Pfr. Theo Breisacher, Pfinztal-Söllingen Predigt am Ersten Advent 02. Dezember 2007 Thema: „Advent: Zeit des Wartens und der Erwartung Text (in der Predigt) Markus 31, 31 – 37 Begrüßung / Ankündigung: Wir feiern heute den 1. Advent, den Beginn des neuen Kirchenjahres. Adventszeit ist ja eine Zeit des Wartens: Die Geschenke gibt es erst an Weihnachten. Bis dann müssen sich die Kinder in Geduld üben – und das ist bekanntlich oft schwer genug. Adventszeit ist zugleich Vorbereitungszeit. Es ist noch nicht der Höhepunkt: Weihnachten, das große Fest, steht noch aus. Aber man bereitet sich darauf vor: äußerlich die Wohnungen und Häuser – innerlich das eigene Herz auf die Begegnung mit Gott. Advent – eine Zeit des Wartens und der Erwartung. Dazu eine kleine Geschichte zum Schmunzeln: Es war vor über zwanzig Jahren, als es noch die DDR gab – und die endlosen Wartezeiten auf ein neues Auto – einen Trabi oder einen Wartburg. Ein steinreicher Scheich aus Saudi Arabien hatte gehört, dass es in der DDR ein wunderbares Auto geben soll. Dieses Auto sei so begehrt, dass man mehr als zehn Jahre darauf warten müsse. Da der Scheich begeisterter Autosammler ist, gibt er seinem Chefsekretär Abdul den Auftrag, ein solches Auto zu bestellen. Als die Bestellung im Trabi-Werk in Zwickau eingeht, ist man natürlich von den Socken. Ein Scheich will einen Trabi, und dazu zahlt er auch noch in Dollar! Wahnsinn! Man beschließt deshalb sofort, einen solchen Kunden nicht warten zu lassen und liefert sofort einen Trabi aus der laufenden Produktion. Als das Fahrzeug einige Wochen später in Saudi Arabien ankommt, läuft Abdul ganz aufgeregt zu seinem Chef: „Oh edler Scheich, sie glauben es ja gar nicht. So ein Service! Vor ein paar Wochen haben wir doch dieses sagenhafte Auto bestellt. Und um unsere Vorfreude darauf zu steigern, liefert uns das Werk heute schon mal ein Modell aus Pappe. Und stellen Sie sich vor: Dieses Modell fährt sogar!“ – Ich fürchte, da hat dieser Abdul etwas falsch verstanden. Und die Vorfreude des Scheichs auf ein sagenhaftes Auto, das in zehn Jahren einmal ausgeliefert würde, dürfte irgendwann einmal bitter enttäuscht werden. Wenn wir Christen auf die Begegnung mit Gott warten, dann ist das keine leere Hoffnung. Gott wird seine Zusagen ganz sicher erfüllen! Und selbst wenn wir manchmal sehr lange auf Gottes Eingreifen warten müssen, dürfen wir fest darauf vertrauen: Er enttäuscht uns ganz sicher nicht! Um dieses Warten soll es heute Morgen gehen. Ich wünsche uns allen einen gesegneten Gottesdienst! Gebet am Anfang: Herr Jesus Christus, du kommst zu uns: mitten hinein in unser Leben – in alles, was uns freut, aber auch in das, was uns quält. Du bist kein ferner Gott. Du kommst ganz nahe zu uns. Du kommst in unsere Angst und du kennst unsere Sehnsucht. Du kommst hinein in unsere Not und du schaust auch nicht weg, wenn keiner uns mehr helfen kann. Dafür danken wir dir! Herr Jesus Christus, damals vor zweitausend Jahren bist du sichtbar auf diese Welt gekommen. Du hast die Herrlichkeit bei deinem Vater verlassen, damit wir uns nicht allein durchs Leben kämpfen müssen. Du bist zu uns gekommen auf diese Welt, damit wir den Heimweg wieder finden zu unserem Vater im Himmel. Dafür preisen wir dich und singen dir zur Ehre! Wir bitten dich: Lass uns heute und in der vor uns liegenden Adventszeit offen werden für dich. Lass uns deine Spuren entdecken in unserem Glück. Lass uns aber auch deine Nähe erfahren in allem, was uns das Leben schwer macht. Herr Jesus Christus, wir brauchen dich. Lass uns nicht allein auf dieser armen Erde. Lass uns nicht allein mit unserer Angst und mit unserer Sehnsucht. Herr, erbarme dich! Gnadenspruch: „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, dass wir durch ihn leben sollen.“ Ehre sei Gott in der Höhe ... Hinführung zum Thema: „Advent feiern, heißt warten können. Warten ist eine Kunst, die unsere ungeduldige Zeit vergessen hat.“ – So hat es der Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal formuliert. Und er fährt fort: „Auf die größten, tiefsten und zartesten Dinge in der Welt müssen wir warten, da geht’s nicht im Sturm, sondern nach den göttlichen Gesetzen des Keimens und Wachsens und Werdens.“ (1) „Geduldiges Warten“ oder „notwendiges Warten“ möchte ich diese erste Art des Wartens heute Morgen beschreiben. So wie eine schwangere Mutter neun lange Monate auf ihr Baby warten muss, so ist es auch in manchen anderen Bereichen unseres Lebens: Wir müssen warten. Und wenn wir nicht warten können, dann machen wir alles kaputt! (2) Damit verwandt ist eine zweite Form: das „hoffnungsvolle Warten“. Man hat ein großes Ziel vor sich – der Beginn eines tollen Urlaubs vielleicht oder sein Hochzeitsfest oder ein supertolles Konzert oder der Einzug ins neue Haus oder was auch immer. Das Warten fällt einem zwar schwer – vor allem, wenn es sich über Monate oder sogar Jahre hinzieht. Aber man hat ein wunderbares Ziel vor sich. Man ist voller Erwartung und Vorfreude. Es ist ein erfülltes, ein hoffnungsvolles Warten. (3) Genau das Gegenteil ist das „leere Warten“ oder das „sinnlose Warten“. Der Kabarettist und Schauspieler Dieter Hallervorden hat dazu einmal gesagt: „Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringt, würde in den meisten Fällen ausreichen, um selbst Medizin zu studieren!“ Sinnloses Warten: Wenn man im Stau steht und es einfach nicht weitergeht. Oder wenn einem die Telekom eine Viertelstunde lang in der Warteschleife durch ganz Deutschland jagt – und man am Ende so schlau ist wie vorher. „Leeres Warten“: Dazu gehört aber auch, wenn einer überhaupt keinen Sinn mehr sieht in seinem Leben. Die Arbeit findet er blöd, deshalb wartet er auf den Ruhestand. Den Ruhestand findet er aber auch blöd, deshalb wartet er ... – ja auf was eigentlich? Letztlich auf gar nichts. (4) Eine vierte Form des Wartens möchte ich einmal mit „quälendem Warten“ bezeichnen. Man tingelt schon seit Wochen immer wieder zum Arbeitsamt. Aber nirgends ist ein ernsthaftes Angebot in Sicht. Oder man hat eine lange Chemotherapie vor sich: Die Chancen stehen 50 zu 50, sagen die Ärzte. Es bleibt nur das quälende Warten auf das Ende der Therapie – und auf die hoffentlich dann erlösende Nachricht, dass es besser geworden ist. (5) Schließlich noch einmal eine ganz andere Form: Das „faule Warten“. Martin Luther King hat einmal den Satz geprägt: „Kein Problem wird gelöst, wenn wir träge darauf warten, dass Gott sich darum kümmert.“ Damit meint er sicher nicht, dass wir Christen ohne Gott diese Welt verändern könnten. Martin Luther King meint vielmehr, dass Gott das nicht einfach allein macht. Gott verändert diese Welt auch durch uns Menschen. Deshalb ist das „faule Warten“ sicher nichts für einen Christen. – Geduldiges Warten, hoffnungsvolles Warten, sinnloses Warten, quälendes Warten oder faules Warten: Das Thema dieses Gottesdienstes hat viele Aspekte. Und wir können nachher in der Predigt natürlich nur einzelne davon aufgreifen. Die Konfirmanden haben uns nachher ein kleines Theaterstück vorbereitet: Eine Szene im Hauptbahnhof in Karlsruhe – an einem Tag als die Lokführer wieder einmal streiken. Beobachten Sie dabei einmal, wie unterschiedlich das Warten dieser vier Personen aussieht. – Zunächst hören wir aber als Schriftlesung Worte aus Psalm 42. Es geht dabei um das „quälende Warten“: ein geplagter Mensch wartet sehnlichst auf das Eingreifen Gottes in seinem Leben. Dieser Psalm ist wie ein doppelter Dialog gestaltet: Zunächst redet der Mensch mit Gott und klagt ihm sein Elend. Doch dann spricht er seiner Seele in einer Art Selbstgespräch Hoffnung zu, weil er sich an die Zusage Gottes erinnert. Wir möchten diesen Psalm über das „quälende Warten“ deshalb in verteilten Rollen lesen: Schriftlesung: Breisacher: Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? Liturg: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichtes Hilfe und mein Gott ist. Breisacher: Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir. Deine Fluten rauschen daher; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mich vergessen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt? Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, wenn mich meine Feinde schmähen und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Liturg: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichtes Hilfe und mein Gott ist. Breisacher: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird’s wohl machen! Halleluja! Predigt: Liebe Gemeinde, so sieht „hoffnungsvolles Warten“ aus! Haben Sie die Vorfreude dieser jungen Frau beobachtet, die auf ihren Freund wartet? Chiara hat das eben so echt gespielt, als würde der Freund tatsächlich im nächsten Augenblick um die Ecke kommen. Wenn man ein Ziel hat, ist das Warten zwar immer noch schmerzhaft und nervenaufreibend. Aber es ist ein „erfülltes, ein hoffnungsvolles Warten“. Völlig anders dagegen die Punkerin, die jeden Tag auf dem Bahnhof sitzt, aber auf gar nichts wartet: „Hab ich’s nicht gesagt? Es hat doch alles keinen Sinn!“ Deneen hat es heute nur gespielt. Aber ich finde es tragisch und erschütternd zugleich, dass dieser Satz vielen Jugendlichen offenbar aus dem Herzen gesprochen ist: „Es ist eh alles Kacke!“ So unterschiedlich kann Warten sein. Wie ist es bei Ihnen, liebe Gemeinde? Haben Sie eine Hoffnung, die Sie trägt? Haben Sie eine Perspektive für Ihr Leben, auch wenn die Jahreszahl beim Geburtstag plötzlich mit einer sechs oder einer sieben beginnt? – (1) Advent heißt für uns Christen ja nicht nur, dass wir auf Weihnachten warten: auf die Geschenke oder auf ein schönes Familienfest. In der Adventszeit blicken wir auch nicht nur auf die 2.000 Jahre zurück, als der Sohn Gottes damals in Bethlehem sichtbar als kleines Kind auf diese Welt gekommen ist. Adventszeit heißt für uns zugleich: Wir erwarten die große Zukunft unseres Gottes! Wir warten darauf, dass Jesus Christus am Ende der Zeiten sichtbar auf diese Welt zurückkommt. Wir warten darauf, dass Gott endlich die Not und das Elend auf dieser Welt überwindet und seine neue Welt aufrichtet. Auch das ist das Thema in vielen Adventsliedern: Der Blick nach vorne. Die Erwartung von Gottes großer Zukunft mit dieser Welt. Unsere Hoffnung, die den Horizont von Sterben und Tod weit übersteigt. – Auf Todesanzeigen liest man manchmal den Satz: „Gekämpft – und doch verloren!“ Man versteht es vielleicht als ein letztes Lob, als eine letzte Anerkennung, dass der Kranke bis zuletzt gegen seine schwere Krankheit gekämpft hat. Für mich klingt dieser Satz allerdings ziemlich hoffnungslos und trostlos. Denn muss das nicht frustrierend sein für einen kranken Menschen, wenn man am Ende einer schweren Krankheit diese Welt auch noch als Verlierer verlässt: „Gekämpft – und doch verloren!“? Christen haben an dieser Stelle eine andere Hoffnung: Weil Jesus auferstanden ist, hat der Tod sein grässliches Gesicht zumindest zum Teil verloren. Vor dem Vorgang des Sterbens hat wahrscheinlich jeder Angst. Aber vor dem Tod selbst brauchen wir uns als Christen eigentlich nicht zu fürchten, wenn wir an die Auferstehung glauben – und an ein Leben nach dem Tod! Am letzten Sonntag, am Ewigkeitssonntag, haben wir uns in einem Lied diese Gewissheit gegenseitig zugesungen: Bleib mir nah auf dieser Erde, bleib auch, wenn mein Tag sich neigt, wenn es nun will Abend werden und die Nacht herniedersteigt. Lege segnend dann die Hände mir aufs müde, schwache Haupt, sprich: „Mein Kind, hier geht's zu Ende; aber dort lebt, wer hier glaubt.“ (EG 406, 5) Auch das ist Advent, liebe Gemeinde! Die Erwartung der Ewigkeit. Zugleich die Vorbereitung auf die Ewigkeit – auf die Begegnung mit Gott in der anderen Welt! „Hoffnungsvolles Warten“: Auch wenn man älter wird! Sogar noch, wenn man schwer krank ist! – (2) Einen ganz anderen Aspekt hat das Warten in der Natur. Damit sind wir bei einem zweiten Punkt meiner Predigt: Kein Bauer käme auf die Idee, die noch jungen Weizenkeimlinge kräftig nach oben zu ziehen, damit sie schneller wachsen. Er würde sie natürlich zerstören. Und kein Gärtner käme auf die Idee, eine Knospe gewaltsam zu öffnen, um sie schneller verkaufen zu können. Wenn er nicht die ganze Blüte zerstören will, muss er – warten. Natürlich! Aber genau das ist eine Fähigkeit, die man in unserer Zeit heute kaum noch lernt! „Ich will alles – und zwar sofort!“ Liebe Gemeinde, mit diesem Satz ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Charakterzug unserer Zeit beschrieben. „Ich will alles – und zwar sofort!“ Eltern brauchen oft ganz schön viel Geduld und Stehvermögen, wenn der Dreijährige im Supermarkt nicht sofort den Lolli bekommt, der so verführerisch direkt neben der Kasse hängt. Und wenn die Eltern später der Meinung sind, dass ihre Tochter nicht schon wieder ein neues Handy braucht, weil das alte Design nicht mehr cool ist, dann müssen sie sehr gute Argumente auf Lager haben. „Wir können alles – außer Warten“: So könnte man in Anlehnung an jenen schwäbischen Werbeslogan sicher zutreffend formulieren. Dass Warten auch sinnvoll sein kann, dass Warten oft sogar notwendig ist, das haben viele aus den Augen verloren. – Hören wir noch einmal Dietrich Bonhoeffer aus dem oben bereits erwähnten Text über das Warten: Advent feiern, heißt warten können. Warten ist eine Kunst, die unsere ungeduldige Zeit vergessen hat. Sie will die reife Frucht brechen, wenn sie kaum den Sprössling setzte. Aber die gierigen Augen werden nur allzu oft betrogen, indem die scheinbar so köstliche Frucht von innen noch grün ist. Und respektlose Hände werfen undankbar beiseite, was ihnen so Enttäuschung brachte. Wer nicht um die Freundschaft, um die Liebe eines anderen werben will, wartend seine Seele aufschließt der Seele des anderen, bis sie kommt und Einzug hält, dem bleibt der tiefste Segen eines Lebens zweier Seelen ineinander für ewig verborgen.“ Das hat Dietrich Bonhoeffer zum Thema Liebe und Freundschaft vor sechzig Jahren geschrieben. Was würde er erst heute sagen? Wer kann heute noch warten? Warten, bis die Liebe sich entfaltet und reif wird? Warten auf die Ehe, um sich erst dann im Schutzraum einer festen Beziehung seinem Partner ohne Angst und ohne Vorbehalte hinzugeben? Viele Jugendliche gehen heute schon mit 16 oder 17 Jahren ganz selbstverständlich miteinander ins Bett. Selbst Bravo findet ja, dass es nicht gleich in der ersten Nacht sein muss. Aber nach vier Wochen, spätestens sechs Wochen, meint man bei Bravo oder in den entsprechenden Fernsehsendungen, sei die Zeit endlich dafür reif! Doch wie will sich da die Liebe zwischen zwei Menschen entfalten können, wenn sie überhaupt keine Spannung mehr aushalten können? Wie soll man später einmal in der Ehe das Warten lernen, wenn man es schon als Jugendliche stets ganz anders praktiziert hat? Ich hätte Lust, einmal der Frage nachzugehen, in welchem Zusammenhang die vielen Ehescheidungen damit stehen, dass Jugendliche – aus meiner Sicht – viel zu früh und viel zu schnell miteinander ins Bett gehen. Wenn man als Kind oder als Jugendlicher das Warten nicht gelernt hat, wenn jedes Lustgefühl von klein auf sofort befriedigt wurde, wie soll man dann als Erwachsener dazu plötzlich in der Lage sein? „Geduldiges Warten“: Lernen wir doch wieder mehr von der Natur. Überall braucht das Wachsen Zeit. In so vielen Bereichen muss man die Zeit der Reife abwarten. Sonst macht man alles kaputt. Üben wir uns doch wieder mehr darin, dass wir solche sinnvollen Spannungsbögen aushalten. Geduldig warten – nicht nur in der Adventszeit! – (3) Kommen wir zum Schluss noch zu einer dritten Form des Wartens, die wir vorhin schon kurz angeschnitten haben: das „quälende Warten“, das „schmerzhafte Warten“. Der Geschäftsmann im Anspiel oder die kranke Frau, die in Heidelberg in die Röhre muss, sie beide haben das Warten ja als eine Qual empfunden. Das Warten hat hier keinen tieferen Sinn: Es ist mühsam und anstrengend. Der eine würde am liebsten ausweichen, obwohl er ganz genau weiß, dass das nichts bringen würde. Der andere weiß von vorneherein: „Da muss ich jetzt durch!“ Da hilft es auch nichts, wenn man als Freund oder Freundin zu beschwichtigen versucht: Nein, dieses Warten ist und bleibt nervenaufreibend. Das braucht man nicht wegzudiskutieren. Eines finde ich aber tröstlich: Dieses „quälende Warten“ kommt auch in der Bibel vor. Auch in der Bibel haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass Gott manchmal endlos lange auf sich warten lässt. Wir haben einen solchen Psalm ja vorhin in der Lesung gehört: „Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?“ Gerade in den Psalmen wird kein falsches Heldentum beschrieben, als müssten wir als Christen immer zuversichtlich und gelassen bleiben. Eine ganze Reihe von Psalmen sind Menschen geschrieben worden, die nicht nur mit ihrem Latein am Ende waren, sondern auch mit ihrer Kraft. Und dennoch haben sie immer wieder ganz unten in der Tiefe die Erfahrung gemacht: Gott hat mich dennoch nicht vergessen. Auch wenn ich mich von Gott verlassen fühlte, so war dieser Eindruck falsch: Er hatte mich auch tief unten im Blick – schon lange bevor sich die Situation zum Guten wendete. Die Liederdichterin Hedwig von Redern hat das einmal so formuliert: „Vor dir verschlossene Türen, Unmöglichkeiten, dunkle Wände – bei Gott aber sind Licht, heilige Pläne der Liebe und des Friedens. Warte nur! Glaube, dass sich Gottes Gedanken viel mehr mit deinen Angelegenheiten beschäftigen als du selbst.“ (Eine gute Minute, Seite 187) Liebe Gemeinde, wir müssen in solchen Zeiten des quälenden Wartens nicht krampfhaft nach einem Sinn fragen. Aber auf eines dürfen wir ganz fest vertrauen: Gottes Gedanken sind auch in solchen Zeiten viel mehr unseren Sorgen und Angelegenheiten beschäftigt, als wir uns das vorstellen. Wir spüren dann vielleicht nichts von seiner Macht und von seinem Frieden. Aber er ist dennoch gar nicht weit weg von uns! Auch dieser Aspekt spielt in der Adventszeit eine wichtige Rolle: Wir haben keinen Gott, der uns aus der Ferne kluge Ratschläge gibt. Wir haben einen Gott, der sich nicht dafür zu schade war, auf unsere oft so armselige Erde herabzusteigen. Advent heißt: In Jesus Christus ist Gott selbst ganz nahe gekommen. In Jesus Christus hat er uns sein liebesvolles und anteilnehmendes Gesicht gezeigt. Genauso kommt er auch heute: Unsichtbar zwar, aber genauso wirklich. In unsere Krankenzimmer. In unsere Intensivstationen. In unsere Pflegeheime. Er kommt auch noch heute – mit seinem Trost und mit seinem Segen! Amen. Lied nach der Predigt: 152, 1. 3. 4 Fürbitten Liturg: Lasst uns beten! Nach jedem Gebetsteil singen wir den Ruf: „Kyrie eleison – Herr, erbarme dich!“ Sprecher/in I: Jesus Christus, du unser Herr und Gott! Wir danken dir, dass du als Sohn des ewigen Gottes in diese Welt gekommen bist, um uns zu helfen und uns zu retten. Wir danken dir, dass du ganz nahe zu uns kommst. Auch wenn wir dich nicht sehen können, dürfen wir deine Hilfe und deinen Trost immer wieder ganz deutlich spüren! Wir bitten dich: Lass uns deinen Zuspruch auch in dieser Adventszeit ganz neu hören und dir vertrauen. Mach uns bereit, uns von dir helfen zu lassen. Und lass uns offen sein für dich – und für deinen Auftrag an uns. Gemeinsam rufen wir zu dir: [alle] „Kyrie eleison“ Pfr. Breisacher: Herr Jesus Christus, wir bitten dich heute besonders für die Menschen, die gerade jetzt eine sehr mühsame Zeit durchstehen und aushalten müssen: Hilf, dass sie die Geduld nicht verlieren – auch wenn sie lange auf eine Besserung ihrer Situation waren müssen. Und schenke ihnen immer wieder ein Zeichen der Ermutigung: ein Lichtstrahl der Hoffnung aus deiner Ewigkeit. Wir denken heute besonders an die trauernden Angehörigen von Gertrud Giesinger und Frieda Wurst: Gib du ihnen Kraft für den Weg des Abschieds und lass sie immer wieder deinen Trost und deinen Frieden spüren. Trotz aller Traurigkeit möchten wir dir aber auch danken für allen Segen, den du den Familien und vielen anderen durch die Verstorbenen geschenkt hast: für alle fröhlichen Erlebnisse, für alle Fürsorge, für alle Verbundenheit über so viele Jahre. Gemeinsam rufen wir zu dir: [alle] „Kyrie eleison“ Sprecher/in: Wir bitten dich für die Adventszeit, die jetzt vor uns liegt: Bewahre uns davor, dass wir vor lauter Hektik und Betriebsamkeit überhaupt nicht mehr zur Ruhe und zum Nachdenken kommen. Wir danken dir für alles Schöne, das wir gerade auch in der Adventszeit genießen können. Öffne uns aber auch die Augen dafür, dass wir nur Gäste sind auf dieser Welt. Hilf, dass wir nicht nur unser irdisches Leben im Blick haben, sondern auch bereit sind, dir einmal zu begegnen in der anderen Welt. Gemeinsam rufen wir zu dir: [alle] „Kyrie eleison“ Pfr. Breisacher: Wir bitten dich für Familie Rosenkranz, für Herrn Tirtohusodo und für Herrn Kutzke: Segne sie auf ihrem weiteren Lebensweg. Hilf, dass unsere Gemeinde und unsere Gottesdienste auch für sie zu einer Heimat werden – zu Orten, wo sie sich wohlfühlen und Kraft schöpfen können für den Alltag. Gemeinsam rufen wir zu dir: [alle] „Kyrie eleison“ Pfr. Breisacher: Vater Unser ... * Schlusslied: 16, 1. 2. 4