Projektmanagement Prinzipien und Methodik – eine Zusammenfassung Gertrud Germann, ONION Organisationsberatung Baden Urs Witschi, DRIFT Consulting GmbH Baden Seite 1 Grundlagen Projekte lassen sich definieren als Vorhaben, die sich durch folgende Merkmale von den normalen Aufgaben einer Organisation unterscheiden: • Sie sind einmalig, zeitlich begrenzt und zielgerichtet. • Sie bearbeiten neue, nicht alltägliche Fragestellungen und sind daher mit einem gewissen Risiko verbunden. • Sie sind oft komplex und interdisziplinär. • Sie beanspruchen aussergewöhnliche Ressourcen an Zeit, Kosten, evtl. Know-how Es lassen sich, je nach Grösse, Inhalt, Komplexität und Neuartigkeit der Fragestellung verschiedene Projektarten unterscheiden: • Standardprojekte Projekte mit einer klaren, eindeutigen Aufgabenstellung mit bekannten und voraussehbaren Wirkungszusammenhängen. Vorwiegend sachbezogene Aufgaben mit kleiner sozialer Dynamik. • Potenzialprojekte Projekte mit einer neuartigen und offenen Aufgabenstellung, mit vielen verschiedenen Möglichkeiten bezüglich Problemlösung und Vorgehensweise. Vorwiegend sachbezogene Aufgaben, die sozial wenig vernetzt sind bzw. Vernetzung erfordern. • Wiederhol-, Akzeptanzprojekte Projekte mit einer relativ klaren Aufgabenstellung, die aber vielfältige soziale Vernetzung erfordern und daher eine Dynamik auslösen (können), die komplex und nur beschränkt voraussehbar ist. • Pionierprojekte Projekte mit neuartiger und offener Aufgabenstellung, die zudem nur im Zusammenwirken verschiedener Fachkompetenzen und sozialer Gruppen und Kulturen gelöst werden können. Projektverlauf und inhaltliche Lösungen sind nur sehr beschränkt voraussehbar, sie sind mit einem grossen und vielfältigen Risiko verbunden. Um das Risiko, das mit Projektvorhaben verbunden ist, zu beschränken und gleichzeitig gute und neue Lösungen zu ermöglichen, gelten für das Projektmanagement einige grundlegende Prinzipien: • «Vom Groben ins Detail» Am Anfang eines Projektes soll das Betrachtungsfeld möglichst weit gefasst und danach schrittweise eingeengt werden • Denken in Alternativen und Optionen Es ist nützlich und sinnvoll, in allen Phasen des Projektes in Varianten zu denken und zu arbeiten, sowohl bezüglich Vorgehen als auch bezüglich Lösungen. • Etappenweises Vorgehen Überschaubare und vordefinierte Etappen mit Marschhalten, die bewusste Entscheide fordern und Korrekturen ermöglichen, helfen dabei, das Projektrisiko zu vermindern. Im Allgemeinen fallen die grossen Kosten eines Projektes erst mit dessen konkreter Realisierung an, wohlüberlegte und klare Entscheide vermeiden unnötige Kosten für vorschnelle Umsetzungen. Seite 2 Projektabwicklung Ein Projekt wird in Phasen abgewickelt. Diese haben den Zweck, den Werdegang einer Lösung in überschaubare Teiletappen zu gliedern und so das Projekt stufenweise vom Groben ins Detail zu konkretisieren und die Risiken zu minimieren. Zwischen den Phasen liegen die Meilensteine. Dies sind Marschhalte, an denen entschieden wird, ob und wie weitergearbeitet werden soll. Eine idealtypische Phasengliederung ist die folgende: • Anstoss / Projektdefinition Aufgleisen des Projektes, Formulierung des Projektauftrags resp. der Projektvereinbarung • Vorprojekt Situationsanalyse und Zielformulierung, Machbarkeits- und Lösungsüberlegungen, Planung des weiteren Vorgehens • Hauptprojekt Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes • Detailprojekt Erarbeiten realisierungsreifer Lösungen, evtl. Prototyp oder Pilotanlage, Schulungs- und Einführungskonzept, evtl. Unterhaltsorganisation • Realisierung / Systembau Systemerstellung, Test, Abnahme • Systemeinführung Schulung und Instruktion, Installieren Unterhaltsorganisation • Abschluss Auflösung Projektorganisation, Projektdokumentation, Übergabe aller Unterlagen an Benutzende Die einzelnen Phasen können, je nach Projekt, auch weiter differenziert bzw. zusammengefasst werden; zusammengefasst werden häufig Haupt- und Detailprojekt sowie die Realisierungsund Einführungsphase. Ein Projekt wird vorteilhaft mit einem Projektauftrag resp. mit einer Projektvereinbarung zwischen Auftraggeber und Projektleitung eingeleitet. Dies ermöglicht ein gemeinsames Projektverständnis und schafft Verbindlichkeit. Die Projektvereinbarung kann phasenweise oder für das ganze Projekt (mit Freigaben bei den Meilensteinen) erstellt werden. Wesentliche Punkte der Projektvereinbarung sind: • Ausgangslage: Wie kommt es zum Auftrag? Was ist das Problem? • Zielsetzung: Was soll in welcher Qualität erreicht werden? Welcher Nutzen kann erwartet werden? • Vorgehen: Welches sind wichtige Meilensteine und Termine, welche Resultate werden erwartet, welche Vorgehensmethoden sollen gewählt werden? Welche Informations- und Berichtspolitik gilt? • Ressourcen: Welche personellen und finanziellen Mittel stehen zur Verfügung? • Evtl. weitere Angaben zu Projektorganisation, Kompetenzen und Verantwortungen, Projektprioritäten usw. Die Formulierung der Projektvereinbarung ist anspruchsvoll; diese wird deshalb oft in einer speziellen Projektdefinitionsphase erstellt. Seite 3 Der Projekt-Kick-Off ist der offizielle Start des Projektes mit dem Projektteam. Er hat zum Ziel, eine gemeinsame Projektbasis zu schaffen und das Team arbeitsfähig zu machen. Der Projektstart hat auf 3 Ebenen zu erfolgen: • Inhaltliche Ebene Aufgaben und Problemstellung klären, Zielsetzung abstimmen, mögliche Lösungswege diskutieren, Vorkenntnisse und Erfahrungen erfragen • Organisatorische Ebene Arbeitsform vereinbaren, Rollen, Funktionen, Verantwortungen und Kompetenzen definieren und festlegen, Aufwände klären, Termine absprechen, Projektkontrolle einrichten • Beziehungsebene Einander kennen lernen, Erwartungen und Interessen am Projekt austauschen, Vertrauen aufbauen, Spielregeln vereinbaren Um ein Projekt für die Planung überschaubar zu machen, wird es in seine Projektteile bzw. Arbeitspakete strukturiert. Der Projektstrukturplan ermöglicht es, die einzelnen Elemente in einen zeitlichen Ablauf zu bringen und an verschiedene Verantwortliche oder Teams zu delegieren. Ein Projektstrukturplan ist in der Regel in Teilprojekte (Vergabe an Teilprojektleiter/ -Teams) und Arbeitspakete (Vergabe an einzelne Projektteam-Mitglieder, Subgruppen, Lieferanten usw.) gegliedert. Die Detailplanung umfasst die Termin-, Kapazitäts- und Kostenplanung. Grundlagen dafür sind eine Tätigkeitsliste, Abhängigkeiten, Verantwortliche sowie Zeit- und Aufwandschätzungen. Der Terminplan wird meistens als Balkendiagramm oder als Netzplan entwickelt und dargestellt. Dabei kann die Terminierung vorwärts ab Projektstart oder rückwärts ab verlangtem Meilenstein oder Endtermin erfolgen. Die notwendigen Kapazitäten (Personalaufwendungen) können pro Arbeitspakete oder pro einzelne Tätigkeiten geschätzt werden. Der Kapazitätsplan wiederum ist eine Grundlage für den Kostenplan, der grob in Personal- und Sachkosten gegliedert werden kann. Jede Projektplanung ist zunächst eine Arbeitshypothese für die Zukunft und entspricht nicht immer der Realität. Daher muss die Projektkontrolle die Abweichungen vom Plan feststellen, um dann mit der Projektsteuerung die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Kontrolliert werden in der Regel Ziel-, Termin- und Kostenabweichungen. Zusätzlich sind auch die weichen Faktoren wie Motivation und Energie in die Kontrolle und Steuerung einzubeziehen. Der Steuerungs-Tetraeder zeigt, dass einseitige Veränderungen an den vier Ecken Korrekturen an den übrigen Ecken bewirken oder bedingen. Im Projektabschluss werden alle wichtigen Erfahrungen aus dem Projekt festgehalten sowie die Projektdokumentation abgeschlossen und das Projekt abgerechnet. Ev. muss auch eine Kunden- oder Benutzerdokumentation erstellt werden. Seite 4 Projektorganisation Die Projektorganisation ist eine spezielle temporäre Organisation für die Dauer eines Projektes. Sie sollte folgende Kriterien erfüllen: • Klare und genügende Führungsverantwortung und Entscheidungskompetenz im Projekt • Richtige interdisziplinäre Fachvertretung und Fachkompetenz im Projekt • Einbinden von BenutzerInnen und Betroffenen • Ausreichende Zeitressourcen für alle am Projekt Mitarbeitenden • Kultur, die Kommunikation, Engagement und Kreativität fördert In einem Projekt gibt es üblicherweise verschiedene Rollen, die durch verschiedene Projektorgane oder gremien wahrgenommen werden. Die wichtigsten davon sind: • Auftraggebende Stelle Erteilt den Auftrag, fällt die grundsätzlichen Entscheidungen, integriert Projekt in gesamte Organisation und sorgt für genügende Ressourcen. • Ausschuss / Steuergruppe Scharnierfunktion zwischen auftraggebender Stelle und Projektteam, steuert groben Ablauf, trifft Vorentscheide, gibt dem Projektteam Rückendeckung • Projektleitung Führt, koordiniert und vertritt das gesamte Projekt auf operativer Ebene, leitet das Projektteam • Projektteam Leistet die inhaltliche Projektarbeit. In grösseren Projekten können Projektteammitglieder Teilprojekte oder Arbeitsgruppen leiten. • Arbeitsgruppen Meist vorübergehend eingesetzt zur Bearbeitung spezieller Fragestellungen in grösseren Projekten. Es empfiehlt sich, für die einzelnen Projektorgane eine generelle Beschreibung ihrer Zielsetzung, Aufgaben und und Kompetenzen zu erstellen (Pflichtenheft). Es gibt grundsätzlich drei Organisationstypen von Projekten: • Projektkoordination Koordination von Projekten oder Teilprojekten, die in der Linie abgewickelt werden. Die Koordinationsstelle hat kein Entscheidungs- oder Weisungsrecht. Geeignet für Vorhaben, bei denen die (Teil-)Projekte einen grossen Grad an Eigenständigkeit aufweisen. • Matrixorganisation Es wird eine eigenständige Projektorganisation aufgebaut, die von der Projektleitung geführt wird. Die Projektmitarbeitenden verbleiben in ihren angestammten Organisationseinheiten, sind aber für die Projektarbeit freigestellt und unterstehen für diesen Teil ihrer Arbeit der Projektleitung. In der Praxis der weitaus häufigste, sehr flexible Organisationstyp. Gefahr von Kompetenzkonflikten zwischen Linien- und Projektleitung relativ gross. • Reine Projektorganisation ProjektleiterIn und Projektteam bilden für die Projektdauer eine eigenständige organisatorische Einheit. Die Teammitglieder sind ausschliesslich im Projekt tätig, die Projektleitung besitzt eine umfassende Kompetenz bezüglich des Einsatzes von Personal und Mitteln. Diese Organisationsform eignet sich für Grossprojekte sowie für Task forces. Seite 5 Information und Kommunikation Je grösser und komplexer ein Projekt ist, desto zweckmässiger ist es, die projektinterne Information und Dokumentation zu systematisieren. Ein entsprechendes Informationskonzept dient dazu, • die Informationsflüsse zu systematisieren und Informationsbeziehungen transparent zu machen • Methoden und Vorgehensweisen für die Informationsverteilung zu definieren • Projektunterlagen zu standardisieren und zu klassifizieren. Die Dokumentation soll die wesentlichen Unterlagen enthalten, – die das Vorgehen bei der Problemlösung nachvollziehbar machen (Planungsprozess, Entscheidungsschritte etc.) – die das erarbeitete Wissen festhalten und an die Bearbeitenden und Benutzenden der folgende Phase weitergeben (Betriebsdokumentation, Gebrauchsanleitungen etc.) Neben der projektinternen Information ist jedoch auch die Kommunikation mit dem betrieblichen Umfeld (Beziehungsmanagement) von entscheidender Bedeutung. Wenn dieses betriebliche Umfeld in der Projektarbeit nicht ausreichend berücksichtigt wird, kann das Projekt, auch wenn es fachlich ausgezeichnete Lösungen erarbeitet, scheitern. Projektmanagement darf sich deshalb nicht ausschliesslich nach innen, auf die Projektarbeit selbst, orientieren, sondern muss auch aktiv nach aussen arbeiten. • Arbeit im sozialen Kontext Als sozialer Kontext können alle Personen oder Personengruppen betrachtet werden, die vom Projekt betroffen sind oder auf das Projekt Einfluss nehmen, z.B. Benutzerkreise, Geschäftsleitung, Kundinnen, Öffentlichkeit etc. Wenn nicht aktiv nach den Bedürfnissen und Interessen dieser Systeme gefragt und mit ihnen gearbeitet wird, können dem Projekt Konkurrenz, Widerstand und Ablehnung erwachsen. • Arbeit im sachlichen Kontext Jedes Projekt findet in einer Umgebung statt, in der gewisse Strategien, Leitbilder, Wertvorstellungen gelten. Die Ergebnisse des Projektes müssen in diese Strategien und Wertvorstellungen passen. • Arbeit im zeitlichen Kontext Projekte haben oft lange Vorgeschichten; aus den dabei gemachten Erfahrungen können wichtige Information gewonnen werden über Einflussfaktoren, die für das Projekt förderlich oder hinderlich sein können. Zu fragen ist hier auch nach den Konsequenzen, die das Projekt für andere Teile der Organisation haben kann. Eine aktive Informations- und Kommunikationspolitik mit dem betrieblichen Umfeld zeichnet sich aus durch folgende Elemente: • Regelmässig und frühzeitig • Information auch über den Prozess, nicht nur über Lösungen • Persönlich und nicht schriftlich • Kommunikation, d.h. Auseinandersetzung und Diskussion, und nicht einseitige Information Seite 6 Literatur Boy J. / Dudek C./ Kuscher S. Projektmanagement. Grundlagen, Methoden und Techniken, Zusammenhänge. Gabal 1995 Heintel P. / Krainz E. Projektmanagement - eine Antwort auf die Hierarchiekrise? Gabler 1994 Stiftung BWI (Hrsg.) Projektmanagement - der BWI Leitfaden, io Verlag 1999 Witschi U. / Schlager G. / Scheutz U. Projektmanagement in komplexer werdenden Situationen. Vom Nutzen des systemischen Ansatzes beim Projektmanagement. Organisationsentwicklung 1/1998 Mayrshofer D., Kröger H.K. Prozesskompetenz in der Projektarbeit, Windmühle, Hamburg 2001 Seite 7