56 | BZB März 17 | Wissenschaft und Fortbildung Tägliche Mundhygiene Womit, wie, wie oft und wie lange? E i n B e i t r a g v o n P r o f . D r. S t e f a n Z i m m e r, W i t t e n Der folgende Beitrag gibt Empfehlungen zur optimalen täglichen mechanischen Mundhygiene mit der Zahnbürste. Aufgrund des Umfangs des Themas muss auf weitergehende Abhandlungen zur Interdentalraumpflege sowie zu weiteren Hilfsmitteln zur täglichen Mundhygiene verzichtet werden. Die Bedeutung guter Mundhygiene Der orale Biofilm, der auch Plaque genannt wird und alle festen Oberflächen in der Mundhöhle besiedelt, ist ein essenzieller ätiologischer Faktor für die Entstehung von Karies, Gingivitis und Parodontitis [9,18,34]. Die Gingivitis ist zwar keine hinreichende Voraussetzung für die Entstehung einer Parodontitis, in ihrer chronischen Form stellt sie allerdings einen wesentlichen Risikofaktor für deren Entstehung dar [17]. So konnten Schätzle et al. nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit (Odds ratio), dass ein Zahn verloren geht, im Vergleich zur gingivitisfreien Situation um das 45,8-Fache steigt, wenn permanent eine Gingivitis vorhanden ist [31]. Solange keine schlüssigen Konzepte vorhanden sind, die es möglicherweise erlauben, den Biofilm so zu manipulieren, dass er keine Pathogenität mehr besitzt, ist dessen regelmäßige effektive Entfernung ein maßgeblicher Faktor für die Vermeidung der genannten oralen Erkrankungen. Allerdings zeigen epidemiologische Daten aus Deutschland, dass die Mundhygiene nicht optimal ist. So wurde in der vorletzten bevölkerungsrepräsentativen Untersuchung des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ; DMS IV) lediglich bei 1,6 Prozent der Zwölfjährigen, bei 2 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und bei 1,3 Prozent der 65- bis 74-Jährigen völlige Plaquefreiheit gefunden [22]. Damit soll nicht behauptet werden, dass für orale Gesundheit eine hundertprozentige Plaquefreiheit zwingend erforderlich ist. Die Daten zeigen jedoch, wie schwierig es ist, dieses Ziel zu erreichen, obwohl die Mundhygiene in der Bevölkerung doch eigentlich als einfache Maßnahme wahrgenommen wird und vermutlich jeder nach dem Zähneputzen davon ausgeht, nun saubere Zähne zu haben. Die Abbildungen 1a bis c zeigen exemplarische Ver- laufsaufnahmen aus einer Mundhygienestudie. Sie demonstrieren, dass auch dreiminütiges überwachtes Zähneputzen in der Regel nicht zu einer plaquefreien Situation führt. In der aktuellen Untersuchung des IDZ (DMS V) wurde der Plaquebefall nicht erhoben, es zeigten sich jedoch ähnliche Ergebnisse bei der Gingivitis bei Zwölfjährigen. Nur bei 22,3 Prozent der Kinder wurde eine völlige Blutungsfreiheit der Gingiva (Papillen-Blutungs-Index = 0) festgestellt [16]. Auch dieser Befund dürfte darauf zurückzuführen sein, dass perfekte Plaqueentfernung im Rahmen der häuslichen Mundhygiene aus technischer Sicht kein einfaches Unterfangen ist und in der Regel nicht in vollständiger Plaque- und Blutungsfreiheit resultiert [27]. Die mechanische Plaqueentfernung Das wichtigste Hilfsmittel für die häusliche mechanische Plaqueentfernung ist die Zahnbürste. Hier ist zwischen Hand- und elektrischen Zahnbürsten zu unterscheiden. Zunächst soll jedoch auf allgemeine Empfehlungen zu Zeitpunkt und Häufigkeit des Zähneputzens eingegangen werden. Ab wann sollte wie oft geputzt werden? Bereits bevor die ersten Milchzähne im Alter von sechs bis acht Monaten in der Mundhöhle des Kindes erscheinen, können täglich die zahnlosen Alveolarfortsätze mit dem Finger massiert werden. Dies soll das Kind frühzeitig an die Manipulation in seiner Mundhöhle, die später für das Nachputzen der Zähne durch die Eltern erforderlich ist, gewöhnen. Außerdem entsteht auch für die Eltern hierdurch eine frühzeitige Gewöhnung. Eine wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen dieser Maßnahme gibt es jedoch nicht. Ab dem Zeitpunkt des Durchbruchs der ersten Milchzähne müssen diese auch regelmäßig gereinigt werden. Dies sollte morgens nach dem Frühstück und abends vor dem Zubettgehen erfolgen und kann bereits mit einer speziellen Kinderzahnbürste oder mit einem Mikrofaser-Fingerling bewerkstelligt werden. Einmal am Tag sollte die Mundhygiene mit einer fluoridhaltigen Kinderzahnpasta erfolgen. Wissenschaft und Fortbildung Abb. 1a: Zustand zum Zeitpunkt des Studienscreenings ohne besondere vorbereitende Maßnahmen (Anfärben der Plaque mit einem Färbemittel, Mira-2-Ton, Hager & Werken, Duisburg) Abb. 1c: Zustand nach drei Minuten überwachtem Zähneputzen und vorheriger Instruktion. Eine deutliche Reduktion der Plaque ist erkennbar, aber es wurde keine Plaquefreiheit erreicht. Das Muster der Plaqueausbreitung ist über den gesamten Verlauf gleich geblieben. Wichtig ist auch die Frage, ab wann sich ein Kind eigenständig die Zähne putzen kann. Eine Beobachtungsstudie an 40 Vorschulkindern ergab, dass nur die Hälfte der Kinder die Kauflächen ihrer Backenzähne und kein einziges die Außenflächen vollständig und sicher putzte [19]. Daraus ergibt sich, dass Kinder zwar an die selbstständige Benutzung der Zahnbürste gewöhnt werden sollten, sobald sie laufen können, die Eltern zur Erzielung einer guten Plaqueentfernung aber mindestens einmal täglich – vorzugsweise abends – nachreinigen müssen. Es gibt keine Evidenz dafür, bis zu welchem Alter dies erfolgen sollte. Allgemein hat sich jedoch die Empfehlung etabliert, dass die Eltern nachputzen sollten, bis das Kind flüssig schreiben kann, was etwa in der dritten Schulklasse, also mit circa neun Jahren, der Fall ist. Leider wird diese wichtige Empfehlung nur unzureichend umgesetzt. Eine Studie von Borutta et al. zeigte, dass selbst bei erst 30 Monate alten Kindern nur in knapp 28 Prozent der Fälle tatsächlich nachgeputzt wird [6]. Eine Studie von Addy et al. an 720 Elf- bis Zwölfjährigen hatte aber auch gezeigt, dass es nur eine geringe Korrelation zwischen der angegebenen Zahnputzhäufigkeit und Plaque und Gingivitis gibt [2]. Dies zeigt klar, dass es nicht nur darum geht, eine möglichst zweimal täglich ausgeübte Mundhygiene zu realisieren, sondern vor allem darum, die Zähne gründlich zu reinigen. | BZB März 17 Abb. 1b: Zustand nach zweitägiger Mundhygienekarenz. Eine deutliche Zunahme der Plaquebesiedelung ist erkennbar. Ein besonderes Problem bei der häuslichen Mundhygiene stellt der erste bleibende Molar dar. Dieser bricht etwa zeitgleich mit den mittleren Unterkieferschneidezähnen im Alter von fünf bis sechs Jahren zunächst im Unterkiefer durch. Während das Erscheinen der Frontzähne aufgrund deren guter Sichtbarkeit von den Eltern immer bemerkt wird, ist dies bei den ersten Molaren meist nicht der Fall. Diese brechen hinter den zweiten Milchmolaren durch und werden durch diese so verdeckt, dass sie während der Dauer ihres etwa eineinhalbjährigen Durchbruchs nur schwer zu entdecken sind. Da sie in dieser Zeit unter dem Niveau der Kauflächen der Milchzähne liegen, werden ihre besonders kariesanfälligen Kauflächen beim Putzen nicht erreicht. Dies trägt dazu bei, dass der erste bleibende Molar der Zahn mit dem höchsten Kariesrisiko des gesamten bleibenden Gebisses ist. Handzahnbürsten Noch vor wenigen Jahren gab es eine klare Vorstellung, wie eine „gute“ Handzahnbürste auszusehen hatte: kurzer Kopf, ebenes Borstenfeld mit vielen Borstenbüscheln (multitufted) und parallel stehende, endgerundete Kunststoffborsten (Abb. 2). Dass eine so gestaltete Zahnbürste allen anderen überlegen Abb. 2: Aussehen einer klassischen Handzahnbürste: kurzer Kopf, ebenes Borstenfeld mit vielen Borstenbüscheln (multitufted) und parallel stehenden, endgerundeten Kunststoffborsten | 57 58 | BZB März 17 | Wissenschaft und Fortbildung sei, war gemeinhin akzeptiertes zahnmedizinisches Grundwissen. Allerdings muss angemerkt werden, dass diese Zahnbürstenform eher aus Tradition und als Folge der zur Verfügung stehenden Fertigungstechniken denn auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse entstand. Eine Zahnbürste ist in ihrer Entwicklung nichts anderes als ein kleiner Besen, mit dem man kleine Dinge, nämlich Zähne, reinigt. Wenn wir uns zum Beispiel einen Besen oder auch eine Kleiderbürste anschauen, dann haben diese die gleiche Form wie die oben beschriebene Zahnbürste: parallel stehende Borsten, viele Büschel und ein ebenes Borstenfeld. Nur die Endrundung der Borsten fehlt, aber die erfolgt ja auch bei den Zahnbürsten erst seit jüngerer Zeit. Fertigung von Zahnbürsten Neuerungen in der Fertigungstechnik ermöglichen heute die Produktion anders gestalteter Zahnbürsten. Diese Entwicklungen betreffen vor allem die Besteckung des Borstenfeldes. Zwar wurden auch früher schon Zahnbürsten mit V-förmigem Borstenfeld produziert, aber mit der damals verfügbaren Technik war es nicht möglich, die Borstenenden, die in den „Tälern“ des Borstenfeldes standen, abzurunden. Deshalb wurden V-Zahnbürsten damals abgelehnt. Seit mehreren Jahren ist die Zahnbürstenindustrie jedoch imstande, auch die in den „Tälern“ stehenden Borstenenden abzurunden. Außerdem ist es mittlerweile möglich, die Borstenenden zuerst zu runden und erst dann im Bürstenkopf zu befestigen. Dazu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Im Spritzgussverfahren kann der Bürstenkopf um die Borsten herumgespritzt werden. Beim Einfügeverfahren werden die Borsten in das erwärmte und dadurch weiche Material des Bürs- Abb. 3: Mit einer Zahnbürste mit weniger dicht stehenden und unterschiedlich langen Borstenbüscheln lassen sich Spalträume wie Fissuren, Interdentalräume sowie der Sulkusbereich besser reinigen. tenkopfes hineingedrückt, und beim Einschweißverfahren werden Borsten und Bürstenkopf, die aus dem gleichen Material bestehen müssen, durch gleichzeitige Erwärmung miteinander verschweißt. Diese neuen Fügetechniken erlauben nicht nur neue Gestaltungen der Borstenfelder, sondern ermöglichen auch ein nahezu spaltfreies Befestigen der Borsten im Bürstenkopf. Dies ist im Hinblick auf die immer wieder aufkommende Diskussion um die Zahnbürste als Keimreservoir von Bedeutung. Beim konventionellen Verfahren werden die Borstenbüschel mithilfe von Metallklammern im Bürstenkopf verankert, was nicht spaltfrei möglich ist. Kriterien einer guten Handzahnbürste Endgerundete Nylonborsten? Obwohl es keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu gibt, besteht heute Einigkeit darüber, dass die Borsten einer Zahnbürste aus Nylon oder einem vergleichbaren Kunststoff bestehen sollen. Naturborsten sind aus hygienischen Gründen (bakterielle Besiedelung der Markkanäle der Borstenhaare) und weil sie schnell aufspleißen, abzulehnen. Über die Endrundung der Zahnbürstenborsten wird viel geredet und es existiert auch eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Qualität der Endrundung beschäftigen. Es gibt aber nahezu keine Evidenz dazu, wie wichtig das überhaupt ist. Es spricht jedoch viel dafür, dass eine Endrundung der Borsten gewährleistet sein sollte, um Verletzungen des Zahnfleisches zu verhindern. Ebenes Borstenfeld mit vielen parallel stehenden Borstenbüscheln? Das lange als ideal angesehene ebene Borstenfeld einer Zahnbürste ist grundsätzlich eher schlecht geeignet, Zähne zu säubern. Da eine Zahnoberfläche keine ebenen, sondern nur konvexe Oberflächen besitzt und die optimale Reinigung durch maximalen Kontakt zwischen Bürste und Zahn erreicht wird, sollte eine gute Zahnbürste eher ein konkaves, also ein zum Zahnbogen formkongruentes Borstenfeld besitzen. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass die äußeren Borsten länger als die inneren sind (Abb. 3). Eigene Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass sich mit einer Zahnbürste mit dichtem, ebenem Borstenfeld die Fissuren nur schlecht reinigen lassen. Beim Aufsetzen der Zahnbürste auf der Kaufläche des Zahnes kommt es nämlich zu einem Verkeilungseffekt, der ein tieferes Eindringen der Borsten in die Fissur verhindert (Abb. 4). Gleiches gilt für die ebenfalls sehr engen Wissenschaft und Fortbildung Abb. 4: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Zahnbürste mit ebenem Borstenfeld, die fest auf die Kaufläche eines Molaren gepresst wird. Es ist deutlich erkennbar, dass der Fundus der Fissur nicht erreicht werden kann. Interdentalräume und den Zahnfleischsulkus, den besonders im Hinblick auf die Entstehung von Gingivitis und Parodontitis kritischen Bereich. Einzeln beziehungsweise weniger dicht stehende Borstenbüschel können hier eine Lösung darstellen. Noch ein anderer Aspekt wird bei der Entwicklung neuer Zahnbürsten zunehmend wichtiger. Es wird immer klarer, dass eine gute Mundhygiene auch Nebenwirkungen haben kann: Hypersensible Zähne, Putzdefekte und Traumatisierungen von Gingiva und Mukosa nehmen zu. Schuld daran sind falsche und mit zu viel Kraft ausgeübte Putztechniken. In erster Linie muss also der Anwender in einer möglichst schonenden Pflegetechnik geschult werden. Aber auch die Zahnbürstenindustrie kann durch ein entsprechendes Angebot an Zahnbürsten dazu beitragen, diesem Problem zu begegnen. Hart oder weich? Während in früheren Zeiten vor allem harte Zahnbürsten bevorzugt wurden und sich anschließend ein Wechsel zur mittelharten Variante vollzogen hat, werden in neuester Zeit unter dem Eindruck einer insgesamt intensiver ausgeübten mechanischen Mundhygiene und damit einhergehender Nebenwirkungen zunehmend weiche Zahnbürsten | BZB März 17 empfohlen. Tatsächlich ist für einige dieser Zahnbürsten nachgewiesen, dass sie bei geringerer Zahnfleischtraumatisierung genauso gut reinigen wie die verglichenen mittelharten Zahnbürsten. Da sich diese Vergleichszahnbürsten jedoch nicht nur in der Härte, sondern auch in der Form des Borstenfeldes unterschieden, konnte die gleich gute Reinigungseffizienz nicht zweifelsfrei durch den Härtegrad der Zahnbürsten begründet werden. Aus diesem Grund wurden in einer eigenen Studie gleichartige Zahnbürsten unterschiedlicher Härtegrade (hart, mittel, weich) in vivo in Bezug auf Reinigungseffizienz und Zahnfleischtraumatisierung untersucht. Das Ergebnis war eindeutig. Harte Zahnbürsten verursachten gegenüber weichen zwar mehr Zahnfleischverletzungen, zeigten aber auch eine wesentlich bessere Reinigungswirkung. Mittelharte Zahnbürsten lagen für beide Parameter in der Mitte [47]. In einer kürzlich durchgeführten In-vitro-Studie hat sich außerdem gezeigt, dass weiche Zahnbürsten zu mehr Abtrag an der Zahnhartsubstanz führen als harte oder mittelharte Zahnbürsten [5]. Das klingt zunächst verwunderlich, ist aber darauf zurückzuführen, dass sich die Borsten der weichen Zahnbürste an den Enden umbiegen und dadurch zu einem flächigeren Kontakt mit der Zahnoberfläche führen als das bei harten Borsten der Fall ist. Durch den flächigen Kontakt mit der Zahnoberfläche wird die Zahnpasta, die ja das Abrasivum darstellt, in flächigeren Kontakt mit der Zahnhartsubstanz gebracht. Die Zahnbürste selbst, deren Borsten ja aus relativ weichem Nylon bestehen, ist nicht imstande, Dentin oder gar Schmelz abzutragen. Vergleichbar ist das mit einem Schwamm, auf den man Scheuerpulver zum Reinigen einer Bratpfanne gibt. Je intensiver der Kontakt des Schwammes mit der Pfanne ist, umso besser kann das Scheuerpulver wirken. Großer oder kleiner Kopf? Eine der Kernforderungen an das Design einer Handzahnbürste ist die nach einem kurzen Bürstenkopf. Das klingt vernünftig, denn die Mundhöhle ist ein eng begrenzter Raum mit schwer zu erreichenden Plaquenischen, in dem man mit einem kleinen Bürstenkopf sicher besser als mit einem großen manövrieren kann. Auf der anderen Seite ist es eine Binsenweisheit, dass sich mit einem größeren Besen in der gleichen Zeit eine größere Fläche reinigen lässt. Da die für das Zähneputzen aufgewendete Zeit einer der kritischsten Faktoren ist und üblicherweise nicht lange genug geputzt wird, sind wir der Frage nachgegangen, ob nicht ein größerer Zahn- | 59 60 | BZB März 17 | Wissenschaft und Fortbildung nende Bürsttechnik mit nicht zu viel Anpressdruck zu etablieren. · Ein etwas größerer Bürstenkopf scheint klinisch zu einer besseren Reinigungsleistung zu führen. Abb. 5: Zwei Zahnbürsten, die sich nur in der Größe ihres Bürstenkopfes unterscheiden bürstenkopf doch von Vorteil sein könnte. In einer klinischen Studie über acht Wochen wurden zwei Zahnbürsten, die sich nur in der Größe ihres Bürstenkopfes unterschieden, in Bezug auf Plaqueentfernung und Verbesserung einer Gingivitis untersucht (Abb. 5). Bei der Plaqueentfernung war nach acht Wochen eine tendenzielle, allerdings nicht statistisch signifikante Überlegenheit der Zahnbürste mit dem größeren Kopf zu konstatieren. Bezüglich der Reduktion einer Gingivitis, gemessen mit dem Papillen-Blutungs-Index (PBI) [23], war die größere Zahnbürste jedoch signifikant überlegen. Sie betrug 0,426 im Verhältnis zu 0,178, was auch klinisch als signifikanter Unterschied zu werten ist [48]. Aus den oben dargestellten Erkenntnissen lassen sich folgende erwünschten Konstruktionsmerkmale für eine Zahnbürste ableiten: · Sie sollte über endgerundete Nylonborsten verfügen, um Verletzungen des Zahnfleisches zu verhindern. · Sie sollte ein der Form des Zahnes und des Zahnbogens angepasstes Borstenfeld (Formkongruenz) besitzen, um eine optimale Reinigung zu ermöglichen. Einzeln stehende Borstenbüschel und ein weniger dicht gepacktes Borstenfeld verbessern die Reinigung von Spalträumen. · Patienten mit schlechter Mundhygiene, bei denen keine Putzdefekte am Weichgewebe vorliegen, sollten eine harte Zahnbürste verwenden. · Patienten mit bestehenden Putzdefekten am Weichgewebe sollten eine weiche Zahnbürste verwenden. · Patienten mit Putzdefekten an der Zahnhartsubstanz sollten vor allem eine schwach abrasive Zahnpasta benutzen, am besten in Kombination mit einer harten Zahnbürste (es sei denn, sie haben gleichzeitig Defekte am Weichgewebe). Außerdem ist es hier natürlich besonders wichtig, eine scho- Handzahnbürsten bei Kindern Bei Verwendung einer Handzahnbürste sollten in den ersten vier bis fünf Lebensjahren grundsätzlich zwei Zahnbürsten vorgehalten werden: eine, mit der das Kind selbst putzt, und eine, mit der die Eltern nachputzen. Dies hat zwei Gründe. Zum einen kauen kleine Kinder beim selbstständigen Zähneputzen meist nur auf der Zahnbürste herum und machen sie dadurch sehr schnell für eine gute Reinigung unbrauchbar. Zum anderen fasst das Kind die Zahnbürste im Faustgriff und braucht daher eine Bürste mit dickem, kurzem Griff. Für das Nachputzen durch die Eltern ist aber eher eine Zahnbürste mit längerem, schmalem Griff geeignet. Entsprechend dem Wachstum des Kindes sollte die Zahnbürste „mitwachsen“. Einige Hersteller bieten daher abgestufte altersangepasste Kinderzahnbürsten an. Der Bürstenkopf der Kinderzahnbürste sollte kurz sein, um die „Manövrierbarkeit“ in der kindlichen Mundhöhle zu verbessern, und die Borsten sollten weich sein, um die empfindlichen Schleimhäute des Kindes nicht zu verletzen. Elektrische Zahnbürsten Elektrische Zahnbürsten haben noch immer mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie zwar möglicherweise die tägliche Mundhygiene einfacher gestalten können, aber keinen Vorteil hinsichtlich der Effektivität der Plaqueentfernung aufweisen. Diese Einschätzung stammt aus der Zeit, als die ersten elektrischen Zahnbürsten vor gut 30 Jahren auf den Markt kamen. Nachfolgende wissenschaftliche Untersuchungen hatten für diese Geräte der ersten Generation auch keinen Vorteil gegenüber konventionellen Handzahnbürsten gezeigt. Sie wurden daher lediglich für Menschen mit eingeschränkter Feinmotorik empfohlen und waren nur eine Marginalie des Zahnbürstenmarktes. Seit Beginn der 1990er-Jahre ist jedoch eine ganze Flut moderner Geräte auf den Markt gekommen, die eine Neubewertung elektrischer Zahnbürsten erforderlich gemacht hat. Zwei Produktklassen Elektrische Zahnbürsten der neueren Generation können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zum einen sind das die Geräte mit runden Bürstenköpfen, die mit einer Frequenz von bis zu 73 Hz Wissenschaft und Fortbildung Abb. 6a: Modell einer rotierend-oszillierenden elektrischen Zahnbürste mit separatem Display, das via Bluetooth mit der Zahnbürste verbunden ist (entsprechend 8 800 Seitwärtsbewegungen) und einem Rotationswinkel von etwa 50° bis 70° oszillieren (Abb. 6a und b). Bei einigen Modellen wird diese Oszillation mit einer pulsierenden Bewegung in einer Frequenz von 333 Hz (40 000 Vor- und Rückwärtsbewegungen) kombiniert. Die zweite Kategorie umfasst die sogenannten schallaktiven Zahnbürsten, bei denen der Bürstenkopf mit einer Frequenz von 250 bis etwa 350 Hz schwingt (Abb. 7). Die erstgenannten Geräte weisen zwar ebenfalls eine Schwingungsfrequenz auf, die im Bereich des hörbaren Schalls liegt, und es ist auch keineswegs der Schalldruck, der zu einer besonderen Reinigungswirkung führt. Aber der Begriff „schallaktiv“ oder „sonic“ hat sich für die Geräte der zweiten Kategorie etabliert und soll daher auch hier Verwendung finden. Häufig werden schallaktive Zahnbürsten fälschlicherweise als „Ultraschallzahnbürsten“ bezeichnet. Ultraschall beginnt jedoch erst ab einer Frequenz von etwa 15 KHz, während die beschriebenen Zahnbürsten mit einer Frequenz von 250 bis 350 Hz arbeiten. Mehrere klinische Studien haben gezeigt, dass sowohl die Geräte mit rotierend-oszillierenden Köpfen als auch die schallaktiven Zahnbürsten einer konventionellen Handzahnbürste signifikant überlegen sein können. Die aktuelle Meta-Analyse der unabhängigen Cochrane Collaboration hat eine klare Überlegenheit von rotierend-oszillierenden elektrischen Zahnbürsten gegenüber Handzahnbürsten gezeigt [42]. Für die schallaktiven Zahnbürsten ist diese Aussage nicht so klar, was aber auch mit methodischen Herangehensweisen der Cochrane-Analyse zu tun hat. So wurden die Schallzahnbürsten zusammen mit anderen Produkten, die nicht in diese Gruppe gehören, ausgewertet, was die Aussagekraft der Analyse in dieser Bezie- | BZB März 17 Abb. 6b: Basismodell einer rotierendoszillierenden elektrischen Zahnbürste mit eingebautem Zwei-Minuten-Timer hung infrage stellt. Jedenfalls gibt es mehrere klinische Studien, die klar auch eine Überlegenheit von Schallzahnbürsten gegenüber Handzahnbürsten nachweisen [14,43,46]. Schwieriger wird es beim direkten Vergleich zwischen beiden Typen von elektrischen Zahnbürsten. Hier gibt es sowohl Studien, die eine Überlegenheit von rotierend-oszillierenden Zahnbürsten [38,37,32] zeigen als auch umgekehrt [28]. Ein tieferes Studium der einschlägigen Literatur lässt jedoch eine Interpretation der zitierten Widersprüchlichkeiten zu. Obwohl die Intensität der Instruktion im Umgang mit den untersuchten Zahnbürsten nicht immer detailliert beschrieben ist, drängt sich insgesamt die Vermutung auf, dass die Geräte mit rotierend-oszillierenden Köpfen in klinischen Studien immer dann den Schallzahnbürsten überlegen sind, wenn die Studienteilnehmer gut instruiert und trainiert sind. Das zeigt das hohe Potenzial rotierend-oszillierender Zahnbürsten, zeigt aber auch, dass die Anwendung schwieriger ist als bei Schallzahnbürsten. Die Putztechnik entspricht nämlich derjenigen, die von einer Prophylaxefachkraft im Rahmen einer Professionellen Zahnreinigung angewendet wird. Das bedeutet, dass Zahn für Zahn gereinigt werden muss und dass es wichtig ist, die Bürste exakt am Zahnfleischsaum entlang zu führen. Schallzahn- Abb. 7: Schallzahnbürsten verschiedener Hersteller | 61 62 | BZB März 17 | Wissenschaft und Fortbildung bürsten zeigten hingegen in eigenen Untersuchungen auch bei nur kurz instruierten Testpersonen ihre Überlegenheit. Die Schallzahnbürste ist weniger anwendungsempfindlich. Sie wird wie eine Handzahnbürste bei der Fegetechnik (siehe unten, Abb. 8) schräg angesetzt und am Zahnfleischsaum entlang des Zahnbogens geführt. Zur Verbesserung der Putzwirkung kann auch eine leicht „ausfegende“ Bewegung wie bei der Fegetechnik durchgeführt werden. Elektrische Zahnbürsten bei Kindern Häufig wird das Argument vorgebracht, dass Kinder zunächst im Umgang mit einer Handzahnbürste geübt sein müssen, bevor sie mit einer elektrischen Zahnbürste putzen dürfen. Bis zum Alter von circa drei Jahren mag dieses Argument aufgrund der geistigen Reife, die ein Kind für den Umgang mit der Technik benötigt, korrekt sein. Allerdings zeigen klinische Studien, dass bereits Zwei- bis Vierjährige das Nachputzen durch die Eltern mit einer elektrischen Zahnbürste genauso gut tolerieren wie mit einer Handzahnbürste, bei Vier- bis Sechsjährigen wird die elektrische Bürste sogar bevorzugt [24]. Was den eigenen Umgang mit elektrischen Zahnbürsten betrifft, zeigte eine Studie an Vier- bis Sechsjährigen, dass mit einer elektrischen Zahnbürste signifikant bessere Putzresultate erzielt wurden als mit einer Handzahnbürste [7]. Ein erhöhtes Unfallrisiko bei Verwendung einer elektrischen Zahnbürste durch Kinder besteht er- fahrungsgemäß nicht. Wichtig ist, dass das Kind während des Zähneputzens nicht herumläuft, denn sowohl bei Hand- als auch elektrischen Zahnbürsten besteht nach Angaben der Hersteller das größte Risiko darin, dass Kinder beim Herumlaufen während des Zähneputzens auf das Gesicht stürzen und sich dabei Rachenverletzungen mit der Zahnbürste zufügen. Insgesamt spricht also nichts dagegen, bereits Vierjährige selbstständig mit einer elektrischen Zahnbürste putzen zu lassen. Aufgrund eigener Erfahrungen funktioniert das Nachputzen mit einer elektrischen Zahnbürste ohnehin besser als mit einer Handzahnbürste. Kann bei Benutzung einer elektrischen Zahnbürste auf Zahnseide verzichtet werden? Für die Beantwortung dieser Frage muss berücksichtigt werden, dass Zahnseide und andere Hilfsmittel für die Interdentalreinigung bei perfekter Anwendung Approximalkaries und Gingivitis zwar effektiv verhindern können [10,41], in der Realität die Anwendung allerdings kaum perfekt ist. So haben einige klinische Studien keinen signifikanten Unterschied zwischen der Benutzung einer Handzahnbürste plus Zahnseide und einer Handzahnbürste allein gefunden [11,44], und auch die einschlägigen Cochrane-Reviews sind hier nicht sehr ermutigend [25,29]. In einer klinischen Studie von Sjögren et al. wurde gezeigt, dass sich bei parodontal gesunden Menschen mit der alleinigen Anwendung der schall- Abb. 8: Bei der Fegetechnik wird die Zahnbürste im Oberkiefer mit den Borstenenden in einem Winkel von circa 45° zum Zahnfleisch nach oben hin angesetzt (im Unterkiefer nach unten). Wissenschaft und Fortbildung aktiven Sonicare-Advance-Zahnbürste im approximalen Bereich sogar ein besserer Effekt erzielen ließ als bei Verwendung einer Handzahnbürste plus Zahnseide [33]. Im Vergleich zur Handzahnbürste brachte die zusätzliche Verwendung von Zahnseide im Approximalraum eine Plaquereduktion um 38 Prozent, während es bei Verwendung der Sonicare ohne zusätzliche Interdentalreinigung 64 Prozent waren. Außerdem zeigte die Studie, dass durch die Schallzahnbürste mehr Fluorid aus der Zahncreme in die Zahnzwischenräume transportiert wurde als dies bei der Handzahnbürste der Fall war. Aus diesen Untersuchungen kann geschlossen werden, dass eine gute Schallzahnbürste auch eine effektive Reinigung und Fluoridierung von Approximalflächen ermöglicht. Die Zahnseide oder das Interdentalbürstchen dürfte sie bei optimaler Anwendung jedoch kaum ersetzen können. Zumindest aber ist eine gute Schallzahnbürste in der interdentalen Plaqueentfernung besser als eine Handzahnbürste. Sind elektrische Zahnbürsten destruktiver als Handzahnbürsten? Der Cochrane-Review zu elektrischen Zahnbürsten liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass eine elektrische Zahnbürste zu einer höheren Prävalenz von Weichgewebsläsionen führt als eine Handzahnbürste [42]. Allerdings gibt es immer wieder Berichte von Zahnärzten, die Gingivaläsionen der Benutzung einer rotierend-oszillierenden Zahnbürste zuschreiben. Bei unsachgemäßer Anwendung ist dies vielleicht nicht auszuschließen, in klinischen Studien wurde ein solcher Verdacht bisher jedoch nicht bestätigt. Für Schallzahnbürsten gibt es bislang keinerlei Berichte über Läsionen an oralen Weichgeweben. Eine ganz aktuelle klinische Studie hat sogar gezeigt, dass Benutzer einer rotierend-oszillierenden Zahnbürste sechs Monate nach einer chirurgischen Rezessionsdeckung im Frontzahnbereich signifikant geringere Rezessionstiefen aufwiesen als die Benutzer einer Handzahnbürste (0,03 mm vs. 0,5 mm) [1]. Ob eine elektrische Zahnbürste auf Dauer zu einem höheren Verlust an Zahnhartsubstanz, insbesondere am Dentin, führt als eine manuelle, lässt sich derzeit nicht sagen. Denkbar ist dies, weil die Borsten elektrischer Zahnbürsten aufgrund ihrer hohen Bewegungsfrequenz bei gleicher Benutzungsdauer einen sehr viel längeren Weg an der Zahnoberfläche zurücklegen. Da Arbeit = Kraft x Weg ist, wird bei vergleichbarem Anpressdruck die Zahnoberflä- | BZB März 17 che sehr viel stärker bearbeitet als mit einer Handzahnbürste. Allerdings konnten Wiegand et al. zeigen, dass bei Benutzung einer Schallzahnbürste deutlich weniger Kraft aufgewendet wird als bei einer Handzahnbürste und damit also insgesamt schonender geputzt wird [40]. Sind Handzahnbürsten noch empfehlenswert? Angesichts der Vorteile elektrischer Zahnbürsten müsste diese Frage aus wissenschaftlicher Sicht mit einem „Nein“ beantwortet werden. Da aber bis zu einer gewissen Grenze ein starker Zusammenhang zwischen Zeitaufwand und Plaqueentfernung besteht [13], kann die Überlegenheit einer elektrischen Zahnbürste durch etwas mehr Zeitaufwand kompensiert werden. Insofern muss sich der Anwender entscheiden, ob er lieber mehr Geld oder Zeit aufwendet. Die Putztechnik In einer von Wainwright und Sheiham publizierten Studie wurden die Empfehlungen zu Zahnputztechniken, die von zahnmedizinischen Fachgesellschaften, Zahnpasta- und Zahnbürstenherstellern und in Fachbüchern weltweit gegeben werden, untersucht [36]. Von insgesamt 66 Quellen wurde 19-mal die modifizierte Bass-Technik, elfmal die Bass-Technik [3], zehnmal die Fones- [8], fünfmal die Schrubb- und zweimal die Stillman-Technik [35] empfohlen. Erstaunlicherweise wurde von 19 dieser professionellen Quellen überhaupt keine Putztechnik empfohlen. Auch wenn offensichtlich weltweit Unsicherheit bezüglich der zu empfehlenden Zahnputztechnik herrscht, sind die Bass- beziehungsweise die modifizierte Bass-Technik mit zusammen 30 von 47 Nennungen am häufigsten vertreten. Die Bass-Technik ist vermutlich auch in Deutschland die am häufigsten empfohlene Technik. In einer eigenen Befragung, die in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde, benannten jedoch nur vier Prozent der Befragten die Bass-Technik als die ausgeübte Technik [45]. Viel häufiger wurden kreisende (Fones-Technik, 57 %), schrubbende (keine beschriebene Technik, 33 %) und fegende Bewegungen (Stillman-Technik, 28 %) genannt. Es besteht also offensichtlich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was Fachleute als richtige Zahnputztechnik empfehlen, und dem, was tatsächlich in der Bevölkerung umgesetzt wird. Poyato-Ferrera et al. hatten in ihrer Studie an 46 Studierenden die Effektivität der modifizierten BassTechnik im Vergleich zur „normalen“ Zahnputz- | 63 64 | BZB März 17 | Wissenschaft und Fortbildung technik der Probanden über jeweils 21 Tage untersucht [26]. Die Studie begann nach einer zweitägigen Mundhygienekarenz mit der Untersuchung der „normalen“ Putztechnik, für die keinerlei Instruktionen erteilt wurden. Nach 21 Tagen war, bezogen auf den Plaque-Index nach Quigley-Hein in der Modifikation von Turesky, eine Verbesserung gegenüber der Ausgangssituation um 55 Prozent messbar. Nach einer zweiwöchigen Wash-out-Phase schloss sich die zweite Studienphase an, zu deren Beginn die gleichen Probanden an einem Modell und mithilfe eines Videos in der modifizierten Bass-Technik instruiert und motiviert wurden. Nach 21 Tagen hatte sich der Ausgangs-Plaquewert um 82,8 Prozent verbessert. Der Unterschied gegenüber der „normalen“ Zahnputztechnik war statistisch signifikant. Auch wenn das Studiendesign (keine Instruktion vs. intensive Instruktion; Placebo- vor Verum-Verfahren in einem unverblindeten Design) die modifizierte Bass-Technik bevorteilt haben dürfte, so zeigt die Studie doch, dass mit einer offensichtlich gut umgesetzten modifizierten Bass-Technik ein sehr gutes Ergebnis erzielbar ist. Allerdings ist diese Technik manuell anspruchsvoll und es ist fraglich, ob sie unter den Bedingungen außerhalb kontrollierter klinischer Studien suffizient umgesetzt wird. Um zu klären, ob die theoretisch beste Zahnputztechnik unter gleichen Bedingungen im Vergleich mit einer als weniger effektiv geltenden auch die beste ist, haben Harnacke et al. die einfache, aber als nicht besonders effektiv geltende Fones-Technik mit der modifizierten Bass-Technik und einer negativen Kontrollgruppe verglichen [12]. Insgesamt 67 Probanden wurden randomisiert auf die drei Gruppen verteilt und erhielten eine PC-basierte allgemeine Information zur Mundhygiene (alle Gruppen) sowie eine intensive Schulung mit praktischen Übungen in den jeweiligen Mundhygienetechniken (nur Bass- und Fones-Gruppe). Nach sechs, zwölf und 28 Wochen wurden nicht nur Parameter für Plaque und Gingivitis untersucht, sondern auch, wie gut die erlernte Technik reproduziert werden konnte. Eine signifikante Überlegenheit der Fones- gegenüber der modifizierten Bass-Technik wurde in Bezug auf Gingivitis nach zwölf Wochen und in Bezug auf die Reproduzierbarkeit nach sechs, zwölf und 28 Wochen beobachtet. Diese Ergebnisse zeigten, dass die Fones-Technik erfolgreicher unterrichtet werden konnte und dass sie wahrscheinlich deshalb auch zu teilweise besseren, aber nie schlechteren Ergeb- nissen als die Bass-Technik führte, obwohl die erstgenannte als prinzipiell unterlegen gilt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Untersuchung der Adhärenz zu der unterrichteten Zahnputztechnik. In der Bass-Gruppe waren 18, in den beiden anderen Gruppen jeweils 19 Probanden in die abschließende Auswertung gekommen. Davon hatten in der Bass-Gruppe elf Personen (61 %) berichtet, dass sie wegen verschiedener Schwierigkeiten nicht über die gesamte Studiendauer bei der erlernten Technik geblieben sind, in den beiden anderen Gruppen waren es jeweils nur fünf Personen (26,3 %) [12]. Auch dies kann ein Erklärungsansatz dafür sein, dass sich die modifizierte Bass-Technik als nicht so effektiv erwiesen hat wie erwartet. Es kann möglicherweise auch erklären, warum nur so wenige Menschen die Bassoder modifizierte Bass-Technik anwenden, obwohl sie, wie die Studie von Wainwright und Sheiham zeigt, die überwiegend von Fachleuten empfohlenen Techniken sind. Diese Ausführungen sollen deutlich machen, dass die Bass-Technik zwar die prinzipiell effektivste Methode der mechanischen Mundhygiene ist, aber in der Realität schlecht umgesetzt wird. Deshalb muss grundsätzlich darüber nachgedacht werden, welche Zahnputztechnik in der Zahnarztpraxis empfohlen werden soll. Bei Benutzung von elektrischen Zahnbürsten ist die Technik durch die Bürste selbst vorgegeben und nicht veränderbar. Bei Verwendung einer Handzahnbürste ist aus meiner Sicht die Fegetechnik nach Stillman die für die meisten Menschen geeignete Technik, weil sie einfach und dennoch effektiv ist. Wichtig ist, dass die Zahnbürste in einem Winkel von etwa 45° mit den Borstenenden zum Zahnfleisch hin so ausgerichtet wird, dass jeweils etwa die Hälfte des Borstenfeldes auf dem Zahnfleisch und die andere Hälfte auf den Zähnen liegt. Sodann wird von rot nach weiß ausgefegt (s. Abb. 8). Pro Zahn beziehungsweise Zahngruppe sollte dieser Bewegungsablauf etwa vier- bis fünfmal ausgeführt werden. Neben dieser Technik ist vor allem auch wichtig, dass beim Zähneputzen eine feste Systematik eingehalten wird, damit nicht bestimmte Zähne regelmäßig beim Putzen „vergessen“ werden. Dazu sollte man jeweils an einem Ende des Zahnbogens (z. B. rechts oben außen) mit dem Putzen beginnen und dann bis zum gegenüberliegenden Ende wandern. Nach der Reinigung der Außenflächen geht es mit der Reinigung der Innenflächen zurück zum Ausgangspunkt. So werden zuerst die Zähne Wissenschaft und Fortbildung des einen und dann des anderen Kiefers geputzt. Zuletzt kommen die Kauflächen an die Reihe, die mit einfacher Schrubbtechnik geputzt werden. Wie oft sollen die Zähne geputzt werden? Allein aufgrund der Applikation von fluoridhaltiger Zahnpasta ist das mindestens zweimal tägliche Zähneputzen gegenüber der einmal täglichen Mundhygiene deutlich zu bevorzugen. Eine MetaAnalyse von Marinho et al. ergab, dass tägliches Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta im Vergleich zu einer fluoridfreien zu einer Karieshemmung von 24 Prozent führt und dass das zweimal tägliche Zähneputzen zu einer um 14 Prozent höheren Karieshemmung führt als das einmal tägliche. Bei Verwendung einer besonders wirksamen Zahnpasta (hohe Fluoridkonzentration, guter Wirkstoff) ist dieser Wert sogar noch steigerbar, sodass man auf eine Hemmung des Karieszuwachses von über 40 Prozent allein durch den zweimal täglichen Kontakt mit der Zahnpasta kommen kann [20]. Der Effekt durch die Plaqueentfernung kommt noch hinzu, ist aber deutlich geringer [4]. Da eine generelle Korrelation zwischen der Häufigkeit des Zähneputzens und der erzielten Karieshemmung besteht [20], wäre aus rein kariesprophylaktischer Sicht ein noch häufigeres tägliches Zähneputzen wünschenswert. Allerdings ist es fraglich, ob eine solche Forderung angesichts der Schwierigkeit, sie in den üblichen Tagesablauf zu integrieren, realistisch ist. Außerdem könnte eine generelle Steigerung der Zahnputzfrequenz insbesondere nach dem Mittagessen auch die Prävalenz der ohnehin im Steigen begriffenen Erosions- und Abrasionsdefekte [22] erhöhen. Insgesamt ist also das zweimal tägliche Zähneputzen als vernünftiger Kompromiss zwischen erzielbarer Karieshemmung, Aufwand und möglichen Nebenwirkungen zu sehen. Die Putzdauer Klinische Studien belegen sowohl für Hand- als auch für elektrische Zahnbürsten, dass eine längere Zahnputzzeit signifikant positiv mit einer besseren Plaqueentfernung korreliert [15,37,39]. Es wurde aber auch gezeigt, dass die zur Mundhygiene aufgewendete Zeit zumeist deutlich falsch eingeschätzt wird [21], was in der Regel zu einer deutlichen Unterschreitung der empfohlenen Zahnputzdauer führt [30]. Da für jedes Individuum von einer unterschiedlichen Effizienz der Plaqueentfernung ausgegangen werden muss und außerdem unterschied- | BZB März 17 liche dentale Voraussetzungen zu berücksichtigen sind, lässt sich keine einheitliche Empfehlung für eine Zahnputzdauer aussprechen. Für die üblicherweise empfohlenen drei Minuten gibt es keine wissenschaftliche Evidenz. Es ist auch davon auszugehen, dass die tatsächlich für ein optimales Ergebnis benötigte Zeit deutlich höher liegt. Hawkins et al. hatten für Handzahnbürsten 5,1 Minuten als optimale Putzdauer bestimmt [13]. Schlussfolgerungen Einige althergebrachte Lehrmeinungen zum Thema mechanische Mundhygiene müssen heute als überholt betrachtet werden. Das betrifft zum Beispiel die Konstruktionsmerkmale einer Handzahnbürste, aber auch die Putzdauer sowie die Bewertung von elektrischen Zahnbürsten. Auch die von uns empfohlene Putztechnik muss überdacht werden. Zwar gibt es kaum Evidenz für die Empfehlung einer manuellen Zahnputztechnik, es ist aber klar, dass sich die Bass-Technik oder die modifizierte Bass-Technik im flächendeckenden Einsatz nicht bewährt haben. Ein für die Kariesprophylaxe ganz wesentlicher Faktor ist die zweimal tägliche Anwendung einer Fluoridzahnpasta. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Stefan Zimmer Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen Universität Witten/Herdecke Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin Fakultät für Gesundheit Alfred-Herrhausen-Straße 50, 58448 Witten [email protected] Literatur bei der Redaktion Goldenes Doktordiplom Die Charité ehrt seit vielen Jahren ihre Alumni, die vor 50 Jahren an der Charité promoviert haben, mit der Vergabe einer „Goldenen Doktorurkunde“. Auch im Jahr 2017 möchte sie diese schöne Tradition fortführen und hat dazu wieder einen großen Festakt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte geplant. Leider ist der Kontakt zu so mancher Kollegin/ manchem Kollegen verloren gegangen. Sollten Sie vor etwa 50 Jahren in Berlin promoviert haben oder jemanden kennen, für den das zutrifft, melden Sie sich bitte im Promotionsbüro der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Telefon: 030 450576-018/-016/-058. Redaktion | 65