Der Kampf gegen die inneren Feinde

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Titel
Waffen symbolisieren im Buddhismus den Kampf gegen die inneren
Feinde, die das Leiden hauptsächlich verursachen.
Unerschrocken hält sich derBodhisattva im Wald des Leidens auf.
Der Kampf gegen die inneren Feinde
von Geshe Thubten Ngawang
V
iele benutzen heutzutage den
Ausdruck „Heiliger Krieg”, aber
eigentlich passen beide Worte
nicht zueinander. Heilig ist edel und rein,
und Krieg ist genau das Gegenteil, wo es
darum geht, Feinde zu beseitigen. Es gibt
aus buddhistischer Sicht keine Möglichkeit, aus religiösen Gründen im Äußeren Krieg zu führen. Dennoch sprechen
wir im religiösen Kontext manchmal von
Krieg, aber er richtet sich gegen die inneren Feinde. Diese sind, wie im buddhistischen Daseinsrad dargestellt, die
Leidenschaften von Hass und Gier, basierend auf Unwissenheit. Sie werden von
drei Tieren (Schlange, Hahn und Schwein) symbolisiert, die sich gegenseitig
in den Schwanz beißen, denn sie stacheln einander an. Die Leidenschaften sollen überwunden werden, und dies geschieht mit dem Pfad von Weisheit und
Methode. Im Buddhismus kennen wir
viele Symbole für Weisheit und Methode,
darunter auch Waffen wie Pfeil und Bogen oder Feuer.
In den folgenden Ausführungen
stütze ich mich auf die Schrift „Das Rad
der scharfen Waffen“ des indischen Meisters Dharmarakæita. Der Text beschreibt
die Verhaltens- und Denkweisen eines
Bodhisattva, eines Wesens, das sich auf
dem Weg zur Buddhaschaft zum Wohle
aller Wesen befindet. Eine solche Person
ist in ihrem Geist so eingestellt, dass sie
eigene Leiden an Körper und Geist als
etwas Geringes auffasst, als etwas nicht
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weiter Beachtenswertes. Die Leiden der
anderen dagegen empfindet sie als unerträglich, und sie sieht es als ihre
hauptsächliche Verantwortung an, diese
Leiden zu beheben. Der Geist eines Bodhisattva ist sehr weit. Er hat ein großes
Verantwortungsgefühl und nichts anderes im Sinn, als die Wesen von ihren
Qualen zu erlösen. Deshalb setzt er das
Glück der anderen über das eigene Wohl.
Wenn eine Person mit einer solchen altruistischen Motivation selbst Schwierigkeiten erlebt, benutzt sie diese als Mittel, um das Leiden der anderen zu verringern. Der Bodhisattva, der sich auf
dem Weg zur Buddhaschaft befindet,
wird auch als der Held oder der Tapfere
bezeichnet. In diesem Zusammenhang
wird auch das Bild des Pfauen gegeben.
Mythologisch wird der Pfau als ein
Tier beschrieben, das weniger an den
Schönheiten des Waldes als an den
Giftpflanzen interessiert ist. Diese
sucht er und nimmt sie zu sich. Das
Besondere ist, dass der Pfau, indem er
Gift frisst, immer noch schöner wird,
da er in der Lage ist, die schädliche
Substanz umzuwandeln und für sich zu
nutzen. Das ist die besondere Eigenschaft des Pfauen, und sie wird als Symbol für den Bodhisattva und seinen
Umgang mit Leiden gewählt. Der Bodhisattva verhält sich nicht so wie andere Wesen im Daseinskreislauf, die es
vor allem auf sinnliche Genüsse oder
andere Annehmlichkeiten abgesehen
haben. Dieser Held ist frei von Anhaftung an die weltlichen Dinge. Er hält
sich jedoch im Wald des Leidens auf,
Tibet und Buddhismus • Heft 60 • Januar Februar März 2002
einem Wald mit Stacheln und Giften.
Dieses mutige altruistische Wesen ist
immer mit dem Geistesfaktor der Zufriedenheit und Wunschlosigkeit ausgestattet.
Ein solcher kraftvoller und entschlossener Geist als Basis bewirkt, dass
der Held, wenn er auf angenehme Umstände trifft, nicht sofort unter ihren
Einfluss fällt und Anhaftung erzeugt,
um dann in die verschiedensten Leiden
hineinzufallen, sondern er ist stets achtsam und meidet solche Fallen. Er gerät
weder durch angenehme noch durch
unangenehme Umstände in Verwirrung. Wann immer er auf Leiden trifft,
nimmt er es bereitwillig auf sich. Sein
Geist wird durch Leiden nicht geschwächt, sondern nimmt sogar noch
an Kraft zu. Er denkt: Das ist keine große Sache, es macht nichts, ich werde es
schon ertragen. Deshalb befindet er
sich ständig in einem Zustand von
Glück, weil er die Schwierigkeiten, denen er ausgesetzt ist, nicht besonders
wichtig nimmt. Sie interessieren ihn
einfach nicht so sehr. Sein Interesse
richtet sich ganz auf die Beseitigung der
Pein von anderen.
Ganz anders handelt die unweise,
gewöhnliche Person, die nicht weiß,
was anzunehmen und was aufzugeben
ist. Sie setzt übertriebene Hoffnungen
in weltliche Dinge, sie hegt Illusionen
in Bezug auf kurzfristiges Glück im
Daseinskreislauf und ist euphorisch,
wenn die äußeren Umstände günstig
sind. Doch sobald sich das Blatt wendet und Schwierigkeiten aufkommen,
Titel
Mañjuœrï besiegt die Feinde mit
dem Schwert der Weisheit.
Was für andere Gift ist, wandelt er in nützliche Substanzen um.
verfällt sie in Schwermut und Verzweiflung. Ihr Geist schwankt immer zwischen Hoffnungen und Enttäuschungen hin und her, es geht ständig auf
und ab. Dieser instabile Geisteszustand
zieht weitere Fehler nach sich. Es entsteht die Bereitschaft, anderen Wesen
zu schaden, die dem eigenen Glück
scheinbar entgegenstehen. Feindseligkeit kann sogar dazu führen, dass
man andere bestiehlt, belügt oder gar
tötet. Eine Person mit einem instabilen
Geist ist immer bereit, unheilsam zu
handeln. Für einen weltlichen Menschen gilt folgendes: Was es eigentlich
zu tun gibt, zum Beispiel Handeln zum
Wohle anderer, wird nicht getan. Was
falsch ist und anderen schadet, wird
getan.
Der Bodhisattva, der auf der Basis
eines stabilen Geistes handelt, verhält
sich ganz anders. Er nimmt Zuflucht
zu den Buddhas, die den Weg von
Weisheit und Methode zu Ende gegangen sind, und nimmt ihren Segen
entgegen. Mit diesem Vertrauen bemüht er sich nach Kräften, die Ursachen der Leiden anderer zu überwinden.
Diese Ursachen sind hauptsächlich das
Greifen nach einem inhärenten Selbst,
also die falsche Wahrnehmung der Person, und die Selbstsucht. Diese zwei
Wurzeln des Leidens zerstört der Bodhisattva mit Waffen. In einigen Textstellen heißt es, der Held führe eine Art
Tanz auf, mit dem er diese falschen
Geisteshaltungen vernichtet. Das Greifen nach einem unabhängigen Selbst
und die Selbstsucht werden verglichen
mit dem Verhalten einer Eule, die in
Tibet als besonders hinterhältiges Tier
angesehen wird. Wenn alle anderen
schlafen, dann ist die Eule wach und
treibt im Schutze der Dunkelheit ihr
Unwesen. Und wenn alle aktiv sind,
dann schläft sie. Sie verhält sich damit
genau im Gegensatz dazu, wie es
eigentlich üblich ist. Genauso ist die
Selbstsucht. Statt zum Wohle der anderen zu handeln und ihre Leiden überwinden zu helfen, ist sie stets nur auf
ihr eigenes Wohl bedacht.
Im „Rad der scharfen Waffen“ finden sich Verse, in denen zu dem Buddha gebetet wird, damit er in einem
kämpferischen Tanz mit Waffen diese
falsche Einstellung in uns und allen
Wesen zerstört. Dort ist auch die Bitte
enthalten, dass er unseren Feind, den
Herrn des Todes, besiegen möge. Der
Buddha kann alles Denken und Greifen nach der Ansicht eines unabhängigen Selbst zerstören, er ist im Besitz des
Dharmakåya und hat grenzenlose
Kraft. Der Buddha wird bewundert
wegen seiner Fähigkeit, Hindernisse
und Feinde zu überwinden.
Der Buddha hat die Waffen des Erfassens der Selbstlosigkeit. Damit zerschlägt er die Feinde, zum Beispiel die
Leidenschaften, wie mit einem riesigen
Hammer. Dieses Bild kann Angst auslösen, aber wir sollten es richtig interpretieren. Waffengleiche Gegenstände
in der Hand eines Buddha-Aspekts
symbolisieren die Weisheit, die die
Selbstlosigkeit erfasst. Sie sind selbst
Ausdruck der höchsten Weisheit und
keinesfalls materielle Gegenstände. Mit
dem Messer beispielsweise zerschlägt
der Buddha die beiden Feinde des
Übenden: die Selbstsucht und das
Greifen nach einem unabhängigen
Selbst. Buddhas und Bodhisattvas haben keine Zweifel über die vielfältigen
Methoden, mit denen diese Hindernisse beendet werden können.
Wir bitten den Buddha im Gebet,
dass er mit seiner Weisheit unsere falschen, negativen Konzepte auflösen
möge. Den falschen Konzepten gegenüber solle der Buddha seine Waffen benutzen. Den Lebewesen selber, so bittet man den Buddha, möge er Zuflucht
gewähren in seinem großen Erbarmen.
Wenn Praktizierende schrittweise auf
dem Pfad eines Bodhisattva vorankommen, werden die Fehler ihres Geistes
immer weniger und schwächer, bis sie
sich schließlich ganz auflösen. Damit
wird der Zustand eines Weltlichen oder
Kindischen überwunden, der sich von
den verschiedensten Emotionen treiben läßt.
Die Leidenschaften lassen sich in
fünf unterteilen: die drei Hauptleidenschaften Unwissenheit, Hass und Gier
sowie Stolz und Neid. All diesen Leidenschaften liegt das Greifen nach einem unabhängigen Selbst zugrunde, so
wie die verschiedenen Sinneskräfte auf
der Sinneskraft des Körpers basieren.
Unser Hauptfeind schlechthin ist das
Greifen nach einem Selbst. Diesem
Greifen geben wir die ganze Schuld für
alle Leiden und alle Fehler unseres Geistes. Wir entwickeln also auf der einen
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Zornvolle Gottheiten wie Yamåntaka,
die Waffen in ihren Händen tragen,
verkörpern eine besondere Entschlossenheit
und Kraft im Kampf gegen Leiden und
Hindernisse. Sie handeln aus großem Mitgefühl.
Seite eine feindselige Einstellung gegenüber den Leidenschaften und dem
Greifen nach einem Selbst als Ursprung
allen Leidens. Auf der anderen Seite
erzeugen wir gegenüber den Lebewesen
eine sehr sanfte, mitfühlende Einstellung. Ein Bodhisattva denkt daran,
welche Güte er den Lebewesen verdankt, sowohl als sie seine Mütter,
Verwandten, Freunde in den verschiedenen Existenzen waren, aber auch als
er nicht enger mit ihnen verbunden
war. Bedenken wir es genau, kommt
alles, was wir im Leben zur Verfügung
haben, von anderen Wesen. Deshalb
entwickelt er Erbarmen, Dankbarkeit
und Respekt für jedes Wesen.
Der Bodhisattva ist bereit, alles, was
die anderen nicht wollen, auf sich zu
nehmen, sogar die Leidenschaften. Er
wäre bereit, die Leidenschaften der anderen, also die Ursachen allen Leidens,
und die leidhaften Wirkungen, die sich
aus den Leidenschaften und befleckten
Handlungen ergeben, auf sich zu nehmen. Praktisch ist es nicht möglich,
anderen ihre Leiden und Leidensursachen direkt abzunehmen. Hier geht es
vor allem um die Entschlossenheit des
Geistes. Der Bodhisattva entwickelt die
innere Stärke, alle Leiden von anderen
zu akzeptieren, wenn es ihnen nützen
würde. Durch eine solche Meditation
entsteht eine große Geisteskraft. Vom
Gesetz des Karma her wird allerdings
jeder die Resultate seiner eigenen
Handlungen erleben.
Wir sollten bei der Entwicklung einer altruistischen Geisteshaltung geschickt vorgehen und uns stufenweise
schulen. Zuerst denken wir etwas mehr
an die Leiden der anderen. Am Anfang
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ist es uns kaum denkbar, hauptsächlich
das Wohl der anderen im Blick zu haben oder gar ihre Leiden auf uns zu
nehmen. Eher ist es im Moment so,
dass wir uns über unsere eigenen Probleme wie körperliche Krankheiten
große Sorgen machen. Wir denken 24
Stunden des Tages daran, was uns alles
passieren könnte, und versuchen, uns
zu schützen. Unsere Angst ist groß, dass
uns etwas zustoßen könnte. Diese eigennützige Einstellung kann nur langsam umgewandelt werden gegen eine
Haltung, die mehr die anderen in den
Mittelpunkt des Interesses rückt.
Wir sollten uns vor Augen führen,
dass die Wesen sich wirklich verändern
können. Der Geist ist augenblicklich,
wandelbar. Dies beinhaltet, dass er sich
unter günstigen Bedingungen positiv
entwickelt bis hin zu außerordentlichen Geisteshaltungen wie dem
Erleuchtungsgeist. Wir sprechen oft
über Meditation. Wir schulen uns
schrittweise, um mit Leiden besser fertig zu werden oder sie auf uns zu nehmen. Wir können langsam damit beginnen, eine Entschlossenheit im Geist
hervorzubringen. Anfänglich vergegenwärtigen wir uns, dass wir im Moment
Die vier Måras
Im Buddhismus werden manchmal Waffen als Symbole für Weisheit benutzt, während die zu besiegenden Feinde als „Måra“ bezeichnet werden. Måra symbolisiert das Böse in vier Aspekten: den Leidenschaften
als den hauptsächlichen Feinden, dem Tod, den befleckten Aggregaten
von Körper und Geist und dem Måra in Gestalt der sogenannten Devaputras, also Geistwesen, die andere schädigen.
Der Måra der Leidenschaften ist am gefährlichsten und folgendermaßen charakterisiert: Auf der Grundlage einer falschen Erfassensweise der
Realität gerät man in einen unruhigen und undisziplinierten Zustand. Jede
geistige Haltung, die undiszipliniert und unruhig ist, ist eine Leidenschaft,
egal, ob es sich um Hass, Gier, Stolz, Neid oder andere Faktoren handelt. Solange jemand unter dem Einfluss von Leidenschaften steht, kann
es geschehen, dass ihm Feinde oder schädliche Geistwesen erscheinen
– in Gestalt der Devaputras, der vierten Form von Måra. Das Leiden des
Todes wird ebenfalls als Måra bezeichnet. Sobald man geboren wird, ist
klar, dass man sterben muss, und dies ist sehr leidhaft. Auch die Aggregate von Körper und Geist, die unfreiwillig angenommen werden, sind
eine Form von Måra. Die Furcht, die angesichts der vier Måras entsteht,
wird mit dem Schwert der Weisheit oder mit Pfeil und Bogen von Weisheit und Methode zerstört. Damit werden die Måras vernichtet.
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relativ gesund an Körper und Geist
sind. Aber es ist vorhersehbar, dass dies
nicht so bleiben wird. Wir führen uns
vor Augen: Vielleicht werde ich krank
oder verliere meine Arbeit. Die Reihe
der Probleme, die auftreten können, ist
lang. Wir sehen diesen Schwierigkeiten
ins Auge, statt sie wegzuschieben. So
wächst eine gewisse Entschlossenheit
heran, wir begegnen dem Leben furchtloser und akzeptieren zunächst unser
eigenes zukünftiges Leiden.
Sehr wichtig ist es an diesem Punkt,
die Gesetzmäßigkeit des Abhängigen
Entstehens, die zentrale Philosophie
des Buddhismus, zu verstehen. Wer
darin geschult ist, kann in jeder Situation, sei sie angenehm oder unangenehm, einen klaren Geist beibehalten.
Eine solche Person reagiert weder euphorisch auf Angenehmes noch depressiv auf Unangenehmes; denn sie weiß
auf Grund der Einsicht in das Abhängige Entstehen, wie Glück und Leid eigentlich existieren. Sie ist stabil, nicht
hin- und hergeworfen zwischen Abneigung und Anhaftung gegenüber Leiden
und Glück. Sie kann sogar so weit
kommen, dass sie Freude daran entwikkelt, mit Schwierigkeiten umzugehen
und sich daran zu üben. Diese Freude
ist das Kriterium für die Tatkraft, die
vierte der sechs Vollkommenheiten eines Bodhisattva. Die Tatkraft ist ein
Geistesfaktor, der Freude am Heilsamen hat, das heißt an der Praxis des
Dharma, und der sogar in der Lage ist,
diese Freude in unangenehmen Situationen aufrechtzuhalten.
Auf unserer Ebene versuchen wir zunächst, eine anfängliche Entschlossenheit im Umgang mit unserem eigenen
Leiden zu entwickeln, eine gewisse
Geisteskraft. Dann können wir langsam auch das Wohl der anderen mit
einschließen, indem wir uns deutlich
machen: Nicht nur ich selber möchte
Glück und kein Leid erleben, sondern
alle Wesen streben danach. Die anderen Wesen haben das gleiche Recht,
Glück zu erlangen und Leiden zu überwinden. Überdies gibt es Mittel, die das
bewirken. Mit Hilfe dieser Mittel können die Lebewesen sogar die Befreiung
von allen Leiden erreichen, genauso
wie ich sie gern verwirklichen möchte.
Die anderen Wesen sind zahlreich,
während ich selbst nur eine einzige Person bin. Auf der Grundlage dieser
Überlegungen entwickelt sich der
Wunsch, hauptsächlich etwas zum
Wohle der anderen zu tun. Das eigene
Glück und Leid ist einem dann relativ
gleichgültig, weil es sich nur auf eine
Person bezieht. Wir haben nur noch
eines im Sinn, uns um das Wohl der
anderen zu kümmern.
Wir weiten diese Haltung schrittweise aus, indem wir uns zunächst mit
den Wesen beschäftigen, die uns nahe
stehen wie Verwandte und Freunde. Im
nächsten Schritt denken wir beispielsweise an die Stadt, in der wir leben,
oder an größere Gebiete. Wie schön
wäre es, wenn die Wesen dort frei wären von Leiden, denn sie fürchten sich
vor Leiden genau wie ich. Wie schön
wäre es, wenn sie Glück erlebten, genau wie ich gerne Glück erfahren
möchte. Wir üben so in Bezug auf alle
Vier Unermeßlichen Geisteshaltungen:
Liebe, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut. Allein, dass jemand Glück und
kein Leid erleben möchte – das Kriteri-
„Wir denken 24 Stunden
des Tages daran, was uns
alles passieren könnte.
Diese eigennützige Einstellung kann nur langsam umgewandelt werden gegen eine Haltung,
die mehr die anderen in
den Mittelpunkt des Interesses rückt.“
um für ein Lebewesen – ist ein ausreichendes Argument, diesem Wesen
Glück zu wünschen und es von Leiden
befreien zu wollen.
Wir widmen das Heilsame, das aus
solchen positiven Geisteshaltungen erwächst, wiederum zum Wohle der Wesen. Wer eine gleichmäßig mitfühlende
Einstellung gegenüber allen Wesen erzeugen kann, sammelt ein umfangreiches heilsames Potenzial in seinem
Geist an, das wir im Buddhismus auch
„Verdienst” nennen. Die Wesen im Universum sind zahllos, und entsprechend
sammeln wir unendlich viele heilsame
Anlagen an, wenn unser Geist auf das
Wohl aller Wesen gerichtet ist. Wir widmen diese Verdienste positiven Zielen
und lenken sie damit in die von uns gewünschte Richtung. Sonst würden sie
sich eventuell in einem weltlichen Glück
erschöpfen oder auswirken.
Aus dem Tibetischen übersetzt von
Oliver Petersen.
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