214 5 Die Bewegungsgleichungen starrer Körper an (keine Summation über i)7 , da die Hauptträgheitsmomente natürlich zeitunabhängig sind. Ausgeschrieben lauten die drei Gleichungen . I1 ω 1 − ω2 ω3 (I2 − I3 ) = N1 , . I2 ω 2 − ω3 ω1 (I3 − I1 ) = N2 , . I3 ω 3 − ω1 ω2 (I1 − I2 ) = N3 . (5.390 ) Die Gln. (5.39) oder (5.390 ) sind die Eulerschen Bewegungsgleichungen für die Drehung eines starren Körpers um einen festgehaltenen Punkt. Sie können auch aus den Lagrangeschen Gleichungen in der Form Gl. (1.53) hergeleitet werden, wobei die verallgemeinerten Kräfte Qj die Drehmomente Nj entsprechend den Eulerschen Winkeln sind. Allerdings liegt nur für einen Euler-Winkel das zugehörige Drehmoment entlang einer Achse des körperfesten Koordinatensystems, sodass die beiden verbleibenden Eulerschen Gleichungen durch zyklische Vertauschung der Indices erhalten werden müssen (vgl. Aufgabe 4). Wir wollen kurz den Fall I1 = I2 6= I3 betrachten. Ein Drehmoment mit den Komponenten N1 oder N2 wird sowohl ω1 als auch ω2 verändern, aber ω3 unverändert lassen. Wir werden auf diesen Punkt in Abschnitt 5.7 zurück kommen, wenn wir einen schweren symmetrischen Kreisel betrachten, von dem ein Punkt festgehalten wird. Zuerst wollen wir jedoch die Bewegung eines starren Körpers in Abwesenheit von Drehmomenten betrachten. 5.6 Die Bewegung starrer Körper in Abwesenheit von Drehmomenten Eine Aufgabenstellung in der Dynamik starrer Körper, auf die die Eulerschen Gleichungen anwendbar sind, ist die Bewegung eines starren Körpers in Abwesenheit äußerer Kräften oder Drehmomente. Der Schwerpunkt ist dann entweder in Ruhe oder bewegt sich gleichförmig, und es bedeutet dann keine Einschränkung der Allgemeinheit, wenn wir die Rotationsbewegung in einem Koordinatensystem diskutieren, in dem der Schwerpunkt ruht. Der Drehimpuls entsteht dann nur aufgrund der Rotation um den Schwerpunkt, und die Eulerschen Gleichungen sind die Bewegungsgleichungen für das komplette System. In Abwesenheit äußerer Drehmomente reduzieren sich diese auf . I1 ω 1 = ω2 ω3 (I2 − I3 ) , . I2 ω 2 = ω3 ω1 (I3 − I1 ) , . I3 ω 3 = ω1 ω2 (I1 − I2 ) . (5.40) Dieselben Gleichungen beschreiben natürlich auch die Bewegung eines starren Körpers, wenn ein Punkt festgehalten wird und keine äußeren Drehmomente wirken. 7) Es dürfte offensichtlich sein, dass Gl. (5.39) die i-te Komponente einer Vektorgleichung beschreibt und daher keine Summation über i erfolgen darf, obwohl die Summation über die wiederholten Indices j und k wie üblich impliziert ist. 5.6 Die Bewegung starrer Körper in Abwesenheit von Drehmomenten Wir können sofort zwei Integrale der Bewegung angeben, denn sowohl die kinetische Energie als auch der Gesamtdrehimpuls müssen zeitlich konstant sein. Mit diesen zwei Integralen können wir Gl. (5.40) mithilfe elliptischer Funktionen vollständig integrieren; dieses Verfahren hilft unserem Verständnis aber nicht weiter. Interessanter ist eine elegante geometrische Beschreibung der Bewegung, die als Poinsotsche Konstruktion bekannt ist und für die keine vollständige Lösung des Problems erforderlich ist. Dazu betrachten wir ein Koordinatensystem, das entlang der Hauptachsen des Körpers orientiert ist, dessen Achsen jedoch proportional zu den Komponenten des in Gl. (5.33) definierten Vektors ρ um die momentane Drehachse sind. Es ist hierzu praktisch, Gl. (5.17) für die kinetische Energie zu verwenden (die hier konstant ist) und die Definition von ρ in der Form ρ= ω ω √ =√ ω I 2T (5.41) zu schreiben. In diesem ρ -Raum definieren wir eine Funktion F (ρ) = ρ . I . ρ = ρ2i Ii , (5.42) sodass die Flächen mit konstantem F Ellipsoide sind und speziell die Fläche F = 1 das Trägheitsellipsoid beschreibt. Wenn sich die Richtung der Drehachse im Lauf der Zeit ändert, bewegt sich auch der zu ihr parallele Vektor ρ entsprechend, wobei seine Spitze stets auf dem Trägheitsellipsoid bleibt. Der Gradient von F an diesem Punkt liefert die Richtung der Normalen des Trägheitsellipsoids. Aus Gl. (5.42) für F (ρ) wissen wir, dass der Gradient von F bezüglich ρ die Form 2I . ω ∇ρ F = 2I . ρ = √ 2T oder r ∇ρ F = 2 L T (5.43) besitzt. Demnach bewegt sich der Vektor ω immer so, dass die Normale des Trägheitsellipsoids in Richtung des Drehimpulses zeigt. In dem speziellen hier betrachteten Fall ist die Richtung von L im Raum konstant, folglich muss sich das Trägheitsellipsoid (das relativ zum Körper ruht) im Raum bewegen, damit die Beziehung zwischen ω und L erfüllt ist (vgl. Abb. 5.4). Wir können auch zeigen, dass der Abstand zwischen dem Mittelpunkt des Ellipsoids und der Tangentialebene im Punkt ρ ebenfalls konstant sein muss. Dieser Abstand ist gleich der Projektion von ρ auf L , die durch ρ .L ω .L = √ L L 2T 215