Neue Ecke Stellingen

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FA K T E N
Neue
Ecke
Stellingen
Lage
Hamburg-Stellingen
Kieler Str. 418 – 424
Sportplatzring 41– 45
Projekt
Neubau von 55 barrierefreien
Mietwohnungen
WK-Effizienzhaus 40
(EnEV 2009)
Nutzflächen
3.180 m2 Wohnfläche (1.– 5. OG)
470 m2 Bürofläche und
155 m2 Gemeinschaftsfläche
(EG)
Parken
Tiefgarage mit 24 Stellplätzen
6 Stellplätze im Außenbereich
Projektierung
2010 – 2013
Bauzeit
2013 – 2015
Projekte
NEUE ECKE STELLINGEN
An der Ecke Kieler Straße/Sportplatzring,
einer der verkehrsreichsten Kreuzungen
Hamburgs, ist ein neues Mietshaus
entstanden. Nicht wirklich ein Ort zum
Wohnen, so scheint es auf den ersten Blick.
Doch das Pilotprojekt Neue Ecke Stellingen –
kurz NESt genannt – hat erfolgreich den
Gegenbeweis angetreten.
B
Fahrradwegenetzes werden langfristig dazu
beitragen, dass Stellingen sein Gesicht verändern und als Wohnlage an Qualität gewinnen
wird. Im Rahmen all dieser Veränderungen
stellt die Bebauung der Neuen Ecke Stellingen einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Baustein dar. Sie setzt an der städte­
-
is zu 120.000 Fahrzeuge passieren
die Kreuzung Kieler Straße/Sportplatzring täglich. Dort, wo heute der
Neubau steht und damit der lange verwaisten
Ecke wieder ein Profil gibt, befand sich früher ein Sammelsurium kleinerer gewerblich
genutzter Gebäude. Assoziieren konnte man
diesen Ort früher vor allem mit einem Antiquitätenhandel, der dort seinen Sitz in einem
alten Gebäude hatte, und der schlichten Tatsache, dass gleich hinter der Ecke die Auffahrt auf die A7 liegt.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Im
Rücken der Neuen Ecke Stellingen ist derzeit ein neues großes Wohnquartier in Planung. Durch geschickten Flächentausch
wird auf dem Gebiet der heutigen Sportplätze am Sportplatzring Raum für Hunderte
von Wohnungen geschaffen. Der geplante
Auto­bahndeckel und der weitere Ausbau des
Barrierefreies und energieeffizientes »NESt«
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Durch den Neubau ist ein ruhiger Innenhof für alteingesessene und neue Bewohner entstanden
baulich schwierigsten Stelle ein Signal und
wird damit zum Impulsgeber für weitere
städte­bauliche Entwicklungen im Umfeld.
Das als Energieeffizienzhaus 40 (EnEV
2009) errichtete und mit Mitteln der Hamburger Wohnungsbaukreditanstalt (heute IFB
Hamburg) geförderte Gebäude erfüllt alle
Anforderungen an den Emissionsschutz und
kann trotzdem mit der Optik eines normalen Wohngebäudes aufwarten. Die verglasten
Loggien zur Straßenseite stellen dabei eine
wichtige Facette im Schallschutzkonzept dar
und suggerieren gleichzeitig einen ähnlich
hohen Fensteranteil wie bei anderen Wohngebäuden. Außerdem stellen sie den Bewohnern
einen Außenraum zur Verfügung, der durch
seine geschützte Anlage den Wohnraum erweitert. 55 Wohneinheiten, alles Zwei-ZimmerWohnungen mit Größen zwischen 43 und
65 m2, dazu drei Gewerbeeinheiten und ein
Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss umfasst
das komplett barrierefreie Gebäude, das zu-
Die Eingangsbereiche können sich sehen lassen
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INTERVIEW
Hochinnovatives Projekt
Warum lag die Ecke Kieler
Straße/Sportplatzring so
lange brach?
Es fand sich einfach lange
Zeit kein Investor, der ein
Konzept in der Tasche hatte, um die bestehende Nachkriegsbebauung aus kleinen
gewerblichen Bauten aufzuheben und diese Ecke neu
zu strukturieren. Sie war zu
laut und zu unattraktiv. Hätte man noch zu Beginn der
2000er­Jahre gesagt: Hier
kommt mal ein Wohngebäude hin, dann wäre das
Gelächter unter den Stadtplanern ein lautes gewesen.
Was bedeutet die Neubebau­
ung mit Wohnungen an dieser
Stelle für die Weiterentwick­
lung des Stadtteils Stellingen?
Das, was da gebaut worden
ist, ist wegweisend, weil
es die größten verfügbaren
Potenziale für den Neubau
hebt, die wir haben: nämlich Flächen an bereits völlig
erschlossenen Straßen mit
kompletter Infrastruktur.
Im Rücken der Neuen Ecke
Stellingen entsteht demnächst ein neues Quartier,
das 600, mit angrenzenden
Flächen insgesamt fast 800
neue Wohnungen haben
Dr. Torsten Sevecke
ist gebürtiger Hamburger
und promovierter Jurist und
seit 2010 Bezirksamtsleiter
von Eimsbüttel.
wird. Die ganze Entwicklung
konnte angeschoben werden, weil ein Projektentwickler gezeigt hat, dass es geht,
an dieser schwierigen Ecke
guten Wohnraum zu bauen.
Und das Projekt zieht weitere
Siedlungsimpulse nach sich,
wie man ja an der Bautätigkeit entlang der Kieler Straße
und des Sportplatzrings
verfolgen kann. Insofern
kann man schon sagen, dass
NESt die Funktion einer
Art Speerspitze für die weitere Stadtteilentwicklung
an dieser Stelle gehabt hat.
Das Projekt NESt hatte
Pilotcharakter. Worum
ging es da genau?
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Der offizielle Titel war »Pilot­
projekt für das Wohnen an
stark verlärmten Hauptstraßen«, und es ging darum,
ein Vorreitermodell für weitere Projekte dieser Art zu
schaffen. Und das Haus wird
Schule machen, da bin ich
mir sicher. Man muss doch
eins sehen: Grundstücke in
solchen Lagen sind im Vergleich günstig. Und wenn
man qualitativ guten Wohnungsbau bei halben Kosten
für das Grundstück an diese Stellen bringen kann und
nur den Mehraufwand für
die technische Ausrüstung
des Gebäudes in Sachen
Lärmschutz hat, dann rechnet sich das. Wir haben
derzeit einen klaren Trend,
dass zunehmend an den
Hauptverkehrsstraßen, an
den Tangentialen und an
den Magistralen, Planrecht
geschaffen wird, damit dort
unter maximaler Ausnut­
zung der Grundstücke Wohnungsbau entstehen kann.
Bei der intensiven Suche
nach Flächen für dringend
benötigten Wohnungsneubau sind das wichtige Ressourcen, die wir auf diese
Weise aktivieren können.
Nach langem Suchen endlich angekommen: Barbara und Hans-Peter Hunckel
und das hohe Verkehrsaufkommen an dieser
Stelle scheinen nicht im Fokus der Bewertung
dieses Wohnraumangebotes zu stehen.
Für Barbara und Hans-Peter Hunckel war
die Wohnung ein echter Glücksfall. »Wir haben vier Jahre lang gesucht«, sagt Barbara
Hunckel, »und haben dabei einiges gesehen.«
Sie mussten aus ihrer Wohnung in LemsalMellingstedt ausziehen und etwas finden,
was finanzierbar war. Doch in dem Segment,
in dem sie suchten, war das Angebot rar, die
Mitbewerber waren zahlreich und die Angebote selbst oft in jämmerlichem Zustand. Nach
den vielen negativen Erfahrungen hat sie das
Gebäude mit den tollen Eingängen und dem
fast edel anmutenden Fahrstuhl begeistert.
»Es ist alles modern und einladend hier«, fasst
Barbara Hunckel ihre Eindrücke zusammen.
»Ich finde auch das Konzept großartig«,
sagt Hans-Peter Hunckel. »Neben der Barrierefreiheit mit Fahrstuhl und bodengleichen
Duschen gibt es hier einen Gemeinschafts-
dem über eine Tiefgarage verfügt. Die Mieter­
zielgruppe sind Menschen ab 60 Jahren.
Schnell waren alle Einheiten vermietet,
und die Bewohner und Bewohnerinnen er-
»Unsere Kinder sagen
immer: Mensch,
ist das gemütlich
bei euch!«
B A R BA RA UN D HAN S-PE T ER HUN CKEL
freuen sich heute an den Annehmlichkeiten
eines Neubaus und der guten Ausstattung,
über die das Gebäude verfügt, allen Auflagen
und dem engen Budget eines geförderten
Wohnungsbaus zum Trotz. Lärmbelastung
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»Es ist uns nicht
schwergefallen,
uns zu verkleinern.
Das war hier ein
echter Neuanfang
für uns.«
M O N I K A UN D N ORB ERT FRE YM ARK
Ehepaar Freymark im Blumenmeer ihrer Loggia
raum, den alle Mieter nutzen können.« Dass
es einen separaten Fahrradkeller gibt, gefällt
den Hunckels ebenfalls gut, denn sie haben
kein Auto. Gefahren wird daher mit dem Rad,
ins Niendorfer Gehege oder gleich um die
Ecke zu Hagenbecks Tierpark, für den sie sich
eine Jahreskarte besorgt haben – Ersatz für
die nun nicht mehr so üppig vorhandene Portion Natur vor der Tür. Ansonsten bewegen
sie sich mit dem öffentlichen Nahverkehr, an
den sie jetzt ja bestens angeschlossen sind.
»Früher konnten wir zwar vom Wohnzimmer
aus die Pferde auf der Koppel beobachten, dafür war der Weg zum nächsten Arzt und zum
Einkaufen lang«, resümiert Hans-Peter Hunckel, und seine Frau ergänzt: »Natürlich gibt
es schönere Wohngegenden, das ist ganz klar,
aber wir haben uns gut eingelebt und fühlen
uns wohl hier.« Und für beide endet damit
auch eine wechselvolle Zeit des Suchens und
der Rückschläge, und es kehrt endlich wieder
Ruhe in den Alltag ein.
Im Gegensatz zu Ehepaar Hunckel sind
Monika und Norbert Freymark fast aus der
Nachbarschaft zugezogen. Über 36 Jahre lang
hatten sie in einer Drei-Zimmer-Wohnung in
der Alsenstraße in Altona-Nord gewohnt, in der
auch die beiden Kinder groß geworden waren.
Obwohl sie vieles mit ihrer alten Heimat verband, hatten sie doch gemerkt, dass das Leben
im 3. Stock ohne Fahrstuhl anfing, beschwerlich zu werden. Nach der Besichtigung der
Musterwohnung an der Neuen Ecke Stellingen
im Mai 2015 stand für sie daher fest, dass der
Ortswechsel eigentlich nur Positives bereithielt. Ihre Wohnung mieteten sie dann später
sogar vom Papier, ohne sie vorher noch einmal gesehen zu haben. »Wir waren uns sicher,
dass sie uns gefallen würde«, bestätigt Norbert
Freymark. Und später kamen sie ab und zu an
die Kreuzung und haben den Baufortschrift
fotografiert – »aus reiner Vorfreude auf den
Bauabschluss und den nahenden Umzug«, verrät seine Frau. Heute haben sie es sich gemüt-
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DREI FRAGEN AN
Komplexe Herausforderung
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Welche
Konsequenzen
hatte dieser
starke Fokus auf
den Schallschutz für
Planung und Bau
des Gebäudes?
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Wohnungsbau trotz
hoher
Lärmbelastung –
wie geht das?
Zunächst einmal wurde im
Erdgeschoss des Gebäudes
eine gewerbliche Nutzung
integriert. Durch dieses überhohe Geschoss sowie die
massiven Brüstungen an der
Straßenseite liegen die Fenster des ersten Wohngeschosses bereits fünf Meter über
dem Straßenniveau. Ferner
wurden die Schlafräume zum
ruhigen Innenhof ausgerichtet.
Die Fassade erhielt einen
zweischaligen Aufbau, und es
wurden Schallschutzfenster
eingesetzt. Die verglasten
Loggien stellen einen weiteren
Baustein im Schallschutzkonzept dar. Sie schaffen zum
einen Aufenthaltsqualität für
die Bewohner und ermöglichen es zum anderen,
dahinterliegende Bauteile
einfacher auszuführen.
Der Schallschutz war an diesem Standort sicherlich eine
Herausforderung. Komplex
wurde die Aufgabe aber dadurch, dass es einen ganzen
Katalog weiterer Anforderungen an das Gebäude gab,
die es zu integrieren galt.
Beispielhaft seien hier nur die
hohen energetischen Anforderungen (WK-Effizienzhaus
40) und die Barrierefreiheit
genannt. Mit jedem dieser
Faktoren potenzierte sich der
Komplexitätsgrad und führte
in der Planung zu Zielkonflikten, die häufig nur durch
einen erhöhten Aufwand zu
lösen waren. Diesen Mehraufwand mit dem eng gesteckten Budget des geförderten
Wohnungsbaus in Einklang
zu bringen war eine weitere
Herausforderung.
Frank Lauhoff ist verantwortlicher Architekt für das
Bauvorhaben NESt gewesen.
www.lauhoff-architekten.de
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3
Welche
Erfahrungen
haben Sie
als Architekt aus
diesem Projekt
gezogen?
Die klare Vorgabe des Bauherrn, hier einen zukunftsweisenden, kostengünstigen und
doch soliden Wohnungsbau
entstehen zu lassen, der dem
Lärm trotzt, hat das gesamte
Projekt getragen und dabei
geholfen, die vielen Hindernisse im Planungsprozess und
im Genehmigungsverfahren
zu überwinden.
Ich persönlich konnte ein
weiteres Mal sehen, wie sich
die Rolle des Architekten
immer mehr vom Gestalter
und Planer in Richtung
Moderator verschiebt. In
das Projekt waren insgesamt
zwölf Fachplaner eingebunden. Das verdeutlicht die
Komplexität solcher Aufgaben,
die heute nur von interdisziplinären Teams und nicht
mehr aus einer Hand gelöst
werden können. Das Resultat kann sich dafür sehen
lassen: ein für den Standort
optimiertes Gebäude, in
dem 55 Parteien ein neues
Zuhause gefunden haben.
Grundrisse mit offenen Küchen ermöglichen eine großzügigere Raumgestaltung
lich eingerichtet und ihre Loggia in eine kleine
Blumenoase verwandelt. »Früher hatten wir
einen Balkon«, berichten beide, »den konnten
wir aber aufgrund des Verkehrs in der Alsenstraße nie richtig nutzen. In unserer Loggia dagegen sitzen wir sehr viel, und es ist auch bei
leicht geöffneten Glaselementen nicht zu laut.«
Obwohl der Wechsel Monika Freymark beschäftigt hat, war sie bereits nach einer Woche
so richtig in ihrer neuen Behausung angekommen. Letztlich brauchte dann wohl die stattliche grauweiße Katzendame Käthe, die mit den
Freymarks umgezogen ist, am längsten, um
sich in ihrer neuen Umgebung einzuleben.
Aus der Perspektive der Bewohner ist
die Neue Ecke Stellingen also viel mehr als
ein erfolgreiches Pilotprojekt, das beweist,
dass innerstädtisches Leben auch gut an viel
befahrenen Stellen möglich ist. Denn alle
haben sie nach einem Zuhause für den nächsten Lebensabschnitt gesucht und dabei ihr
»NESt« gefunden.
Gute Optik auch im Treppenhaus
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