Next Generation Sequencing

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SCHL AGLICHTER 2016
Infektiologie
Next Generation Sequencing
Dr. rer. nat. Dominik Meinel a,b , PD Dr. med. et phil. Adrian Egli a,b
a
b
Klinische Mikrobiologie, Universitätsspital, Basel
Applied Microbiology Research, Departement Biomedizin, Universität Basel
Bei einem vermuteten Ausbruch von multiresistenten Bakterien im Spital müssen
rasch effektive Massnahmen durchgeführt werden, um weitere Übertragungen zu
verhindern. Die detaillierte Beschreibung der mikrobiologischen und epidemiologischen Zusammenhänge ist dabei von immenser Bedeutung, da die rasche Identifikation der möglichen Quellen und Übertragungsketten weitere meist breite und
teure Interventionen und Umgebungsuntersuchungen verhindert.
Einleitung
dende Neuerung an dieser Technik ist die Möglichkeit,
Um etwaige mikrobiologische Zusammenhänge effizient und sicher aufklären zu können, werden sogenannte Typisierungsverfahren eingesetzt. Diese basieren meist, ähnlich einem Vaterschaftstest, auf dem
Vergleich der genomischen Ähnlichkeit zwischen zwei
verdächtigen bakteriellen Isolaten. Je näher verwandt
zwei Bakterien in einem Ausbruch sind, desto ähnlicher
sind sie zueinander. Sind zwei Bakterien genetisch
identisch, spricht man von einem bakteriellen Klon. In
der Vergangenheit hat sich eine Vielzahl an verschiedenen Verfahren etabliert, die sich alle in Aufwand
und Aussagekraft unterscheiden.
Eine klassische Methode in der Typisierung ist die sogenannte Puls-Feld-Gel-Elektrophorese (PFGE), die eine
sehr hohe Auflösung bietet und eine gute Unterscheidung der Isolate erlaubt. Jedoch benötigt die PFGEMethode viel Zeit und Erfahrung und lässt sich zwischen verschiedenen diagnostischen Laboratorien nur
schwer vergleichen. Dies erschwert die Aufklärung von
überregionalen Ausbruchsgeschehen.
Alternative Typisierungsmethoden, wie z.B. «spa-typing»
und «multi-locus sequence typing» (MLST), zwei Methoden, die auf der genetischen Sequenz von einem
bzw. sieben Marker-Genen des Bakteriums beruhen,
bieten eine deutlich bessere Übertragbarkeit der Resultate zwischen Laboratorien. Die Methoden erreichen
jedoch oft nicht die benötigte Auflösung, um Ausbrüche
und Übertragungswege genau zu beschreiben [1].
nicht mehr einzelne, kurze Teilstücke des Genoms zu
sequenzieren, sondern in einer Messung das gesamte
Genom eines Virus oder Bakteriums zu bestimmen.
Hierbei werden mehrere Millionen Sequenzierungsreaktionen parallel durchgeführt. Die Methode erlaubt
dadurch, mehrere verschiedene Pathogene gleichzeitig
und komplett zu sequenzieren. Die Auflösung von
NGS-Daten ist sehr hoch, da das gesamte Genom zum
Vergleich zwischen Isolaten verwendet werden kann
und nicht mehr, wie in älteren Methoden, einzelne
Gene.
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel für die hohe Auflösung
und die Aussagekraft von NGS als Typisierungsmethode ist kürzlich im Journal of Clinical Microbiology
erschienen [2]. In dieser Studie wurde NGS verwendet,
um die Übertragung von Mycobacterium tuberculosis
innerhalb der Schweiz zu untersuchen.
Mit zunehmender Zahl an Flüchtlingen aus Ländern,
in denen die Tuberkulose häufiger auftritt als in der
Schweiz, erscheint es bei der bisher verwendeten Typisierungsmethode (dem sogenannten MIRU-VNTR)
häufig so, als würde sich die Tuberkulose zwischen den
Flüchtlingen stark ausbreiten. Stucki und Kollegen
konnten jedoch mit Hilfe von NGS zeigen, dass diese
vermuteten Übertragungen in etwa 50% der Fälle gar
keine waren. Die NGS-Analyse zeigte, dass die grosse
Ähnlichkeit der Stämme auf im Herkunftsland vorherrschende M. tuberculosis-Linien beruht. Die Unterschiede in der klassischen Typisierung wurden also
deutlich unterschätzt. Dies bedeutet, dass eine Über-
Next Generation Sequencing
Dominik Meinel
tragung der Tuberkulose zwischen Flüchtlingen deutlich seltener vorkommt als zunächst angenommen.
Aktuell findet eine neuartige Technik der Molekular-
Ein weiterer wichtiger Vorteil von NGS ist die Möglich-
biologie rasche Verbreitung, das sogenannte Next-
keit, Unterschiede zwischen zwei Isolaten quantitativ
Generation-Sequencing (NGS; s. Abb. 1). Die entschei-
zu analysieren: Bei nahe verwandten Isolaten können
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1. Bakterien-Isolat
3. AusbruchsAnalyse
2. Next Generation
Sequencing
DNA-Isolation
und
Aufarbeitung
SequenzAnalyse
A
B
Übertragung
C
Abbildung 1: Ablauf einer NGS-Analyse ausgehend von einem Isolat. Zunächst wird die DNA isoliert, aufgearbeitet und sequenziert. Die Sequenzdaten
werden danach bioinformatisch auf Ausbruchsgeschehen analysiert. In diesem Beispiel sind die Isolate A und B genetisch identisch und legen einen
Ausbruch nahe. Isolat C gehört nicht zu einem Ausbruch mit Isolat A und B.
innerhalb eines Ausbruchs kleinste genetische Unter-
So konnte vor kurzem mittels NGS ein vermuteter Aus-
schiede (Punktmutationen) identifiziert werden. Solche
bruch der in Mitteleuropa seltenen kutanen Diphtherie
Punktmutationen sammeln sich zufällig im Genom
unter Flüchtlingen in der Schweiz und in Süddeutsch-
von Pathogenen an. Je nach Spezies ist diese spontane
land untersucht werden [4]. In dieser Untersuchung
Mutationsrate etwas unterschiedlich. Ebenfalls ist die
wurden 20 Flüchtlinge eingeschlossen. Dabei wurde
Zeit ein wichtiger Faktor – je länger ein Bakterium Zeit
gezeigt, dass mehrere Gruppen an nahe verwandten
für Mutationen hat, desto mehr Mutationen sammeln
Isolaten auftraten. Diese gehörten jedoch nicht zu einem
sich im Genom an. Sofern die Mutationsrate und der
kürzlich abgelaufenen Ausbruchsgeschehen, sondern
Zeitpunkt der Keimisolation bekannt sind, kann somit
wahrscheinlich zu in Afrika lokal dominierenden Linien
abgeschätzt werden, wie lange eine Übertragung zweier
bzw. Reservoirs oder zu länger zurückliegenden Aus-
Isolate zurückliegt.
brüchen. Dies war von grosser Bedeutung, da dadurch
Ein Meilenstein auf diesem Gebiet wurde von Harris
ein Ausbruch in einem Flüchtlingsheim in Europa aus-
et al. publiziert [3]: Dabei wurde ein Ausbruch von
geschlossen werden konnte.
Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA)-
NGS-Daten können dabei nicht nur für die Typisierung
Isolaten auf einer neonatologischen Station in England
eingesetzt werden, sondern die gesamte genetische
untersucht. Anhand der Sequenzen der verschiedenen
Information des Isolats kann auf wichtige Virulenz-
MRSA-Isolate und der Zahl ihrer Punktmutationen
faktoren durchsucht werden. Diese beeinflussen den
konnte abgeschätzt werden, dass zum Zeitpunkt der
Verlauf der Krankheit massgeblich.
Detektion des Ausbruchs, ein Reservoir an verur-
Wir konnten in der Analyse der Diphtherie-Erreger das
sachenden Keimen vorgelegen haben muss. In dem
durch einen Bakteriophagen kodierte Diphtherie-Toxin
Reservoir konnten diese bereits über längere Zeit
und ein Gen, das für die Anhaftung am Rachen nötig ist,
Punktmutationen ansammeln. In der Tat konnte ein
nachweisen und zeigen, dass die Isolate potentiell die
Mitarbeiter als Reservoir identifiziert werden, der mit
schwerwiegendere Form der Rachendiphtherie auslösen
eben jenen MRSA kolonisiert war.
können [4]. Die Kenntnis vorhandener Virulenzfaktoren
Diese Methodik beinhaltet für die Spitalhygiene und
erlaubt somit eine Risikoabschätzung für den Patienten
Experten in der Öffentlichen Gesundheit grosse Vorteile,
und dadurch eine gezielte Behandlung und angepasste
da nicht nur mit grosser Sicherheit die Entscheidung,
spitalhygienische Massnahmen. Besonders wegweisend
ob ein Ausbruch vorgängig ist, getroffen werden kann,
ist auch die Möglichkeit, genetisch die Antibiotika-Resis-
sondern auch das Ausmass und die Dynamik des Aus-
tenzen von Bakterien vorherzusagen. Speziell im Hin-
bruchs deutlich besser verstanden werden kann. In der
blick auf langsam wachsende Erreger wie M. tuberculosis
Klinischen Mikrobiologie des Universitätsspitals Basel
hat NGS grosses diagnostisches Potential, da somit
hat NGS in die mikrobiologische-diagnostische Routine
schneller eine angepasste Therapie bei resistenten Isola-
Einzug gehalten.
ten möglich ist als bei klassischer kultureller Resistenz-
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prüfung [5]. Der Einsatz von NGS in der Diagnostik für
Antibiotikaresistenzprüfung und Risikoabschätzung
Literatur
1
wird daher in Zukunft viele Vorteile bringen, ist jedoch
vorerst noch auf spezielle Keime beschränkt.
2
Fazit
NGS revolutioniert die molekulare Typisierung von
Pathogenen und lässt deshalb viel verlässlichere Aus-
3
sagen zu. Die Bestimmung der Anzahl an Punktmutationen erlaubt abzuschätzen wie lange eine mögliche
Korrespondenz:
Übertragung zurück liegt. Dadurch bekommt die mo-
PD Dr. med. et. phil.
lekulare Epidemiologie die Möglichkeit, Ausbrüche
Adrian Egli
Abteilung Klinische
und ihren Hergang besser zu verstehen und zukünftig
Mikrobiologie
schneller zu unterbinden.
Universitätsspital Basel
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Petersgraben 4
Disclosure statement
CH-4031 Basel
A.E. wird durch ein Forschungsstipendium des SNSF Ambizione Score
unterstützt.
adrian.egli[at]usb.ch
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2017;17(1–2):16 –18
Sabat AJ, Budimir A, Nashev D, Sa-Leao R, van Dijl J, Laurent F, et al.
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