BÜCHER DER GEGENWART HERBST 2009 Von Magnus Striet A ls apologetische Disziplin wurde die Fundamentaltheologie nicht zuletzt durch die konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts geprägt. Die Wahrheit des Glaubens, wie sie das römische, katholische Lehramt verkündete, sollte gegen die abweichlerische Provokation der Reformation verteidigt werden. Inzwischen hat sich der Horizont der Fundamentaltheologie völlig verändert. Sie musste und muss sich den Verunsicherungen stellen, die der Glaube durch die Wissensrevolutionen seit mindestens dreihundert Jahren durchlebt. Im Gespräch mit den jeweiligen „Wissensproduzenten“ und den gesellschaftlich-kulturellen Erfahrungen erschließt die Fundamentaltheologie stets neu die Bedeutung und die Möglichkeit des Glaubens an den Gott Jesu Christi. Das klingt leicht, ist es aber nicht. Denn angesichts der rasant sich verkürzenden Halbwertszeit von Wissen und angesichts der enormen Geschwindigkeit, mit der sich moderne Erfahrungswelten entwickeln, ist immer schwieriger zu bestimmen, was der Glaube bedeutet und wie er auch heute noch begründet gelebt werden kann. Man kann auch sagen: Fundamentaltheologisches Arbeiten unterliegt selbst einer enormen Dynamik. Angesichts der Brüchigkeit vermeintlich fester Traditionen und dessen, was einmal für ewig gültig betrachtet wurde, ist gesellschaftlich das Bedürfnis nach Sicherheit wahrzunehmen. Vielleicht lassen sich auch Fundamentaltheologien in Form von Handbüchern als Indiz für dieses Bedürfnis lesen. Tradition, Innovation und Brüche Das vorliegende Lehrbuch des Eichstätter Fundamentaltheologen Christoph Böttigheimer erschließt nicht nur den gegenwärtigen Stand dieser Disziplin; vielmehr ergreift der Autor auch immer wieder pointiert Position. Dies ist gut so. Denn man kann sich in dem täuschen, was man für vernunftkonform und deshalb im Glauben für zustimmungsfähig hält. Riskiert man dies allerdings erst gar nicht, bleibt alles im Ungefähren. Böttigheimer spitzt zu. Gegen die Tradition verstößt, wer meint, diese einfach konservieren zu können. „Die Aktualisierung kirchlicher Definitionen“ berge „nicht nur konservative, sondern innovative Elemente in sich“, betont der Verfasser. Und die Konsequenz: „Immer wieder treten neue beziehungsweise vergessene Züge der christlichen Heilsbotschaft in den Vordergrund, weshalb der Glaubensinhalt unbegrenzt offen ist und damit zukunftsfähig bleibt (Joh 16,12 f)“. Dieses Handbuch zeigt sich damit insofern traditionsverpflichtet, als es die Tradition als Reflexionsquelle ins Spiel bringt und sie in ein lebendiges Gespräch mit der Gegenwart verwickelt. Das heißt dann auch, dass Brüche in der Glaubensüberlieferung markiert werden. In der Erlösungslehre etwa verortet sich Böttigheimer als klarer Verfechter einer Position, der zufolge Gott kein Opfer am Kreuz brauchte, um sich mit der Menschheit versöhnen zu können. Jesu Tod sei nicht Den Glauben denken Was ist Fundamentaltheologie, worin besteht ihre Aufgabe? Von seinen ersten Anfängen an hat der Glaube sich seiner Gründe zu vergewissern versucht, und nichts anderes unternimmt die Fundamentaltheologie als Disziplin bis heute. das Ziel, sondern die Konsequenz seines Lebens. In dieser Lebenshingabe gehe es darum, „durch die Ohnmacht der Liebe die Macht der Sünde zu brechen und die Entfremdungswirklichkeit der Welt aufzuheben“. Offenbarung – Autonomie Der Grundsatz Karl Rahners, dass jede theologische Aussage immer auch eine Aussage über den Menschen zu sein habe und umgekehrt, läuft wie selbstverständlich in allen Gedankengängen dieser Fundamentaltheologie mit. Wenn auch durch Gott selbst auf ihn hin eröffnet, wie Böttigheimer im Anschluss an Rahner argumentiert, bleibt der Mensch dennoch auf eine geschichtliche Offenbarung verwiesen: Gott „muss sich offenbaren, soll er vom Menschen erkannt werden“. Zwar greift der Mensch immer bereits auf Gott aus, aber erst von der Geschichte her wird Gott bestimmbar. Von daher erschließt der Autor den Kern christlichen Glaubens, die Aussagen über Gott und seinen auf den Menschen bezogenen Willen strikt geschichtlich. Deshalb ist Theologie auf die Kirche als Überlieferungsgestalt dieses Glaubens verwiesen. Denn zugänglich wird er nur über seine geschichtlichen Vermittlungsgestalten. Gleichzeitig betont Böttigheimer die Freiheit des Glaubensakts. Allerdings nicht nur als formale Zustimmung, sondern auch als inhaltliche Aneignung. So erklärt sich, warum der faktisch gelebte Glaube notwendig plural ist und es fast schon zwangsläufig zu Spannungen zwischen den Instanzen kommt, die den Glauben bezeugen. Vor diesem Hintergrund plädiert Böttigheimer entschieden dafür, den ökumenischen Kurs beizubehalten und das in der Westökumene so erfolgreich gewordene Modell des zu suchenden „differenzierten Konsenses“ auch weiterhin zu verfolgen. Man muss demnach nicht in allem der gleichen Ansicht sein, um sich in Grundlegendem verständigen zu können. Auch läuft dies noch lange nicht auf einen Relativismus hinaus, sondern es ist schlichtweg der Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz wie des Glaubens geschuldet. Dass solche Entschiedenheit nicht allen gefällt, darf nicht verwundern. EDITORIAL Kultur nicht ohne Religion M ehr Bildung – das wurde schlagwortartig, jedoch inhaltsleer im letzten Bundestagswahlkampf immer wieder angemahnt. Als große republikanische Schicksalsfrage kam Kultur allerdings nicht vor. Die Kultusministerien auf Bundesländerebene erwecken den Eindruck, als handele es sich dabei vornehmlich um provinzielle Angelegenheiten. Doch die Zukunft der Bundesrepublik besteht keineswegs nur aus Geld, Geld und nochmals Geld. Vielmehr geht es darum, weite geistige Horizonte politisch wiederzugewinnen für eine echte Bürgergesellschaft. Im aktuellen Pluralismus unzähliger Unterhaltungs-Subkulturen, die so tun, als seien sie Hauptkultur, ist dringend herauszufinden, was unsere wirkliche Leitkultur sein kann und soll. Die jüngsten erschreckenden Zahlen über Kirchenaustritte haben deutlich gemacht, dass in diesem Staatswesen bereits über ein Drittel der Bevölkerung mit dem Christentum nichts mehr zu tun haben will oder zu tun hat. Das sind harte Fakten. Kultur also ohne den Kern von Kultur – Religion? Das wird auf Dauer nicht gutgehen, wie alle politischen Experimente zeigen, die den Glauben aus dem öffentlichen Leben verbannt haben und atheistisch in Despotie endeten. Zwanzig Jahre nach der Wende kann nicht energisch genug an die Perversionen der Regime mit verordneter Gottlosigkeit erinnert werden. Wann also wird man in freien Gesellschaften endlich neu begreifen lernen, was man am Gottesglauben ebenso als humanistischen Mehrwert gewonnen hat? Wann wird man auf breiter Ebene politisch – parlamentarisch wie ministeriell – wieder wach für die kulturelle Kern-Kraft der Religion, für das, was nicht nur den einzelnen Glaubenden privat, sondern ebenso einen ganzen Staat öffentlich unbedingt angeht? Die Bücher dieser CIG-Sonderseiten sind Dokumente einer Geistesbewegung, die Substanz bewegt. rö. Vermutlich wird Böttigheimers Fundamentaltheologie Diskussionsbedarf erzeugen. Um es im Bild zu sagen: Einer nochmaligen Anschärfung Rahners durch den strikten Autonomieverfechter Kant begegnet Böttigheimer mit Skepsis. Damit grenzt er sich von Optionen ab, die seit den neunziger Jahren zumindest den fundamentaltheologischen Diskurs des deutschsprachigen Raums geprägt haben. Seine Skepsis richtet sich gegen einen allzu starken Begriff von menschlicher Autonomie. Meines Erachtens sind diesbezüglich die Debatten allerdings noch zu führen. Denn ob das Plädoyer für eine starke Autonomie im Blick auf den Glaubensakt tatsächlich die Endlichkeit und radikale Begrenztheit menschlicher Freiheit unterschätzt, ob es die Dimension der Intersubjektivität als des gegenseitigen Aufeinander-Bezogenseins der Menschen und das Dunkel der Freiheit, ihre abgründige Möglichkeit zur Bosheit, vernachlässigt, ist anzuzweifeln. Zwar gibt es diese gnadenlose Egozentrik des Ich. Wer wollte dies ernsthaft bestreiten angesichts der geschichtlichen Realitäten? Aber ließen sich die Ziele Böttigheimers nicht mit einem Begriff von Autonomie versöhnen, der die Endlichkeit des Menschen, seine Unsicherheiten und Begrenzungen radikal anerkennt? Und der dennoch betont, dass der Mensch sich in seiner Freiheit selbst Gesetz ist und dass er um seiner Menschlichkeit willen aus dieser Freiheit heraus die Würde einer jeden menschlichen Person so entschieden achten soll und kann, wie er es sich bezogen auf sich selbst wünscht? Zum Studieren Nur ein Bruchteil der von Christoph Böttigheimer behandelten Themen der Fundamentaltheologie kann hier angesprochen werden, und – so ist der Mensch – dann auch nur in einer subjektiv eingefärbten Weise. Insgesamt ist dieses Lehrbuch ausgesprochen lesefreundlich gestaltet. Die einzelnen Teile lassen sich auch separat studieren, zum Beispiel zum Selbstverständnis des Faches und zu seinen wissenschaftstheoretischen Grundlagen, zu den Prinzipien fundamentaltheologischen Denkens, zum Phänomen der Religion, zur Religionskritik und zum Atheismus, zum Offenbarungsdenken, zum Verhältnis von Christentum und Weltreligionen, zum Kirchenverständnis usw. Als Handbuch eignet es sich deshalb in der Tat bestens. Vor allem aber seien dem Buch deshalb von Herzen viele theologisch interessierte Leserinnen und Leser gewünscht, weil es zum Selberdenken einlädt. Denn wie sollte die berühmte Frage des Psalmisten „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?“ noch faszinieren, wenn der Mensch nicht mehr denkt, den Gedanken nicht mehr ausschweifen lässt in die Abgründe des Denkens und des Glaubens? Dazu regt diese Fundamentaltheologie an. Christoph Böttigheimer Lehrbuch der Fundamentaltheologie Die Rationalität der Gottes-, Offenbarungsund Kirchenfrage (Verlag Herder, Freiburg 2009, 736 S., 58 €). 466 Glaubensleben Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Beten Seelen-Werkstatt: Hans Küngs Trostbuch Worüber man nicht reden kann, darüber muss man keineswegs schweigen. Hans Küngs anrührendes Zeugnis eines großen Theologen- und Christenlebens. N icht nur als Gelehrter, sondern auch als Priester, Mann Gottes und Freund Jesu Christi gibt Hans Küng Rechenschaft von dem, was nur schwer sagbar ist – von dem, was er liebt, hofft, glaubt. Das geschieht nicht losgelöst von dem, was er in jahrzehntelanger, den Glauben bereichernder wissenschaftlicher Kleinarbeit durchdacht, durchkämpft, auch durchlitten hat. Der Autor nimmt den Leser an der Hand mit auf eine Reise, die zunächst in einfacher Weise sich dem anzunähern versucht, was das Menschliche des Menschen ausmacht. Hier schon wird die Stärke einer „natürlichen“ Theologie sichtbar, die Antennen für Gott ausfahren kann, ohne Gott herbeizwingen zu müssen, die zur transzendenten Erkenntnis befähigt, weil sie das Immanente liebt. Nicht das Unsichtbare ist für Küng das eigentliche und erste Wunder, sondern das Sichtbare. Entsprechend spannt er einen weiten Bogen von den UrErfahrungen menschlichen Grundvertrauens über die Lebensfreude, kleine und große Lebenssinngebungen bis hin zu einer vernünftig begründeten letzten Wirklichkeit. Der Verfasser lässt nichts Wesentliches aus, nicht die Wissenschaft und nicht die Kunst, nicht die anderen Religionen und nicht das Leid, nicht die Macht der Macht und nicht die Macht der Liebe, der Sexualität, der innersten menschlichen Regungen. So kann man in die seelische Werkstatt von Küngs Schaffen blicken, in eine Weltund Gottesfrömmigkeit, die für andere universale Tragkraft entfaltet, weil sie selber universal ausgerichtet ist. Was wahrhaft katholisch ist, wird hier auch spirituell deutlich in einer Weise, die uns ahnen lässt, warum der Provinzialismus alter oder neuer Konfessionalismen zum Untergang verurteilt ist – und damit auch ein Traditionalismus, der nicht begreifen will, dass der christliche Glaube zeit- und weltbewegend ist, weil er sich selber von Zeit und Welt be- wegen lässt, von der Geschichte Gottes in der Geschichte jedweder Existenz. Dieses Buch menschlichen Vertrauens ist ein Trostbuch des Gottvertrauens. Vor allem auch für jene, die gegen die Verzweiflung angesichts bleierner neo-restaurativer Tendenzen in der Kirche weiter im Geist jener Freiheit, Redlichkeit und Wahrhaftigkeit atmen möchten, die Christus vorgelebt hat und in der das Christsein befreiend, das Katholischsein hell wird: „Wir ver-enden nicht, weder als Einzelwesen im Tod noch als Menschengeschlecht in einem Weltuntergang, sondern werden voll-endet, so hoffen wir, in der Vollendung … Denn wenn der Gott, der existiert, wahrhaft Gott ist, dann ist er nicht nur Gott für mich hier und heute, sondern Gott auch am Ende, am Ende meines Lebens und am Ende der Welt. Wenn Alpha, dann auch Omega. Oder wie es in der Liturgie heißt: Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Johannes Röser Hans Küng Was ich glaube (Piper Verlag, München 2009, 319 S., 18,95 €). Alter und neuer Modernismusstreit I m 19. Jahrhundert nahm das kirchliche Lehramt unter den Päpsten Gregor XVI. (1831–1846) und Pius IX. (1846–1878) eine rigorose Abwehrhaltung gegenüber neuzeitlichen Entwicklungen ein. Die Wende zum Subjekt, die historisch-kritische Forschung, aber auch der politische Liberalismus wurden unter Verdacht gestellt. Nicht wenige Theologen und Philosophen, welche die Selbst-Gettoisierung des Katholizismus überwinden wollten und eine behutsame Aussöhnung zwischen Kir- che und Moderne anstrebten, wurden lehramtlich verurteilt, ihrer Ämter enthoben und exkommuniziert. Unter Pius X. (1903– 1914) erreichten die antimodernistischen Maßnahmen ihren Höhepunkt. Peter Neuner hat die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts reichende Geschichte des Streits um den katholischen Modernismus kundig und gut lesbar nachgezeichnet. Er liefert Hintergrundinformationen zur Kontroverse um die Piusbruderschaft. Wer den Streit der traditionalistischen Nachhut bes- ser verstehen will, wird Neuners Buch dankbar zur Hand nehmen, dem im Übrigen eine instruktive Dokumentation ausgewählter Texte von „modernistischen“ Autoren, aber auch lehramtlicher Stellungnahmen beigegeben ist. Jan-Heiner Tück Peter Neuner Der Streit um den katholischen Modernismus (Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2009, 437 S., 19,80 €). Art sacré – von Matisse bis Le Corbusier D as Buch „L’ Art Sacré – Liturgische Räume“ ist aus einer Fotoausstellung in Braunschweig und Hildesheim hervorgegangen. Behandelt werden in kenntnisreichen Texten und ausgezeichneten Farbaufnahmen sieben Kirchen: Plateau d’ Ássy (1950), Les Bréseux, Audincourt, Vence, Ronchamp, La Tourette in Eveux und Firminy Vert (vollendet 2006) und damit Werke von Henri Matisse, Marc Chagall, Georges Rouault, Alfred Manessier, Fernand Leger, Germaine Richier, Jean Ba- zaine und die drei Kirchen von Le Corbusier. Sie alle verdanken ihre Existenz der Anregung der beiden Dominikaner MarieAlain Couturier und Pie Regamey. Diese wollten nicht nur die kirchliche Kunst erneuern, sondern die Kirche durch die Kunst, den Geist der Gegenwart. Der Nuntius in Paris, der dieses leidenschaftliche Ringen aus der Nähe erlebt hat, Angelo Roncalli, hatte als Papst Johannes XXIII. im Zweiten Vatikanischen Konzil die Kirche für die Gegenwart geöffnet. Darum gehören die hier vorgestellten Bauten und Werke nicht nur in eine Geschichte der Kunst, sondern der Weltkirche. Den Herausgebern, Autoren und dem Verlag ist für ein heute wichtiges Buch zu danken. Peter Steiner Michael Brandt, Walter Zahner (Hg.) L ’ Art Sacré – Liturgische Räume Mit Beiträgen von Hartwig Bischof und Johannes Zahlten. Fotografien von Manfred Zimmermann (Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2009, 111 S., 24,90 €). Die Beschleunigungsfalle W eshalb entkommen wir trotz aller Hilfsmittel zum Zeitsparen, zur besseren Organisation und Planung dennoch nicht der „Beschleunigungsfalle“? Das Grundproblem liegt nach Auffassung von Martin Spaeth darin, „dass das Vertrauen auf Gott und das von ihm geschenkte Heil immer mehr schwindet. So versuchen wir, unser Glück und unser Heil selbst zu schaffen – durch grenzenlosen Aktivismus.“ Der kleine Band bietet einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung von Zeitdarstellungen, Zeitmessung und Zeitempfinden, immer auch im Hinblick auf die Zeitwahrnehmung innerhalb der christlichen Religion. Über die Theorie, dass gerade der christliche Mensch im Spannungsfeld des „Schon, aber noch nicht“ anfällig ist für Zeit-Krankheiten, führt uns der Verfasser zu einem Plädoyer für ein Leben zwischen Aktivismus und Nichtstun, für ein „Leben in gelassener Verantwortung“. Christina Herzog Martin Spaeth Wie schnell müssen wir leben? Plädoyer wider die gnadenlose Beschleunigung (Matthias-Grünewald-Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2009, 160 S., 16,90 €). W ortgewaltig hat Christine Eichel ihre „Bekenntnisse“ zu Papier gebracht. Die Autorin aus der Medienbranche erzählt ihre Geschichte: vom Anfang in einem evangelischen Pfarrhaus über beinahe zwei Jahrzehnte der Abgrenzung zurück zur altvertrauten Glaubenspraxis des Betens. Der journalistische Stil, in dem dieser Weg ins Wort gebracht ist, erscheint wohltuend, da eher die Ausnahme in dieser Literatursparte, und irritierend zugleich. Die Sprachfertigkeit weckt Leselust, doch die gleichbleibend enthusiastische Darstellung sämtlicher Lebensetappen lässt die Umwege nicht leicht mitgehen. Die späte – schwere – Geburt des Wunschkindes und eine tiefe Ehekrise „helfen“ einen fast vergessenen Schatz zu heben: das Gebet. Dankbarkeit, Demut, Gnade, Nächstenliebe, Eigentlichkeit, Gelassenheit, Wahrhaftigkeit werden zu Schlüsselerlebnissen. Dass das Gebet Gott ins Leben bringt, erscheint in den sonst sehr ausführlichen Beschreibungen und Bewertungen von Zeitgeistern, gesellschaftspolitischen Epochen, Milieus, Lebenskulturen, von Amtskirche und Theologie allerdings eher als Randnotiz. Vera Krause Christine Eichel Warum ich wieder bete Das Ende des Zynismus (Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009, 192 S., 17,95 €). Glück G lück war in den meisten Zeiten und Kulturen eine Luxusfrage für die „oberen Zehntausend“. Heute beschäftigt es fast jeden Menschen. Der „Spiegel“-Autor Mathias Schreiber sichtet die überbordende Vielfalt von Büchern zum Thema und kommentiert sie. Gleichzeitig bietet er ein farbenfrohes, belesenes Kaleidoskop über das Glück in verschiedenen Kulturen, Epochen, weltanschaulichen Richtungen, Lebenslagen oder in Kunst und Literatur. Schreibers Stil ist lebendig, oft geistvoll. Dazu schreibt er – ungewöhnlich für einen „Spiegel“-Journalisten – erstaunlich warmherzig über die so menschliche Suche nach Glück und bekennt sich auch selbst dazu. Dennoch neigt er in seinem Buch immer wieder zu einer etwas selbstgefällig wirkenden kritischen Distanz. So manches Buch scheint er nicht bis zum Ende gelesen zu haben, etwa wenn er dem renommierten Klassiker „Flow“ von Mihaly Csikszentmihaly unterstellt, nur nach simplen Glücksmomenten unabhängig von Moral und Sinn zu suchen. „Das Gold in der Seele“ ist kein Rezeptbuch. Dafür ist es ein bereicherndes, manchmal motivierendes Panorama. Ein grundsätzliches Problem allerdings kann auch dieses Buch nicht aushebeln: Das Glücksareal im Gehirn wird nun einmal nur selten durch Denken stimuliert, vielmehr durch wirkliches inneres Einlassen und emotionales Erleben. Elena A. Griepentrog Mathias Schreiber Das Gold in der Seele Die Lehren vom Glück (Deutsche VerlagsAnstalt, München 2009, 256 S., 19,95 €). CIG BÜCHER Nr. 42 / 2009 Gesellschaft 467 Säkular und religiös D er kanadische Philosoph Charles Taylor hat den amerikanischen Kommunitarismus mitbegründet. Dieser wendet sich gegen den exzessiven Individualismus unserer Gesellschaft. Der Trend zur Selbstverwirklichung sei eines der Hauptübel unserer Epoche. Die damit verbundene Gier führe zur Schwächung der sozialen Verantwortung. So ist der Kommunitarismus eine grundsätzliche Kritik am Kapitalismus und am überbordenden Liberalismus – und das lange vor den Krisen der Gegenwart. Dass Taylor der katholischen Philosophie und Theologie nahesteht, ist unverkennbar. In seinem neuen Werk will Taylor „die Geschichte dessen erzählen, was man normalerweise die Säkularisierung des Abendlandes nennt“. Er holt dazu weit aus, so dass man zu seinem gründlichen Studium einen langen Atem braucht. Aber die Mühe lohnt sich, denn man erfährt innerhalb eines grandiosen Konzepts viele Details über die europäische Geschichte der Säkularisierung, die Taylor um 1500 im christlichen Abendland beginnen lässt, als der christliche Gottesglaube noch eine Selbstverständlichkeit war, während er in der Gegenwart zu einer Wahlmöglichkeit unter vielen geworden ist. Dabei beschreibt Taylor nicht nur, sondern versucht als Philosoph zu verstehen, wie es kam, dass sich große Bereiche der Gesellschaft schrittweise von der Religion lösten und sie selbst geradezu als „Opium des Volkes“ erscheinen konnte. Dazu werden die verschiedenen Definitionen und Entwicklungsstadien des Säkularisierungsprozesses analysiert und diskutiert. Unübersehbar sind Auswirkungen besonders in den Naturwissenschaften, in Philosophie, Kunst, Rechts- und Staatslehre. Taylor glaubt nicht, dass die modernen Wissenschaften den religiösen Glauben widerlegt und verdrängt haben. Er betont, dass man Säkularisierung missverstehe, wenn man sie als Sieg der Wissenschaften und der Vernunft über den Glauben deute. So sei Darwins Lehre keine Widerlegung der Religion. Nebenbei wird der neue Atheismus (Dawkins und andere) zu Recht als intellektuell anspruchslos und fundamentalistisch kritisiert. Unhaltbar ist für Taylor auch die Ansicht, die Säkularisierung habe einfach die Religion „subtrahiert“, um zum eigentlich Humanen zu kommen. Stattdessen ist für ihn Religion ein zentrales Element unserer Zeit und gerade mit ihrer Option für die Armen wichtiger denn je. Wichtige Ergebnisse der Untersuchung liegen – holzschnittartig vereinfacht – in zwei Aussagen. Erstens: In unserer Gesellschaft, die zugleich säkular und religiös ist, gibt es Glaube und Unglaube als unterschiedliche Optionen des Lebens. Zweitens: Die Säkularisierung ist nicht einfach nur gegen das Christentum entstanden, sondern aus ihm selbst erwachsen, weil es mit seiner Bejahung von Diesseits, Vernunft und Wissenschaft darauf zielt. Wenn man einwendet, beide Einsichten seien so ganz neu nicht, darf man nicht übersehen, dass sie hier in einem großen Wurf mit vielen erfahrungswissenschaftlichen Perspektiven, Argumenten, philosophischen Reflexionen und lebendigen, auch religiösen Erfahrungen neu begründet werden. Darum hat Taylor hier ein epochales Werk geschaffen, das zum Verständnis unserer Zeit unverzichtbar ist. Werner Trutwin Charles Taylor Ein säkulares Zeitalter (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009, 1298 S., 68 €). Heines Kampf auf der Matratzengruft E in beliebter Gemeinplatz der Religionskritik stellt den Glauben als eine Form von Demenz hin – besonders dann, wenn jemand, der schon einmal das angeblich „fortgeschrittene Bewusstsein“ des Atheisten „erreicht“ hatte, wieder in den Gottesglauben „zurückfällt“. Heinrich Heines Rückkehr zum Gottesglauben jüdischer Tradition in seinen letzten Lebensjahren hatte allerdings nichts von Ermattung oder Demenz: Er vollzog sich in höchster geistiger Klarheit, ohne Verlust an Verstandesschärfe und Witz. Das ist umso erstaunlicher, als sich sein Ringen mit Gott auf dem Kampfplatz eines achtjährigen, leidvollen Krankenlagers abspielte, der von ihm selbst so bezeichneten „Matratzengruft“. Karl Josef Kuschel stellt Heines „Kampf mit Gott“ im Zusammenhang mit der geistigen Entwicklung seines Lebens kundig und detailreich dar. Das Buch ist die gestraffte und um einen Großteil des wissenschaftlichen Apparats gekürzte Fassung des Werkes „Gottes grausamer Spaß. Heinrich Heines Leben mit der Katastrophe“ (2002), gewissermaßen eine „Volksausgabe“. Geblieben sind die zahlreichen biografischen und poetischen Originaltexte Heines und seiner Zeitgenossen. Sie werden vom Autor sorgfältig erschlossen und spannungsvoll gedeutet als Ausdruck eines bis heute eindrucksvollen und erhellenden Ringens mit dem Gottesglauben, als Weise der Selbstbehauptung Heines in der Form von Auflehnung und Klage. Josef Epping Karl-Josef Kuschel Der Kampf mit Gott: Heinrich Heine (Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, 192 S., 16,90 €). (ERMANN(iRINGWAGTEINEN EBENSOSCHONUNGSLOSENWIE KENNTNISREICHEN"LICKHINTERDIE +ULISSENEINES-YSTERIUMSNAMENS 6ATIKAN)HMOFFENBARTSICHEINE +IRCHENLEITUNGDIESICHVON +RISENANGSTSCH~TTELNLiSSTSTATT DARAUFZUSETZENWASIHRGRyTER 4RUMPFISTEINEVITALE+IRCHE MITEINERSTARKEN"ASIS $IESE3CHUTZENGELBIBELISTEINEPRACHT VOLLAUSGESTATTETE&AMILIENBIBEL-IT DENSCHyNSTEN%NGELBILDERNDERKLAS SISCHEN7ELTKUNSTUNDEINEM!NHANG MITDENSCHyNSTEN%NGELNAMENIST SIEEINWERTVOLLES'ESCHENKBUCH F~RJEDEN!NLASS (ERMANN(iRING )-.!-%.$%3(%22. 7OHINDER0APSTDIE+IRCHEF~HRT -ITEINEM6ORWORTVON(ANS+~NG 3EITENGEBUNDENMIT35 `$`$#(& )3". 3#(54:%.'%,")"%, (ERAUSGEGEBENVON5WE7OLFF 3EITEN&ARBBILDER GEBUNDENIN,EINEN MIT,ESEBiNDCHEN `$`$#(& )3". 6O M ' LAU B EN UND,EBENIN D E R + I RC HE WWWGTVHDE (f5&34-0)&3 7&3-"(4)"64 FNQG7FSLBVGTQSFJT Die Frage, ob unser Zeitalter eher durch Säkularisation oder Rückkehr der Religion bestimmt ist, hat in den letzten Jahren bei Philosophen und Soziologen, weniger bei Theologen, große Aufmerksamkeit gefunden. 468 Kirche Von Sabine Pemsel-Maier W ohin geht die Kirche? Wohin steuert insbesondere die katholische Glaubensgemeinschaft? Diese Fragen stellen sich vielen Christen angesichts massiv schwindender Mitgliederzahlen. Sparzwang, Priestermangel, Zusammenlegung von Pfarreien zu immer größeren organisatorischen Einheiten, rückläufige Nachfrage nach Sakramenten, sinkender Einfluss der Kirche in einer pluralistischen Gesellschaft, mangelnde Akzeptanz ihrer Wertvorstellungen, interne Konflikte und Auseinandersetzungen mit traditionalistischen Gruppierungen sind Alarmzeichen. Aber es gibt eben auch eine reiche theologische und seelsorgliche Kompetenz von Männern und Frauen, vielfältiges ehrenamtliches Engagement, religiös-geistliche Bewegung. In dieser Umbruchphase sucht eine Reihe von aktuellen Publikationen nach Antworten. Am Anfang steht eine Inventur: Reichhaltiges Datenmaterial, fundierte Recherchen und eine brillante Zustandsanalyse der Situation der katholischen Kirche in Deutschland bietet Matthias Drobinski (1) mit seinem „Versuch über das katholische Deutschland“, nunmehr in dritter Auflage aktualisiert. Der Autor macht aufmerksam auf den Zusammenhang zwischen den Eigenheiten der deutschen Kirche und ihren historischen Voraussetzungen – Reformation, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg sowie theologische Erneuerung im Zweiten Vatikanischen Konzil – bis hin zu ihrer sozialen und politischen Sonderstellung im Staat-Kirche-Verhältnis, etwa durch die Kirchensteuer. Drobinski zeigt Symptome und Ursachen der Kirchenkrise auf, benennt Defizite und fragwürdige Problemlösungen. Er charakterisiert die deutsche Kirche als „reich, etabliert, staatsverbunden, romkritisch, schwachbrüstig im Glauben“, kennt aber auch ihre Stärken. Eine Steilvorlage in Sachen Reformfreudigkeit geben die zwölf Essays des Wiener Weihbischofs Helmut Krätzl (2). Er plädiert für eine Neuerung im Geist des Zweiten Vatikanums. Eine „Kirche, die Zukunft hat“, müsse zum Beispiel die Zugangsbedingungen zum geistlichen Amt öffnen und Viri probati, bewährte – auch verheiratete – Männer zu Priestern weihen, nach Scheidung die Wiederheirat im Sinne der Praxis der Ostkirchen zulassen, die Bußpraxis seelsorglich ausgestalten, das gemeinsame Abendmahl denen gestatten, die bereits teilweise Kirchengemeinschaft leben, eine stärker pastorale und weniger juridische Gestalt des Papsttums, eine Wiederbelebung alter synodaler Strukturen und eine Stärkung der Bischofskonferenzen bedenken. Manche seiner Ideen sind originell, wie die Überlegung, im Sündenverständnis zwischen den lässlichen Sünden und den Todsünden die „schweren Sünden“ als eigene Kategorie einzuführen. Die meisten Vorschläge freilich sind nicht neu, werden aber stets differenziert vorgebracht. Auch der Schweizer Pastoraltheologe Leo Karrer (3) knüpft ans Konzil an, nennt Defizite und Unerledigtes, vor allem im Bereich der Kirchenstruktur, unzureichende Rezeption, besonders was das Kollegialitätsprinzip und das Verhältnis von Orts- und Universalkirche betrifft, aber auch die ungeheuren Chancen, die erwachsen sind und noch erwachsen können: das Engagement Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Zukunft der Kirche – Kirche der Zukunft Die Sorge über einen restaurativen Kurs der katholischen Glaubensgemeinschaft bedrängt Laien und Theologen. – Ein Literaturüberblick. der Laien, die kirchliche Frauenbewegung, spirituelle Aufbrüche, zahlreiche Berufungen, die Ausdifferenzierung kirchlicher Dienste, nicht zuletzt die Ehrenämter. Karrer gibt Anstöße zu Strukturveränderungen. Er fordert vor allem mehr synodale Gremien, die nicht nur Beratungs-, sondern echte Mitbestimmungskompetenz haben, ein Ende der Identifizierung von Kirche mit Pfarrei und der Ausgestaltung von Pfarrverbünden sowie eine andere Rollenbestimmung des geistlichen Amtes. Mindestens genauso wichtig ist ihm aber eine „Lebensbetreffnis-Pastoral“: dass Einzelne in ihrer Situation begleitet werden, auch wenn die Menschen individuell nur einen sporadischen Kontakt zur Kirche praktizieren. Nagelprobe „Volk Gottes“ Beklagt Karrer unter anderem, dass die rechtliche Organisationsform der Kirche vorkonziliar geblieben sei, ist genau diesem Thema die Untersuchung der Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel (4) gewidmet. Fachwissenschaftlich ausgerichtet, mit ausführlichen Anmerkungen, Literaturbelegen und akribischer Detailarbeit, schlägt sie dringend eine Neuordnung des Kirchenrechts im Hinblick auf die Stellung der Laien vor. Das Eingangskapitel bietet eine theologische und rechtliche Grundlegung anhand der Volk-Gottes- und Communio-Theologie, also einer Theologie der Gemeinschaft der Glaubenden. Dazu gehört die Wiederentdeckung des gemeinsamen Priestertums und des Glaubenssinns. Sabine Demel kommt zu dem Schluss, dass das kirchliche Gesetzbuch die Konzilstheologie allenfalls zum Teil aufgenommen hat und dass die Aussagen über die prinzipielle Gleichheit der Glieder des Volkes Gottes nur „in höchst unzureichender Weise in den rechtlichen Alltag der Kirche hinein konkretisiert worden“ sind. Als „Nagelproben“ für eine „laienorientierte“ Kirche sieht die Autorin die gegenwärtigen Diskussionen um das kirchliche Vereinswesen, die Stellung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die Eigenständigkeit beziehungsweise Abhängigkeit der Diözesanräte vom Bischof sowie die kirchenamtliche Nichtanerkennung der Schwangerenberatungsorganisation Donum Vitae. Dabei benennt sie klar ihre eigenen Erfahrungen wie Konflikte. Im Einzelnen weist sie teils rechtliche Diskrepanzen zum Kirchenverständnis des Konzils, teils Rechtsfehler im konkreten Vorgehen nach und zeigt zugleich Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten auf. Höchst bedenkenswert sind ihre Überlegungen zum Verhältnis von Kirchenrecht und Theologie und zum Umgang mit dem Recht in der Kirche. Die Zukunftsvision der engagierten Theologin und Kirchenrechtlerin ist eine rechtliche „kopernikanische Wende“ mit konkret formulierten Mitsprache- und Gestaltungsrechten, mit synodalen Prozessen, mit der Beauftragung von Laien zur Auslegung der Heiligen Schrift in der sonntäglichen Predigt und mit einer Öffnung der Ämter. In der gegenwärtigen Finanznot sieht der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner (5) die Chance für einen Umbau der Kirche. Nicht nur ein Mangel an Geld, sondern LITERATURANGABEN (1) Matthias Drobinski Oh Gott, die Kirche Versuch über das katholische Deutschland (Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, 180 S., 14,90 €). (2) Helmut Krätzl Eine Kirche, die Zukunft hat Zwölf Essays zu scheinbar unlösbaren Kirchenproblemen (Styria Verlag, Wien 2007, 200 S., 24,90 €). (3) Leo Karrer Weil es um den Menschen geht Die Wunden der Kirche und ihre Heilung (Paulusverlag, Fribourg 2009, 168 S., 19 €). (4) Sabine Demel Zur Verantwortung berufen Nagelproben des Laienapostolats. Reihe: Quaestiones Disputatae, Bd. 230 (Verlag Herder, Freiburg 2009, 397 S., 38 €). (5) Paul Michael Zulehner Kirche umbauen, nicht totsparen (Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer 2009, 117 S., 7,90 €). (6) Christian Hennecke (Hg.) Kleine Christliche Gemeinschaften verstehen Ein Weg, Kirche mit den Menschen zu sein (Echter, Würzburg 2009, 287 S., 19,90 €). (7) Michael N. Ebertz, Hans-Georg Hunstig (Hg.) Hinaus ins Weite Gehversuche einer milieusensiblen Kirche (Echter, Würzburg 2008, 312 S., 16,80 €). (8) Peter Hünermann (Hg.) Exkommunikation oder Kommunikation? Der Weg der Kirche nach dem II. Vatikanum. Reihe: Quaestiones disputatae, Bd. 236 (Herder, Freiburg 2009, 208 S., 24 €). auch ein Mangel an Priestern und Christen, die das Evangelium leben, wirft die Frage nach ihrer Zukunftsfähigkeit auf. In bekannter eloquenter, bisweilen scharfzüngiger Manier erteilt er den vielfach praktizierten Strategien – Kompensierung des Priestermangels durch ungeweihte Laien, Wortgottesdienste und größere Seelsorgsräume, Ökonomisierung der Kirche nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, Konzentration auf die Verkündigung des Evangeliums und die Sakramente – eine strikte Absage und bezeichnet sie als „finanzierbare Sterbehilfe einer verglühenden Kirchengestalt“. Ausgehend von der Gottesund Menschennähe als „Kerngeschäft“ plädiert er für den Rückzug der Kirche dort, wo die Gesellschaft wichtige Aufgaben übernimmt oder übernehmen könnte, umgekehrt aber für die Erschließung neuer pastoraler Räume dort, wo sie ausgleichend und ergänzend wirken muss. Zulehner fordert eine neue Sozialgestalt von Kirche, was an bekannte Vorschläge anknüpft: ehrenoder nebenamtliche Arbeiterpriester, die Unterscheidung von mobilen Bistumspriestern und gemeindegebundenen Leutepriestern, veränderte Zulassung für den Diakonat, Laien als Gemeindeleiter, Neuevangelisierung. Dabei schreckt er nicht davor zurück, die Kirche aus der „ökonomistischen Knechtschaft durch die Kirchensteuer“ befreien zu wollen. Vieles, was Zulehner fordert, zeugt von seiner visionären Kraft. Vieles bleibt aber plakativ. Nur noch konservative Milieus? Aus der Dritten Welt erwachsen – vorgestellt werden Beispiele aus Afrika, Lateinamerika, Asien und den USA – haben sich die kleinen christlichen Gemeinschaften auch bei uns beheimatet. Der vom Hildesheimer Regens Christian Hennecke (6) herausgegebene Sammelband dokumentiert ein Symposium zu ihrem Kirchenverständnis, Schriftverständnis und ihrer Pastoral. Die Gemeinschaften gründen ihr Verständnis von Kirche in ihrer konziliaren Bestimmung als Mysterium, Communio und Sakrament für das Kommen des Reiches Gottes. Als kirchlicher Mikrokosmos verwirklichen sie Kirche vor Ort. Dem drohenden Rückzug kirchlichen Lebens als Folge immer größerer Pfarrgemeinschaften setzen sie personale Beziehungen, gegenseitige Hilfeleistung, soziale Diakonie und nicht zuletzt ein reiches Angebot an Spiritualität, die sich wesentlich aus dem BibelTeilen und der geistlichen Schriftlesung nährt, entgegen. Ein solcher Ansatz fordert heraus, denn er stellt die derzeitige Tendenz zu Seelsorge-Großräumen ebenso in Frage wie gängige priesterliche Rollenbilder. Die soziologische Sinus-Studie bemängelt eine Fixierung der Kirche auf eher traditionsorientierte konservativ-bürgerliche Milieus, durch die sie den Kontakt zu moderneren Lebensstilen zu verlieren droht. Ging es der Milieu-Studie selber in erster Linie um eine Bestandserhebung, sucht die aus dem Kreis „Pastorale Grundfragen“ des Zentralkomitees der deutschen Katholiken erwachsene Sammlung „Hinaus ins Weite“ (7) nach möglichen Antworten und bietet Beispiele, wie Milieugrenzen zu überschreiten sind. Der erste Teil stellt die Ergebnisse der Studie vor, versucht eine historische Einordnung, bündelt den Stand der Diskussion und reflektiert grundsätzliche CIG BÜCHER Nr. 42 / 2009 Wer sind die Pius-Brüder? D er Pastoraltheologe Alois Schifferle, ein Kenner des Konflikts um die traditionalistischen Lefebvre-Leute und die Pius-Bruderschaft, hatte bereits 1983 dazu Untersuchungen veröffentlicht. Mit dem vorliegenden aufklärend-kritischen Band schließt er daran an. Das Kompendium nimmt die Person von Marcel Lefebvre in den Blick und analysiert systematisch die Facetten des Kirchenstreits: die Geschichte der Bewegung und wie der Vatikan reagierte, Entstehung des Traditionalismus insbesondere in Frankreich, die Dialogversuche des Vatikans, die jüngere Debatte über Tradition und Glaube. Auf mehr als hundert Seiten, ein Viertel des Gesamtumfangs, hat der Autor zudem kritische Stimmen aus Zeitungen und Zeitschriften sowie weiterführende Literatur beigefügt. Schifferle versteht Tradition dynamisch. Sie schöpft aus biblischer Überlieferung, würdigt die lehramtliche Entwicklung und führt beides im Sinne des Aggiornamento, der Verheutigung, „lebendig, glaubwürdig und menschennah“ in die Zukunft, auch in der Liturgie. Schifferle erinnert an eine Bemerkung des Jesuiten und Publizisten Mario von Galli: „Tradition ist begrifflich nie ganz einzugrenzen. Es ist eine Aufgabe! Eine gefährliche Aufgabe!“ Wolfgang Beinert wiederum sieht das Zweite Vatikanische Konzil im Band „Vatikan und Pius-Brüder“ – unter Aufnahme eines Zitats von Papst Johannes XXIII. – als einen „Sprung nach vorn“. Er räumt ein, dass derzeit diese Aufgabe kirchlich wohl besser mit dem Begriff „gehemmter Sprung“ (Helmut Krätzl) wiedergegeben wird. Solchen Hemmungen begegnen die zwölf versammelten Beiträge mit Sachlichkeit, damit verlorenes Vertrauen unter den Christen zurückgewonnen wird. Texte von Theologen verschiedener Schulen – unter anderem Hermann Josef Pottmeyer, Magnus Striet, Peter Hünermann, Kurt Koch – sowie zweier Journalisten und die wichtigsten kirchlichen Dokumente zum Konflikt sind zusammengestellt, um der „Anatomie einer Krise“ geistige Gestalt zu geben. Wolfgang Beinert ist der Auffassung, dass die Konzilsgeschichte einen komplexen Prozess darstellt. Wer über die Verbindlichkeit lehramtlicher Äußerungen spricht, ist aber vom „interpretatorischen Geschäft“ nicht entbunden. Das Zweite Vatikanische Konzil war „ein Konzil wie kein Konzil“, gerade weil die Konzilsväter sich der Moderne geöffnet haben. Man komme nicht umhin zu sagen, dass diese Kirchenversammlung, „in der Kette der Ökumenischen Konzilien stehend, durchaus eine einzig- und eigenartige Stellung besetzt“. Jürgen Springer Alois Schifferle Die Pius-Bruderschaft Informationen – Positionen – Perspektiven (Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer 2009, 399 S., 29,90 €). Wolfgang Beinert (Hg.) Vatikan und Pius-Brüder Anatomie einer Krise (Verlag Herder, Freiburg 2009, 258 S. , 14,95 €). Autorität – nicht autoritär I mmer wieder sorgen einzelne kirchliche Amtsinhaber für anstoßerregende Schlagzeilen, und nicht selten erscheinen sie sogar vielen Christen mit ihren Urteilen, Weisungen und Entscheidungen eher als autoritär, als dass sie wie eine authentische Autorität wirkten. Wen wundert es, wenn dann das Vertrauen in die Kirchenführer erschüttert ist? Es besteht inzwischen die Gefahr, dass mehr und mehr Christen gerade aus der Mitte der Glaubensgemeinschaft austreten, jene, die bisher die religiös Treuesten waren. Das zeigte sich zuletzt etwa bei dem voraussetzungslosen Entgegenkommen des Papstes zugunsten der Lefebvre-Anhänger. Der Tübinger Pastoraltheologe Ottmar Fuchs hat solche wachsende Spannungen zwischen Laien und Amtsinhabern zum Thema seines Buches gemacht. Ein kirchliches Amt ist keine Ermächtigung, anderen Gläubigen die eigenen subjektiven theologischen Überzeugungen oder sonstige persönliche Ansichten aufzuzwingen, sondern es soll ein Dienst am ganzen Gottesvolk sein, zu seiner Erbauung und Heiligung. Personen im kirchlichen Amt sind selbst mitten im Volk, aber sie tragen eine besondere Verantwortung für das Volk. Fuchs weist eindrücklich auf bestehende Missstände hin, zum Beispiel auf ein hohes Maß an Realitätsverlust unter Amtsträgern, auf den gravierenden Priestermangel, das antiquierte Frauenbild, aber auch auf die Angst vor einem traditionalistischen De- nunziantentum, das Laientheologen wie Priester davon abhält, sich kirchenpolitisch wie theologisch kritisch und innovativ zu äußern. Der Autor mahnt zu einer „gesteigerten Sensibilität … für den Geist Gottes, wie er in den Gemeinden … zum Ausdruck kommt“. Auch plädiert er als notwendige Horizonterweiterung der Kirche auf der geistigen Höhe unserer Zeit dafür, verheiratete Männer zum Priesteramt und Frauen zum Diakonat zuzulassen. Fuchs geht bei seinen Überlegungen von einer gnadentheologischen Sichtweise aus. Das heißt: Er sieht die Beziehung zwischen Mensch und Gott nicht in einem leistungsorientierten Tun-Ergehen-Zusammenhang, wonach Gott mir gibt, wenn ich ihm gebe, und er mir zuteilt gemäß dem, was ich getan oder unterlassen habe. Vielmehr deutet der Autor den Dienst des Amtes und die Beziehung zwischen Klerus und Laien entschieden sakramental: dass Gott seine Liebe den Menschen bedingungslos schenkt. Auch die Gnade des Leitungsauftrags in der Kirche wird geschenkt, womit nach Fuchs ein „wirklich von Gott erlöster und darin erlösender Dienst“ gemeint ist. Dorothea Röser Ottmar Fuchs Im Innersten gefährdet Für ein neues Verhältnis von Kirchenvolk und Kirchenamt (Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2009, 176 S. , 17,95 €). www.tyrolia-verlag.at Für ein neues Verhältnis von Kirchenvolk und Kirchenamt Ottmar Fuchs Im Innersten gefährdet Das Buch durchdringt den verengten Blick auf Kirchenstrukturen und plädiert für eine Neuentdeckung des kirchlichen Amtes als wirksamen Dienst am Volk und als sakramental vermittelte Ermöglichung von tragenden Gnadenerfahrungen. Gebunden mit Schutzumschlag Editio ecclesia semper reformanda 4 Tyrolia-Verlag ISBN 978-3-7022-3030-2 176 Seiten, € 17.95 / SFr 31.50 Glaube, Macht und Mauerfälle Was ist 1989 / 90 eigentlich passiert? Welche Rolle spielte Glaube für die Zeitenwende? Zwanzig Jahre nach friedlicher Revolution und Wiedervereinigung berichten namhafte Akteure und Zeitgenossen. Thomas Brose (Hg.) Glaube, Macht und Mauerfälle Von der friedlichen Revolution ins Neuland 216 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-429-03154-1 € 10,00 (D) / CHF 18.50 / € 10,30 (A) Fragen: Ist der Aufbruch zu allen Milieus realistisch? Lohnt er sich – und ist eine solche Frage der Kirche überhaupt gestattet? Was meint milieuspezifisches Arbeiten, und wo sind seine Grenzen? Der zweite Teil präsentiert praktische „Gehversuche“ aus Gemeindearbeit und Gemeindeberatung, aus Erwachsenen- und Jugendbildung, aus der Arbeit mit Frauen und mit Gefangenen, aus Orden und Gemeinschaften, in Bezug auf Gottesdienstgestaltung und Gebäudeplanung, Bistumszeitschriften und Jugendfürsorge. Teilweise regen sie zur Übernahme und Weiterentwicklung an, teilweise sind sie zu speziell. Immer aber wird deutlich, dass milieuspezifisches Arbeiten wesentlich mit dem Inkulturationsauftrag der Kirche zu tun hat. In die Auseinandersetzung mit der traditionalistischen Pius-Bruderschaft ist eine Reihe namhafter Theologen eingetreten. Das Ergebnis ist ein von Peter Hünermann (8) herausgegebenes theologisch brisantes, höchst detailreiches und anspruchsvolles Buch, dem man eine Leserschaft über den engeren Kreis der Fachleute hinaus wünschen kann. Wilhelm Damberg stellt den politischen und geistesgeschichtlichen Hintergrund der Pius-Brüder dar. Massimo Faggioli zeigt auf, inwieweit ihr Denken nicht nur gegen das Konzil, sondern auch gegen den kulturellen und politischen Konsens in der Gesellschaft verstößt. Hünermann gelangt aufgrund kirchenrechtlicher Klärungen, akribischer Auswertung der vorliegenden Schriftstücke und scharfsinniger dogmatischer Argumentation zu der Erkenntnis, dass weder vonseiten der exkommunizierten Bischöfe die Voraussetzungen für eine Aufhebung der kirchlichen Beugestrafe gegeben seien, da keinerlei Abkehr von ihren Überzeugungen nachweisbar ist, noch vonseiten des Papstes, da er den Status der Bischöfe nach der Exkommunikation nicht näher bestimmt habe. Von daher stelle deren Aufhebung einen Amtsfehler dar. Benedikt Kranemann unterzieht die liturgischen Programmschriften der Pius-Bruderschaft einer eingehenden Analyse und arbeitet ihren Widerspruch zur konziliaren Theologie des Pascha-Mysteriums heraus, die über die Liturgie hinaus das Sakramentenverständnis, das Gottes- und Menschenbild und das Kirchenverständnis betrifft. Auf diese Weise wird deutlich, dass der Streit um die Liturgie nicht vorrangig um ästhetische Fragen, sondern um die „wahre“ Theologie kreist. Magnus Striet untersucht schließlich den Begriff und das Verhältnis des Papstes zur Moderne, die dieser als eine historische Epoche des Verfalls interpretiert, wurzelnd im Verlust des Gottesglaubens. Die einzelnen Beiträge geben zu erkennen, dass die Kirche am Scheideweg steht. Ausgangspunkt für das Nachdenken über den Weg der Kirche in die Zukunft ist in all den genannten Publikationen das Zweite Vatikanische Konzil mit seinen Errungenschaften. Unumstritten sind unter ihnen der vielbeschworene Geist des Konzils und die Richtung, die die Auslegung der Konzilsaussagen einzuschlagen hat. Zur Diskussion gestellt sind die anstehenden Strukturreformen, ihre konkrete Umsetzung und das Ausmaß an notwendigen Veränderungen. Dass in jeder Krise auch eine Chance steckt, ist eine Binsenweisheit. Die Frage ist, ob und in welcher Weise die Kirche sie ergreift. Kirche 469 www.echter-verlag.de 470 Religion / Europa Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Wie hast du’s mit der Religion? Das Reden über Religion ist noch nicht Glaube. Es gibt einen Mehrwert des Christseins. F ür Thomas Meurer ist das Konzept der „Religion“ oft wenig konkret, ein neblig-wohliges Gebilde aus der Waschküche der Begriffe. Der Autor erörtert seine These, dass der (westliche) Bewohner der globalisierten Welt gern eine „Religion an sich“ pflegt, die konkrete, historisch geprägte Gemeinschaft jedoch scheut. „Ich bin sehr religiös, aber ohne jeden Glauben.“ Dieser Satz des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard pointiert diese Haltung. Meurer wendet sich eindrücklich gegen eine solche „freundliche Übernahme“ des Religionsbegriffs, die in der Folge „Religion“ zu einem der unzähligen „Übungssysteme“ (Sloterdijk) der Menschheit verunstaltet. Er verweist auf das subversive Element der Religion, auf den Anspruch Gottes, der nicht selten allen vordergründigen Sehnsüchten entgegentritt. Er verweist auf das Kernstück jeder Theologie, auf den schweren Gang der Gottesfrage. Das, was Meurer letztlich vorschlägt, ist „konservativ“, baut auf Goethes Wort: „Was du ererbt von deinen Vätern (und Müttern!), erwirb es, um es zu besitzen!“ Ja, es ist auch die stete Übung, die uns zu religiösen Menschen macht. Doch heißt Religion auch Unterbrechung, Gnade, Offenbarung. Es lohnt sich, mit Meurer darüber nachzudenken. Wenn Ulrich Lüke von Religion spricht, meint er das konkrete Christentum, das seine Botschaft und sein Geheimnis im Lauf des Kirchenjahres entfaltet. Der Verfasser, ein wichtiger Teilnehmer am Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft, betont das Einladende am christlichen Glauben. Ist aber das Christentum wirklich einladend, sind es die Christen? Den Priester und Professor beschleichen manche Zweifel. Gleichwohl ist er sicher: „Christus ist einladend.“ Diese Einladung, „das Lebenskonzept Jesu Christi“, veranschaulicht Lüke, wenn er die christlichen Feste und geprägten Zeiten in seinem höchst originellen, pointierten „LükeSound“ buchstabiert. „Die Fastenzeit ist eine Art Trainingslager der Menschlichkeit“, kann es dann heißen, und mit den nur scheinbar abstrakten Begriffen „Authentizität – Solidarität – Spiritualität“ empfiehlt uns der Autor diese Zeit, „um uns selbst, den anderen und Gott in den Blick zu bekommen“. In seiner Betrachtung des „demonstrativen“ Festes Fronleichnam verweist der Autor auf den „Brotgenossen“ Christus und bemerkt: „Christen machen Christus nur durch das Brotteilen, nicht durch das Brothorten erkennbar und werden selbst nur am Brotteilen, nicht am Brothorten erkannt.“ Wer das Kirchenjahr als Prediger oder Lebenskünstler neu erfahren möchte, dem seien Lükes Betrachtungen besonders ans Herz gelegt. Zwei evangelische Autoren führen den Suchenden und Fragenden auf je eigene Weise an die Kunst des Glaubens heran. Dabei geht Hans-Martin Lübking, Direktor des Pädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen, einen im guten Sinne des Wortes klassischen, apologetischen Weg. In acht Kapiteln entfaltet er zentrale Motive des christlichen Glaubens. „Was soll das alles? Auf der Suche nach dem Sinn“ ist das erste Kapitel überschrieben, „,Was kommt nach dem Tod?‘ Von der christlichen Hoffnung“ das letzte. Dazwischen finden sich konzentrierte Stichworte („Religionskritik“, „Trinität“, „Kirche und Staat“), die seriös und anregend informieren. Lübking bietet eine Hoffnungsperspektive: „Nach christlichem Verständnis sind wir Empfänger, nicht Täter von Sinn.“ Nicht zuletzt für Religionslehrer ist dieses „Kursbuch“ empfehlenswert. Wesentlich von den Einsichten der Psychologie sind die Überlegungen von Dietrich Stollberg gefärbt, der zu den Pionieren der Pastoralpsychologie in Deutschland gehört. Das hat große Vor- und große Nachteile. Seine Gedanken über die Hauptworte des christlichen Glaubens (unter anderem „Der Glaube – Der Zweifel oder ,Glauben Sie das wirklich?‘ “ – „Die Auferstehung der Toten“ – „Die Liebe“) sind redlich und erfahrungsgesättigt. Das Kapitel „Mein Freund – der Teufel“ ist eine höchst originelle Komposition, die auf Zwischentöne und Vorzeichenwechsel mindestens genauso viel Wert legt wie auf das Zentralmotiv, die bewusste Begegnung mit der eigenen „dunklen“ Seite. „Wer brav, das heißt angepasst sein und das Böse beziehungsweise den Bösen meiden will, wird hinterrücks von ihm überfallen, ohne es rechtzeitig zu merken.“ Schwierig wird es freilich, wenn Stollberg das geschichtliche Fundament und die handfesten Inhalte des christlichen Glaubens in den Hintergrund rückt, wenn er sie im „Zweifelsfall“ gern und häufig in den Bereich der Psyche verschiebt. Dann lebt Jesus – nur? – „in der Erinnerung der Christenheit weiter“, dann wird die katholische Kirche mit ihren dogmatischen und liturgischen Traditionen schon mal gern als „abergläubisch“ bezeichnet. Ein gedankenreiches Buch, das mit viel Diskretion, mit Unterscheidungsvermögen also, zu lesen ist. Christian Heidrich Thomas Meurer Freundliche Übernahme? Zum Verschwinden des Religionsbegriffs (Matthias-Grünewald-Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern 2009, 120 S., 14,90 €). Ulrich Lüke Einladung ins Christentum Was das Kirchenjahr über den Glauben verrät (Kösel-Verlag, München 2009, 219 S., 16,95 €). Hans-Martin Lübking Kursbuch christlicher Glaube Evangelische Perspektiven (Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009, 256 S., 19,95 €). Dietrich Stollberg Soll man das glauben? Vom Sinn der christlichen Religion (Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2009, 424 S., 19,80 €). Europa und der Glaube A us der amerikanischen Außenperspektive stellt der Soziologe José Casanova eine „Angst Europas vor der Religion“ fest. Er sieht sie in der gängigen europäischen Geschichtsschreibung begründet, nach der allein der säkulare Staat die Demokratie sichern kann. Die „empfundene Bedrohung säkularer Identitäten“ müsse überwunden werden durch einen pragmatischen und sensiblen Umgang mit Religion, wie er außerhalb Europas anzutreffen sei, ohne dass dadurch die Demokratie Schaden leidet. Die umfangreiche Studie des Berliner Politikwissenschaftlers Karsten Fischer konzentriert sich auf die Ausgestaltung des Verhältnisses von Staat und Religion. Als Bedingung eines gedeihlichen Miteinanders sieht er „eine beidseitige Selbstbegrenzung“. Beide sind gefordert, „freiheitliche, beiderseitige Autonomie garantierende Bedingungen“ zu schaffen. Dabei sollten sie einander dennoch fremd bleiben. Unter den Stichworten „Religionsfreiheit – Gastfreundschaft – Toleranz“ versammelt ein von Christoph Böttigheimer und Florian Bruckmann herausgegebener Band Perspektiven auf einen Beitrag der Religionen zum europäischen Einigungsprozess. Dicht am Thema sind vor allem Anja Middelbeck-Varwick, die die Bedeu- tung des christlich-muslimischen Dialogs für den Wertediskurs beschreibt, und Böttigheimer mit Blick auf die christlichen Kirchen: „Es macht die Verantwortung der christlichen Kirchen für Europa aus, an den offenen ökumenischen Fragen weiterzuarbeiten, da nur eine wiedergewonnene christliche Einheit die religiösen Ursprünge Europas auf Zukunft hin bewahren, die Bedeutung des christlichen Glaubens für die europäische Geschichte und Identität herausstreichen und glaubwürdig für das Kulturgut der Gastfreundschaft eintreten kann.“ Norbert Schwab José Casanova Europas Angst vor der Religion (Berlin University Press, Berlin 2009, 134 S., 19,90 €). Karsten Fischer Die Zukunft einer Provokation Religion im liberalen Staat (Berlin University Press, Berlin 2009, 272 S., 39,90 €). Christoph Böttigheimer, Florian Bruckmann (Hg.) Religionsfreiheit – Gastfreundschaft – Toleranz Der Beitrag der Religionen zum europäischen Einigungsprozess (Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, 268 S., 34,90 €). Bassam Tibis Euro-Islam S teht der Islam in einem prinzipiellen Widerspruch zu den Werten der europäischen Aufklärung, oder ist eine Synthese im Sinne eines europäischen Islam möglich? Der Politikwissenschaftler syrischer Herkunft Bassam Tibi vertritt eine streitbare Position, die er hier nochmals entfaltet. Ausgangspunkt ist die dauerhafte Präsenz nach Europa eingewanderter Muslime, wobei er auch die Versäumnisse aufseiten der Aufnahme-Gesellschaften hervorhebt. Tibi sieht einen offenen, europäisierten Islam – Euro-Islam –, der Säkularität, Toleranz, Pluralismus und Zivilgesellschaft vorbehaltlos anerkennt, als Lösung des Wertekonflikts. Pate stehen Anpassungsleistungen des Islam in Indonesien und Afrika. Den Islam fasst der Autor als Ethik auf, nicht wie Islamisten als politische Ordnung. Er setzt sich damit kritisch von Denkern wie Tariq Ramadan ab, bei dem er eine verdeckte Islamisierungsabsicht herausstellt. Immer wieder stellt er Frankreich als Vorbild dar, wo ein auf das Individuum bezogenes Integrationsverständnis vorherrscht und gegen integrationsfeindliche Strömungen vorgegangen wird. An vielen Stellen argumentiert Tibi plakativ. Das teilweise sich wiederholende Buch enthält biografische Bezüge, die auch mit persönlichen Kränkungen des Autors verbunden sind. Hansjörg Schmid Bassam Tibi Euro-Islam Die Lösung eines Zivilisationskonfliktes (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, 208 S. , 24,90 €). Europas „Geburt“ um 1000 Ü ber die Entstehungsgeschichte Europas nachzudenken lohnt sich. Für Tom Holland ist die Phase um 1000 eine Schlüsselzeit, da von da an die Päpste in Rom eigene Ansprüche auf die Weltherrschaft artikulierten und den politischen Herrschern Kompetenzen für den Raum der Religion bestritten. Der Autor meint, Gedanken vom Ende der Welt hätten nicht unwesentlich dazu beigetragen. Dieser Grundthese muss man nicht folgen und kann dennoch das Buch mit Gewinn lesen. Es ist angenehm geschrieben und bietet, gewürzt mit Zitaten aus zeitgenössischen Quellen, eine Momentaufnahme Europas zur Zeit der ersten Jahrtausendwende von Gibraltar bis Thingvellir und Kiew. Die beiden „Zwillingsfackeln am himmlischen Firmament, das Reich der Sarazenen und das Reich der Römer in Byzanz“, wie es damals ein Patriarch von Konstantinopel schrieb, werden dabei nicht aus den Augen gelassen. „Millenium“ ist in seinen Rückblenden zugleich eine Geschichte des Zusammenhangs von Politik und Christentum, weswegen der sachgemäßere Untertitel des Originals „The forging of Christendom“ (wörtlich: „das Schmieden der Christenheit“) lautet. Barbara Henze Tom Holland Millennium Die Geburt Europas aus dem Mittelalter (Klett-Cotta, Stuttgart 2009, 502 S., 29,90 €). CIG BÜCHER Nr. 42 / 2009 Ethik / Wissenschaft 471 Stammzellen D ie Würde des Menschen ist in allen Phasen seiner Existenz zu schützen. Was aber bedeutet dies für das Embryonalstadium? Zwar ist es hierzulande verboten, Embryonen ausschließlich für die Medizin zu erzeugen, doch dürfen ausländische Stammzellen für hochrangige Forschungszwecke importiert werden. Ein sinnvoller Kompromiss oder ein Dammbruch? Konrad Hilpert versucht, die verhärteten Fronten aufzubrechen. Dabei geht es dem Münchner Moraltheologen weniger um abschließende Antworten als um eine Sichtung ungeklärter Fragen. Vor allem ist offen, welchen Stellenwert naturwissenschaftliche Erkenntnisse oder anthropologische Deutungen in der ethischen Argumentation jeweils beanspruchen können. Der Band liefert über die zur Verhandlung stehende Stammzellforschung hinaus wichtige Denkanstöße für das Selbstverständnis theologischer Ethik. Die moralischen Konflikte werden auch für Außenstehende verständlich gemacht. Die durchweg konzentriert-dichten Beiträge vermeiden ethischen Rigorismus und zeigen auf, wo rechtliche Spielräume möglich sind. Zu Recht weist Hilpert aber auf die Notwendigkeit von Gewissensschutzklauseln hin. Axel Bernd Kunze Konrad Hilpert (Hg.) Forschung contra Lebensschutz? Der Streit um die Stammzellforschung. Reihe: Quaestiones Disputatae, Bd. 233 (Verlag Herder, Freiburg 2009, 408 S., 38 €). Leben D er Erfurter Moraltheologe Josef Römelt skizziert zunächst die Grundsituation des Handelnden in der heutigen Gesellschaft: Der Zwang zur flexiblen Lebensgestaltung macht eine Bindung an moralische Werte kaum möglich. Dadurch jedoch werden die damit verbundenen Sinngehalte verkannt, was zur Vereinsamung beiträgt. Verantwortliches Handeln ist gefordert, das die handelnden Personen nicht zu schnell mit ihrer Entscheidung alleine lässt, sondern auf die Bedeutung der Gemeinschaft aufmerksam macht. Das Anliegen der Solidarität ist in der einfühlsamen und ausgewogenen Darstellung der Sachbereiche zu spüren: Liebe und Familie, Gesundheit und Krankheit – darunter die Frage des Embryonenschutzes –, Umweltethik und Friedensethik. Ethische Konflikte und Sinnperspektiven werden herausgeschält. In einem zusammenfassenden Kapitel macht der Autor Mut zu einer realistischen Einschätzung von Chancen und Grenzen menschlicher Freiheit sowie zur Achtung der Würde der Person. Ein letztes Kapitel ist der Bedeutung des Gebets im Umgang mit den Herausforderungen gewidmet. Literaturhinweise laden zur Vertiefung ein. Sigrid Müller Josef Römelt Christliche Ethik in moderner Gesellschaft Lebensbereiche. Reihe: Grundlagen Theologie, Bd. 2 (Verlag Herder, Freiburg 2009, 445 S., 22 €). Natur Evolution D ie Theologie ist angesichts des immer mehr um sich greifenden ontologischen Naturalismus – „Es gibt nur das, was empirisch zugänglich ist“ – ernsthaft herausgefordert. Folglich begibt sich der Autor auf die Suche nach der Schnittstelle zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Das heißt, dass Gott oder mein Bewusstsein Spuren in der empirisch erfassbaren Welt hinterlassen müssten. Ansonsten würde es sich in der Religion um ein Luftschloss handeln. Patrick Becker entwirft für den Dialog von Theologie und Naturwissenschaften Strategien. Er behandelt das Thema „Schöpfung und Evolution“, geht auf das Problem des Wirkens Gottes in der Welt ein und stellt dazu Positionen von Fachwissenschaftlern vor. Nicht ausgespart sind die Diskussionen um die Willensfreiheit – bis hin zur skurrilen „Neurotheologie“, also zur Frage, ob und wie sich religiöse Erregung in biochemischen Erregungszuständen des Gehirns messen lässt. Das Werk stellt einen wichtigen sachlichen Beitrag zur längst nicht abgeschlossenen Debatte über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie dar, trotz zahlreicher thematisch ähnlicher Beiträge auf dem Buchmarkt. Hans-Joachim Rennkamp K lar und einfühlsam stellt Hans Kessler Missdeutungen des biblischen Schöpfungsgedankens dar und erläutert das christliche Verständnis von Schöpfung und Evolution – mit seiner durchaus begründbaren Vision einer endgültigen NeuSchöpfung als Überschuss über alle Evolution. Im Mittelpunkt steht die meisterliche Erschließung der biblischen Schöpfungstexte und ihrer Wirkung im bisherigen Christentum. Jahrzehntelange eigene Forschungen im Hintergrund, ist dieses Buch für diese Thematik das bei weitem beste, was derzeit auf dem Markt ist. Ein glänzender Beleg dafür, wie Glaube und Vernunft sich wechselseitig bereichern und erschließen, um jeder Art von Aberglauben, auch wenn er „wissenschaftlich“ daherkommt, zu wehren. Besonders hervorzuheben sind das sensible Gespür des Verfassers für die Fragen der Zeit und die gleichermaßen unaufgeregte und entschiedene Art der Argumentationen. Die differenzierte, dichte und zugleich gut lesbare Darstellung macht dieses Buch zur unentbehrlichen Pflichtlektüre für alle, die sich mit Klischees nicht abspeisen lassen oder unter voraufgeklärter kirchlicher Verkündigung leiden. Gotthard Fuchs Patrick Becker Kein Platz für Gott? Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften (Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, 160 S., 14,90 €). Hans Kessler Evolution und Schöpfung in neuer Sicht (Butzon & Bercker, Kevelaer 2009, 221 S., 17,90 €). Spiritualität & Religion „Woran glaubt die Welt?“ Was Mönche wissen ... Die Fachpublikation zum Religionsmonitor In der vorliegenden Publikation liefern renommierte Experten – darunter José Casanova, Hans Joas, Volkhard Krech, Armin Nassehi, Paul M. Zulehner u.v.a. – ausführliche Analysen der Befunde des Religionsmonitors. Eine beiliegende CD-ROM enthält die vollständigen Ergebnisse der 21 erhobenen Länder. Abt Johannes Eckert WOHNE BEI DIR SELBST Der Klosterplan als Lebensmodell 208 Seiten. Zahlr. Farbfotos. Gebunden € 17,95 [D]/€ 18,50 [A]/*CHF 31,90 ISBN 978-3-466-36840-2 Woran glaubt die Welt? Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Woran glaubt die Welt? Analysen und Kommentare zum Religionsmonitor 2008 2009, 790 Seiten mit CD-ROM gebunden mit Schutzumschlag € 49,– [D] / sFr. 81,– ISBN 978-3-89204-949-4 www.bertelsmann-stiftung.de/verlag [email protected] * Empf. Verkaufspreis Das Thema Religion hat in den letzten Jahren eine ungeahnte Renaissance und mediale Aufmerksamkeit erlebt. Dahinter bleibt jedoch das tatsächliche Wissen über die persönliche Religiosität der Menschen weit zurück. Die Bertelsmann Stiftung hat deshalb ein interdisziplinär ausgerichtetes und interreligiös einsetzbares Instrument entwickelt, das die verschiedenen Dimensionen von Religiosität in der modernen Gesellschaft tiefergehend als bisher untersucht: den Religionsmonitor. Von der Pforte über die Kirche, die Zelle, die Krankenabteilung bis hin zum Friedhof erinnern die konkreten Plätze eines Klosters an Lebensaufgaben und Lebensräume, die wir alle zu verschiedenen Zeiten in unserer Biografie zu gestalten oder zu betreten haben. Kloster-Erkundungen werden so zur spirituellen Lebenshilfe für alle, die für sich neue Klarheit suchen. Gregor Baumhof GESÄNGE DER STILLE Mit dem Gregorianischen Choral meditieren Ein Übungsbuch mit CD, Laufzeit 65 Min. 176 Seiten. Zahlr. farb. Abb. Gebunden. € 19,95 [D]/€ 20,60 [A]/*CHF 34,90 ISBN 978-3-466-36721-4 Dieses Buch mit beigelegter ChoralCD führt in die tiefe Schönheit der Gregorianik ein. Es liefert nötige Informationen, um die uralten Gesänge für unser heutiges Leben zu entdecken; vor allem aber ist es ein meditatives Einübungsbuch. Es lädt ein, dem inneren Geheimnis des Chorals näherzukommen. SACHBÜCHER UND RATGEBER kompetent & lebendig. www.koesel.de Kösel-Verlag München, [email protected] 472 Bibel / Theologie Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Archäologie und Bibel I n seiner kleinen Schrift erläutert Wolfgang Zwickel zunächst das Selbstverständnis der biblischen Archäologie in ihrem Verhältnis zur Bibelwissenschaft und gibt einen Überblick über die Entwicklung des Fachs sowie Einblick in die Interessenskonflikte einiger seiner prominentesten Vertreter. Methodische Fragen sind weitgehend ausgeklammert – vermutlich ein Grund dafür, dass die britische „Grand Dame“ der Archäologie, Kathleen Kenyon, und ihre eindrucksvolle Grabung am Tell es-Sultan in Jericho als bahnbrechender Beitrag zur Erforschung der Erd- und Siedlungsschichten unerwähnt bleiben. Zwickel gibt aufgrund archäologischer Befunde einen Überblick über die Geschichte des Heiligen Landes von der ersten Besiedlung vor etwa 10 000 Jahren bis hin zur neutestamentlichen und islamischen Zeit. Die aufschlussreiche Lektüre des Buches setzt gewisse Grundkenntnisse der Materie beim Leser voraus, da aufgrund der Kürze viele Namen und Begriffe nicht weiter erklärt werden. Das Buch empfiehlt sich nicht zuletzt für Theologen und Studierende der Theologie als alternativer Zugang zur Lebenswelt des biblischen Gottesvolkes, wohl wissend, dass biblische Archäologie die Bibel weder beweisen noch widerlegen will. Andrea Pichlmeier Wolfgang Zwickel Das Heilige Land Geschichte und Archäologie (Verlag C.H. Beck, München 2009, 128 S., 7,90 €). Das „Amt in der Nähe“ E ine neue „Quaestio“ will die aktuelle theologische Diskussion zum Ständigen Diakonat darstellen, fast ein halbes Jahrhundert nach der bahnbrechenden Arbeit von Karl Rahner und Herbert Vorgrimler „Diaconia in Christo“ (1962). Ralf Miggelbrink arbeitet heraus, wie auf dem Konzil das kirchliche Amt vom Begriff des Dienstes – ministerium – her durchbuchstabiert worden ist. Deshalb habe der wieder als eigenständiges Amt profilierte Diakonat – das Wort bedeutet ja „Diener“ – die prophetische Aufgabe gewonnen, in aller Ausdrücklichkeit gerade dies deutlich zu machen. Vom Diakonat falle auch Licht auf das Amtsverständnis des Priesters und Bischofs. Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Robert Zollitsch weist darauf hin, dass in der Jesus und die Kirche K ontinuität mit dem Ursprung ist für die Kirche nicht durch Bezug auf einen „Stifterwillen“ Jesu zu haben. Gefordert ist vielmehr eine historische Rekonstruktion von Botschaft und Wirken Jesu. Der Autor erschließt sie in Überblicks- und Einzelstudien und arbeitet ihre herrschaftskritische Dimension heraus. Ein zweiter Teil widmet sich dem Ursprung und inhaltlichen Profil des Christus-Bekenntnisses, im Hinblick auf die Botschaft Jesu selbst. Der dritte Teil hat die Entwicklung der vielfältigen urchristli- chen Gemeindeformen als Schwerpunkt. Bestimmte Modelle lassen sich nicht einfach auf heute übertragen. Aber Paul Hoffmann zeigt, wie aus dem Blick auf die Ursprünge kritische und orientierende Kraft für die Gegenwart erwachsen kann. Gerd Häfner Paul Hoffmann Jesus von Nazaret und die Kirche Spurensicherung im Neuen Testament (Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2009, ca. 184 S. , ca. 18,90 €). Praxis der Diakonat allerdings ein ausgesprochen „pluriformes Profil“ ausgebildet hat. Das sei besonders wertvoll, weil so der Diakonat teilhat an den neuen Suchbewegungen, die Nähe der Kirche zu den Menschen in ihrer Lebenswelt konkret werden zu lassen. Zollitsch zitiert in diesem Zusammenhang den langjährigen Beauftragten seiner Diözese für den Ständigen Diakonat, Eugen Maier, der von einem „Amt in der Nähe“ spricht. Das Buch sollte helfen, dieser Nähe zu dienen. Arno Zahlauer Klemens Armbruster, Matthias Mühl (Hg.) Bereit wozu? Geweiht für was? Zur Diskussion um den Ständigen Diakonat. Reihe: Quaestiones Disputatae, Bd. 232 (Verlag Herder, Freiburg 2009, 400 S., 35 €). Grundwissen Ökumene D er Direktor des Paderborner AdamMöhler-Instituts Johannes Oeldemann legt mit seiner umfassenden, leicht verständlichen und damit in (Hoch-)Schule und Gemeinde gut einsetzbaren Publikation einen Überblick über Geschichte, Probleme, Ergebnisse und Ziele der Ökumene vor, wobei der Autor nicht verleugnet, dass er aus dem Blickwinkel der katholischen Kirche heraus auf die Ökumene schaut. Das Buch, das aus einem Manuskript der Würzburger „Theologie im Fernkurs“ hervorge- gangen ist, bietet solide und gut recherchierte Informationen; ein Grundwissen, wobei man „neue“, kraftvoll und mutig in die Zukunft weisende Vorschläge etwas vermisst. Thomas Meurer Johannes Oeldemann Einheit der Christen – Wunsch oder Wirklichkeit? Kleine Einführung in die Ökumene (Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, 198 S., 16,90 €). Querdenker und andere Heilige Friedrich Weinreb Die sieben Prophetinnen Prophetie des Leibes Herausgegeben von Christian Schneider 272 Seiten. Halbleinen. Format 13,2 x 21,2 cm isbn 978-3-905783-60-5 32 € Das Buch von den großen unbekannten starken Frauen in der Bibel Immer ist es das Männliche, das die Vorstellung biblischer Prophetie prägt. In der jüdischen Überlieferung aber wird ausführlich von der entscheidenden Bedeutung prophetischer Frauen erzählt, die offenbaren, was Körper und Leib im Leben des Menschen bedeuten. Damit eröffnen sich überraschend neue Perspektiven biblischer Glaubenswirklichkeit. Im Buchhandel erhältlich Weitere Informationen: www.weinreb-stiftung.org Von den Tagen der Bibel bis in unsere Gegenwart gibt es Menschen, deren Leben andere inspiriert und ermutigt. In 366 Porträts erschließt Christian Feldmann die Botschaft ihres Lebens für unsere Zeit. Bilder zu großen Heiligen und Festen des Jahres durchziehen das Buch, meditativ betrachtet von Abt Odilo Lechner. 432 S. | Gebunden mit Leseband € 19,95 /SFr 34.50 /€[A] 20,60 ISBN 978-3-451-30207-7 Neu in allen Buchhandlungen oder unter www.herder.de CIG BÜCHER Nr. 42 / 2009 Weltkulturen 473 Biografien Ekstase und Erdung T rance, Ekstase, Visionen – die Religiosität des Hindu-Heiligen Rāmakrishna (1836 –1886) hatte, wenn man den Berichten trauen darf, abenteuerliche Züge. Ansonsten war seine Persönlichkeit überaus bodenständig. Die Herkunft aus bäuerlichem Milieu prägte ihn zeitlebens. Seine Sprache war schlicht, manchmal derb und auch dann handfest, wenn es um Aspekte des inneren Wegs und der religiösen Erfahrung ging, die viel Feingefühl beanspruchen. In zahlreichen Gleichnissen zog er Vorgänge aus elementaren Lebensbereichen zur Verdeutlichung heran. So vereinen die „Gespräche mit seinen Schülern“ Tiefe und Einfachheit. Rāmakrishnas Meisterschüler war dagegen der Vertreter einer Moderne, wie es sie im damaligen Indien gab. Vivekānanda (1863–1902) stammte aus der städtischen Elite, war vielseitig begabt und blickte einer Karriere als Anwalt entgegen. Durch das koloniale Bildungswesen von westlichem Denken beeinflusst, suchte er nach einer aufgeklärten Form von Religiosität. Die emotionale Spiritualität Rāmakrishnas war ihm zunächst fremd. Die Annäherung an ihn blieb nicht die letzte Lehrzeit Vivekānandas. Nachhaltige Wirkung hatten die Erfahrungen dreier Jahre, in denen er als Bettelmönch durch Indien zog. Die Be- gegnung mit Armut und Lethargie führte ihn zu dem Entschluss, sich für Verbesserungen einzusetzen. Man könne, davon war er überzeugt, „einem leeren Bauch keine Religion predigen“. Auf Reisen in die USA und nach Europa sammelte er Geld für Indien. Die Vorträge, die er dabei hielt (einige von ihnen sind neu erschienen), weisen ihn als einen eindrucksvollen Redner aus. Mit der Weitung des religiösen Horizonts zu gesellschaftlicher Verantwortung ging er nicht nur über seinen Lehrer, sondern die indische Tradition überhaupt hinaus, nach der ein Mönch sich ausschließlich um die eigene Erlösung müht – allenfalls noch um die seiner Schüler. Trotz der Bedeutung der beiden großen Gestalten des Hinduismus klaffen in der wissenschaftlichen Forschung noch große Lücken. Zu deren Füllung leisten die Ausgaben und Übersetzungen von Martin Kämpchen einen verdienstvollen Beitrag. Klaus Werger Shri Ramakrishna Gespräche mit seinen Schülern (Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2008, 413 S., 32 €). - Vivekananda Svami Wege des Yoga Reden und Schriften (Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2009, 264 S., 26 €). 184 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2205-4, € (D) 16,90 Hansjürgen Verweyen Frère Roger – Gründer von Taizé Anselm von Canterbury Eine Biografie Denker, Beter, Erzbischof Der einzigartige Werdegang Frère Rogers wird in dieser, der bislang umfangreichsten Biografie geschildert. 900 Jahre nach seinem Tod stellt der Autor das Wirken Anselms im historischen und biografischen Kontext dar. Gott finden 160 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2207-8, € (D) 14,90 Hans-Peter Hasenfratz Der Tod in der Welt der Religionen (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, 144 S., 29,90 €). Yves Chiron Herwig Büchele Patrick Becker Gott finden Kein Platz für Gott? Christliche Positionen versus atheistische Lebensentwürfe Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften Wie lebe ich richtig? Woran kann ich mich orientieren? Das Buch konfrontiert die Dramatik des Lebens Jesu mit atheistischen Lebensentwürfen. Können die Naturwissenschaften die Welt so erklären, dass für Gott kein Platz mehr bleibt? Der Autor erläutert die Brennpunkte des theologischnaturwissenschaftlichen Dialogs. Aktuelle Fragen 272 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2180-4, € (D) 22,– uch wer im Frieden mit seiner Gemeinschaft stirbt, bewirkt durch seinen Tod zunächst eine schwierige Situation: Die Balance zwischen Lebenden und Toten ist durch diesen Übergang empfindlich gestört. Erst dessen rituelle Inszenierung kann sie wiederherstellen. Hans-Peter Hasenfratz vergleicht solche Prozesse in sogenannten Elitereligionen wie in der Volksreligiosität. Im ersten Teil arbeitet er Typen eines „seligen“ wie „unseligen“ Todes heraus, um schnell neben dem biologischen Tod auch den sozialen in den Blick zu nehmen. Denn schon bevor jemand gestorben ist, kann er für andere und von anderen für – sozial – tot erklärt sein. Auch nach dem Sterben tritt noch längst nicht immer „Totenstille“ ein. Unselig gestorben, bleiben die Toten bei vielen Völkern aktiv präsent als Wiedergänger, Gespenster oder Vampire. Solche Tote können Lebensenergien binden. Der Tod erscheint nicht nur biologisch, sondern vor allem soziokulturell, religiös als vielschichtiger Prozess. Während die Elitereligionen tendenziell von nur einer Seele ausgehen, kennen Volksreligionen einen Plural von Seelen, um die verschiedenen Aspekte dieses Vorgangs erfassen und bewältigen zu können. Im zweiten Teil skizziert der Autor die Jenseits-Vorstellungen der Elitereligionen. Judentum, Christentum und Islam erschei- 128 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2203-0, € (D) 9,50 A nen dabei in großer Nähe zueinander, ist die jeweils jüngere doch bezogen auf die vorausgegangene(n). Die Quelle elementarer Vorstellungen wie die einer leiblichen Auferstehung macht Hasenfratz im Zoroastrismus aus. Etwas unproportional breit und differenzierter als die monotheistischen Religionen kommt der Hinduismus zur Sprache, was erlaubt, den Buddhismus nur in seinen spezifischen Differenzen zu diesem vorzustellen. Beide bieten ganz andere Vorstellungswelten als die monotheistischen Religionen, wenn sie etwa ein zyklisches Zeitverständnis zugrunde legen oder Erlösung als Aufhebung, nicht Wiederherstellung des Personseins ersehnen. Der schmale Band, als Überblick für eine breitere Leserschaft geschrieben, liest sich gut. In einer Kultur, die Sterben und Tod verdrängt und pragmatisch-rationalistisch „erledigt“, hilft er, die eigenen Glaubensüberzeugungen zu sondieren und zu reflektieren. Die Souveränität, mit der sich der Autor durch die Welt der Religionen bewegt, weckt den Wunsch nach einem dritten Teil: der Tod in den Welten der Moderne. Welche Vorstellungen und Praktiken der Todesbewältigung leben hier fort oder treiben ihr Wesen und Unwesen als Wiedergänger? Paul Petzel 200 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-7917-2206-1, € (D) 16,90 Der Blick auf fremde Kulturen hilft, Eigenes wiederzuentdecken. 328 Seiten, Geb. mit Schutzumschlag ISBN 978-3-7917-2200-9, € (D) 24,90 Der Tod und die Weiterlebenden Johannes Oeldemann Konrad Hilpert Einheit der Christen – Wunsch oder Wirklichkeit? Zentrale Fragen christlicher Ethik Kleine Einführung in die Ökumene Der Autor informiert über die christlichen Konfessionen sowie den aktuellen Stand der Ökumene und gibt Anregungen zur ökumenischen Zusammenarbeit vor Ort. Für Schule und Erwachsenenbildung Das Buch möchte die Kompetenz derer stärken, die mit ethischen Fragestellungen konfrontiert werden. Bioethik, Dekalog, Menschenrechte und weitere aktuelle Themen werden behandelt. Verlag Friedrich Pustet www.pustet.de 474 Philosophie / Gottesfrage Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Auch wer einen absoluten Wahrheitsanspruch des Christentums bestreitet, kann es als sinnvoll empfinden. S ollten wir wirklich nur dann an Jesus Christus glauben, so fragt der Turiner Philosoph Gianni Vattimo (geboren 1936), „wenn wir beweisen können, dass Gott die Welt in sieben Tagen schuf oder dass Jesus selbst tatsächlich am Ostersonntag auferstanden ist und dass … der Mensch von Natur aus dies oder jenes, die Familie von Natur aus monogam und heterosexuell, die Ehe von Natur aus unauflöslich, die Frau von Natur aus unfähig zum Priestertum ist und so weiter?“ Der Philosoph verneint diese Frage und richtet sich strikt gegen die nicht nur im kirchlichen Kontext oft bekannte Begründungsformel „von Natur aus“. Denn nach Vattimo befinden wir uns im „Zeitalter der Interpretation“. Nicht metaphysische Begründungen oder Tatsachen „an sich“ lassen uns etwas für wahr halten, sondern allein unsere Deutungen und die Übereinstimmung in Aussagen, der Konsens. Das Christentum spielt dabei für ihn auch ohne metaphysische Wahrheitsansprüche, ohne Rückgriff auf naturrechtliche Moralbegründungen eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Doch worin liegt sie? Darüber kommt Vattimo ins Gespräch mit dem amerikanischen Philosophen und Vertreter des Neo-Pragmatismus Richard Rorty (1931–2007). Der Band enthält außerdem jeweils einen Essay der bekannten Newmans moderne Theologie Metaphysikkritiker. Rorty, der sich als antiklerikalen Laizisten bezeichnet, plädiert nicht etwa für die Abschaffung des Glaubens, sondern allenfalls für die Abschaffung der Kirchen, sofern sie öffentlich Macht beanspruchen. Vattimo greift diesen Gedanken auf, wenn er sagt, dass das Christentum die Aufgabe habe, radikal die biblische Botschaft der Nächstenliebe zu leben, machtlos und autoritätslos. Insofern ist es für ihn ein „schwaches“ Christentum, das nach dem Ende der Metaphysik überlebt, aber zu seiner eigentlichen Aufgabe gelangt. Der Aufruf zur Nächstenliebe erinnert stark daran, dem „rechten Handeln“ (Orthopraxie) gegenüber der „rechten Lehre“ (Orthodoxie) den Vorzug zu geben. Die katholische Kirche könne auf die Unfehlbarkeit des Papstes verzichten, sie brauche ausschließlich eine spirituelle Führung. Begründet sieht der „Katholik“ Vattimo, der nach eigenem Bekunden nicht an Gott glaubt, seinen Appell gegen jegliche äußere Macht der Religion im Wesen des Christentums, in der Menschwerdung Gottes. Gott hat seine Macht preisgegeben und alles in Menschenhand gelegt. Hat diese Art einer für Mitleid und Nächstenliebe funktionalisierten Religion jedoch Zukunft? Entgegen dem Titel bleibt das Buch da eine Antwort schuldig. Ist Religion nicht mehr als das, gut zu sein für …? Andreas Bernheim Richard Rorty, Gianni Vattimo Die Zukunft der Religion (Verlag der Weltreligionen, Frankfurt 2009, 114 S., 10 €). Philosophie der Zeit W as ist die Zeit? Wenn ihn niemand danach fragt, wisse er es, so der Kirchenvater Augustinus. Wenn ihn aber jemand fragt, wisse er es nicht mehr. Das „Wesen“ der Zeit ist nicht zu bestimmen. Ist Zeit einfach etwas Objektives, das sich messen lässt? Oder finden wir sie im Subjekt oder Bewusstsein verankert? Und wie ist das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit? Von Platon und Aristoteles über Plotin und Augustinus bis hin zu Newton, Kant, Husserl und Heidegger wurde über die Zeit nachgedacht. Karen Gloy führt übersicht- lich in diese verschiedenen Theorien ein, vergleicht sie miteinander und schreibt eine interessante Geschichte der westlichen Philosophie – mit großem Sachverstand und Blick für die feinen Unterschiede. Obwohl ihr Buch höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, bleibt es doch dem Nichtfachmann verständlich. Holger Zaborowski Karen Gloy Philosophiegeschichte der Zeit (Wilhelm Fink Verlag, München 2008, 204 S., 29,90 €). Wolfgang Bader MIT EINEM MAL WAR ALLES GANZ ANDERS NEU Bekannte Menschen erzählen von ihrer Trauer Ein Buch von Trauernden. Für die Zeit der Trauer. Wolfgang Bader, Hospizhelfer und Moderator eines „Trauercafés“, lässt 50 Persönlichkeiten aus über zwei Jahrtausenden zu Wort kommen: Ergreifende, oft überraschende und auf tiefe Weise tröstliche Zeugnisse; denn es tut gut, von anderen zu hören, die Ähnliches erlebt haben. 140 Seiten, gebunden, 14 Farbbilder, ISBN 978-3-87996-764-3, EUR 14,90 VERLAG NEUE STADT Münchener Str. 2, D- 85667 Oberpframmern, Tel. 08093 2091 E-Mail: [email protected] www.neuestadt.com R eligionspädagogen, Kirchengeschichtler und Theologen stellen John Henry Newman (1801–1890) als „Kirchenlehrer der Moderne“ vor. Dessen Glaubensweg führte vom evangelikalen Milieu der anglikanischen Kirche über die „Oxford-Bewegung“, eine konservativ-katholische Strömung in der Kirche von England, bis zum Übertritt in die katholische Kirche. Diese war damals anti-modernistisch geprägt. Doch gerade seine Konversion als personale Glaubensentscheidung und seine Betonung des Subjekts machen Newman zum Autor einer „modernen Theologie“, einer „Theologie der Moderne“, wie Knut Wenzel herausarbeitet. Mit dem absoluten Vorrang des Gewissens geht Newman auf die Moderne zu, betont Magnus Striet. Newman erkennt damit auch die Würde des irrenden Gewissens an. Der Liturgiewissenschaftler Alexander Nawar zeigt, dass für Newman die Liturgie den Menschen lehren und formen will. Dieses Verständnis kann als Widerspruch zu der Tendenz gelesen werden, mit der tridentinischen Messe und deren „gemurmeltem Latein“ eine rein ästhetisierende Liturgie wieder aufleben zu lassen. Ebenso kann der Blick auf Newmans Auseinandersetzung mit dem Bildungssystem anregend sein für unsere Debatten eines konfessionell-gebundenen Religionsunterrichts oder die Frage, warum Theologie notwendig Teil einer Universität sein muss. Newman hatte den einfachen Glaubenden im Blick, wertete die Laien auf und kritisierte eine Theologie, welche „die gedachten und nicht die realen Fragen der Menschen beantwortet“. Warum wurde aber die Chance verspielt, eine auch dem Glaubenden ohne Theologiestudium verständliche Sprache zu wählen, um ihn in eine Theologie mitzunehmen, die – wie von Newman gefordert – der Lebenswelt den Vorrang einräumt? Stephan Neumann Claus Arnold, Bernd Trocholepczy, Knut Wenzel John Henry Newman Kirchenlehrer der Moderne (Verlag Herder, Freiburg 2009, 179 S. , 16,95 €). Die Gottesfrage für Zweifler D as Buch besticht durch die Kombination aus Leichtigkeit und Tiefsinn. Fast plaudernd führt es an die christlichen Glaubensgeheimnisse heran: kurze Sätze, witzige Wendungen, zahllose Vergleiche, Klarheit der Gedankengänge auch für jene, die sich bislang nicht mit religiösen Fragen auseinandergesetzt haben, Verzicht auf dogmatische Fachbegriffe. Im Unterschied zu mancher Bekenntnisliteratur, die sich am eigenen Wortwitz berauscht, sich mit dem persönlichen Zeugnis begnügt oder religiöse Problemfelder ausspart oder glättet, bleibt dieses Buch argumentativ. Es ist theologisch dicht, religionsphilosophisch gesättigt und im Hinblick auf die religiösen Fragen auf der Höhe der Zeit. Fördert der Ein-Gott-Glaube Gewalt? Lassen sich Evolution und Schöpfungsgedanke verbinden? Wer war Jesus? Keinen Geringeren als den Evolutionsbiologen Richard Dawkins und seine atheistischen Weggefährten haben sich die Autoren als Gegenspieler ausgesucht. Dabei machen sie atheistische Positionen nicht lächerlich, sondern verfahren strikt nach dem Motto: These – Gegenthese. Auch Denkmodelle anderer Religionen werden kurz vorgestellt. Das Leben Jesu wird über weite Passagen paraphrasierend nacherzählt. Durch die gegenseitigen Kurzinterviews erfährt der Leser vom Glaubensweg der Autoren. Andreas Knapp ist Priester, der sich nach Tätigkeiten als Studentenpfarrer und Direktor des Freiburger Priesterseminars den „Kleinen Brüdern vom Evangelium“ anschloss, längere Zeit in Bolivien arbeitete und heute mit zwei Mitbrüdern in einer Plattenbausiedlung in Leipzig lebt. Melanie Wolfers ist als Salvatorianerin in Wien unter anderem in der Bildungsarbeit tätig. Man merkt dem Buch an, dass es im Kontext atheistischen Denkens entstanden ist und dass es sich besonders auch an nachdenkliche Nichtglaubende richtet. Michael Schrom Andreas Knapp, Melanie Wolfers Glaube, der nach Freiheit schmeckt Eine Einladung an Zweifler und Skeptiker (Pattloch, München 2009, 336 S., 16,95 €). Ein Märchen über das Leben André Léonard WINTERREISE Christliche Hoffnung ist kein Märchen Ein außergewöhnliches Buch gegen Krisenstimmung, Depression und Hoffnungslosigkeit! Geb., 256 Seiten EUR 19,90 www.sankt-ulrich-verlag.de und überall im Buchhandel! SANKT ULRICH VERLAG Religion ist gut für … .EU¬ERSCHIENEN )NSPIRATIONå %INEå FßRåJEDENåNEUENå4AGå Ihre neuen Kalender für 2010: Caritas-Abreißkalender 2010 und Caritas-Buchkalender 2010 6OTFS UjHMJDI #SPU Caritas-Kalender 2010 6OTFS UjHMJDI #SPU 6OTFS UjHMJDI #SPU %IN¬+ALENDER¬MIT¬ZWEI¬¬ -OTIVEN¬AUF¬DER¬BEIDSEITIG VERWENDBAREN¬2àCKWAND Eine Inspiration für jeden Tag $ER¬4AGESABREIKALENDER¬ Der neue Abreißkalender führt seine 60-jährige Tradition fort: Er begleitet Sie mit ausgesuchten Bibelzitaten und anregenden Gedanken bekannter Autoren. Inspirationen an jedem Tag – 365 mal im Jahr. Die modern und übersichtlich gestalteten Kalenderblätter und die hochwertigen Motive auf der Rückwand machen ihn zu einem attraktiven Blickfang für zu Hause und bei der Arbeit. Er ist ein ideales Weihnachtsgeschenk – auch für sich selbst. "LOCKHEFTUNG )3".å Der bewährte Begleiter durch das ganze Jahr $ER¬#ARITAS"UCHKALENDER¬ „Eine buchstäblich bunte Mischung bietet der Caritas-Buchkalender: Geschichten, Lyrik, Koch-, Garten-, Haushalts- und Gesundheitstipps sowie jede Menge ansprechende Fotos und Zeichnungen“ Paulinus, Trier å3EITENåBROSCHIERT 6IERFARBIGåILLUSTRIERT )3".å ,AMBERTUS6ERLAG¬'MB(¬\¬0OSTFACH¬¬\¬$¬&REIBURG¬¬ 4ELEFON¬¬¬¬\¬4ELEFAX¬¬¬¬\¬INFO LAMBERTUSDE¬\¬WWWLAMBERTUSDE¬ %INZELPREIS¬å¬ 3TAFFELPREISE ZUZàGLICH¬6ERSANDKOSTEN %INZELPREIS¬å¬ 3TAFFELPREISE ZUZàGLICH¬6ERSANDKOSTEN 476 Geschichte Nr. 42 / 2009 BÜCHER CIG Katholisch im Dritten Reich D er zweite Resümee-Band der Kommission für Zeitgeschichte beschäftigt sich ausschließlich mit der Forschung zur NS-Zeit. Dargestellt werden teils schon Jahrzehnte zurückliegende, teils nach wie vor aktuelle Kontroversen und Debatten über rassistische Ideologie und völkische Religiosität, über die Frage, ob die Kirche mit dem NS-Staat kollaboriert habe, über die von den deutschen Bischöfen auszuhaltende Spannung zwischen Seelsorge und Politik, die kirchliche Haltung zur Judenvernichtung, die Resistenzfähigkeit des katholischen Milieus, den Widerstandsbegriff, die Haltung Pius’ XII. und der deutschen Katholiken im Zweiten Weltkrieg sowie das Problem der Vergangenheitsbewältigung. Eingeleitet wird der Band durch eine historische sowie eine forschungsgeschichtliche Einführung, abgerundet durch einen Beitrag über den Missbrauch historischer Fotos. Besonders dankbar ist man für das ausführliche Literaturverzeichnis. Befremdend, dass wichtige neuere Forschungsarbeiten nicht aufgenommen wurden. Auch hätte es nicht geschadet, den engen Autorenkreis weiter zu ziehen. Dominik Burkard Karl-Joseph Hummel, Michael Kißener Die Katholiken und das Dritte Reich Kontroversen und Debatten (Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, 317 S., 32,90 €). Lateinamerikanisch katholisch F ast die Hälfte der 1,2 Milliarden Katholiken lebt in Lateinamerika. Nicht zuletzt diese Zahl erklärt die besondere Bedeutung dieser Region für den Weltkatholizismus. Jene Gegend verbinden wir mit einem Wechselbad von Diktaturen und Demokratisierungsversuchen, mit einer Riesenkluft zwischen Reichen und Armen, mit der Theologie der Befreiung … Schließlich gibt es in der südlichen „Neuen Welt“ auch eine ambivalente Volksreligiosität und ein sprunghaftes Wachstum freikirchlicher und charismatischer Gruppen. Nach zwei einführenden Beiträgen über Entwicklungslinien im 20. Jahrhundert und zur Theologiegeschichte Lateinamerikas Gott im Krieg W ie verhalten sich Krieg und Christentum zueinander? Diesem Themenfeld geht der Sammelband nach, dessen Aufsätze bei den biblischen Grundlagen beginnen und mit dem amerikanischen Anti-Terror-Krieg enden. Nicht die Vorstellung vom Heiligen Krieg, sondern die vom „gerechten“ bestimmte weitgehend das christliche Denken. Krieg wurde vor allem als Strafe Gottes verstanden. Diese Deutung konnte Krieg rechtfertigen, zugleich aber auch auf seine Einhegung zielen. Die Idee eines apokalyptischen Endkampfes, in dem sich das Gute gegen das Böse durchsetzt, führte zur Eskalation von Gewalt, wo sie ins Säkulare, auf Rasse, Nation oder Kultur, übertragen wurde. Der gründliche Blick in die westliche Kriegsgeschichte belegt, dass die Behauptung, dem Ein-Gott-Glauben wohne Gewalt inne, nicht stichhaltig ist. Gleichwohl gibt zu denken, wie ambivalent Theologie, Verkündigung und Frömmigkeit sich zu Gewalt und Krieg verhalten haben. Irene Leicht Andreas Holzem (Hg.) Krieg und Christentum Religiöse Gewalttheorien in der Kriegserfahrung des Westens (Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, 844 S., 88 €). seit 1945 folgen 21 Länderbeiträge. Der rote Faden ist die kirchliche Zeitgeschichte Lateinamerikas und der Karibik aus befreiungstheologischer Sicht vor dem Hintergrund der sich wandelnden kirchlichen, theologischen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen. Darin liegen die Stärken und zugleich die Grenzen dieses Bandes. Die Berücksichtigung anderer geschichtswissenschaftlicher Ansätze hätte ihm gutgetan. Mariano Delgado Johannes Meier, Veit Straßner (Hg.) Kirche und Katholizismus seit 1945 Lateinamerika und Karibik, Bd. 6 (Ferdinand Schöningh, Paderborn 2009, 559 S., 78 €). Herzensbildung H erzens-Bildung versteht der frühere Benediktiner Anselm Bilgri, der eine Unternehmensberatung gegründet hat, als ein Ideal, bei dem neben Fachkompetenz soziale, emotionale, kommunikative, religiöse und künstlerische Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Das Buch beginnt mit dem Hinweis auf den Denkfehler unserer Gesellschaft, die eine „überbordende Fülle an Information mit der Zunahme von Wissen gleichsetzt“. Wichtige Kapitel befassen sich mit: „Liebe für die Ego-Gesellschaft“, „Lebensfreude für die Angstgesellschaft“, „Vertrauen für die kontrollierte Gesellschaft“. Zum Thema Werte bekommt der Leser nicht das oft bemühte Moralisieren vorgesetzt. Der Autor wendet sich auch an Führungskräfte der Wirtschaft. „Es bleibt eine beständige Aufgabe, zu lernen, dass Führen, Leiten vor allem Dienen heißt.“ Ein paar maßvolle Spitzen gegen die Amtskirche sind nicht zu überlesen. Aber: „Herzens-Bildung“ ist auch ganz deutlich das Buch eines gläubigen Christen. Volker Wörl Anselm Bilgri Herzens-Bildung Ein Plädoyer für das Kapital in uns (Piper Verlag, München 2009, 270 S., 16,95 €). Die Würde des Menschen Es kann nicht sein, dass als vorbildhaft gilt, wer selbstgewiss andere schädigt: Konsum, Arbeitswelt, Erziehung, Beziehung, Politik, Medien, Wissenschaft – die Versuchungen sind groß, für jeden. Das eigene Gewissen ist der beste Ratgeber und der sicherste Katastrophenschutz: Lebensnah und mit vielen konkreten Beispielen aus dem Alltag. Das Buch erörtert Grundfragen der Lebensethik. In einem praxisbezogenen Anwendungsteil werden aktuelle Einzelfragen erörtert. Das Schlusskapitel legt christliche Grundhaltungen dar, die der Lebensethik einen durch das biblische Menschenbild geprägten besonderen Charakter verleihen: Ehrfurcht vor dem Leben, Mitleid, Maß, Verzicht, Dankbarkeit. 192 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag € 16,95 /SFr 29.50 /€[A] 17,50 ISBN 978-3-451-30118-6 640 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag € 39,90 /SFr 64.90 /€[A] 41,10 ISBN 978-3-451-30217-6 Neu in allen Buchhandlungen oder unter www.herder.de