zwischen dem Neuron 1 bildern jeden Bildpunkt mit jedem an- lerdings sieht man, daß die Zahl der und dem Neuron k wird im Gehirn deren koppeln, so bräuchten wir etwa Freiheitsgradegegenüberdem allgemeidurch die Synapsemit der StärkeT11an- 6x 1010Verbindungenund etwa 60 Gi- nen Systemvon Gleichung (2) geringer gegeben.In der Synapsenstärkesteckt gabyte Speicherkapazität.Das n2-Pro- ist: Das Punktbild hängt nicht in allgeder Lerninhalt. Wir haben im Gehirn blem verhindert auch die Realisierung meiner Form von den Variablen xr (Obetwa 1010Neuronen.Jedesist mit etwa von großen neuronalen Netzen auf ei- jektebene) und x1 (Bildebene) ab, son104anderen Neuronen verbunden. Was nem ebenen Chip, weil es topologisch dern nur von der Differenz x1-x1.Die nl wir im Leben gelernt haben, steckt also gar nicht möglich ist, so viele Leitungen unabhängigen Matrixelemente Tkt aus nach dieser Betrachtung in unseren in der Ebene unterzubringen(unser Ge- Gleichung 1 entarten danach zu T1-1. etwa 10raSynapsen. hirn ist ja ein dreidimensionales Ge- Für gleiche Differenzen kl sind die Zurück zu den rückgekoppelten Bil- bilde). Kopplungskoeff-rzienten gleich. Das heißt, es gibt jeut anstelle von n2 Elementen im allgemeinen System nur Bild 8. Symmetrienoch n verschiedeneElemente. Wir hab r e c h u n g .l m d i g i ben uns also die Möglichkeit der optitalen Exoeriment schen Realisierung eines Faltungsnetzbleibt die Symmetrie erhalten(linke werks mit einer Reduktion der FreiS p a l t e ) .U m d a s heitsgradeerkauft. Verhaltenim kontiDaß ein solches reduzienes System nuierlichenSystem trotzdem assoziative Bildrestauration anzunähern,genügt = zeigen kann, belegt Bild 10. Wir haben eine sehr kleine unser Rückkopplungssystem mit einem asymmetrische Verschiebung Punktbild ausgerüstet,das das zu ler(Symmetriebrenende Objekt codiert. Die Suche nach chung) der Rechtso einem Punktbild ist sehr schwierie. ecke (rechte Überhaupt ist die Frage, welche LernräSpalte). gel die Synapsenstärkeoptimal einstellt. Gegenstandfieberhafter Forschung. In den Kopplungskoeffrzienten unseres Punktbildes steckt also der Lerninhalt, hier der BuchstabeO. Wenn wir in das System ein {D (obere Bildreihe links) einspeisen,kommt das gleiche O am Ausgang heraus, das heißt. der Buchstabeist ein stabilerFixpunkt des nichtlinearen Systems oder des optischen neuronalen Faltungsnetzwerks. Wenn E 16 TECHiISCHERtilGCluU 27 tS} Titelbeitrag gegenüber dem gelernten Objekt schobenist (Bild t0). Absrhied Yomlinearenllenken Bild 9. AssoziativeRestaurationeines Fixpunktesnach Störung. Oben links: stabiles Bild nach 2000Umläufen.Oben rechts: das stabile Bild wird gestört. Unten links: nach weiteren vier Umläufen.Unten rechts: vollständigeRestaurationnach weiteren 30 Umläufen. Bild lO. AssoziativeRekonstruktiondes gestörtenBuchstabensO. Von oben links nach unnach dem 2. Umlauf, nach dem 10. Umlauf, tenrechts: gelerntesObiekt, gestörtesÖUiet<t, nach dem 30. Umlauf, nach dem 50. Umlauf. ''vir ein gestörtesBild eingeben(obere Reihe.mittleresBild), dann reagiertdas System autoassoziativ: Nach etwa 50 Iteradonen ist das gelernte Bild restauriert (unten rechts). Durch die beschriebeneFaltung haben wir zwar eine große Zahl von Freiheitsgraden vedoren, aber wir haben dafür -!(Hil|:iof n ilD:r0{Al, 27/90 einige sehr nützliche Eigenschaftengew o n n e n : W i r k ö n n e ng r o ß e B i l d e r o P tisch oder digital mit Hilfe der Fouriertransformation schnell assoziativrekonstruieren. Eine zusätzlich vorteilhafte Eigenschaft speziell des Faltungsnetzwerks ist die, daß die Assoziation auch funktioniert, wenn das Eingangssignal Es ist zu erwarten, daß die Auffassung und die Erfahrung der Welt als komplexes nichtlineares dynamisches System neue Einsichten über das Funktionieren für uns wichtiger Systeme,zum Beispiel über ökosysteme. Wirtschaftssysteme, über das menschlicheGehirn usw., bringen wird. Diese Systeme,das ist schon jetzt ganz klar, sind so kompliziert und empfindlich, daß auch kleinste, noch so unscheinbare Eingriffe zu großen Veränderungen und Wirkungen führen können. Die Erkenntnisseder nichtlinearen Dynamik können auch dazu führen, daß höhere Gehirnleistungen,wie die Assoziation, die Abstraktion und das Lernen am Beispiel,durch künstliche neuronale Netze technisch (re)produziert werden können. Die Optik kann zum tieferen Verständnis nichtlinearer dynamischer Systeme beitragen,weil enorme Datenmengenin leicht interpretierbarer Form vorliegen und optische Bildverarbeitung manchmal schnell und einfach möglich ist. Für die Realisation großer Netzwerke hat die Optik den Vorteil, daß Lichtbündel sich ohne gegenseitigeStörung im dreidimensionalen Raum ausbreiten können und damit die Herstellung einer großen Zahl von Verbindungen zwischen Neuronen mögiich ist [9]. Unabhängig von jeder technischenund wirtschaftlichen Anwendbarkeit der nichtlinearen Dynamik ist es wichtig, daß wir uns konsequent vom linearen Denken lösen: im Alltag, in der Wissenschaft und besondersin der Politik. Der britische Biologe HuoeNe hat dafür eine bemerkenswerteFormulierung gefunden: <Die Welt ist nicht nur komplizierter, als wir sie uns vorstellen,sie ist auch kompli zierter, als wir sie uns vorstellenkönnen.> @@ Liter.tur I May R. M.: Nature London 761,459 (1976) 2 Schuster H.-G.: Deterministic Chaos, PhysikV e r l a g ,W e i n h e i m( 1 9 8 8 ) der Natur, Deut3 Haken H.: Ertblgsgeheimnisse sche Verlagsanstalt,Sruttgart(1981) 4 Meinhard H.: Models of Biological Pattern For, ' Y (1982) m a t i o n .A c a d e m i cP r e s sN 5 Seitz P.: TechnischeRundschau36. 75 (1988) 6 L i p p m a n nR . : I E E E A S S PM A G . A p r i l 1 9 8 75 . 4 7 Häusler G., SeckmeyerC., WeissT.: Appl. Opt. 24, 4656(1986) 8 Häusler C., Lange E.: erscheint in Appl. Opt. ( I 990) 9 Abu-Mostafa Y. S.. Psaltis D.: Spektrum der Wissenschaft.Mai 1987.5' 54 t7