ZUKUNFT DER VERGANGENHEIT DIE ERNEUERUNG VON GEBÄUDEN DER BAUJAHRE 1945 BIS 1979 Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Leistungen aus den Jahren 1945 bis 1979 sind noch heute beeindruckend. Sie lieferten die Grundlage für den Aufbau eines modernen Wohlfahrtsstaats, für leistungsfähige Städte und Regionen, für ein modernes und sicheres Wohnen und für den Aufstieg zu einer exportorientierten Wirtschaftsnation. In dieser Zeit ist eine große Zahl an Gebäuden entstandenen, die aufgrund ihrer Funktion oder baukulturellen Bedeutung auch für die Zukunft unverzichtbar sind. Um ihre Aufgaben weiterhin erfüllen zu können, stehen viele dieser Gebäude jedoch vor umfassenden und grundlegenden Erneuerungen. Der Umgang mit den Bauten aus den Jahren 1945 bis 1979 ist das Thema des 10. Gestaltungspreises der Wüstenrot Stiftung. Wohnbauen in Deutschland Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Stefan Krämer, Arno Lederer, Werner Durth, Markus Gasser, Ulrich Pfeiffer, Georg Adlbert, Tilman Harlander, Joachim Brech, Walter Mühlbauer, Niklaus Kohler, Thomas Lechner, Wolfgang Glatzer, Matthias Horx 2002. 332 Seiten. EUR 25,– ISBN 978-3-7828-1516-1 Das Buch beleuchtet in fundierten Beiträgen die Herausforderungen, die sich im Umgang mit Gebäuden aus den 1950er bis 1970er Jahren ergeben und zeigt unter verschiedenen Themenschwerpunkten, wie der Transfer aus der Vergangenheit in die Zukunft erfolgen kann. Die im Rahmen des Wettbewerbs prämierten Arbeiten sowie die Arbeiten der engeren Wahl werden ausführlich vorgestellt. Umnutzungen im Bestand – Neue Zwecke für alte Gebäude Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Johann Jessen, Jochem Schneider, Thomas Sieverts, Detlef Karg, Artur Mandler, Rüdiger Soltwedel, Uta Hassler, Niklaus Kohler 2000. 256 Seiten. EUR 25,– ISBN 978-3-7828-1515-4 Integriertes Wohnen im städtebaulichen Kontext Herausgeber: Wüstenrot Stiftung 1998. 96 Seiten. EUR 24,50 ISBN 978-3-7828-4030-9 ZUKUNFT DER VERGANGENHEIT Schulen in Deutschland – Neubau und Revitalisierung Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Inge Beckel, Claes Caldenby, Gert Kähler, Roland Kötz, Niklaus Kohler, Stefan Krämer, Arno Lederer, Jürgen Oelkers, Hugh Pearman, Markus Peter, Astrid Pieper, Otto Seydel, Ariane Wilson 2004. 376 Seiten. EUR 28,50 ISBN 978-3-7828-1517-8 Zu den Gestaltungspreisen der Wüstenrot Stiftung sind bislang die folgenden Bücher im Karl Krämer Verlag erschienen: NEUES WOHNEN IN DER STADT Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Wilhelm Klauser, Elena Kossovskaja, Stefan Krämer, Gerd Kuhn, Philip Kurz, Anja Seehrich-Caldwell, Jürg Sulzer, Britta Tornow 2012. 228 Seiten. EUR 28,50 ISBN 978-3-7828-1540-6 Energieeffiziente Architektur Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Georg Adlbert, Gerhard Hausladen, Petra Liedl, Michael de Saldanha, Thomas Stark, Ulrich Wagner, Michael Beer, Christian Fieger, Matthias Fuchs, Engelbert Lütke Daldrup, Hugh Pearman, Hansruedi Preisig, Katrin Pfäffli, Anja Seehrich-Caldwell 2010. 264 Seiten. EUR 28,50 ISBN 978-3-7828-1535-2 Umbau im Bestand Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Johann Jessen, Jochem Schneider, Stefan Krämer, Gerd Kuhn, Peter Kulka, Engelbert Lütke Daldrup, Jürgen Tietz 2008. 272 Seiten. EUR 28,50 ISBN 978-3-7828-1531-4 BAUEN FÜR KINDER (vergriffen) Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Mit Beiträgen von Alessandro Busà, Gert Kähler, Stefan Krämer, Christian Marquart, Susanne Mayer, Tarja Nurmi, Andrea Petmecky, Walter Stamm-Teske, Katrin Voermanek, Hille von Seggern, Ariane Wilson 2006. 336 Seiten. EUR 28,50 ISBN 978-3-7828-1521-5 SELBSTÄNDIGKEIT DURCH BETREUTES WOHNEN IM ALTER (vergriffen) Herausgeber: Wüstenrot Stiftung Deutscher Eigenheimverein e.V. Mit Beiträgen von Hans Peter Tews, Erich Bracher, Hans Joachim Schäfer, Helga Solinger, Jürgen Steinert, Roland Ostertag 1994. 144 Seiten. EUR 22,50 ISBN 3-7828-4023-2 Fortsetzung auf hinterer Umschlagklappe ISBN 978-3-7828-1541-3 W Ü STE N R OT STI FTU N G kraemerverlag kraemerverlag THEMA 1 ZUKUNFT DER VERGANGENHEIT – Die Erneuerung von Gebäuden der Baujahre 1945 bis 1979 THEMA 1 © 2014 Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg, und Karl Krämer Verlag Stuttgart + Zürich Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved Druck: Offizin Scheufele, Stuttgart Printed in Germany ISBN 978-3-7828-1541-3 2 Autor ZUKUNFT DER VERGANGENHEIT – Die Erneuerung von Gebäuden der Baujahre 1945 bis 1979 mit Beiträgen von Ursula Baus Adrian von Buttlar Franz Dirtheuer Olaf Gisbertz Bernd Jacobs Stefan Krämer Gerd Kuhn Ingrid Scheurmann Wüstenrot Stiftung | THEMA 3 Inhalt Zukunft der Vergangenheit – Die Erneuerung von Gebäuden der Baujahre 1945 bis 1979 Wüstenrot Stiftung 1 6 Herausforderungen im Umgang mit Gebäuden Aus den 1950ER bis 1970ER Jahren xxx Das baukulturelle Erbe der 1950er bis 1970er Jahre erkennen und bewahren Adrian von Buttlar 14 Herausforderung Nachkriegsarchitektur: Zum denkmalpflegerischen Umgang mit Gebäuden der 1950er bis 1970er Jahre Ingrid Scheurmann 28 Die nachhaltige Entwicklung des Gebäudebestands der 1950er bis 1970er Jahre Franz Dirtheuer 2 42 Transfer aus der Vergangenheit in die Zukunft Der Wohnungsbau der Baujahre 1945 bis 1979 – Bestandsaufnahme und Wege zu einem Transfer in die Zukunft Bernd Jacobs 76 Büro- und Verwaltungsbauten der Baujahre 1945 bis 1979 Ursula Baus 4 116 Bildungsbauten – Chancen für Nachhaltigkeit durch Transformation Olaf Gisbertz 140 Quartiere Stefan Krämer, Gerd Kuhn 3 164 Dokumentation des Gestaltungspreises der Wüstenrot Stiftung Auslobung, Kriterien und regionale Verteilung der Wettbewerbsarbeiten, Preisgericht 194 Gestaltungspreis 198 Auszeichnungen 206 Anerkennungen 230 Engere Wahl 254 Beispiele 274 Autoren 280 5 Zukunft der Vergangenheit – Die Erneuerung von Gebäuden der Baujahre 1945 bis 1979 Wüstenrot Stiftung 6 Der Umgang mit dem Gebäudebestand aus den weniger das ganze baukulturelle Erbe der Nach- Nachkriegsjahrzehnten ist aktuell eine der wich- kriegsjahrzehnte ein und zeigt sich in einer weitrei- tigsten Bauaufgaben in Deutschland. Viele Gebäu- chenden, kontroversen Debatte über die Qualität de bedürfen einer grundsätzlichen Erneuerung, die und die Gestaltung aller Arten von Gebäuden aus in der Regel mehrere, parallel zu bearbeitende dieser Zeit. Die baulichen Leistungen, die in den Handlungsfelder umfasst. So erfüllt die Mehrzahl Nachkriegsjahrzehnten vollbracht wurden, erhal- der Gebäude nicht die inzwischen deutlich höheren ten in unserer Gesellschaft insgesamt nur eine ge- energetischen Anforderungen, im Wohnungsbau ringe Wertschätzung – deutlich weniger als das sind die damals stärker hierarchisch strukturierten Erbe aus bereits länger zurückliegenden Epochen. Standardgrundrisse kaum geeignet, den gewan- Auch viele Fachleute zögern mit einer objektiven delten Bedürfnissen von neuen Haushaltsformen Anerkennung und mit einem offensiven Bekennt- und individuellen Lebensentwürfen entsprechen nis zu den Qualitäten, die in der Reparatur und dem zu können, und häufig weist die Infrastruktur in den Wiederaufbau der zerstörten Städte geschaffen Stadtteilen ebenso wie die Qualität des Wohnum- wurden, und in der es gelang, eine erdrückende feldes wachsende Defizite auf. Außerdem ver- Wohnungsnot innerhalb weniger Jahre zu über- schlechtern sich in einer wachsenden Zahl von winden. Wohngebieten die Chancen auf Bildung, Erwerbs- Die distanzierte Haltung gegenüber dem Ge- tätigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bäudebestand und dem Städtebau aus den Nach- vor allem für ökonomisch schwache Bevölkerungs- kriegsjahrzehnten steht in einem wechselseitigen gruppen. Kontrast dazu, dass viele Städte heute wesentlich Es sind aber nicht nur die Gebäude und die Aus- durch die Bauten und den Städtebau aus dieser Zeit stattung der Quartiere und Stadtteile, die in die geprägt sind. Ein großer Teil der vorhandenen Jahre gekommen sind. Der demografische Wandel Wohngebäude ist damals entstanden, ebenso zahl- führt dazu, dass in vielen Wohngebieten aus den reiche öffentliche Bauten wie Rathäuser, Verwal- Nachkriegsjahrzehnten der Anteil der älteren tungsbauten, Schulen, Sportstätten und Stadthal- ­Bewohner überdurchschnittlich wächst; viele ehe­ len, die die Grundlage für den Ausbau eines sozial malige Erstbezieher schätzen die ihnen vertraut verantwortlichen Wohlfahrtsstaates moderner Prä- ­gewordene Umgebung und bleiben, während nur gung bildeten. wenige jüngere Haushalte nachziehen. Der genera- Der drohende Verlust an Baukultur im Rahmen tive Wechsel stagniert, weil sowohl die Gebäude als der dringend erforderlichen Ertüchtigung vieler auch die Quartiere aufgrund ihrer spürbaren Defizi- Gebäude ist unübersehbar. Aufgrund der geringen te keinen guten Ruf haben und einer jüngeren Be- Anerkennung und der fehlenden Auseinanderset- völkerung nicht ausreichend attraktiv erscheinen. zung mit den Aufgaben, die aus der Notwendigkeit Die ambivalente, nicht selten auch kritische Hal- einer Anpassung an veränderte Anforderungen und tung zu den Gebäuden und Siedlungen aus den Kriterien ihrer Nutzung resultieren, wurden bereits Nachkriegsjahrzehnten ist in der öffentlichen Wahr­­ zu viele herausragende Bauwerke der Nachkriegs- nehmung nicht auf Wohnungen, Wohngebäude moderne abgerissen oder entstellt. Zahlreichen und Wohngebiete begrenzt. Sie schließt mehr oder weiteren Gebäuden droht in den kommenden Jah- Wüstenrot Stiftung ren das gleiche Schicksal – entweder, weil ihr Wert richtet, zugleich sowohl ökologische und ökonomi- gar nicht erkannt wird oder weil neue Anforderun- sche als auch soziale Ziele erreichen zu können. In gen an funktionale, energetische und sicherheitsre- ökologischer Hinsicht geht es um umfassende levante Eigenschaften leichter in einem radikalen energetische Optimierung, ergänzt um die Anpas- Umbau oder Neubau erfüllbar erscheinen. Sind un- sung an neue Nutzungen und Bedürfnisse, den sere schöpferischen Fähigkeiten und unser Wille zu Weiterbau kompakter Städte mit kurzen Wegen, einer vorbildlichen Gestaltung unserer gebauten die Schonung vorhandener Ressourcen sowie den Umwelt heute tatsächlich so verkümmert, dass wir Aufbau neuer Kreisläufe der Wiederverwertbar- uns außerstande sehen, die wichtigen Zeugnisse keit. Unter ökonomischen Gesichtspunkten stehen aus einer Zeit großer Bautätigkeit, neuer Technolo- die Erhaltung der Vermögenswerte, die Einleitung gien und weitreichender gesellschaftlicher Verän- neuer Lebenszyklen von Gebäuden und Quartie- derungen zu erhalten? ren sowie die Stabilisierung der unter Wachstum- Eine Fortsetzung der kritischen Distanz, die sparametern ausgebildeten Marktprozesse bis hin viele Menschen bisher gegenüber der Baukultur zur Stärkung der Städte im interkommunalen und der Nachkriegsmoderne an den Tag legen, kön- internationalen Wettbewerb um Arbeitsplätze und nen wir uns in Deutschland nicht mehr leisten. Steuereinnahmen im Vordergrund. Zur sozialen Dafür hat die Bausubstanz aus diesen Jahrzehnten Dimension gehören die Sicherstellung einer aus- für die zukünftige Sicherung einer hohen Lebens- gewogenen sozialen Mischung in den Städten, die und Wohnqualität eine zu große, entscheidende Bereitstellung von Nischen und Freiräumen für Bedeutung. In einer langen Zeit stetiger Expansion, neue Entwicklungen und Nachfrage-Präferenzen, in der es bis zum Ende des vergangenen Jahrhun- die Optimierung der Entwicklungspotenziale vor- derts fast durchgängig vor allem um die Steue- handener Quartiere unter demografischen Ge- rung und Verteilung von neuem, weiterem Wachs- sichtspunkten und die Bewahrung der Lebensqua- tum ging, konnten neue Anforderungen, Defizite lität, die in den vergangenen Jahrzehnten erreicht und problematische Entwicklungen leichter kom- werden konnte. pensiert oder korrigiert werden. Nun stehen statt- Die angesichts der demografischen, ökologi- dessen in vielen Städten nur noch die Optimie- schen und energetischen Aufgaben erforderliche rung von bereits bestehenden Strukturen und Transformation vieler Städte, Quartiere und Ge- deren nachhaltige Entwicklung für eine Lösung bäude ist eine komplexe Herausforderung, sowohl von vorhandenen oder wachsenden Problemen für die Stadtentwicklung als auch den Wohnungs- zur Verfügung. bau und die Denkmalpflege. Dabei geht es auch um Das Konzept der Nachhaltigkeit verdeutlicht neue Leitbilder und Orientierungen, denn sowohl den aufgrund dieses Paradigmenwechsels verän- das heute verfolgte Paradigma einer nachhaltigen derten Fokus so zutreffend, dass der Begriff seit ei- Entwicklung als auch das Leitbild der dichten und nigen Jahren teilweise inflationär verwendet wird. nutzungsgemischten Stadt scheinen im Gegensatz In seinem Kern steht das Konzept für einen scho- zu den Planungsmaximen der Nachkriegsjahrzehn- nenden Umgang mit begrenzten Ressourcen und te zu stehen, deren Bauten die aktuelle Substanz ist in einem übergreifenden Ansatz darauf ausge- vieler Städte bestimmen. Einführung 7 1 Z. B.: Philip Kurz, Wüstenrot Stiftung (Hg.): Hans Scharoun. Geschwister-Scholl-Schule. Die Geschichte einer Instandsetzung. Stuttgart 2014. 2 Z. B: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Das Wohnungsbauerbe der 1950er bis 1970er Jahre – Perspektiven und Handlungsoptionen. Ludwigsburg 2013. Zukunft der Vergangenheit – Beispiele und Wettbewerbsergebnisse sieren soziokulturelle, wirtschaftliche und ökologische Eigenschaften in vorbildlicher Weise. Zugleich leisten sie einen wichtigen Beitrag für die Baukultur Die Wüstenrot Stiftung zielte mit ihrem Gestal- in Deutschland und für die Unverwechselbarkeit tungspreis „Zukunft der Vergangenheit – die Er- unserer Städte. neuerung von Gebäuden der Baujahre 1945 bis Die prämierten neun Gebäude – der Preis, drei 1979“ auf diese Aufgaben und auf die herausragen- Auszeichnungen, fünf Anerkennungen – werden de Bedeutung, die der Gebäudebestand aus dieser im zweiten Teil der vorliegenden Dokumentation Zeit für die zukünftige Entwicklung hat. Der Um- mit Erläuterungen und Auszügen aus dem Proto- gang mit diesem baukulturellen Erbe ist ein wichti- koll der Preisgerichtssitzung ausführlich vorge- ger Schwerpunkt in der Tätigkeit der Wüstenrot stellt. Zusätzlich zu diesen prämierten Einsendun- Stiftung. Dies gilt für das eigene Denkmalpro- gen werden weitere 13 besonders bemerkenswerte gramm, in dem sich der Blick auf die Instandhal- Bauten als ergänzende Beispiele für die Vielfalt der tung und Revitalisierung von Gebäuden richtet, die baulichen Lösungen gezeigt. Es freut die Wüstenrot als signifikante Beispiele für die Baukultur der Stiftung besonders, dass unter diesen herausragen- Nachkriegsjahrzehnte betrachtet werden können,1 den Einsendungen nicht nur hohe Standards zu fin- und setzt sich fort in verschiedenen Forschungspro- den sind, sondern auch innovative und auf die spe- jekten, in denen die Optionen einer nachhaltigen zifischen Bauaufgaben vorbildlich ausgerichtete Entwicklung von Wohnquartieren aus den 1950er Lösungen. bis 1970er Jahren untersucht werden.2 Die ausführlichen Buchdokumentationen der Er- Der Gestaltungspreis „Zukunft der Vergangen- gebnisse aus den Gestaltungspreisen der Wüsten- heit – Die Erneuerung von Gebäuden der Baujahre rot Stiftung beschränken sich traditionell nicht auf 1945 bis 1979“ hat beispielhafte Projekte aus ganz eine Präsentation der prämierten Einsendungen. So Deutschland gesammelt. Der Wettbewerb zielte auf gibt es auch dieses Mal wieder ein ergänzendes alle Formen einer aktuellen, substanziellen Erneue- Spektrum an Fachbeiträgen für eine erweiterte Be- rung von Gebäuden dieser Baujahre, die sich aus trachtung der Aufgaben, die es für eine gelungene Erweiterung, Neugestaltung, Umbau oder Umnut- und umfassende Erneuerung der Bandbreite von zung ergeben. Das Spektrum reicht vom Woh- Gebäuden aus den Jahren 1945 bis 1979 zu lösen nungsbau über alle Formen von Büro- und Gewer- gilt, und für eine Würdigung der Bandbreite an Bei- bebauten, Bildungs- und Kulturgebäude, Freizeit- trägen, die zum Wettbewerb eingereicht wurden. und Sporteinrichtungen bis hin zu Sondernutzungen. Die Beurteilung der Einsendungen orientierte sich an der Qualität der Gestaltung, an der Funktio- Herausforderungen im Umgang mit Gebäuden aus den 1950er bis 1970er Jahren nalität der Gebäude, an ihrer Nachhaltigkeit und an 8 ihrer Einbindung in den städtebaulichen Kontext. Den Auftakt für die Reihe der zusätzlichen Beiträge Hinzu kamen der Umgang mit historischer Bausub- übernimmt Adrian von Buttlar mit seinem Plädoyer stanz, die Nutzerakzeptanz und die Partizipations- für ein Erkennen und Bewahren des baukulturellen möglichkeiten sowie die heutigen Anforderungen Erbes der 1950er bis 1970er Jahre. Er skizziert des- an Ökologie, Energieeffizienz und Klimaschutz. sen aktuelle „Gefährdungslage“ und beschreibt Mit 474 Einsendungen zählt der elfte Gestal- anhand exemplarischer „Verlust- und Erfolgsge­ tungspreis der Wüstenrot Stiftung erneut zu den be- schichten“ den Verlauf der öffentlichen und fach­ deutenden Architekturwettbewerben in Deutsch- lichen Auseinandersetzungen um eine den bauli- land. Eine kompetent besetzte Jury hat in mehreren chen Qualitäten angemessene Würdigung und Sitzungen, zwischen denen die Gebäude der Enge- Wertschätzung. Adrian von Buttlar ist einer der ren Wahl durch die damit beauftragte Vorprüfung ­bekanntesten und profiliertesten Streiter für einen vor Ort besichtigt wurden, über die Vergabe des intensiven, offenen und kritischen Diskurs. Er betei- Gestaltungspreises und weiterer Prämierungen ligt sich selbst daran mit einem offensiven Bekennt- entschieden. Die ausgezeichneten Gebäude reali- nis zu dieser Architektur und Baukultur: „Das Wüstenrot Stiftung ‚schwierige‘ architektonische Erbe dieser für unser mit den beiden für den deutschen Beitrag verant- zukünftiges Selbstverständnis fundamentalen Epo- wortlichen Generalkommissaren Alex Lehnerer che des Wiederaufbaus einer erhofften besseren und Savvas Ciriacidis veranstaltet wurde.4 Welt in den drei Nachkriegsjahrzehnten ist nicht Neben der Frage des richtigen denkmalpflegeri- selten durch Experimentierfreude, Idealismus und schen Umgangs mit den herausragenden Zeugnis- eine bemerkenswerte Vielfalt geprägt, die es zum sen der Baukultur aus den Nachkriegsjahrzehnten ästhetischen, kultur- und sozialgeschichtlichen Ide- steht bei der Fülle und Bandbreite des gesamten enspeicher, zum lebendigen historischen Archiv Gebäudebestandes aus den 1950er bis 1970er Jah- und zu einer Ressource an Kreativität und charakte- ren in erster Linie die Aufgabe einer insgesamt ristischer Schönheit machen.“ (Seite 29) nachhaltigen Entwicklung im Vordergrund. Franz „Schwierig“ ist der Umgang mit der Architektur Dirtheuer hat die Aufgabe übernommen, zu diesem und der Baukultur der Nachkriegsjahrzehnte ohne komplexen, vielschichtigen Themenfeld einen sub- Zweifel bei vielen Gebäuden. Dies gilt auch und stanziellen Überblick zu geben. Dieser Überblick teilweise sogar in besonderem Maße für die Denk- reicht von den vielen Rahmenbedingungen über die malpflege. Für den denkmalpflegerischen Umgang unterschiedlichen, parallel zu berücksichtigenden ist die Nachkriegsarchitektur nicht selten eine ganz Kriterien und Strategiefelder der Nachhaltigkeit bis eigene, besondere Herausforderung, deren viel- zu den wichtigsten Kreisläufen und Zyklen der Ma- schichtige Facetten von Ingrid Scheurmann in terialien. Franz Dirtheuer überträgt diesen Fokus ihrem Beitrag aufgefächert werden. Sie spürt darin auf unterschiedliche Nutzungsformen, Gebäudety- den sich wiederholenden Zyklen eines der Ge- pen und städtebauliche Strukturen, bevor er an- schichte der Moderne inhärenten „Unbehagen am hand einer Reihe von anschaulichen Beispielen die Zeitgenössischen“ nach, „das dem Bauen von ges- Möglichkeiten einer Umsetzung in die Praxis veran- tern sowohl die fehlende Vertrautheit des Alten als schaulicht. Auch er bekennt sich offensiv zu den auch die mangelnde Innovationskraft des gerade Optionen, die aus dieser Substanz entwickelt wer- erst Entstehenden vorhält“. (Seite 33) Ein Teil der den können: „Die Weiterentwicklung des Gebäu- Herausforderung, die die Nachkriegsarchitektur für debestandes aus den 1950er bis 1970er Jahren an- die Denkmalpflege bereithält, besteht darin, dass zunehmen, ist eine große Chance.“ (Seite 75) 3 Wüstenrot Stiftung (Hg.): Leuchtturmprojekte in der Architektur und Stirling Lectures. Mit Beiträgen von Alan Berman, Mark Crinson, Peter Daners, Werner Durth, Georg Franck, Stefan Krämer, Arno Lederer, Robert Maxwell, Anthony Vidler, Gerd Weiß und Michael Wilford. Stuttgart 2014. 4 Wüstenrot Stiftung (Hg.): Vergegenwärtigung – Erinnerung | Inszenierung | Spekulation. Mit Beiträgen von Wolfgang Bachmann, Ursula Baus, Savvas Ciriacidis, Christian Holl, Stefan Krämer, Philip Kurz, Alex Lehnerer sowie einem Foto-Essay von Armin Linke. Ludwigsburg 2014. aus Sicht von Ingrid Scheurmann für die weitere Klärung von Fragen der Auswahl und der Bewertung seitens der Denkmalpflege zunächst auch eine Reflexion der eigenen theoretischen Prämissen er- Transfer aus der Vergangenheit in die Zukunft forderlich ist. Die von Ingrid Scheurmann angeführte, aktuell Im zweiten Kapitel wechselt die Perspektive, die beobachtbare Tendenz in der Denkmalpflege, aus den Beiträgen zugrunde liegt. An die Stelle der Re- den vielen Nachkriegsbauten vor allem die heraus- flexion über das fachliche und/oder kollektive Ver- ragenden, signifikanten Ikonen der Gestaltung oder hältnis zur Nachkriegsmoderne und über deren des Städtebaus auszuwählen, berührt auch Fragen, Wertschätzung tritt die Auseinandersetzung mit die in zwei anderen Projekten von der Wüstenrot konkreten Handlungsoptionen und Strategien für Stiftung behandelt wurden. Die Herausforderung, eine Überführung der Gebäude in neue Phasen die sogenannte Leuchtturmprojekte in der Archi- oder Zyklen ihrer Nutzung. Die Chancen, die dafür tektur für die Denkmalpflege bedeuten, wurde in bestehen, und die Perspektiven, die sich daraus einer Fachkonferenz thematisiert und dokumen- nicht nur für die Gebäude selbst ergeben, werden in tiert.3 Die Impulse, die von der Architektur an der vier Beiträgen behandelt. Sie fokussieren je einen Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft Typus der Nutzung, der Funktionalität oder der für eine Vergegenwärtigung der mit einem jünge- Struktur von Gebäuden, um daraus über die grund- ren baulichen Erbe verbundenen kollektiven Erfah- sätzlichen Aspekte hinaus spezifische Anforderun- rungen und Erinnerungen ausgehen, wurden in gen und Kriterien behandeln zu können. einem Symposium diskutiert, das im Kontext der 14. Bernd Jacobs eröffnet diese Perspektive mit sei- Architekturbiennale 2014 in Venedig gemeinsam ner Bestandsaufnahme des Wohnungsbaus von Einführung 9