Seminarexkursion „PROTOFORM“ des Instituts für Tragwerksentwurf (ITE) und des Instituts für Industriebau und Konstruktives Entwerfen (IIKE) der TU Braunschweig; Zeitraum: 25.04. - 28.04.2013 mit Besichtigungen in: Stuttgart, Zürich, Basel, Weil am Rhein, Mannheim Auf den Spuren der Schalenpioniere bis zu den Pionieren der robotergesteuerten Architektur Braunschweiger Studierende zu Besuch bei den Pionieren der Schalenarchitektur und Erkundung der modernen Schweizer Architekturszene. Gruppenfoto auf der Terrasse von Herrn Balz. (Foto: ITE) Tag eins – Donnerstag 25. April Bereits am frühen Morgen begab sich die Gruppe aus 18 Studierenden und 6 wissenschaftlichen Mitarbeitern auf eine fünfstündige Fahrt nach Leinfelden-Echterdingen (Stuttgart). Als erste Station der Exkursion erwartete sie sowohl ein organischer Wohnungsbau, als auch das „Theater unter den Kuppeln“. Bei strahlendem Sonnenschein wurde die Gruppe von dem Ingenieur und freien Architekten Michael Balz begrüßt und zu seinem Freilichttheater begleitet. Gemeinsam mit dem weltweit bedeutenden Schalenbauer Heinz Isler entwickelte er 1979 dieses nur auf Druck beanspruchte Schalentragwerk. Nach einer Besichtigung der Zuschauerplätze im Inneren der Stahlbetonkuppel konnte diese von der gegenüberliegenden Bühne aus betrachtet werden. Erst hier kamen die Dimensionen des 440m² Schalentragwerkes zur Geltung, dessen Abmessungen 22 x 28m betragen und das ca. 600 Sitzplätze umfasst. Herr Balz stellte vor Ort weitere Schalenkonstruktionen vor, welche heute u.a. als Ballett- und Theaterraum, Musical-Trainingsraum oder Studiotheater genutzt werden. Sehr viel Wert wurde bei der Planung auf eine möglichst gute Akustik gelegt. Als Demonstration für natürliche organische Wohnformen zeigte Herr Balz im Anschluss sein von ihm entworfenes und bewohntes Haus aus zusammengesetzten Halbkreisschalen. In seiner Werkstatt vermittelte er Einblicke in die Arbeitsweise eines Schalenbauers. Als Grundlage zur Formgebung brachte er das Prinzip des Hängeversuchs nahe, bei dem Ketten oder Stoff hängend an einem Holzbrett befestigt werden. Gewichte an Stoffmembranen (oder Ketten) führen zu einer individuellen Eigenform, wobei die Vielfalt an verschiedenen Designs unendlich groß ist. Das endgültige Hängegerüst wird anschließend zur Stabilisierung in eine Polyesterflüssigkeit eingetaucht. Nach dem Erhärten entsteht so eine einmalige Form, welche umgedreht unter Eigenlast eine reine druckbeanspruchte Konstruktion (Schale) mit geringer Momentenbeanspruchung darstellt, wie sie beispielsweise im Freilichttheater zu finden ist. Theater unter den Kuppeln (Foto: ITE) Bemerkenswert an dieser Herangehensweise zur Formfindung von Schalentragwerken ist, dass wenig Berechnungen zur Tragfähigkeit durchgeführt wurden. Heinz Isler führte lediglich Experimente an Kuppelbauwerken in kleinen Maßstäben durch und skalierte seine Ergebnisse dann auf das Schalentragwerk. Besonders ist, dass diese Skalierung vom kleinen Modell hin zum großen Bauwerk möglich ist. Nach Abschluss der Formfindung und Berechnungen konnte die halboffene Kuppel auf einem Ringfundament aus Beton errichtet werden. Die Unterkonstruktion aus Holz wurde mit Heraklith-Platten verkleidet und anschließend mit einer doppelten Lage Stahlmatten bewehrt. Schlussendlich wurde der Beton eingebracht und verdichtet. Herr Balz merkte an, dass der Aufwand zur Erstellung der Schalung enorm hoch sei und ca. 70% der Gesamtkosten beträgt. Das Theater wurde letztendlich mit einer Schalendicke von nur 8 cm im oberen und 15 cm im unteren Randbereich, sowie einer 5 mm Stahldeckung realisiert. Ballettsaal (Foto: ITE) Wohnhaus Fam. Balz (Foto: J.Starke) Wohnzimmer Fam. Balz (Foto: J.Starke) Wohnzimmer Fam. Balz (Foto: ITE) Im Anschluss fand eine Führung durch den Wohnraum der Familie Balz statt. Der Wohnbereich besteht ausschließlich aus Rundungen. Hierbei ist zu beachten, dass beispielsweise die Möblierung erschwert wird. Praktische Ideen und individuelle Lösungen begegnen diesem Problem jedoch. Werkstatt und Büro mit Modellversuchen (Foto: ITE) Naturtheater in Grötzingen (Foto: ITE) Das Naturtheater in Grötzingen, welches sich in einer Entfernung von etwa 20 Kilometern befindet, ist ein weiterer Anlaufpunkt der Exkursion. Es handelt sich bei dem Bauwerk um eine 5-punkt- gestützte Schale von Heinz Isler und Michael Balz. Die Herstellung und der Formfindungsprozess sind an das „Theater unter den Kuppeln“ angelehnt. Unter dieser 650m² Kuppel mit den Abmessungen von 42 x 27m, finden bis zu 900 Zuschauern Platz. Es handelt sich um eine 10 cm dicke, unbehandelte Betonschale, welche die hohe Lasten abträgt. Bemerkenswert ist, dass das Betontragwerk trotz geringer Betonüberdeckung frei von Rissen und sonstigen Beschädigungen ist. Naturtheater in Grötzingen (Foto: ITE) Naturtheater in Grötzingen (Foto: J.Starke) Das Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) in Stuttgart war ein weiterer Teil der Exkursion. Das ILEK ist eine Vereinigung der Lehrstühle Leichtbau und Massivbau, bei dem Architekten und Ingenieure interdisziplinär an neuen Forschungsprojekten arbeiten. Die Aufmerksamkeit der Studierenden wurde hier auf ein 4 cm dickes, adaptives Schalenwerk „SmartShell“ aus Holz gelenkt. Bei dem Bauwerk sind drei von vier Auflagern der Schale horizontal und vertikal verschieblich und können durch hydraulische Steuermotoren verschiedene Belastungszustände darstellen (zum Beispiel die Bemessungslastfälle Wind und Schnee). Das Schalenwerk wurde in Kooperation mit den Fachbereichen (Informatik, Maschinenbau) entwickelt. Ca. 8000 m verleimte Leisten, mit einer variablen Breite zwischen 50 mm (mittig) und 16 mm an den Auflagern, bilden ein reines Holztragwerk in Schalenform. Unter bauphysikalischen Aspekten ist die Akustik des Bauwerks von Interesse: Eine Schallquelle in Schalenmitte wird akustisch verstärkt, am Schalenrand ist die Schalldämmung hingegen sehr hoch. Es folgte ein Schwingversuch, wobei der Unterschied zwischen der Dämpfung mit und ohne adaptive Auflager aufgezeigt wurde. Es war erkennbar, dass die Schwingung der Schale bei Aktivierung der adaptiven Auflager wesentlich schneller abgedämpft wurde als ohne. Bei dem „Smart Shell“ Schalentragwerk handelt es sich um ein Forschungsprojekt der Universität Stuttgart, eine Umsetzung als Tragwerk ist bisher nicht angedacht. Adaptive Schale (Foto: ITE) Adaptive Schale „SmartShell“ (Foto: ITE) Besichtigung der ILEK Forschungsprojekte (Foto: J.Starke) Bei der anschließenden Institutsführung durch das ILEK wurde ein Einblick in eine Auswahl interessanter Forschungsprojekte, Seminare und Workshops des Instituts gewährt. Hierzu gehören beispielsweise der Bau von Möbelstücken aus ultrahochfestem Beton, Bauen mit Seilen und Glas, Membrankonstruktionen sowie Arbeiten mit Textilbeton. Zum Tagesabschluss wurde spontan der Rheinfall Teil der Exkursion, bevor schlussendlich das Ziel Zürich erreicht wurde. Institutsführung ILEK (Foto: ITE) Der kleine Forschungsroboter mit Kettenantieb (Foto: ITE) Tag zwei – Freitag 26. April Die Überdachung des örtlichen Busterminals in Wädenswil bildete den Beginn des zweiten Exkursionstages. Das Büro o.s.d von Prof. Kloft in Frankfurt hat den Wettbewerb gemeinsam mit dem Berliner Architekturbüro ‚Hausmarke’ für sich entscheiden können und realisierte das Projekt im Jahr 2012. Ausgewählte konstruktive Details sowie der Entwurfsgedanke wurden von Prof. Kloft erläutert: Die Überdachung stellt eine schwebende Wolke dar, die über den Bussen dahingleitet. Nach kurzem Besuch des Zürichsees wurde die Exkursion in Richtung ETH Campus fortgesetzt. Hier stand die experimentelle Grundlagenforschung des Schweizer Research Institute im Vordergrund. Der ETH Campus bestach durch die Wertigkeit der Baustruktur und der Vielseitigkeit des Campuslebens. Im Anschluss an den Campusbesuch hieß Dr. Jan Willmann, der administrative Leiter des Institutes Gramazio & Kohler, Architecture and Digital Fabrication die Gruppe an der ETH willkommen. Einführungsvortrag in die Forschungsschwerpunkte (J. Starke) Teilausschnitt der Wand ‚Structural Oscillations’ die vom R-O-B Roboter errichtet wurde (Foto: J.Starke) Eine Besichtigung der örtlichen ‚Zeichensäle’ und weitere Erläuterungen verschafften einen Überblick über die aktuellen Forschungsschwerpunkte des Institutes. Ein Schwerpunkt des Instituts liegt in der Untersuchung der Auswirkungen der sich verändernden Produktionsbedingungen auf die Architektur. Das besondere Interesse gilt dabei der „Verzahnung von Daten und Material und der sich daraus ergebenden Implikationen für den architektonischen Entwurf. Am Computer beschriebene und direkt maschinell gefertigte Bauteile erweitern nicht nur das konstruktive Spektrum, sondern begründen durch den unmittelbaren Einbezug der Material- und Fabrikationslogiken in den Entwurfsprozess einen eigenen architektonischen Ausdruck und eine neue Ästhetik“ ,erklärte J. Willmann. Das Institut ist primär eine Forschungseinrichtung, die nur sehr limitiert in der Lehre tätig ist. Im Bereich der Forschung besteht ein enger Kontakt zur Industrie, die sowohl technische als auch finanzielle Unterstützung leistet. So konnten in den vergangenen Jahren 70-80% des Etats des Institutes durch Drittmittel aufgebracht werden. Im Fokus des Institutes stehen immer high-risk-Projekte. Alle weiteren Projekte werden in einer dem Institut ausgegliederten Spin-Off-Gesellschaft bearbeitet. Das bekannteste Forschungsprojekt ist “Structural Oscillations“, das auf der 11. Biennale in Venedig ausgestellt wurde. Beim heutigen Stand der Forschung kann die mobile Roboteranlage R-O-B ein 100 m langes, raumbildendes Exponat aus parametrisch gestapelten Ziegelstein erstellen, welches mit der räumlichen Konfiguration direkt in Beziehung zu den anderen Ausstellungsstücken steht. Einen Ausschnitt war auf dem Rundgang durch die Versuchshalle zu besichtigen. Bei dem heutigen Stand der Forschung ist es möglich, dass der Roboter nicht nur einzelne, absolut gleichgroße Ziegelsteine stapeln kann, sondern auch aus einem Pool von mehreren unterschiedlichen Steinen denjenigen mit der richtigen Größe raussuchen und verarbeiten kann, um einen gleichmäßigen Wandaufbau zu gewährleisten. In Zukunft wird der Roboter dank eines mobilen Betonmischwerkes eine Mörtelschicht als Ausgleich auf die Ziegel aufbringen können. Dreidimensionale Struktur (Foto: ITE) Gemorphte Strukturen (Foto: J.Starke) Automatik zur Flächengenerierung (Foto: J.Starke) Fertige Wachsschalung im 1:1 Modell (Foto: J.Starke) Deswegen wird an einem kleinen Roboter mit Kettenantrieb geforscht, der samt allen Anbauten nicht größer sein darf als bspw. eine Türöffnung in der Wand. Ein weiteres Projekt des Institutes, welches Herr Willmann vorgestellt hat, ist ‚Flight Assembled Architecture’. Hier werden ‚nur Steine gestapelt’, jedoch funktioniert dies 100-%ig automatisiert mit Hilfe von kleinen, fliegenden „Quadrocoptern“. Diese nehmen die (Styrodur-)Steine auf und fügen sie zu komplexen architektonischen Gebilden zusammen. Ein mögliches Anwendungsbeispiel ist der revolutionierte Hochhausbau, der mit diesem Verfahren zukuenftig moderne Visionen von modularen, vertikalen Städten ermöglichen soll. Das Forschungsprojekt „Smart Dynamic Casting“ untersucht, wie geometrisch differenzierte Betonelemente aus erdfeuchtem, plastisch formbarem Beton digital hergestellt werden können. Hierbei ist es das Ziel, freigeformte Betonstützen effizient herzustellen, um zugleich die konstruktive und ästhetische Leistungsfähigkeit im Betonbau weiter zu erhöhen. Hierzu wird Beton in ein verformbares Metallrohr eingebracht, das im Moment der Hyd- ratation des Betons nach oben weitergezogen wird. Durch Verdrehen oder anderweitiges Verformen des Rohres entstehen z.B. freie Stützenformen. Hier ist die Echtzeitmessung, bzw. genaue Kenntnisse über den Aushärtungsgrad des Betons von besonderer Bedeutung. Zum Abschluss dieser Institutsbesichtigung wurde der gefräste Schallabsorber der vergangenen Jahre vorgestellt. Anschließend folgte die Institutsbesichtigung des CAAD - Computer Aided Architectural Design von Prof. Hovestadt. Schwerpunktmäßig werden derzeit Methoden des Post-Digitalen Zeitalters erforscht und mit digitalen Prozessen weiterentwickelt. Mit Hilfe des Rapid Prototyping werden die Prozesse bis zur Produktion von 1:1 Prototypen getrieben. Hierbei werden teilweise Technologien auf unkonventionelle Art und Weise miteinander kombiniert, um zum Ziel zu gelangen. Die Dreiecke zeigen z.B. ein eigens entwickeltes und produziertes Material, welches bei Temperatureinfluss seine Farbgebung variiert. Im Versuch wird diese vollautomatisch gesteuert, um so z.B. Anwendungen im Fassadenbereich zu entwickeln. Die letzte Besichtigung an diesem Tag fand im CAAD Institusbesichtigung mit diversen Modellen (Foto: J.Starke) Die letzte Besichtigung des Tages fand im BLOCK Researcher and Lab Cubes statt, der ebenfalls in der Werkhalle der Bauingenieure der ETH steht. Hier beschäftigen sich die Doktoranden mit der digitalen Formfindung für Schalenkonstruktionen. So werden beispielsweise physische Modelle erzeugt, bei denen jeder einzelne Stein eine spezifische Form besitzt und daher nur an einer bestimmten Stelle in der Schale sitzen kann. Für diese werden in Versuchen die Lasten ermittelt und Auflagerbedingungen verändert. Derzeit entsteht eine Schale in Texas, die aus einzelnen Natursteinblöcken zusammengesetzt ist und somit mehrere Meter dick sein wird. Eine permanente Weiterentwicklung der Schneidtechnik in dieser Größenordnung findet statt. Angetrieben von der Begeisterung über die Tragfähigkeit gotischer Sakralbauten entwickelt das Team des BLOCK einfache druckbeanspruchte Schalentragwerke, die z.B. in Entwicklungsländern schnell, kostengünstig und mit regionalen Baumaterialien realisiert werden. Viele Formfindungsprozesse münden an der ETH in einem realisierten Prototypen. Studenten, die einen der begrenzten Seminarplätze am Institut erhalten, müssen bereits eine Programmiersprache beherrschen. Im Anschluss an den Rundgang hielt Prof. Block einen Vortrag für die Braunschweiger Studenten, bei dem er aktuelle Projekte vorstellte. Erwähnenswert sind insbesondere die Versuche Dachkonstruktionen aus Schalen herzustellen. Durch ihre hohe Tragfähigkeit und der geringen Dicke könnte beispielsweise im Hochhausbau deutlich kosten- und materialreduzierter gebaut werden. Das Modell ist eine ausschließlich druckbeanspruchte Schalenkonstruktion, die lediglich aus den Tragrippen besteht und von einem umlaufenden Zugband gehalten wird. In einem Video wurde demonstriert, wie die gestapelte Konstruktion zusammenstürzt, wenn das Zugband durchtrennt wird. BLOCK Research Lab (Foto: ITE) Prof. Block während der Vorlesung (Foto: ITE) Vault Modell (Foto: J.Starke) Original Modell von H. Isler (Foto: ITE) Mehrfachschale als Tennishalle (Foto: ITE) Tag drei – Samstag 27. April Der nächste Anlaufpunkt war die Tennishalle ( sechs nebeneinander angeordnete Isler-Schale) in Grenchen. Der Architekt der Halle - Hans Peter Gutknecht – gab zunächst eine Einführung in die verwendete Bauweise. Diese Halle wurde in gleicher Bauweise wie das „Theater unter den Kuppeln“ als auch das Naturtheater erbaut. Bis 1979 bestand die Halle aus drei Schalen, anschließend wurden zwei weitere angebaut. Die Schalung ist im Eigentum des Original Modell von H. Isler (Foto: ITE) Tennisclubs und wurde für die hinzugefügten Schalen wieder verwendet. Die Form der Schalung soll die Flugbahn des Balls beim Tennis implizieren. Um den Dopplereffekt beim Aufprall des Balles zu reduzieren, wurden zusätzlich Holzpfosten und eine poröse Haut aus Heraklith an den geraden Wänden montiert. Die Halle wird im Sommer über große Tore an den Stirnseiten belüftet. Dieses Bauwerk spiegelt die Variabilität der Form einer Schale wider. Anschließend war das Garten-Center Wyss in Zuchwill Teil des Programms. Auch hier hat Heinz Isler eine vierpunkt-gestützte Schale errichtet. Im Unterschied zu den zuvor besichtigten Schalen ist diese mit einem weißen Farbanstrich versehen, sodass wir die Betonoberfläche nicht begutachten konnten. Zum Abschluss wurde die Raststätte in Deitingen Süd besichtigt, wobei auch dieses Bauwerk vom Ingenieur Isler geschaffen wurde. 3 Tage 3 Länder Der kommende Tag beinhaltete einen ausgiebigen Besuch der Baseler Innenstadt sowie ein Abendessen mit elsässischer Küche und anschließender Übernachtung im französischen Mulhouse. Bei der Fahrt lieber Helme auf! (Foto: ITE) Fassadenbewunderung an der Produktionshalle von SANAA (Foto: J.Starke) Tag vier – Sonntag 28. April In Weil am Rhein wurde der Besuch des Vitra Design Museums vorgesehen. Auf dem Vitra-Betriebsgelände vereint die Familie Fehlbaum seit 1980 eine Sammlung von Bauwerken bedeutender zeitgenössischer Architekten. Der Rundgang startete an dem heutigen Hauptgebäude des Museums, einem Frank Gehry Bau von 1989. Dieser entwarf das Gebäude zusammen mit dem Pförtnerhaus und der angrenzenden Produktionshalle als ein Ensemble. Während Gehrys frühere Bauten noch mit der bildbetonten Sprache der Postmoderne verbunden waren, beschränkte sich der Architekt beim Vitra Design Museum auf eine weiß verputzte Fassade, ein Zinkdach, sowie eine Kubatur aus einfachen, geometrischen Grundformen. Aus diesen klassischen Elementen schuf er eine dynamische Skulptur, bei der die einzelnen Baukörper zu zersplittern und in Bewegung zu geraten scheinen. Dieses Ensemble sind die ersten Bauten Gehrys in Europa. Heute zeigt das Museum auf ca. 700m² Wechselausstellungen in den Bereichen Architektur und Design. Weiter ging es zu einem der ältesten ‚Exponate’ auf dem Gelände, einem Kuppel-Pavillon von Buckminster Fuller aus dem Jahr 1975, der ursprünglich in Detroit/USA eingesetzt wurde und von Fehlbaum im Jahr 2000 erworben wurde. Seitdem wird er für firmeninterne Events auf dem Vitra Campus als Veranstaltungspavillon genutzt. Das Tragwerk mit seinen charakteristisch ausgebildeten Knoten befin- det sich noch im ursprünglichen Zustand, lediglich die auf Zug beanspruchte Folie musste ersetzt werden. Die Besonderheiten dieses Bauwerkes liegen im geringen Gewicht und der schnellen, modularen Aufbauweise, insbesondere in Krisengebieten. Hier finden sich ebenso, wie bei den besichtigten Schalenkonstruktionen der Vortage, das Phänomen des Flatterschalls. Aus diesem Grunde ist der Raum für musikalische Darbietungen nur bedingt geeignet. Danach wurde ein kleines Gebäude besichtigt, wobei es sich um eine Tankstelle von Jean Prouvé (1953/ seit 2003 auf dem Campus) handelt, die in Segmentbauweise innerhalb von zwei Tagen von zwei Personen aufgebaut werden kann. Das Gebäude besteht aus winkelförmigen Aluminiumelementen mit von Bullaugen durchbrochenen Blechen. Tragwerk und Wandaufbau sind deutlich – auch farblich – voneinander getrennt . Damit ist dieser Bau typisch für die Gestaltungsprinzipien, die auch Prouvés anderen Möbeln und Bauten zu Grunde liegen und mit denen er viele Aspekte heutiger High-TechArchitektur vorwegnahm. Heute sind weltweit von diesem Original-Typus schätzungsweise drei im Bestand erhalten. Der Rundgang führte an der Produktionshalle von Alvaro Siza vorbei, der mit seiner Fassade aus Klinkersteinen eines der ursprünglichen Materialien des Firmensitzes wieder aufnimmt. Ein markantes Element des Gebäudes ist die geschwungene Brückendachkonstruktion, die die Halle mit dem benach- barten Gebäude von Nicholas Grimshaw verbindet. Sie lässt sich nur so weit nach oben ziehen, dass der Blick vom Eingang des Vitra Campus auf das Feuerwehrhaus von Zaha Hadid nicht beeinträchtigt wird. Bei Regen senkt sich die Brücke automatisch ab, um eine witterungsgeschützte Passage zum GrimshawBau zu gewährleisten. Nachdem ein Großbrand 1981 weite Teile des Firmenareals zerstörte und einen Neuaufbau des Firmengeländes forderte, richtete Vitra eine Werksfeuerwehr ein. Die Gestaltung des Feuerwehrhauses übertrug man der aus dem Irak stammenden Architektin Zaha Hadid. Sie entwarf ein Gebäude, das aus einer großen Halle für mehrere Feuerwehrautos sowie einem weiteren Trakt mit Umkleideräumen, Duschen sowie Gemeinschaftsräumen besteht. Die spitzwinkligen, skulpturalen Formen des Feuerwehrhauses wurden in aufwändiger Schalenbauweise direkt vor Ort gegossen. Sie bilden einen starken Kontrast zur rechtwinkligen Ordnung der benachbarten Produktionshallen. Das Vitra Feuerwehrhaus war das erste Gesamtbauwerk von Zaha Hadid und gilt heute – ebenso wie Frank Gehrys Bau für das Vitra Design Museum – als Schlüsselwerk für den sogenannten Dekonstruktivismus, aber auch für die Architektur des späten 20. Jahrhunderts. Heute wird das Gebäude für Ausstellungen und Sonderveranstaltungen genutzt. Die vom japanischen Architekturbüro SANAA entworfene Produktionshalle wurde 2012 fertiggestellt und ist somit das jüngste Gebäude des Campus. Das Gebäude erhebt sich über einem frei gerundeten, nahezu kreisförmigen Grundriss und besteht aus zwei halbrunden Betonschalen, die miteinander verbunden sind. Diese ovale Form optimiert logistische Abläufe, indem sie LKW genügend Zirkulationsfläche bietet. Die Hälfte der Halle ist unterkellert, hier steht Mitarbeitern eine Tiefgarage mit 240 Parkplätzen zur Verfügung. Da auf künstliches Licht verzichtet werden sollte, wurden an der Hallendecke mehrere Oberlichter installiert, die viel Tageslicht einlassen. Eine weiße Vorhangfassade aus gewellten Acryl-Paneelen verleiht dem Äußeren des Gebäudes eine fließende Form. Dadurch wirkt die Halle – die größer als alle anderen Produktionsgebäude auf dem Gelände ist – leicht, nahezu schwebend. Wie in anderen Werken von SANAA in Europa, etwa Vitra Designmuseum von Frank Gehry (Foto: J.Starke) Architekturführung bei Vitra (Foto: J.Starke) dem Rolex Learning Center an der EPFL Lausanne oder dem Neubau für das Louvre-Museum in Lens, stehen auch bei diesem Bau Leere und Leichtigkeit im Mittelpunkt. Dieser Eindruck wird unterstützt durch eine immateriell wirkende Fassade und die wenigen, mit fast chirurgischer Präzision gesetzten Fassadenöffnungen. Auf dem ist das Interesse der Gruppe an der Fassade deutlich zu sehen. Der Abschluss der Führung bildete das erste Gebäude von Tadao Ando, welches er außerhalb Japans errichtete und heute auf dem Campus als Konferenzpavillon dient. Das Zentrum dieses Gebäudes bildet ein abgesenkter Innenhof, der die Umgebung auszublenden scheint und dem Gebäude eine Ruhe und Intimität verleiht. Von dort aus erreicht man über schmale Korridore und Rampen die verschiedenen Konferenzräume. Der behandelte Sichtbeton und die Holzoberflächen unterstützen die Ruhe und Konzentration, die dieser Bau ausstrahlt. Im Abschluss gab es die Möglichkeit, die aktuelle Luis Kahn Ausstellung im Vitra Design Museum und/ oder das Vitra Haus (von Herzog & de Meuron) mit der gesamten Vitra-Produktpallette anzusehen. Die letzte Station der viertägigen Reise führte nach Mannheim mit seiner berühmten Multihalle. Der Vorsitzende der Herzogenriedparks Joachim Költzsch gab eine Führung durch die einsturzgefährdeten Bereiche der Kuppelanlage [siehe Foto – fehlt]. Im Jahr 1975 wurde die Halle für eine Bundesgartenshow von Frei Otto errichtet. Das Gebäude ist als Gitterschale ausgeführt und besteht aus einzelnen 5 x 5 cm Holzlatten, die jeweils im Abstand von 50 cm ein Raster in der Konstruktionsebene bilden. So wird eine Fläche von ca. 7.400m² überspannt. Die Gesamtabmessungen betragen bis zu 20 m in der Höhe, einer Länge von 160 m und einer Breite von 115m. Die Membrankonstruktion gliedert das Gebäude in einige überdachte Vorbereiche, sowie eine nicht freizugängliche Kuppel, die als Veranstaltungsfläche für Ausstellungen, Vorführungen oder Märkte dient. Im Jahre 1981 wurde im Rahmen einer Sanierung die äußere Folie erneuert. Hierbei ist diese in den unteren Bereichen, an denen die Folie an die Zugbalken der Konstruktion anschließt, nicht fachgerecht ausgeführt worden. In diesem Bereich bilden sich Hinterwerfungen, in denen sich anfallendes Regenwasser sammelt. Dies hat ein Durchfeuchten der Holzträger und somit ein zu befürchtendes Multihalle Mannheim (Foto: ITE) Materialversagen zur Folge. Die erste, bereits eingeleitete Gegenmaßnahme ist eine Abfangung der Zugbalken. Im Inneren der großen Kuppel befindet sich zusätzlich ein Kontrollgerüst, über welches die Durchbiegung der Kuppel dokumentiert und kontrolliert werden soll. Die Stadt Mannheim ist derzeit bereit, 4 – 4,5 Millionen Euro für die Sanierung aufzubringen. Da jegliche Berechnungen für diese Konstruktion fehlen, müssen diese zunächst erbracht werden um eine möglichst genaue Planungssicherheit zu gewährleisten. Als problematisch ist nicht die eigentliche Sanierung der Anlage, sondern die Schadensursache zu erachten. Zukünftig sollen alterantive Nachnutzungsmöglichkeiten der Multihalle untersucht werden, um das Bauwerk zu erhalten. Wir bedanken uns im Namen aller studentischen Exkursionsteilnehmer bei den Organisatoren und allen, die diese Reise ermöglicht haben. Sina Schliestedt, Jonas Starke ITE Exursion SS 2013