Einen Swap (engl.: Austausch, Wechsel) – und zwar genauer einen

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Swap!
Quince: «Bless thee, Bottom! bless thee! thou art translated.”
Bottom: «I see their knavery: this is to make an ass of me;
to fright me, if they could. But I will not stir from this place,
do what they can: I will walk up and down here, and I will sing,
that they shall hear I am not afraid.”
(William Shakespeare, «A Midsummer Night’s Dream”,
3. Aufzug, 1. Szene)
Einen Swap (engl.: Austausch, Wechsel) – und zwar genauer einen
»Constant Maturity Spread Ladder Swap« – ließ sich ein mittelständischer Hersteller von Toilettenartikeln1 (»Hygiene mit Anspruch und
System«) von der Deutschen Bank (»Leistung aus Leidenschaft«) aufschwatzen – wie auch Kämmerer vieler Kommunen von vielen anderen Großbanken in dieser Hinsicht beraten und verkauft wurden.
Der BGH verurteilte deswegen am 22.3.2011 die Deutsche Bank zum
Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung2.
Ein Swap als »Zinsswap« ist in seiner Grundform eine vergleichsweise »normale« Zinswette: Für einen bestimmten Zeitraum verpflichten sich die Vertragsparteien jeweils, Zahlungen zu unterschiedlichen Zinssätzen (meist einer variabel und der andere fix) aus einem
»virtuellen« Betrag zu leisten3. Die gegenseitigen Zahlungsansprüche
werden saldiert, so dass nur der Vertragspartner etwas zahlen muss,
zu dessen Ungunsten das Saldo ausfällt. Je nach Zinsentwicklung
macht einer der beiden einen Gewinn – und der andere spiegelbildlich den entsprechenden Verlust. Solche Zinswetten sind im Schuldenmanagement in Verknüpfung zu entsprechenden Kreditverträgen
nicht unüblich, um mit einer gewissen Chance die Zinslast für den
Kreditnehmer zu vermindern, und sie hält der BGH nach wie vor für
unproblematisch. Der im BGH-Fall als Anlage verkaufte CMS Ladder
Swap ist demgegenüber eine Form der Zinswette, die von der Bank so
»strukturiert« wird, dass in die Zinsformel ein Multiplikator und eine
Verknüpfung zur Vorperiode eingebaut wird, so dass sich erhebliche
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Hebelwirkungen einstellen4. Mit Zinsobergrenzen und einseitigem
Kündigungsrecht wird jedoch in den meisten Fällen das Risiko für die
Bank stark minimiert, während es für den Bankkunden auf nur mit
gehobenen finanzmathematischen Kenntnissen zu durchschauende
Art und Weise zunimmt.
Wenn eine Bank einen Swap so manipuliert, wettet sie nicht nur
gegen ihren Kunden, sie spielt mit gezinkten Karten. Zwar ist der
Zinken theoretisch erkennbar, praktisch aber wegen zu hoher mathematischer Komplexität eben nicht. Meist verkauft die Bank danach
das ungleiche Wettgeschäft auf dem Hedgemarkt weiter. Trotz dieser
Pilatuspirouette sieht der BGH das Gewinnstreben der Bank aus ihrer
Rolle als »Verkäufer« bzw. »Spieler« bei einem CMS Ladder Swap im
offensichtlichen Widerspruch zu ihrer Verpflichtung aus dem Beratungsvertrag, eine allein (sic!) am Kundeninteresse ausgerichtete
Empfehlung zu geben5. Deswegen macht der BGH hier eine Ausnahme zu seinem Grundsatz, dass die Bank nicht über ihre eigenen
Gewinnmargen aufklären muss. Dass die Bank trotz ihrer »Beratung«
eigentlich meist nur Verkäuferin ist, soll dem mündigen Bürger klar
sein. Dass sie ihm aber Gewinnprognosen verkauft, obwohl sie doch
selbst im Produkt ein für den Kunden überproportional größeres Verlustrisiko verpackt hat, soviel Niedertracht muss selbst der Bankkunde nicht erwarten. Die Bank soll nun nach dem Willen des BGH
hierüber so aufklären, dass der Kunde das auch wirklich im vollen
Umfang versteht, also über den reinen Vertragstext und die bloße
Mitteilung der finanzmathematischen Berechungen hinausgehend
erläutern. Transparenz allein genügt eben nicht, wenn das Opfer nur
sehen, aber nicht verstehen kann. Der neue Vorsitzende Richter des
Bankrechtssenats, Ulrich Wiechers, wagte zur Erläuterung des Urteils
den interdisziplinären Schritt zur Lyrik: »Wenn man ein Gedicht lesen kann, hat man seinen Sinn noch lange nicht verstanden.«6
Einen Swap gab es auch vor einiger Zeit an der Spitze des
XI. »Bankrechtssenats« am BGH. Der bisherige Vorsitzende Gerd
Nobbe wurde 2009 pensioniert. Seinem Nachfolger, Ulrich Wiechers,
überreichte der »hochverehrte Vorgänger einen USB-Stick – sozusagen den Staffelstab in unserer Zeit der elektronischen Datenverarbeitung«7 mit allen laufenden Verfahren. Einige dieser Baustellen, wie
etwa der Streit zwischen dem IX. und dem XI. Senat um die Behandlung von Lastschriften in der Insolvenz, konnten geschlossen werden.
An anderen scheint die Baugrube sich nicht zu schließen, sondern
mit jeder Entscheidung tiefer zu werden. Dazu gehört die Aufklä-
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rungspflicht der Bank über Provisionen – aber auch, unter welchen
Voraussetzungen Finanzprodukte wie der CMS Ladder Swap dem Kunden verkauft werden dürfen. Leider hat der Nachfolger hier offenbar
so gar nicht die Erwartungen des ehemaligen Vorsitzenden erfüllt.
Einen veritablen Swap legt Nobbe nun nämlich hin, indem er seine
Rolle wechselt vom Vorsitzenden Richter zum schärfsten Kritiker des
Bankrechtssenats8. Darf man das als Amtsvorgänger? Man darf, aber
man muss nicht. Ein Mangel an anbieterfreundlichen Bankrechtlern
besteht ja nun nicht gerade. Da hätte sich schon einer gefunden, um
einschlägig auf den neuen Bankrechtssenat dreinzuschlagen. Peinlich
berührt ist man aber einmal mehr von Nobbes vernichtender Selbstgewissheit, mit der er den neuen Vorsitzenden und seine alten Kollegen zurechtstutzt9. Wenn der BGH sich bei der Swap-Entscheidung auf eine Aufklärungspflicht wegen Interessenkonfliktes stützt,
sei das »ersichtlich unhaltbar«10, da ein »nicht debiler Mensch«11
wisse, dass es sich beim Swap um eine Zinswette handelt. Nun gut –
eine Kritik an seinem Nachfolger und den alten Kollegen in Form
einer Urteilsanmerkung in einem Fachblatt kann man als »hochgeschätzter Vorgänger« wohl angemessener gestalten. Jedenfalls ist
die vorgeschlagene eigene Lösung auch nicht spontan überzeugend:
Auf das »unausgewogene Chancen-Risiko-Profil« des CMS Ladder
Swap soll die Bank dogmatisch korrekt verortet im Rahmen der objektgerechten Beratung den Kunden hinweisen12. Wie aber soll man
sich einen Trickbetrüger vorstellen, der sein Opfer auf das unausgewogene Chancen-Risiko-Profil seines Hütchenspiels hinweist? Wohl
auch eher »debil«.
Ein Swap ist notwendig in der zivilrechts-dogmatischen Aufarbeitung des Vertriebs übermäßig kundenschädigender Finanzprodukte.
Vielleicht hat der BGH schon von Anbeginn seiner »Bond-Rechtsprechung«13, seit der fast reflexartig von einem konkludent geschlossenen »Beratungsvertrag« ausgegangen wird, zu bereitwillig den Slogan
aus dem Bankenmarketing übernommen, dass der Kunde tatsächlich
beraten wird. Spätestens mit dem weiteren Vordringen von Erfolgsprovisionen für Bankmitarbeiter ist freilich allen (und vor allem den
Bankmitarbeitern selbst meist schmerzhaft14) bewusst: Die Bank berät
nicht, sie verkauft. Beides gleichzeitig ist allenfalls dann möglich,
wenn festangestellte Mitarbeiter auch »heimlich« und ohne eigene
Gehaltsverluste vom Gewinnziel des Hauses abweichen können, indem sie etwa von »schlechten« hauseigenen Produkten unter der
Hand abraten. Das ist heute in Zeiten professioneller (»Erfolgs«-)Kä-
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fighaltung von Bankmitarbeitern – anders als vielleicht früher – nicht
mehr möglich. Bei Produkten, die den Kunden in einer Weise »unfair« benachteiligen wie strukturierte Zinswetten, wird dann nur
überdeutlich, dass die juristische Bewältigung der Anlagehaftung auf
der dogmatischen Grundlage der Verletzung eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages an ihre Grenzen stößt15. Das heißt
nicht, dass die gesamte Beratungsrechtsprechung obsolet ist. Aber
ohne Frage muss sie verstärkt ergänzt werden um ein Element der
(zivilrechtlichen) Kontrolle des Inhalts der verkauften Finanzprodukte. In erster Linie bietet sich hierfür wohl eine Wiederbelebung
der Sittenwidrigkeitsrechtsprechung – in Parallele zu den Verbraucherkrediten – nun für die Anlageprodukte an, wie sie zunehmend
auch diskutiert wird16. Allerdings ist die laesio enormis eigentlich nur
als Fleckenentferner und nicht auf Dauer als reguläres Waschmittel
zu gebrauchen. Man wird darüber hinaus vielleicht auch darüber
nachdenken können, ob nicht für den »Verkauf« (subjektiv) mangelhafter Finanzprodukte die Banken eher einer Haftung in Anlehnung
an die Gewährleistungsrechte ausgesetzt werden könnten – und sei es
nur aus Gründen der sprachlichen Richtigstellung.
Einen Swap sollte die Finanzkrise immerhin gebracht haben in
der Erkenntnis, dass die Ökonomisierung des Rechts am Leitbild des
rationalen nutzenmaximierenden Marktteilnehmers gesamtgesellschaftlich wohl doch nicht immer sinnvoll ist. Der informierte König
Kunde, der seine ökonomischen Interessen objektiv treffend verfolgt
und so die guten von den schlechten Anbietern zum Wohle aller
trennt, herrscht bei Finanzprodukten viel zu oft nur im Luftschloß
der ökonomischen Theorie. Aus der behavioral finance-Forschung
wissen wir mittlerweile, dass selbst bei entsprechenden vollständigen
und korrekten Informationen die Entscheidungen doch häufig aus
ganz anderen Empfindungen heraus getroffen werden und meist nur
so getan wird, »als ob« in der Anlageberatung alles richtig erklärt und
verstanden worden wäre17. Die Juristen wissen derzeit noch nicht,
wie sie damit umgehen sollen, nicht mehr notgedrungen am Nasenring des Ökonomismus durch die (Brüsseler) Manege der Marktgläubigen gezogen zu werden. Sie sind sicher weiterhin gut beraten, die
ökonomischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen mitzubedenken.
Allerdings kann auch ein schlichtes Verbot von Finanzprodukten
ökonomisch das Wünschenswerte sein. Solange angeblich »jeder Betriebswirt im ersten Semester lernt, dass Gewinnmaximierung das relevante Ziel für ein Unternehmen ist«18, und nicht selbstverständlich
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gesehen, gelehrt und gelebt wird, dass Unternehmen ein deutlich
vielfältigeres Sinnspektrum haben (und bieten müssen, um attraktiv
und nachhaltig effizient zu bleiben), solange kann der Wechsel nur
von der Politik und von der Rechtsprechung kommen:
Swap!
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Anmerkungen
1 http://www.ille.de/?q=de/BGH_bgh-verfahren.
2 BGH, NJW 2011, 1949 ff.
3 Allgemein zu Zinsswaps s. Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch,
§ 114 (3. Auflage 2007).
4 Instruktiv zur finanzmathematischen Erklärung dieser Produkte: Köndgen/Sandmann,
ZBB 2010, 77 ff.
5 Ständige Rechtsprechung, s. zuletzt BGH, WM 2010, 1694 m.w.Nachw.
6 SZ vom 23.3.2011, 19.
7 Wiechers, WM 2011, 145 ff., 145.
8 Nobbe, BKR 2011, 302 ff., Anmerkungen zu BGH, XI ZR 191/10.
9 Ob es z. B. eine gute Entscheidung des BGH war, in der hoch problematischen und umstrittenen Frage der Aufklärungspflicht bei Rückvergütungen sowie offenen und verstecken Innenprovisionen in einem Hinweisbeschluss die Rechtsprechung präzisieren
zu wollen, lässt sich vielleicht in Frage stellen. Dabei aber zu insinuieren, dass der
BGH-Senat unter dem neuen Vorsitzenden sich möglicherweise generell nicht ausreichend mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und den Literaturmeinungen auseinandersetzt (Nobbe, BKR 2011, 302, 303: »Bisher gehörte es zu den ›Markenzeichen‹ der
Rechtsprechung […] Äußerungen namhafter Wissenschaftler nicht nur zur Kenntnis
zu nehmen, sondern sich damit auseinanderzusetzen […] Es wäre beklagenswert,
wenn diese ›Rechtskultur‹ nicht mehr gepflegt werden würde«), mündet eigentlich nur
in den unappetitlichen Vorwurf, dass hier jemand sein Amt (anders als der Vorgänger,
jawohl!) nicht pflichtgemäß ausübe. Allerdings ist nun auch der BGH in den Ring des
juristischen Schlammcatchens getreten und hat auf eine diesbezügliche Gehörsrüge
geantwortet: »Dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts
dafür entnehmen, dass die Revision auch wegen einer Frage zuzulassen ist, die sich in
dem betreffenden Rechtsstreit nicht stellt« (BGH, Beschluss vom 24. 8. 2011 – XI ZR
191/10, Rn. 16).
10 Nobbe, BKR 2011, 302, 303.
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Nobbe, BKR 2011, 302, 303.
Nobbe, BKR 2011, 302, 303.
BGH, NJW 1993, 2433 f.
Vgl. Mayer-Friedrich, VuR 2011, 89 ff., mit Hinweis auf entsprechende empirische Erhebungen unter Bankmitarbeitern.
So auch Köndgen, BKR 2011, 283 ff. und Spindler, NJW 2011, 1920 ff.
Neben Köndgen, BKR 2011, 283 ff. auch schon seit längerem Reifner, VuR 2011, 83 ff.
Zur Psychologie der Anlageberatung s. Jungermann/Belting, »Gruppendynamik und
Organisationsberatung«, 35. Jahrg., Heft 2, 2004, 239 ff.
Spindler, NJW 2011, 1920 ff., 1922.
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