Fakultät Architektur Institut für Bauklimatik Jenny Neubig Energieeffiziente und -konsistente Architektur unter gestalterischen und funktionalen Gesichtspunkten Planungsprozess Um den Klimawandel einzudämmen, rücken energieeffiziente und -konsistente Konzepte immer mehr in den Fokus der Architektur. Wichtig ist jedoch, dass diese Bauten den Ansprüchen an Gestaltung und Funktion weiterhin entsprechen. Mit diesen Ansprüchen kann die Attraktivität der Bauten gesteigert und gute Architektur geschaffen werden. Dies ist deswegen wichtig, weil nur von den Menschen wertgeschätzte Architektur langfristig genutzt, gepflegt und erhalten wird. Vorreiter der energieeffizienten und -konsistenten Architektur wie Thomas Herzog oder Manfred Hegger setzten sich deswegen für ein ästhetisches Bewusstsein in der Umsetzung von nachhaltiger Architektur ein. Heutzutage wird die Nachhaltigkeit meistens als additiver Zusatz von Entwurfsprozessen betrachtet. Das heißt, der Entwurf wird nachträglich in der Ausführungsphase energetisch optimiert. Dann haben jedoch Architekt und Bauherr maßgebliche Entscheidungen für die Energieeffizienz, wie beispielsweise Orientierung des Gebäudes, Fenstersetzung und Massenverteilung, bereits getroffen. Der Aufwand für nachträgliche Änderungen steigt exponentiell mit dem Fortschreiten des Planungs- und Bauprozesses. Es bietet sich deswegen an, innerhalb der Integralen Planung Entwurfsoptionen so lange offen oder in Varianten zuhalten, bis ein interdisziplinäres Team die bestmögliche Lösung gefunden hat. Auf diese Weise können auch Zielkonflikte zwischen Fachplanern und Architekten frühzeitig aufgedeckt und geklärt werden. Eine Integrale Planung fördert innovative Technologien mit dem nötigen Fachwissen von Spezialisten formal und konstruktiv in den Entwurf einzubinden. Außerdem können Synergien erkannt und aufeinander abgestimmt werden.1 Es stellt sich die Frage: Welche Kriterien müssen an den Planungsprozess und die Gebäudekonzeption gestellt werden, damit energieeffiziente und – konsistente Konzepte mit einem hohen Anspruch an Gestaltung und Funktion eingebunden werden können ? Energieeffizienz: zielt auf einen geringen Ressourcenund Energieeinsatz bei großen Resultaten ab. 35 Gemeindezentrum Ludesch Energiekonsistenz: stellt geschlossene Energiekreisläufe wie erneubare Energien dar. Anforderungen an künftige Neubauten Ein Drittel des Endenergiebedarfs auf der Welt wird von Gebäuden verbraucht. Zudem verursacht der Gebäudesektor ein Fünftel aller Treibhausemissionen. Wird der Energieverbrauch zukünftiger Neubauten nicht reduziert, wird dies Auswirkungen auf den Energieverbrauch der nächsten Jahrzehnte haben. Durch die lange Lebensdauer von Gebäuden wird „ein hoher Energieverbrauch gewissermaßen einbetoniert“. Der minimierte Energieverbrauch sollte möglichst durch erneuerbare Energien gedeckt werden, um CO2 Emissionen soweit wie möglich zu senken. Um den Energieverbrauch zu senken, soll die Novellierung der EnEV 2017 festlegen, dass ab 2020 alle Neubauten in Europa „Fast-Nullenergiehäuser“ sein sollen. Die Novellierung der EnEV 2017 ist ein Schritt nach vorne. Sie wird das Problem aber nicht ganzheitlich lösen, denn eine bloße Umsetzung der Anforderungen führt noch lange nicht zu einer guten Architektur, die hohe Nutzerqualitäten und eine hohe Qualität an Gestaltung aufweist. Diese Aspekte steigern die Wertschätzung der Nutzer und der Gesellschaft und stellen sicher, dass ein Gebäude langfristig genutz und gepflegt wird. Denn wenn ein Gebäude frühzeitig abgerissen wird, kann sich der Mehraufwand für energieeffiziente und -konsistente Maßnahmen niemals amortisieren.1 Ökologisches Gemeinde Zentrum, Architekten Herrman Kaufmann, Ludesch, Voralbberg Die Photovoltaikmodule werden hier als ein prägnantes Gestaltungsmittel eingesetzt, die durch die Art ihrer Anordnung und Struktur ein beeindruckendes Licht- und Schattenspiel ergeben. Dies prägt ausschlaggebend den Charakter des Dorfplatzes. (http://www.hermann-kaufmann.at/?pid=2&prjnr=00_96 Aufruf 02.03.2015) Gebäudekonzeption Passive Maßnahmen Die Planungsziele von Energieeffizienz, Nutzungsqualität und gestalterischen Qualitäten stehen oft in einem Konflikt zueinanderstehen. Energieeffizienz Gute Architektur Kompaktheit natürliche Belichtung, Belüftung, Außenbezug Ausrichtung der Fenster Ausrichtung nach Städtenach Himmelsrichtungen, bau und Ausblick für solare Gewinne Effizientes Lüftungskon- Individuell sich öffnen laszept sende Fenster Sonnenschutz (https://www.competitionline.com/de/projekte/47004 Aufruf 03.03.17) 1 S.99ff Melita Tuschinski, 2016 (http: //service.enev-online.de/bestellen/EnEV_2017_Was_ kommt_wann_Novelle_Energieeinsparverordnung.pdf Abruf 18.10.16). vgl. S.3 Patrick Chalmers, Klimawandel: Was er für das Bauen bedeutet und was der Bausektor darüber wissen muss. Kernergebnisse aus dem fünften Sachstandbericht des IPPC, 2014. (http://inhabitat.com/stuttgart-universitys-shimmering-high-tech-solar-home/Aufruf 05.03.17) Aktive Maßnahmen Einbindung von Photovoltaik Die Photovoltaikelemente können unterschiedlich konstruktiv und formal in das Gebäude eingebunden sein. Sie können sich als eigenständige Elemente z.B. als Aufdachmontagen klar vom Rest des Gebäudes abtrennen. In diesem Fall wirken sie wie Fremkörper. Anders ist es, wenn die Solarelemente mit der Gebäudehülle verflochten sind und Teile ihrer Aufgaben übernehmen. Die Solarelemente können dann den Witterungs-, Sonnen- oder Sichtschutz bilden. Darüberhinaus können sie auch ganz die Gebäudehülle bilden. Sie sind dann thermische Trennung, Schall-, Sonnen-, Sicht-, und Witterungs-schutz. Dies ist beispielweise mit Isolierglasmodulen möglich. Außerdem kann die Integration der Solarstrahlung auch maßgeblich die Konzeption beeinflussen. Die Hülle oder die Baukörperform kann sich demnach den Anforderungen der Solarmodule an Ausrichtung und Verschattung anpassen.1 Fazit Fensterflächenanteil re- Tageslicht, Außenbezug duzieren künstliches Licht einsparen, solare Gewinne Halle design. S., Schreinereiwerkstatt in Freising-Pullin, Deppisch Architekten. Die Schreiner Werkstatt reduziert ihren Energieverbrauch durch ihre kompakte Form und die Nutzung des Tageslichtes über die transluzente Fassade. Der First des Daches ist nach Norden verschoben, sodass die südliche Dachfläche mit den integrierten Photovoltaikmodulen größer wird. Solardecathlon 2010, Austragungsort Madrid Das Team Stuttgart zeigt, wie sich mit dem Einsatz von goldenen Photovoltaikmodulen, eine besondere architektonische Erscheinung kreieren lässt. Außenbezug,individuell regulierbar, architektonische Klarheit 1 vgl. S.41ff Voss, Karsten u.a.: Bürogebäude mit Zukunft, in: Fiz Karlsruhe, Karlsruhe 2007, vgl. S.46ff S.146f Wallbaum, Holger: Nachhaltig Bauen. Lebenszyklus Systeme Szenarien Veranwortung, ETH Zürich, 2011. Modul: PRO_WissA WS 2016/17 Technik & Gestaltung, die beiden Seiten der einen Medallie Betreuer: Martin Pohl Die Untersuchung des Planungsprozess zeigte, dass es sich empfiehlt früh mit einer Integralen Planung zu beginnen. Auf diese Weise können mithilfe eines interdisziplinären Teams Wirkungszusammenhänge optimiert und innovative Technologien integriert werden. Dies führt zu ganzheitliche Lösungen, in denen energetische Aspekte, Gestaltung und Funktion ineinandergreifen. In der Gebäudekonzeption sollte eine Balance zwischen Energieeffizienz, Gestaltung und Nutzung gefunden werden. Jede getroffene Entscheidung der Gewichtung, zugunsten des einen oder des anderen Aspektes, sollte im Rahmen einer Gesamtstrategie kompensiert werden. Für die Einbindung von Energiegewinnungssystemen ist eine frühe Einbringung in der Planungsphase ebenfalls sinnvoller, als eine nachträgliche Ergänzung. Auf diese Weise kann das Energiegewinnungssystem formal und konstruktiv in das Gebäude eingebunden werden. Dies ist deswegen wichtig, weil die Harmonie der Einbindung letztendlich über die Wertschätzung der Architektur und die Akzeptanz der Technologie entscheidet. Das wesentliche Kriterium ist das Gebäude als ein Gesamtsystem zu begreifen. Dies heißt konkret, dass die verschiedenen Aspekte in ihrem Zusammenwirkungen so aufeinander abgestimmt werden müssen, dass sie bestmöglich im Einklang stehen. Ihr Zusammenwirken artikuliert sich jedoch erst im konkreten Entwurf, sodass die richtige Balance, aufgrund der verschiedenen ortspezifischen Faktoren, jedes Mal neu gefunden werden muss. 1 vgl. S.108f Hegger, Manfred: Energieatlas. Nachhaltige Architektur, in: Institut für internationale Ar-chitektur-Dokumentation GmbH & CO. KG, München 2007