Kaltluftabfall in einem Treppenhaus

Werbung
Wissenschaft
Kühl- und Heiztechnik
Kaltluftabfall · thermische Behaglichkeit · offenes Treppenhaus · Glasfassade
· Wärmepumpe
Das „Effizienzhaus Plus“ in Berlin hat
zwei Etagen verbunden mit einem offenen, nur zum Teil beheizten Treppenhaus, obwohl es auf einer Seite vollkommen verglast ist. Das Gebäude wird mit
einer Wärmepumpe mit Fußbodenheizung beheizt. Im Winter entsteht ein
starker Kaltluftabfall, der sich bis in den
Wohnraum erstreckt. Der gemessene
Volumenstrom stimmt gut überein mit
früheren Ergebnissen aus den 1970er
Jahren. Die Wärmedämmung moderner
Glasfassaden ist nicht gut genug, dass
Kaltluftabfall zu vernachlässigen ist. Das
wirkt sich nachteilig auf die thermische
Behaglichkeit der Nutzer und die Leistungszahl der Wärmepumpe aus.
Cold air down flow in the
stairwell of the “efficiency
house plus” in Berlin
Cold air down draft · thermal comfort ·
open staircase · glass facade · heat pump
The „efficiency house plus” in Berlin has
two floors connected with an inside
widely open stairwell. The stairwell is
heated only partly, although completely
glassed on one side. The building is
heated with a heat pump by under-floor
heating. In winter a strong cold air down
flow appears extending into the living
room. The air flow rate of the cold air was
measured. It concurs with earlier results
from the 1970s. The heat insulation of
modern glass facades is not good enough
for neglecting cold air down flow. It
disadvantageously affects the thermal
comfort of the users and the coefficient
of performance of the heat pump.
Kaltluftabfall in einem
Treppenhaus
Einleitung
Um zu beweisen, dass man den Energiebedarf von Gebäuden und Fahrzeugen
durch geschickte Kombination minimieren und damit die „Energieeffizienz“ erhöhen kann, wurde dieses Gebäude im
Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Bau und Städteentwicklung in Berlin gebaut [1]. Mit viel Solartechnik, guter Wärmedämmung und effizienter
Haustechnik soll mehr Exergie produziert als verbraucht werden, inklusive
der Energie für Elektrofahrzeuge der Bewohner.
Hier soll über einen Teilaspekt, eine
Kaltluftströmung im Winter aus dem
verglasten Treppenhaus des Gebäudes,
berichtet werden.
Das „Effizienzhaus“ hat zwei Etagen,
die mit einem innen liegenden, weitgehend offenen Treppenhaus verbunden
sind, das nur zum Teil beheizt wird, obwohl das Treppenhaus auf einer Seite
vollkommen verglast ist und ungefähr
genau so viel Glasfläche hat wie die Räume in jeder Etage. Das Gebäude wird mit
einer Fußbodenheizung und einer Wärmepumpe beheizt.
Das Problem ist, dass im Winter ein
großer Luftstrom aus dem Treppenhaus
in den Wohnraum im Erdgeschoss
strömt, selbst wenn in beiden Geschossen geheizt wird, um so mehr allerdings,
wenn die Heizung im Obergeschoss
ausgeschaltet wird und die Türen geöffnet sind, was die Nutzer wünschten. Eine messtechnische Untersuchung sollte
die Ursache für diese Strömung klären [2].
Der gemessene Luftvolumenstrom
der Kaltluftströmung stimmt gut überein mit den Ergebnissen einer früheren
Arbeit von Bernd Kriegel [3]. Bei fehlender Heizung im Obergeschoss addiert
sich zu dem Volumenstrom eine weitere
Strömung, die zur Beheizung des Obergeschosses beiträgt. Weil oft angenommen wird, dass die Wärmedämmung
moderner Glasfassaden so gut ist, dass
kein Kaltluftabfall mehr auftritt, werden frühere Erfahrungen missachtet.
Das wirkt sich nachteilig auf die thermische Behaglichkeit der Nutzer und die
Leistungszahl der Wärmepumpe aus.
Das „Effizienzhaus Plus“
Das Gebäude wird in einer Broschüre des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung [1] ausführlich beschrieben. Die allgemeine Beschreibung
wird hier deshalb nicht wiederholt.
Abb. 1 zeigt die Westfassade, die vollkommen verglast ist. Der Wärmedurchgangskoeffizient wird mit 0,5 bzw. 0,7 W/
(m²*K) für das Glas bzw. Glas mit Profilen
angegeben. Hinter einem 4,12 m breiten
Streifen der Glasfassade, rechts in Abb. 1,
liegt das Treppenhaus.
1
Autoren
Prof. a. D. Dr.-Ing. Klaus Fitzner (l.)
Gesellschafter der Klimakonzept
Ingenieurgesellschaft, Berlin
Dipl.-Ing. Florian Bräuer (r.)
Lehrbeauftragter an der Beuth Hochschule
für Technik, Berlin
28
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 04 2015
Westfassade des „Effizienzhauses Plus“ im Winter am 27.1.2014
www.ki-portal.de
Wissenschaft
Kühl- und Heiztechnik
Abb. 2 zeigt den Grundriss des Erdgeschosses. Die untere Tür rechts im Grundriss in Abb. 2 ist die Eingangstür im Treppenhaus. Ein kurzer Flur (2,26 m lang)
führt von dort zum Wohnbereich ohne
eine weitere Abtrennung. Die Treppe
führt auf der Wohnraumseite vom Flur
nach oben, zunächst zu einem Podest
(0,80 m x 2,80 m) in halber Höhe und
dann nach Richtungsänderung weiter
nach oben.
Der Flur (3, 4) unten im Treppenhaus
geht ohne Tür in den Wohnraum über.
Der Flur oben im Treppenhaus hat auch
keine Tür zum weiterführenden Flur. Die
Zimmer oben haben zwar Türen, sie sollen auf Wunsch der Nutzer aber geöffnet bleiben. Im Bereich der Stufen ist die
Treppe zum Wohnraum hin durch einen
u-förmigen Wandabschnitt über die gesamte Höhe abgeschlossen (a im Grundriss Abb. 2). Das ist die einzige Abtrennung zwischen Treppenhaus und Wohnraum. Im Bereich des Treppenpodestes
(0,80 m breit) sind der Wohnraum und
der Flur darüber mit Glasbrüstungen
versehen, sonst aber über die gesamte
Höhe zum Treppenhaus hin offen. Im
Treppenkern liegt eine dichte Wand
über die gesamte Höhe. Die Treppe ist
eine Stahlkonstruktion mit geschlossenen Stufen.
Die Glasscheiben der Treppenbrüstung haben unten und auf beiden Seiten
einen umlaufenden Luftspalt, ungefähr
3 cm breit. Zwischen dem Handlauf oben
und der Decke des Wohnraums befindet
sich ein etwa 6 cm breiter Spalt.
Das Treppenhaus hat eine lichte Höhe
von 5,60 m. Neben der Glasfassade auf
2
b
c
a
7
6
5
3
4
2
Effizienzhaus, Grundriss EG
der Westseite befindet sich auf der Südseite im Treppenhaus ein Fensterstreifen
von unten bis oben mit einer lichten
Breite von 0,84 m.
Strömung im Treppenhaus
Die Strömung im Treppenhaus ist nicht
zweidimensional darstellbar. Grob vereinfacht kann man aber sagen, dass die
Luft an den kalten Glasflächen der Westfassade im Treppenhaus nach unten
strömt und sich auf der Wohnraumseite
nach oben bewegt (Abb. 3). Dieses einfache Bild gilt für die fassadennahen Bereiche und für den Teil des Treppenhauses
auf der Wohnraumseite, der wie ein Auftriebsschacht wirkt (Abb. 3, 4 und 5).
Wenn im OG nicht geheizt wird, bewegt sich neben der Abwärtsströmung
an der Fassade auch kalte Luft von oben
in Bodennähe über den Flur zur Treppe
auf der Fassadenseite und strömt über
die Treppenstufen nach unten (Abb. 6),
aber nur bis zum Treppenpodest. Es
strömt erfreulicherweise keine kalte Luft
vom Treppenpodest durch den schmalen
Spalt in der Brüstung am Podest in den
Wohnraum. Durch die gesamte Öffnung
vom Wohnraum zum Treppenpodest
(Abb. 4) und im Treppenhaus auf der
3
4
5
Auftriebsströmung im Treppenhaus
Blick vom Flur unten nach oben
auf der Wohnraumseite
Strömung vom Wohnraum nach oben
ins Treppenhaus über der Brüstung am
Treppenpodest
Auftriebsströmung über der Treppe auf
der Wohnraumseite (OG)
www.ki-portal.de
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 04 2015
29
Wissenschaft
Kühl- und Heiztechnik
6
7
Abwärtsströmung im Treppenhaus auf der Fassadenseite
Strömung im Flur zum Wohnraum in Bodennähe
Wohnraumseite (Abb. 3 und 4) strömt
die Luft nach oben. Dieses Strömungsbild stellt sich bis auf die erwähnte Abwärtsströmung auf der Treppe bei beheiztem und unbeheiztem Obergeschoss
ein.
Strömung vom Flur in den Wohnraum
Im unteren Bereich des Flures (vom Boden bis 1,3 m Höhe) strömt Luft in den
Wohnraum (Abb. 7). In dieser stabilen
Strömung lässt sich die Geschwindigkeit
messen und damit der Volumenstrom
gut ermitteln (Ergebnis in Tab. 1).
Die Geschwindigkeit wurde mit einer
Hitzdrahtsonde in verschiedenen Höhen
in Flurmitte gemessen (Abb. 8). Dabei
werden im Fall „EG + OG beheizt“ beide
Etagen und bei „nur EG beheizt“ nur im
Erdgeschoss geheizt. Bei der Kurve „nur
EG beheizt“ wurde durch einen Fehler in
der Leitzentrale allerdings doch geringfügig geheizt.
Die Luft tritt mit einer Geschwindigkeit bis ca. 0,36 m/s in den Wohnraum
ein und breitet sich radial im Raum aus,
8
so dass die Geschwindigkeit dort schnell
abgebaut wird. Der Turbulenzgrad liegt
im bodennahen Bereich unter 10 %. Der
niedrige Turbulenzgrad mag eine Erklärung sein, dass es nur wenige Beschwerden über Zugerscheinungen gegeben
hat. Die Lufttemperaturen werden im
folgenden Abschnitt dargestellt.
Temperaturprofile
Die Temperaturprofile an 3 Messorten
werden in den Abb. 9 bis 11 wiedergegeben. An der Messstelle im Wohnraum
(Temperaturprofile in Abb. 9) treten keine
erhöhten Geschwindigkeiten auf, weil sie
6 m vom Raumeingang entfernt liegt. In
Abb. 9 sieht man die etwas erhöhte Temperatur am Boden und an der Decke, be1 Luftvolumenströme am Wohnraum­
eintritt
Variante Beheizung Volumenstrom
m³/h
1
EG und OG 1.121
2
nur EG
Luftgeschwindigkeit am Eintritt
vom Flur in den
Wohnraum im EG
Geschwindigkeit f (Höhe)
1,4
EG + OG beheizt
Höhe über Fußboden m
1,2
nur EG beheizt
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
0,00
0,10
0,20
0,30
Geschwindigkeit m/s
30
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 04 2015
1.470
0,40
dingt durch die Fußbodenheizung. Die
Fußbodenheizung erwärmt die Decke
durch Strahlung. Der Temperaturverlauf
insgesamt ist verhältnismäßig gleichmäßig (± 0,4 K). Die Profile sind ähnlich und
lediglich um 2 K verschoben. Die Verschiebung des Temperaturniveaus erklärt sich
durch eine Anhebung der Solltemperatur
für den Fall Heizung „nur EG“. Sie wurde
vorgenommen, um die Differenz zur Außentemperatur zu erhöhen.
An den Fenstern im Wohnraum ist
kein Kaltluftabfall zu beobachten.
An der Messstelle am Eingang in den
Wohnraum im EG zeigen sich viel größere Unterschiede im Temperaturprofil
(Abb. 10) zwischen Boden und Decke als
bei der Messstelle im Raum. Am Boden
sind die Temperaturen um 3 bis 4 K niedriger als an der Decke. Das ist mit der
Kaltluftströmung aus dem Treppenhaus
zu erklären. Der Abstand zwischen beiden Profilen ist allerdings kleiner als bei
der Messstelle im Raum. Die Temperaturdifferenz zwischen Boden und Decke ist
mit 2,5 K kleiner als bei der Messung „EG
+ OG beheizt“. Das lässt sich durch zwei
Einflüsse erklären. Der Volumenstrom ist
größer und die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist kleiner. Die
Außentemperatur war wetterbedingt
angestiegen, die Innentemperatur wurde deshalb angehoben. Die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist
von 31,4 K auf 26,5 K gefallen.
Abb. 11 zeigt das Temperaturprofil am
Eintritt des oberen Flurs im OG in den
Flur des Treppenhauses. Die obere Kurve
bei beheiztem EG + OG zeigt nur geringe
Unterschiede zwischen oben und unten
(ca. 0,5 K). Das hat aber bereits eine Strömung vom OG zum Treppenhaus zur
Folge.
Entscheidend für die zusätzliche Strömung im Treppenhaus sind die Differenwww.ki-portal.de
Wissenschaft
Kühl- und Heiztechnik
9
10
23
23
Temperatur °C
Temperatur °C
22
nur EG beheizt
22
21
20
nur EG beheizt
EG + OG beheizt
19
18
21
EG + OG beheizt
20
19
18
17
17
16
0
50
100
150
200
250
16
300
0
Höhe über Fußboden cm
www.ki-portal.de
100
150
200
250
300
Höhe über Fußboden cm
Vertikale Temperaturprofile im Wohnraum EG, 6 m entfernt vom
Eingang in den Raum
Vertikale Temperaturprofile am Eintritt des Flurs in den Wohnraum EG
Vertikale Temperaturprofile
am Eintritt des
Flurs im OG in
den Treppenhausflur
11
23
22
OG + EG beheizt
21
Temperatur °C
zen zwischen den Temperaturen in der
Nähe des Treppenhauses, also die Differenzen in den Abb. 10 und 11. Wenn im
OG und im EG geheizt wird, sind die Differenzen zwischen den Temperaturen in
der Nähe der Decke fast null. Deshalb
findet kein bemerkbarer Luftaustausch
zwischen den Etagen statt.
Bei der Strömung im Treppenhaus
nach unten kühlt sich die Luft stark ab. Die
Temperaturdifferenz zwischen Boden und
Decke im Erdgeschoss ist mit ungefähr 4 K
verhältnismäßig groß. Das ist durch den
Kaltluftabfall an der Fassade des Treppenhauses zu erklären, der sich im OG nicht
auswirkt. Er hat den gemessenen Volumenstrom von 1.121 m³/h zur Folge.
Wenn im OG nicht geheizt wird, ist die
Temperatur an der Decke im EG ungefähr
2 K höher als an der Decke im OG. Dadurch
strömt Luft im Flur entlang der Decke des
EGs und von dort durchs Treppenhaus in
das Obergeschoss. Diese zusätzliche Luftbewegung erhöht den Gesamtvolumenstrom im Treppenhaus und am Eingang in
den Wohnbereich auf 1.470 m³/h. Der höhere Volumenstrom führt dazu, dass die
Differenz am Boden zwischen oben und
unten im EG sogar kleiner wird als bei der
Strömung „nur EG beheizt“. Am Boden
sind die Temperaturen im EG und OG
gleich groß. Das ist möglicherweise damit
zu erklären, dass die kalte Luft, die aus
dem OG kommt, sich nicht oben im Treppenhaus mit der Auftriebströmung vermischt und nicht gemeinsam am Fenster
nach unten strömt und sich dabei weiter
abkühlt, sondern über den Flur und den
oberen Teil der Treppe (Abb. 6) nach unten
strömt und sich erst im Bereich des Treppenpodestes mit der anderen Abwärtsströmung an der Fassade vermischt. Die
Übereinstimmung der Temperaturen am
Boden kann aber auch zufällig sein und
wurde nicht näher untersucht.
50
20
nur EG beheizt
19
18
17
16
0
50
100
150
200
250
300
Höhe über Fußboden cm
Vergleich mit der Theorie
Nach Bernd Kriegel [3] entsteht an kalten
Raumwänden ein Kaltluftabfall, wie in
Abb. 12 als Massenstrom über der Höhe
der Wand dargestellt.
Abb. 12 gibt den Massenstrom an, der
je Meter Fassadenbreite an kalten Flächen mit verschiedenen Höhen und
Oberflächentemperaturen nach unten
strömt. Die Temperaturdifferenz ∆T ist
die Differenz zwischen Raumluft und
Scheibenoberfläche innen. Man sieht,
dass der Massenstrom ungefähr proportional zur Höhe und Breite, also der Fläche der Wand anwächst, während der
Einfluss der Temperaturdifferenz nur mit
der 3. Wurzel einwirkt. Eine Halbierung
der Temperaturdifferenz zwischen Wand
und Raumluft, also eine Verbesserung
der Wärmedämmung der Scheibe um
den Faktor 2, reduziert den Kaltluftstrom
nur um den Faktor 1,3. Deshalb können
auch Wände mit vermeintlich guter Wärmedämmung sehr viel Luft in Bewegung
setzen, wenn sie entsprechend groß sind.
Die Massenströme lassen sich nähe-
rungsweise durch die in Abb. 12 wiedergegebenen Geraden darstellen. Das Diagramm in Abb. 12 lässt sich für die Temperaturdifferenzen von 2,5 und 1,25 K
durch zwei parallele Linien im gleichen
Abstand extrapolieren. Die drei Fensterflächen im Treppenhaus, im EG und im
OG sind mit ungefähr 28 m² fast gleich
groß. Die Volumenströme für eine Wand
mit einer Fläche von 28 m² sind abhängig
von der Temperaturdifferenz (RaumluftScheibenoberfläche) in Tab. 2 dargestellt.
Der so berechnete Volumenstrom ist
um 27 % kleiner als der gemessene. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Die
zusätzliche Wärmeleitung durch die
Wände und Speichereffekte der Wand
wurden nicht berücksichtigt, und es ist
möglich, dass auch schon bei Beheizung
des OG ein schwacher Luftstrom aus
dem Obergeschoss in das Treppenhaus
strömt. Außerdem kann der U-Wert der
Verglasung höher sein als angenommen.
Das Temperaturprofil in Abb. 11 zeigt
im OG eine Differenz von oben nach unten von 0,6 K. Das bedeutet, dass auch
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 04 2015
31
Wissenschaft
Kühl- und Heiztechnik
bezogener Kaltluftmassenstrom kg/(hm)
12
1000
600
Kaltluftabfall
an einer kalten
Wand nach
Kriegel [3, 4]
Raumlufttemperatur 20°C
400
∆T = 20K
∆T = 10K
200
∆T = 5K
2,1
822
3
925
100
60
40
20
10
1
∆T = T∞- TW
T∞ Raumtemperatur
TW Wandtemperatur
2
3
4
6
8
10
Wandhöhe in m
bei der Beheizung beider Etagen ein Teilluftstrom über das Treppenhaus ausgetauscht wird.
Vermeidung der Kaltluftströmung
Die Kaltluftströmung aus dem Obergeschoss lässt sich vermeiden, wenn die
Temperatur im OG gleich oder etwas höher ist als im EG. Bei klimatisierten Gebäuden werden gegen den Kaltluftabfall
auch sogenannte Fensterblasanlagen
verwendet, die mit erwärmter Luft der
Strömung entgegenwirken. Dabei sollte
die Heizleistung der Fensterblasanlage
der Heizlast des Kaltluftabfalls entsprechen. Das wird in [3] näher ausgeführt.
Diese Lösung lässt sich nachträglich hier
nicht mehr umsetzen.
Im vorliegenden Fall würde die Strömung aber auch erheblich reduziert,
wenn die Heizlast des Treppenhauses
durch eine ausreichende Heizung darin
abgedeckt würde. Die Heizlasten von EG,
OG und Treppenhaus sind ungefähr
gleich groß. Die Bodenfläche des Treppenhauses ist aber viel kleiner als die der
Geschosse, so dass die Heizung im Boden
allein ohne erhöhte Vorlauftemperaturen nicht ausreicht. Deshalb müsste zusätzlich eine Wand- oder Profilheizung
im unteren Bereich angebracht werden,
wenn die Bodenfläche dafür zu klein ist.
An der Oberkante des Erdgeschosses
muss im Treppenhaus und im Wohnraum die gleiche Temperatur herrschen.
Es bestätigt sich hier wie überall in der
Raumlufttechnik, dass die Heizung möglichst da anzubringen ist, wo die Heizlast
anfällt. Klimatechniker wissen, dass das
auch bei Kühlung gilt: Die Kühlleistung
sollte auch immer in der Nähe der Stelle
eingebracht werden, wo die Kühllast an-
32
2 Kaltluftabfall an der kalten Wand
(28 m²) nach Gl. F2-10 [4], s. auch Abb. 12
Temperaturdifferenz
Volumenstrom
Raum – Scheibe innen K in m³/h
1
642
KI Kälte · Luft · Klimatechnik · 04 2015
fällt. Eine weitere klassische Möglichkeit
besteht darin, das Treppenhaus durch
Wände und eine Tür vom Wohnbereich
vollkommen abzutrennen. Das wurde inzwischen ausgeführt. Dabei leidet allerdings die großzügige Architektur, und im
unteren Teil des Treppenhauses stellt sich
bei geschlossener Tür eine tiefere Temperatur ein. Beim Öffnen der Tür entsteht
dann bis zum Temperaturausgleich eine
störende instationäre Kaltluftströmung
vom Flur im EG in den Wohnraum.
Zusammenfassung
Im „Effizienzhaus Plus“, 10623 Berlin, Fasanenstraße 87 a, treten im Winter Kaltluftströmungen vom offenen Treppenhaus in den Wohnbereich auf; verstärkt,
wenn im Obergeschoss nicht geheizt
wird, um dort eine niedrigere Lufttemperatur zu erzielen und dabei die Türen der
Räume auch noch offen bleiben sollen.
Die Ursache der Strömung und ihre
Größenordnung wurden ermittelt. Bei
niedrigen Außentemperaturen um – 8° ±
4 °C wurde die Strömung beobachtet und
für zwei Fälle gemessen: am 26.01.14,
bei dem oben und unten normal geheizt
wurde, und am 27.01.2014, bei dem die
Heizung oben weitgehend abgeschaltet
war. Das Treppenhaus wird nur auf einer
kleinen Fläche im Flur beheizt.
Es zeigte sich, dass bei Heizung im EG
und OG bereits große Luftströme durch
den Kaltluftabfall an der Glasfassade im
Treppenhaus auftreten. Sie entsprechen
tendenziell den Erfahrungswerten für
kalte Wände aus der Literatur. Bei beheiztem Obergeschoss strömen 1.121 m³/h
Luft in den Wohnraum. Wenn das Obergeschoss nicht beheizt wird, erhöht sich
der Kaltluftstrom auf 1.470 m³/h, und
die Heizlast des Strahles, der in den
Wohnraum eindringt, steigt von 785 W
auf 931 W. Entsprechend muss die Heizleistung der Fußbodenheizung im EG
und damit die Vorlauftemperatur zunehmen, die auch im Normalbetrieb schon
verhältnismäßig hoch ist. Die Temperaturabsenkung im OG ist begrenzt, weil
ohne Heizung oben die Beheizung des
Obergeschosses zum großen Teil vom
Erdgeschoss mit übernommen wird.
Zum Vermeiden des Kaltlufteintritts
in den Wohnraum wurde inzwischen das
Treppenhaus vom Wohnbereich durch
Tür und Wände abgetrennt. Diese Maßnahme hilft allerdings nur bei geschlossener Tür. Wird die Tür geöffnet, ist die
auftretende Kaltluftströmung anfangs
stärker als beim untersuchten Zustand,
weil sich die Luft im unteren Teil des
Treppenhauses stärker abgekühlt hat.
Die richtige Lösung wäre es, das Treppenhaus so zu beheizen, dass die anfallende
Heizlast dort durch eine entsprechende
Heizleistung kompensiert wird. Die Heizlast sollte generell durch gute Wärmedämmung so klein wie möglich gehalten
werden, was im vorliegenden ausgeführten Fall mit der großen Glasfassade nicht
mehr möglich ist. Niedrigere Temperaturen in den Räumen des OG sind nur bei
geschlossenen Türen möglich.
Literaturverzeichnis
[1] Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität, Technische Information und Details, BBSR_EffizienzhausPlus_Elektromobil_DE_Aufl2_barrierefrei.pdf
[2] Fitzner, K., Bräuer, F.: Begutachtung und Bewertung der Raumluftströmung im Heizfall
– Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität,
BBSR – Forschungsvorhaben, Aktenzeichen
SWD – 10.08.81 – 13.04
[3] Kriegel, B.: Fallströmungen vor Abkühlflächen in Gebäuden und mögliche Schutzmaßnahmen, Dissertation TU Berlin, 1973
[4] Rietschel: Raumklimatechnik, Band 2: Raumluft- und Raumkühltechnik, 2008, 16. Aufl.,
Herausg. K. Fitzner
[5] Fitzner, K., Bräuer, F.: Kaltluftabfall im Treppenhaus beim „Effizienzhaus Plus“ in Berlin,
GI 2014, 135. Jg., Heft 6, und DKV-Jahrestagung-Bericht Abt. IV.02, Düsseldorf 2014
www.ki-portal.de
Herunterladen