von der pflege- zur kodierfachkraft

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VON DER PFLEGEZUR KODIERFACHKRAFT
Weiterbildung im Medizincontrolling. Wer sich als Kodierfachkraft weiterbildet,
den erwartet ein vielfältiges Aufgabengebiet mit Aufstiegschancen. Pflegekräfte
bringen für eine solche Tätigkeit die optimalen Voraussetzungen mit.
Von Dr. Nikolai von Schroeders
E
in funktionierendes Medizincontrolling ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Krankenhauses von zentraler Bedeutung.
Verschiedenste Berufsgruppen arbeiten Hand in Hand, damit die im
Medizincontrolling tätigen Kodierfachkräfte erbrachte Leistungen für
die Abrechnung mit den Kostenträgern optimal abbilden können.
Pflegekräfte sind für eine Weiterbildung als Kodierfachkraft besonders geeignet: Sie kennen die
Abläufe im Krankenhaus und verfügen über medizinisches Hintergrundwissen und Erfahrung. Möchten Pflegende aufgrund von gesundheitlichen oder privaten Belastungen
des klassischen Pflegeberufs ihren
Tätigkeitsbereich wechseln oder sich
einfach beruflich verändern, so bietet
das Medizincontrolling vielfältige
Möglichkeiten – bei freien Wochenenden, Gleitzeit und zahlreichen
Aufstiegsmöglichkeiten.
Annegret Betz-Gegenfurtner, 36
Jahre, hat diese Chance genutzt. Sie
sah nach 15 Jahren als Kinderkrankenschwester für sich keine Zukunft
mehr in ihrem Beruf: „Bei mir kamen viele Faktoren zusammen, in
erster Linie die Überlastung in der
Pflege – immer mehr Aufgaben in
immer kürzerer Zeit und mit immer
weniger Personal.“ Ebenfalls war es
für die dreifache Mutter zunehmend
schwierig, Familie und Beruf unter
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Conny Trawka (37),
Leiterin
Abrechnungszentrum,
DLMC GmbH
einen Hut zu bringen. „Man musste
immer noch mehr präsent sein und
sich noch stärker einbringen, das war
nicht mehr kombinierbar.“ Der erste
Versuch in Richtung eines neuen Tätigkeitsfeldes scheiterte: Betz-Gegenfurtner musste ihr berufsbegleitendes Studium auf Grund der
Dienstzeiten aufgeben. Eine interne
Ausschreibung zur „Kodierassistenz“
im Bereich Medizincontrolling war
schließlich die Lösung.
Das hat ganz oft etwas
von Detektivarbeit.
Jeder Fall ist anders, und
das ist immer wieder
eineHer ausforderung
Die Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 8|15
Bilden + Forschen
Mein Alltag besteht darin,
dass ich die Hintergründe erkennen und
Verknüpfungen erstellen muss
In der Praxis ist diese Tätigkeit äußerst abwechslungsreich. „Mein Alltag besteht darin, dass ich die Hintergründe erkennen und Verknüpfungen erstellen muss. Man muss
sich den Patienten denken: Warum
kommt er, wie alt ist er, wie schwer
und vieles mehr“, weiß Betz-Gegenfurtner.
Auch Conny Trawka, 37 Jahre,
hat nach sieben Jahren als Krankenschwester eine Ausbildung zur Kodierfachkraft absolviert. Sie erklärt:
„Das hat ganz oft etwas von Detektivarbeit. Man schaut, wie sind die
Diagnosen aufeinander aufgebaut,
wie hängt was zusammen. Jeder Fall
ist anders und das ist immer wieder
eine Herausforderung.“
Neben der Freude, die die Frauen
für den Beruf empfinden, ist ihnen
auch die Wichtigkeit der Tätigkeit
bewusst. „Jede noch so kleine Tätigkeit am Patienten wird von uns soweit möglich eingebracht. Ganz viele
Berufsgruppen sind an der Behandlung von Kranken beteiligt. Die
Krankenhäuser brauchen das Geld,
die müssen entsprechend entlohnt
werden. Das wiederum ist für die
ganze Bevölkerung wichtig“, so
Betz-Gegenfurtner.
Der Weg
zurK odierfachkraft
Annegret Betz-Gegenfurtner (36), Kodierfachkraft, Krankenhaus Agatharied
Was bedeutet Kodierung?
In allen deutschen Krankenhäusern
erfolgt die Abrechnung stationärer
Behandlungen inzwischen nach dem
DRG-System (DRG = diagnoses related groups bzw. diagnosebezogene
Fallgruppen). Dabei werden alle Erkrankungen eines Patienten durch sogenannte Diagnosecodes verschlüsselt. Ebenso werden alle erbrachten
Leistungen wie zum Beispiel OperaDie Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 8|15
tionen, invasive Diagnostik oder
komplexe Behandlungen mit Prozedurenziffern kodiert. Die Kombination dieser Ziffern, zusammen mit
vielen weiteren Informationen zum
Patienten – zum Beispiel Beatmungszeiten, Aufwand für intensivmedizinische Behandlungen, Scores
für komplexe Pflege –, ergibt eine
Abrechnungsgruppe, auf deren Basis
das Krankenhaus seine Rechnung an
die jeweilige Krankenkasse schreibt.
Der Einstieg in die Kodierung ist für
Pflegekräfte aufgrund des medizinischen Hintergrundwissens, ihrer Erfahrung und der guten Kenntnisse
der Abläufe im Krankenhaus relativ
einfach möglich. Die notwendigen
theoretischen Grundkenntnisse werden in Blockfortbildungen erworben, bei denen jeweils ein oder zwei
Wochen am Stück theoretischer Unterricht stattfindet. In Summe dauern die berufsbegleitenden Ausbildungen zwischen drei und sechs
Blockwochen, verteilt über zwei bis
vier Monate (Abb. 1).
Mehrjährige Vollzeitausbildungen werden in einzelnen Bundesländern als eigenständige Berufsausbildung angeboten. So gibt es an verschiedenen Fachhochschulen die
Ausbildung zum medizinischen Dokumentar, welche die Kenntnisse der
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BEISPIELE FÜR AUSBILDUNGEN ZUR KODIERFACHKRAFT
Kurs
Dauer
Unterrichtseinheiten
Kosten
web
Kaysers Konsilium
Klinische
Kodierfachkraft
3 Blockwochen
120
3 440,– €
www.kaysers-consilium.de
kbs | Die Akademie
für Gesundheitsberufe
Kompakt-Ausbildung
zur medizinischen
Kodierfachkraft
6 Tage
60
1 650,– €
www.kbs-mg.de
Bartels Consulting
Klinische
Kodierfachkraft
3 Blockwochen
120
2 990,– €
www.bartelsconsulting.de
TÜV
Medizinischer Kodier- und
Dokumentationsassistent
abends/
samstags
170
1 650,– €
www.tuv.com
ECONT
Klinische
Kodierfachkraft
3 Blockwochen
120
2 963,– €
www.econt.org
HC&S AG
Medizinische
Kodierfachkraft
6 Tage
51
1 964,– €
www.healthcareakademie.de
mibeg-Institut
Medizin
Intensivseminar
DRG-Dokumentar/in
10 Tage in
5 Blöcken
85
2 150,– €
www.mibeg.de
MeDoKu
Medizinische
Kodierfachkraft
7 Tage
(4 + 3)
60
1 470,– €
www.medoku.de
Caritas-Akademie
Köln-Hohenlind
Klinische Kodierfachkraft
3 Blockwochen
120
2 950,– €
www.caritas-akademiekoeln.de
ter Fälle gelernt wird, mit ICD- und
OPS-Schlüssel und Kodierrichtlinien umzugehen. Die tatsächlich praktische Kodierung erlernt man in der
Regel erst durch Einsatz in der Kodierung im jeweiligen Kodierteam
des Krankenhauses. Mit etwas Erfahrung bearbeitet ein Kodierer im
Durchschnitt 20 bis 25 Fälle pro Tag.
DIE INDIVIDUELL RICHTIGE AUSBILDUNG FINDEN
Die Angebote von Ausbildungen für Kodierfachkräfte sind vielfältig, einen Standard
gibt es nicht. Zertifikate bescheinigen die Teilnahme, staatlich anerkannte Ausbildungen
und Curricula in dieser Struktur sind nicht vorhanden. Sehr kurze Kurse können für
Personen geeignet sein, die schon länger in der Kodierung arbeiten und einige
theoretische Inhalte ergänzend lernen möchten. Für Neueinsteiger sind Kurse über
mehrere Wochen sinnvoll.
Wichtig sind dauerhafte Vertiefungsmöglichkeiten, zum Beispiel für spezielle Fächer
oder Themen wie die MDK-Fallbearbeitung. Bei manchen Anbietern gibt es aufeinander
aufbauende Module. Damit sind Doppelungen der Inhalte reduziert. Andererseits
kann es auch hilfreich sein, durch die Nutzung von Modulen verschiedener Anbieter
unterschiedliche Sichten kennenzulernen.
Bei der Auswahl der Anbieter ist darauf zu achten, dass neben der Vermittlung
theoretischer Grundkenntnisse von Klassifikationssystemen, Kodierrichtlinien und
Abrechnungsregeln ein großer Anteil an praktischen Übungen in allen wichtigen
Fächern der Medizin vorhanden ist. Insofern ist es wichtig, dass in den Kursen direkt
praktisch an Softwaresystemen verschiedener Anbieter das Heraussuchen von Codes
für die Diagnosen und Prozeduren sowie das Ermitteln der entsprechenden Abrechnungsgruppen möglich ist. Einige Anbieter von Ausbildungsgängen sind in der
Abbildung 1 dargestellt. Der Markt der Ausbildungsanbieter ändert sich jedoch zur
Zeit schnell, eigene Recherche ist daher immer anzuraten.
Gute Kodierkräfte sind gefragt.
Deshalb wird auf die Wünsche der
Mitarbeiter, auch was ihre Arbeitszeitgestaltung angeht, sehr weit eingegangen. Kodierkräfte können also
sehr flexibel stundenweise, tageweise, nur sehr früh, spät, oder im
Wechsel arbeiten. Ein unschätzbarer
Vorteil, wenn man seine Tätigkeit
mit Belangen des Partners und der
Familie koordinieren möchte. Die
Arbeitszeiten insgesamt sind in der
Regel tarifvertraglich festgelegt. Außerhalb der Krankenhäuser – zum
Beispiel in Dienstleistungsunternehmen und Beratungsfirmen – gelten
bisher keine Tarifverträge. Somit
können Gehälter, Arbeitszeiten und
Arbeitsmodalitäten frei vereinbart
werden. Wer Außergewöhnliches
leistet, hat es hier dann auch einfacher, bessere Arbeits- und Gehaltssituationen zu erreichen, als dies
im Krankenhaus möglich ist.
Weiterbildung
mit Aufstiegspotenzial
Zudem bietet der Beruf zahlreiche
Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
„Das war in der Pflege einfach nicht
Die Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 8|15
Quelle: Angaben der Unternehmen im Internet
Anbieter
Kodierung beinhaltet. Diese Ausbildungsgänge kommen jedoch in der
Regel für Menschen, die bereits
Vollzeit arbeiten oder gearbeitet
haben, wegen des Gehaltsausfalles
kaum infrage.
Gute Ausbildungsstätten bieten
einen hohen Anteil an praktischen
Elementen, indem anhand simulier-
96
Abb. 1
2016
mehr der Fall, ich habe keine Luft
mehr nach oben gesehen. Jetzt kenne
ich nicht nur den sozialen Aspekt
des Krankenhauses, sondern auch
den wirtschaftlichen“, so Betz-Gegenfurtner.
Daraus ergeben sich Anlaufstellen in verschiedenen Verwaltungsbereichen des Krankenhauses, aber
auch
Entwicklungsmöglichkeiten
innerhalb des Medizincontrollings
selbst, zum Beispiel im sogenannten
MDK-Management. Da nicht alle
Rechnungen der Krankenhäuser, so
wie sie gestellt sind, auch von den
Krankenkassen bezahlt werden, ist
dies ein sehr wesentlicher Teil der
Arbeit
im
Medizincontrolling.
„MDK“ ist die Abkürzung für den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Diese Institution soll durch
eine Überprüfung der gesamten Patientenunterlagen eines stationären
Aufenthaltes herausfinden, ob Leistungen gegebenenfalls zu Unrecht abgerechnet wurden, ob Patienten zu
lange im Krankenhaus geblieben sind,
oder ob sie nicht insgesamt hätten
ambulant behandelt werden können.
Das Interesse der Krankenkassen
dahinter ist in erster Linie die Reduzierung der Rechnungsbeträge.
Dementsprechend engagiert versuchen die Prüfer des Medizinischen
Dienstes, Rechnungen der Krankenhäuser sehr kritisch zu betrachten,
um Fehler in der Dokumentation
und Kodierung zu finden. Aufgabe
der Mitarbeiter im MDK-Management ist es, die Fälle des Kranken-
Jun
hauses zu verteidigen, Belege gegenüber den Krankenkassen zu liefern,
die der Medizinische Dienst nicht
gefunden hat und über gutes Feedback an die kodierenden und dokumentierenden Mitarbeiter zu erreichen, dass aus den verlorenen Fällen
für die Zukunft gelernt wird.
Da Patientenakten nicht mehr
nur nach Entlassung und damit fallabschließend abgerechnet werden,
sondern zunehmend auch fallbegleitend, können Kodierkräfte als
kodierende Fallmanager eingesetzt
werden. Hier kommt zur reinen
Kodierung der Erkrankungen und
Prozeduren noch die Erarbeitung
von Informationen zur Steuerung
von Patienten hinzu. Aus den frühzeitig erhobenen Abrechnungsdaten
sehen die Mitarbeiter nicht nur
schnell, welche Abrechnungsgruppe
erreicht wird, sondern auch, wie eine
optimale Entlassplanung und Verweildauersteuerung der Patienten
unterstützt werden kann. Im Idealfall beraten die Fallmanager die Ärzte bei der kompletten Planung des
Behandlungsablaufes. Dies beginnt
dann oft schon vor der Aufnahme
des Patienten durch Vorbereitung
der Unterlagen, Planung von Untersuchungen und Kommunikation
mit allen beteiligten Berufsgruppen.
Die Tätigkeit im Fallmanagement
setzt eine außergewöhnliche Kommunikationsstärke voraus. Damit
ermöglicht sie auch eine sehr tiefe
Einbindung in den primären Behandlungsprozess.
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Wer noch höher hinaus will, kann
sich im Laufe seiner Tätigkeit durch
umfangreiche Fortbildungen und
hohes Engagement bis hin zu den
strategischen Aspekten des Medizincontrollings
weiterentwickeln.
Hier geht es dann um die komplexen
Auswertungen medizinischer Leistungen, das Aufspüren von Verbesserungspotenzialen in medizinischen
Prozessen, die Planung von medizinischen Leistungsspektren eines
Krankenhauses sowie die Verhandlung mit Kostenträgern (Krankenkassen) über die künftigen Leistungsspektren und Leistungsmengen.
Ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ist hier ein möglicher
Weg. Conny Trawka hat diesen Weg
nach mehrjähriger Erfahrung in Kodierung und MDK-Management
eingeschlagen. Sie leitet heute das
Abrechnungszentrum der DLMC
GmbH, einem Dienstleistungsunternehmen im Bereich Medizincontrolling.
Annegret Betz-Gegenfurtner ist
erst seit einem Jahr als Kodierkraft
tätig, sie schätzt aber die Möglichkeit, dass sie sich „frei entfalten
kann. Das ist für mich eine sehr tolle
Zeit.“ Ihr Studium hat sie bereits
wieder aufgenommen.
Dr. med. Nikolai von Schroeders
Geschäftsführer
DLMC GmbH, Mittelstraße 8
45549 Sprockhövel (Wuppertal)
[email protected], www.dlmc.de
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Dortmund, Westfalenhalle
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