21. Plastische und Wiederherstellungschirurgie

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Teil II
Allgemeine Behandlungsgebiete
21. Plastische und Wiederherstellungschirurgie . Rudolph und
V. Studtmann
H. Tscherne und G. Rege
Einführung
Der Begriff "Plastische und Wiederherstellungschirurgie" löst in der Öffentlichkeit, und hier
ganz besonders bei den Medien, automatisch das vermeintliche Synonym
"Schönheitschirurgie" aus.
Dies gilt aber nicht nur für die Laien, sondern auch für viele ärztliche und nicht-ärztliche
Angehörige operativer Disziplinen. So war es auch nicht sehr überraschend, als selbst der
Nestor der modernen Handchirurgie bei einem Vorgespräch zu seiner beabsichtigten Ehrung
durch eine wissenschaftliche Gesellschaft die Plastische und Wiederherstellungschirurgie
ebenfalls mit der kosmetischen Chirurgie gleichsetzte.
Eine der wesentlichen Ursachen dafür ist einerseits die Schwierigkeit einer exakten Definition
der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie und andererseits die Unmöglichkeit, dieses
weitgespannte Gebiet nur einer operativen Disziplin zuzuordnen, obwohl immer wieder von
einigen Fachgebieten ein Alleinvertretungsanspruch erhoben wird. Ein weiterer Anhaltspunkt
für diese Schwierigkeit ist der lange Weg von den historischen, schon antiken Anfängen
dieses Gebietes bis zur Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft.
Es ist nur wenig bekannt, daß bereits vor etwa 3300 Jahren in Ägypten wiederherstellende
Operationen im Gesichtsbereich durchgeführt wurden [21].
Obwohl Zeis bereits vor über 130 Jahren die deutsche Bezeichnung
"Wiederherstellungschirurgie" kreiert hatte [10], kam es erst im Jahre 1955 während der 72.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in München unter dem damaligen
Präsidenten Bürkle de la Camp zur Gründung der "Arbeitsgemeinschaft für Plastische,
Ästhetische und Wiederherstellungschirurgie". 1961 entstand daraus die "Sektion für
Plastische und Wiederherstellungschirurgie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie".
Hans von Seemen, der eigentliche Promotor dieser Entwicklung, führte damals aus: "Es soll
erstrebt werden, daß die sich teilweise abzeichnende Absplitterung von Spezialgebieten der
Plastischen und Wiederherstellungschirurgie vermieden wird. Aber darüber hinaus wäre es
erwünscht, und wir erstreben zu erreichen, daß sich der Sektion für Plastische und
Wiederherstellungschirurgie auch Mitglieder anderer operativer Fachgebiete (so u.a. der
Gynäkologie, der Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Ophthalmologie, der Orthopädie, der
Urologie), in denen entsprechende Plastische und Wiederherstellungschirurgie gepflegt wird,
anschließen" [10]. Wir sehen, daß bereits damals versucht wurde, die negativen Folgen einer
Aufteilung der Chirurgie in zu viele, zu kleine und damit oft kaum überlebensfähige
Fachrichtungen zu vermeiden.
Folgerichtig fand 1963 die Gründung der "Deutschen Gesellschaft für Plastische und
Wiederherstellungschirurgie", deren erste Jahrestagung zusammen mit dem Jahreskongreß der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in München durchgeführt wurde, statt.
Das Ziel, die operativen Fächer zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit auf diesem Gebiet
zusammenzufassen und ein zentrales Kongreßthema jeweils aus der Sicht der verschiedenen
Fachrichtungen zu bearbeiten, wurde zum charakteristischen Merkmal dieser Jahrestagungen.
Die Interdisziplinarität kommt seither auch in den jährlich von Fach zu Fach wechselnden
Präsidenten und gleichermaßen in der interdisziplinären Programmgestaltung zum Ausdruck.
Daß trotz der zahlreichen wissenschaftlichen Informationen durch Kongresse, Fachbücher
und -zeitschriften selbst unter zahlreichen Ärzten die Plastische und
Wiederherstellungschirurgie vielfach noch mit der Schönheitschirurgie gleichgestellt wird,
liegt auch an den höchst unterschiedlichen Definitionen dieses Arbeitsgebietes.
Claude Verdan formulierte 1980 das Ziel der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie:
"Ziel ist, fehlendes Gewebe zu rekonstruieren oder zu ersetzen und einer zerstörten Region
wieder ihre ursprüngliche anatomische Form zu verleihen. Der Plastische Chirurg ist somit
genötigt, seine Fähigkeiten auf zahlreichen Gebieten und nicht nur auf die Abdeckung mit
Integument auszuweiten". Und weiter: "Dies verlangt bei bestimmten Körperstellen ein
wahres künstlerisches Integument."
Eine sehr klare Beschreibung der Aufgaben und Ziele sowie eine ausgezeichnete Definition
der unterschiedlichen Aufgabengliederungen enthält die Satzung des Berufsverbandes
Plastische und Rekonstruktive Chirurgie:
I) Plastische und Rekonstruktive Chirurgie ist die operative Neu- oder Umbildung sowie
Rekonstruktion von Körperteilen oder Organen zur Herstellung adäquater Form und Funktion.
Zu unterscheiden sind:
a. die Konstruktive Plastische Chirurgie zur Beseitigung angeborener Fehlbildungen und
ihrer Folgen;
b. die Rekonstruktive Plastische Chirurgie zur Wiederherstellung von Körperteilen oder
Organen, die durch Unfall, Krankheit oder Eingriffe beeinträchtigt sind;
c. die Ästhetische Plastische Chirurgie zur Verbesserung konstitutions-, wachstums- oder
altersbedingter Beeinträchtigungen des Erscheinungsbildes.
Als Ergänzung gehört nach unserem Dafürhalten noch dazu die Definition der Kosmetischen
Chirurgie:
d. die Kosmetische Chirurgie zur "Verschönerung" eines an und für sich normalen
Äußeren bei gesunden Menschen.
II) Im Hinblick auf den Gesamtorganismus erfordern diese Aufgaben der Plastischen und
Rekonstruktiven Chirurgie wegen der spezifischen Probleme aller Körperregionen den
interdisziplinären Zusammenschluß der differenten operativen Gebiete.
Eingriffe der ersten beiden Gruppen a) und b) sind medizinisch indiziert. Dem wird durch
vollständige Kostenübernahme durch die Kostenträger Rechnung getragen. In der
Ästhetischen und Kosmetischen Chirurgie ist die Indikationsstellung in der Regel besonders
verantwortungsvoll, da es sich hierbei meist um gesunde Menschen und nicht - zumindest
präoperativ nicht - um "Patienten" handelt, weil sie lediglich eine Änderung ihres an und für
sich normalen Äußeren wünschen. Dabei darf man sicher unterstellen, daß auch
Altersveränderungen normale Vorgänge sind. Das ist auch der Grund, weshalb
Operationswillige dieser Kategorie die Kosten für derartige Eingriffe selbst übernehmen
müssen.
Historische Entwicklung
Nach Tabouis [21] haben sich bereits vor 3300 Jahren ägyptische Chirurgen in der Epoche der
18. Dynastie zu Beginn des Neuen Reiches in Ägypten mit plastisch-rekonstruktiven
Eingriffen an den Ohren beschäftigt. Es würde zu weit führen, aus der von der Antike bis
heute reichenden großen Zahl alle bedeutenden Wegbereiter der Plastischen und
Wiederherstellungschirurgie vollständig aufzuzählen.
Deshalb seien nur einige der bedeutendsten Geburtshelfer und Paten dieser Entwicklung
erwähnt.
Wenn für die Chirurgen im allgemeinen der schreckliche Spruch des Heraklit vom "Krieg, der
der Vater aller Dinge sei" zutrifft, so gilt dies ganz besonders für die Entwicklung der
plastisch-rekonstruktiven Chirurgie. Hinzu kam als weiteres wichtiges Stimulans die
besonders im Altertum, in bestimmten Weltregionen aber bis in die Neuzeit hinein geübte
Bestrafung von Verbrechern durch Abschneiden von Nasen, Ohren, Fingern und Händen.
So ist es auch nicht verwunderlich, daß bereits in Indien zwischen 1200 und 700 vor Chr. in
der Ayorweda u.a. als ein Routineeingriff Rhinoplastiken bzw. sogar noch weiter
differenzierend Otoplastiken und Cheiloplastiken erwähnt wurden, um die so gestraften
Verbrecher wieder gesellschaftsfähig zu machen [21].
Die Kenntnisse über die Rekonstruktion der vielzitierten "Indischen Nase" - es wird allerdings
vermutet, daß diese Technik ursprünglich aus China eingeführt wurde - kamen auf
Handelswegen gegen Ende des 14. Jahrhunderts nach Sizilien zur Familie Branca (Abb. 1).
Der Vater gab seine Kenntnisse an seinen Sohn Antonio Branca weiter, der diese Technik
sogar mit Hautübertragung vom Arm modifizierte. Diese Kunst der Nasenrekonstruktion
gelangte anschließend in die Hände der Familie Bojani de Tropaea in Kalabrien, die dadurch
im Neapel des 15. Jahrhunderts berühmt wurde [21].
Bekannter noch wurde Tagliacocci (1546-1599), der die Verfahren der Rhinoplastik von
Branca und Bojani 1587 und 1597 publizierte.
Diese Verfahren fanden besonders wegen der verstümmelnden Kriegs- und
Bestrafungsverletzungen im Gesicht zunehmend mehr Operateure, und dies trotz der
desolaten hygienischen und anästhesiologischen Verhältnisse zugleich mit einer
bewundernswerten Entwicklung der Hauttransplantationen.
E. Zeis aus Dresden, ein Schüler Dieffenbachs, veröffentlichte 1838 sein Handbuch der
Plastischen Chirurgie, in dem er erstmalig die Bezeichnung "Wiederherstellungschirurgie"
verwendete.
Erst eine akzeptable Anästhesie ermöglichte der gesamten Chirurgie, besonders aber der
Plastischen Chirurgie, eine ungeahnte Weiterentwicklung [21].
In Leipzig brachte Karl Thiersch 1886 sein grundlegendes Werk über Hautverpflanzungen
heraus. In Glasgow folgte 1875 der Augenarzt Reisberg-Wolfe mit der Transplantation eines
Vollhautlappens, einer Methode, die der Chirurg Fedor Krause 1893 mit seiner
Veröffentlichung über Vollhautlappentransplantationen ergänzte. Später ging das Verfahren
als Wolfe-Krause-Lappen in die Terminologie ein. In Deutschland waren es am Anfang des
20. Jahrhunderts Lexer, Joseph und E. Rehn, die die Plastische Chirurgie weiterentwickelten.
Padgett und Hood erfanden 1939 das erste klinisch brauchbare mechanische Dermatom (Abb.
2), welches über zahlreiche Modifikationen zum heute elektrisch bzw. pneumatisch
betriebenen Dermatom mit auswechselbaren Klingen und einer präzisen Seiten- und
Höheneinstellung für die Stärke der zu transplantierenden Hautlappen weiterentwickelt
wurde.
Ganz wesentliche Schritte waren auch die Verbesserung der Aseptik sowie später die
Einführung der Antibiotika und Sulfonamide.
Ein weiterer ganz wesentlicher Schub für die plastisch-rekonstruktive Chirurgie war die
Entwicklung mikrochirurgischer Operationstechniken, die die freie Transplantation von
mikrovasculären bis hin zu neurovasculär-gestielten Transplantaten ermöglichten.
Diese Erfolge gipfelten in der Transplantation von Zehen als Fingerersatz sowie in der
Replantation von Teilen der oberen und unteren Extremitäten unter einem sehr großen
organisatorischen und personellen Aufwand, aber mit aufsehenerregenden Ergebnissen, die
zum Teil den grundlegenden Arbeiten von Marc Iselin, Sterling Bunnell und Jörg Böhler mit
ihren Veröffentlichungen über moderne Handchirurgie im allgemeinen und die
Sehnenchirurgie im besonderen zu verdanken sind.
Spezielle Techniken, Instrumente und Hilfsmittel in der Plastischen und
Wiederherstellungschirurgie:
Entwicklung und Status quo
•
Mikrochirurgie
Die Mikrochirurgie ist eine spezielle Operationstechnik, die inzwischen in vielen
Fachdisziplinen Eingang gefunden hat.
Grundvoraussetzung für unter mikroskopischer Sicht durchgeführte Operationen war die
Entwicklung entsprechender Vergrößerungsoptiken. Eine erste wurde 1912 von Rohr für die
Firma Carl Zeiss, Jena, als Lupenbrille mit 2facher Vergrößerung entworfen und vornehmlich
in der Ophthalmologie eingesetzt. Das erste von Nylon und Holmgren 1922 entwickelte
binokulare Operationsmikroskop fand erst 20 Jahre später Anwender in der Augen- und
HNO-Heilkunde [22].
Das erste Operationsmikroskop mit Beleuchtung des OP-Gebietes durch das Objektiv, das
OPMI I, wurde 1953 von H. Littmann entwickelt.
Die operationstechnischen Grundlagen der heutigen Mikrochirurgie wurden in den 60er
Jahren entwickelt. Die spezielle Technik mikrochirurgischer Gefäßnähte (Abb. 3) ist mit den
Namen Jacobsen und Suarez (1960), die der mikrochirurgischen Nervenchirurgie (Abb. 4) mit
den Namen Smith, Chaffee, Numoto und Samii verbunden.
Mikrochirurgische Operationstechniken werden in der Plastischen und
Wiederherstellungschirurgie insbesondere bei der Transplantation gefäßgestielter Lappen aus
Muskulatur, Haut oder Knochen oder auch einer Kombination von 2 oder 3 Gewebestrukturen
zur Deckung von durch Unfall oder Erkrankung erworbenen Gewebedefekte eingesetzt. Diese
Technik erlaubt aber auch freie Lappenverpflanzungen mit mikrochirurgischer
Reanastomosierung von Gefäß- und ggf. sogar von Gefäß-Nerven-Bündeln.
Dies gilt ebenso für die Deckung von Weichteil- und Knochendefekten wie für die
Rekonstruktion längerstreckiger Nervendefekte. Abgetrennte Gliedmaßen können bei
entsprechenden Wundverhältnissen mikrochirurgisch replantiert oder sekundär durch
Gewebetransfer mit funktionell ansprechenden Ergebnissen wiederaufgebaut werden. Aber
auch bei Läsionen besonders im Gesicht mit größeren oder großen Defekten ist die
mikrochirurgische freie Lappentransplantation die Therapie der Wahl.
•
Instrumentarium
Mit der Entwicklung mikrochirurgischer Operationstechniken wurde ein entsprechendes
Instrumentarium der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie erforderlich.
Neben der konventionellen offenen Chirurgie setzen sich seit 20-30 Jahren mehr und mehr die
endoskopischen bzw. minimal-invasiven Operationstechniken mit einer revolutionären
Neuentwicklung von Endoskopen und speziellen Instrumenten durch. Technisch ist heute
nahezu jede Körperregion endoskopisch zugänglich, Probleme bestehen in diesem Bereich
aber noch von seiten der Hygiene. Die hochempfindlichen Instrumente und Geräte mit langen
dünnen Röhren und verwinkelter Mechanik sind nur schwer oder gar nicht zu säubern, damit
auch nicht einwandfrei zu desinfizieren und zu sterilisieren, da die Grundvoraussetzung einer
einwandfreien Desinfektion und Sterilisation der Zugang zu allen inneren und äußeren
Oberflächen ist. Ein meist sehr teurer Ausweg sind Einmalinstrumente, die zunehmend
angeboten werden [16].
•
Nahtmaterial
Beim Nahtmaterial haben Catgut und ähnliche Naturmaterialien ausgedient. Sowohl beim
resorbierbaren als auch beim nichtresorbierbaren Nahtmaterial haben sich Kunststoffe
durchgesetzt. Seit 1970 wird Polyglykolsäure (Dexon(r)), seit 1974 Polyglactin 910
(Vicryl(r)) als resorbierbares synthetisches Nahtmaterial angeboten. Wegen seiner deutlich
verzögerten Resorption werden Fäden aus Poly-(p)-dioxanone (PDS(r)) vornehmlich für
Band- und Sehnennähte verwandt.
Beim nichtresorbierbaren Nahtmaterial führte die Entwicklung über Nylon (1936), Perlon
(1938) und Polyester (1950) zum monofilen Polypropylen (Natta 1956, Prolene(r)), welches
heute in verschiedenen Modifikationen für Hautnähte verwendet wird. Hautnahtverschlüsse
mit Klammern aus Metall verkürzen den Zeitbedarf für den Wundverschluß erheblich.
In der Sehnenchirurgie werden weiter Nähte aus Metall mit deutlich größerer Reißfestigkeit
gegenüber dem übrigen Nahtmaterial verwendet [4].
•
Transplantationschirurgie
In der Transplantationschirurgie ist es seit 12 Jahren sowohl durch die HIV-Infektionen als
auch durch andere über Blut übertragbare Erreger zu erheblichen Problemen gekommen. Es
dürfen keine infizierten Organe oder Gewebe transplantiert werden. Bei HIV-negativen
Spendern bleibt bei jeder Transplantation jedoch ein gewisses Restrisiko, da HIV-Infektionen
erst 3-12 Monate nach Infektion serologisch nachgewiesen werden können. Dieses Risiko ist
zwar bei vitaler Indikation für Organempfänger akzeptabel, nicht jedoch bei nicht-vitaler
Indikation.
Bei allen anderen allogenen Transplantaten muß die HIV-Problematik deshalb sorgfältig
bedacht werden. Dies gilt insbesondere auch für die Knochenbank. Bei mindestens -70°
tiefgefrorener Knochen muß innerhalb eines Zeitraumes von 9 Monaten verwendet, danach
verworfen werden. Neben anderen Kontrollen muß eine Überprüfung des HIV-Status des
Spenders vor der Spende und 6 Monate danach durchgeführt werden, bevor der Knochen zur
Transplantation freigegeben werden kann. Wegen eines nicht zu vernachlässigenden
Restrisikos einer HIV-Übertragung muß die Indikation zur allogenen Knochentransplantation
sehr sorgfältig abgewogen und, wenn immer möglich, auf autogenen Knochen
zurückgegriffen werden [11]. Dies gilt selbstverständlich auch für alle anderen Gewebe.
Synthetische, xenogene Materialien haben Gewebe von menschlichen Spendern noch nicht
befriedigend ersetzen können. Es besteht aber kein Zweifel, daß die Zukunft den xenogenen
Implantaten gehören wird.
•
Verbrennungsmedizin
Die Verbesserung intensivmedizinischer Therapiemöglichkeiten hat zu einer deutlichen
Erhöhung der Überlebenschancen nach schwerer Verbrennung geführt. Während vor 50
Jahren jeder 2. Patient mit einer Verbrennung von mehr als 50% Körperoberfläche verstarb,
hat heute ein junger Patient mit einer Verbrennung von 70% der Körperoberfläche eine
Überlebenschance von ebenfalls 50% [5].
Infolgedessen bestehen auch sehr hohe Anforderungen an die Wiederherstellung nach
Verbrennungsschäden. Dies gilt nicht nur für Defekte an der Körperoberfläche, sondern auch
für Folgeschäden wie ausgedehnte Narbenbildungen, Gelenkkontrakturen und andere Schäden
an den Extremitäten [9].
Das Hauptproblem ist die Wiederherstellung einer intakten Körperoberfläche. Bei
Verbrennungen bis zu 50% der Körperoberfläche kann mit autogener Spalthaut mit einer
Meshrate (Maschenaufweitung) von bis zu 1:3 gedeckt werden, nachdem die Nekrektomie bis
in ausreichend durchblutetes Gewebe erfolgte.
Begleitende Frakturen sollen primär versorgt werden, wenn eine konservative Therapie nicht
möglich ist. Verzögerte Frakturversorgung oder Verfahrenswechsel sind bei den
hochkontaminierten Brandwunden wegen der Infektgefahr in der Regel nicht möglich. Da
Schwerstbrandverletzte wegen des schlechten Allgemeinzustandes nicht immer primär
versorgt werden können, besteht die Notwendigkeit, Fehlheilungen, Defekte oder
Gelenkkontrakturen erst nach Abheilung aller Wunden zu korrigieren.
Noch Jahre nach dem Verbrennungsunfall können schrumpfende oder exulzerierende Narben
weitere wiederherstellende Maßnahmen erfordern. Sind die angrenzenden Hautareale intakt,
können diese nach vorheriger Expanderaufdehnung zum Verschluß der Defekte nach
Narbenexzision verwendet werden (Abb. 5). Auch Verschiebelappen oder gefäßgestielte
Lappen werden zur Defektdeckung eingesetzt (Abb. 6).
•
Implantate
Implantate sind heute in der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie unverzichtbar
geworden. Allerdings muß wegen der allgemeinen Zunahme von Allergien in zunehmendem
Maße bei der Wahl der Implantate die allergische Disposition des Patienten berücksichtigt
werden. Allergien gegen Metallimplantate, zumeist eine Nickelallergie, können die Ursache
einer frühzeitigen Lockerung oder eines schleichenden Spätinfektes sein. In solchen Fällen
muß auf Implantate aus Titan oder solche mit Titanbeschichtung ausgewichen werden. Bei
der Implantation muß aber die geringere Festigkeit und Elastizität reiner Titanimplantate
berücksichtigt werden.
In der Gelenkendoprothetik finden zementierte und zementfrei implantierte Prothesen
zunehmende Verbreitung. Bei zementfreier Implantation entfällt die schädigende Wirkung
des Knochenzementes auf den Knochen und eventuell erforderliche Wechseloperationen
werden wesentlich erleichtert.
Die Oberflächenersatzprothesen des Kniegelenkes sind ein wesentlicher Fortschritt gegenüber
den starren Scharnierprothesen. Zementfreie Implantationstechniken haben hier aber
gegenüber dem Hüftgelenk noch erhebliche Defizite bezüglich der Lockerungsrate und
Spätfolgen.
Die Endoprothetik an anderen Gelenken wie Schulter, Ellbogen oder Finger bleibt bei
mäßigen Ergebnissen weiterhin auf ausgesuchte Einzelfälle beschränkt.
Silikon fand millionenfach sowohl in injizierbarer Form als auch als silikongelgefülltes oder
solides Implantat bis 1992 weltweit uneingeschränkt Verwendung.
1992 hat die amerikanische Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration (FDA), 1993
auch das deutsche Bundesgesundheitsamt die medizinisch indizierte Verwendung
silicongelgefüllter Implantate unter eine strenge Kontrolle gestellt, die Verwendung aus
kosmetischer Indikation verboten bzw. dringend davon abgeraten und diese Restriktionen bis
heute unverändert aufrecht erhalten [14]. Die Gründe für diese Restriktionen sind die große
Zahl von Patienten mit z.T. erheblichen, schweren Nebenwirkungen nach Implantation von
Silikonimplantaten. Ersatzimplantate aus Polyurethan scheiden wegen der bekannten
karzinogenen Wirkung aus.
•
Laserchirurgie
Die Laserchirurgie in ihren vielfältigen Modifikationen ist zu einer wertvollen Ergänzung des
Instrumentariums in der Plastischen und Wiederherstellungs-chirurgie geworden.
Für den CO2-Laser wurden computergestützte Handstücke entwickelt, die einen ultrakurz
gepulsten Laserstrahl gleichmäßig über eine bestimmte Fläche führen und so eine schonende
Gewebeabtragung mit einer Schichtdicke von 0,1 mm und weniger ohne thermische
Schädigung des verbleibenden Gewebes ermöglichen. Hypertrophe Narben, Narbenkeloide
oder störende Faltenbildungen können präzise abgetragen bzw. geglättet werden [17, 23].
Die Neuentwicklungen Rubin- und Alexandrit-Laser werden vornehmlich zur Entfernung von
sehr tiefen Laientätowierungen eingesetzt. In mehreren Sitzungen wird der in die Haut
eingebrachte Farbstoff durch kurze, hochenergetische Strahlung zerstört und anschließend
vom Organismus abtransportiert. Die Hautoberfläche wird dabei nicht geschädigt. Eine
sekundäre erst- und zweitgradige thermische Schädigung heilt im weiteren Verlauf
weitgehend folgenlos aus, so daß keine Narben verbleiben.
In der periarthroskopischen Gelenkchirurgie haben sich der 1320 nm Neodym:YAG- und der
Holmium:YAG-Laser etabliert. Bei einer Strahlführung mit einer 0,2-0,6 mm dünnen "bare
fibre" können auch enge Abschnitte selbst kleiner Gelenke mühelos erreicht und
Druckschäden an Meniskus und Knorpel, die von der Verwendung mechanischen
Instrumentariums her bekannt sind, können vermieden werden.
Im Gegensatz zur Synovialektomie mit dem Shaver unter Gefahr von Nachblutungen
koaguliert der 1320 nm Neodym:YAG-Laser Blutgefäße bis zu einem Durchmesser von 1
mm problemlos. Die nach mechanischer Synovialektomie oft schmerzhafte Mobilisation des
behandelten Gelenkes mit Krankengymnastik und Übungen auf der elektrischen
Bewegungschiene, um frühe Verklebungen zu vermeiden, gestaltet sich nach
Lasersynovialektomie deutlich einfacher. Kontrollarthroskopien 6 Monate nach
Lasersynovialektomie zeigen eine reizlos verheilte Synovialis ohne störende Narbenbildungen
[15].
Die Glättung degenerativ geschädigten Gelenkknorpels mit dem Laser erscheint
makroskopisch wie eine Versiegelung. 1994 stellten wir mit Lehmann vom Anatomischen
Institut der Universität Münster die ersten elektronenmikroskopischen Nachuntersuchungen
unserer Patienten 9 Monate nach Laserbehandlung vor [13]. Nach anfänglichem
Zelluntergang hatte sich 9 Monate später ein proliferierender hyaliner Knorpel, dessen
Regenerationsprozeß noch nicht abgeschlossen war, wieder aufgebaut. Diese Wirkung auf
degenerativ geschä digten Gelenkknorpel konnte bisher mit keinem anderen Verfahren
erzielt werden.
•
Computertechnologie
Bier stellte 1996 ein computerunterstütztes Navigationssystem aus der MKG-Chirurgie
(Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie) vor, bei dem eine dreidimensionale CT- oder MRTDarstellung des Schädels über ein Kamerasystem intraoperativ mit dem Situs synchronisiert
und mit einem speziellen Zeiger die Lage eines Instrumentes in Echtzeit auf dem
dreidimensionalen Bild dargestellt wird. Bei präoperativer Festlegung zum Beispiel einer
Osteotomielinie in der 3D-Darstellung wird intraoperativ ein robotergeführtes Instrument
exakt an der festgelegten Position die Osteotomie durchführen. Dies ist um ein vielfaches
genauer als mit einer freihand vom Operateur geführten Säge [2]. Als praktikabel erwiesen
hat sich bereits das allerdings nicht ganz so aufwendige ROBODOC System zur Auffräsung
des Femur in der Hüftendoprothetik.
Bei der Planung von formverändernden Eingriffen insbesondere im Gesichtsbereich und zur
Verlaufskontrolle des Behandlungsergebnisses wird von Kakoschke et al. aus Essen ein
Computerprogramm zur Herstellung dreidimensionaler Oberflächendarstellung erarbeitet, das
genaue Messungen der Oberflächen und möglicher Asymmetrien zur präoperativen Planung
oder postoperativen Verlaufskontrolle erlaubt [7].
Die unten noch einmal zusammengefaßten Grundlagen für die Ausübung der Plastischen und
Wiederherstellungschirurgie heute haben wesentlich zu der rasanten Entwicklung
beigetragen:
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räumliche Gegebenheiten (Ausstattung und Anlage der Operationssäle,
Intensiveinheiten, Anästhesie etc.),
die moderne Aseptik, von der sterilen Bekleidung über Reinraumtechniken,
Einwegartikel bis hin zu den verschiedenen Möglichkeiten der Desinfektion und
Sterilisation,
Antibiotika, Sulfonamide, Antiseptika,
feinstes und hochspezialisiertes Instrumentarium,
feinstes atraumatisches Nahtmaterial, zuverlässige Klebetechnik,
ausgefeilte moderne Hilfsmittel wie Lupenbrille, Operationsmikroskop,
computergesteuerte Geräte zur Diagnostik und Therapie, bildgebende Verfahren zur
prä- und intraoperativen Rekonstruktionshilfe,
ausgefeilte gewebeschonende Operationstechniken,
Implantate aus Silikon und anderen Elastomeren,
Epithesen,
fachliche Kompetenz aufgrund entsprechender Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Hinzu kommt speziell im Hinblick auf die ästhetisch-kosmetische Chirurgie in den
Überflußländern eine Epoche mit monetärem und wissenschaftlichem Reichtum [12].
Diskussion
Unter Berücksichtigung der nahezu unbegrenzten technischen Möglichkeiten und einer
unübersehbaren Zahl von z.T. hochspezialisierten Operationsmethoden in allen Bereichen des
menschlichen Körpers ist es klar, daß die Ausübung dieses großen Gebietes unmöglich nur
auf ein Fach beschränkt sein kann.
Verdan formulierte dies 1980: "Das Gebiet der Plastischen und Wiederherstellenden
Chirurgie ist tatsächlich so groß, daß heute kein Chirurg mehr fähig ist, es ganz zu
beherrschen."
Die Bemühungen einiger Plastischer Chirurgen, den gesamten Bereich plastischrekonstruktiver Maßnahmen exclusiv für sich zu beanspruchen und dies den anderen
Fachgebieten unter Hinweis auf ihre nur "loco-regionäre" Schmalspur abzusprechen, sind
nicht sachgerecht und daher zurückzuweisen.
Nur die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit aller operativen Fächer gewährleistet
optimale Behandlungsergebnisse bei der Anwendung der zahlreichen verschiedenen
diagnostischen und therapeutischen Methoden.
Zur verantwortungsvollen Ausübung einer modernen Plastischen und
Wiederherstellungschirurgie im jeweiligen Fachgebiet gehören selbstverständlich eine
entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung. Dem wird heute durch die fachspezifischen
Weiterbildungsordnungen, aber auch durch zahlreiche wissenschaftliche Tagungen,
Operationskurse und Veröffentlichungen Rechnung getragen.
Trotzdem ist es für eine heute in unserem Beruf essentielle Öffentlichkeitsarbeit
unverzichtbar, darauf hinzuweisen, daß die auf dem sehr schmalen Grat der Seriösität
wandelnde und dabei häufig auch strauchelnde Schönheitschirurgie nur einen kleinen
Teilbereich auf dem großen Gebiet der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie darstellt.
Die Rechtsprechung verlangt von den Schönheitschirurgen deshalb eine ganz besondere
Sorgfalt bei Aufklärung, Diagnostik, Indikation und Therapie. Dies erfolgt immer unter dem
Aspekt, daß hier gesunde Menschen operiert werden, bei denen nur, wie Gelbke [3] es
ausdrückte, durch den Verlust des "Artenschemas", das Herausfallen aus der Norm, der
Wunsch nach dem "corriger la nature" ausgelöst wird.
Aus der historischen Entwicklung, insbesondere aber aus ihrer stürmischen Entwicklung im
20. Jahrhundert der Welt- und zahlreichen Nachfolgekriege mit Hunderten von Millionen
Opfern geht eindeutig hervor, daß die Plastische und Wiederherstellungschirurgie essentieller
Bestandteil einer modernen Unfallchirurgie ist. Dieser Forderung muß daher auch bei der
notwendigerweise umfassenden Ausbildung zum Unfallchirurgen Rechnung getragen werden,
da moderne Unfallchirurgie mehr beinhalten muß als nur Implantate an den verschiedenen
ossären Strukturen des Körpers zu befestigen, Endoprothesen einzusetzen oder kleine und
große Gelenke zu arthroskopieren.
Zusammenfassung
Die Plastische und Wiederherstellungschirurgie hat sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil
aller chirurgischen Fachgebiete entwickelt. Dem wurde 1963 auf Initiative von Hans von
Seemen Rechnung getragen durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Plastische
und Wiederherstellungschirurgie, die aus einer interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für
Plastische, Ästhetische und Wiederherstellungschirurgie der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie hervorgegangen ist. In dieser interdisziplinären Gesellschaft sind alle chirurgischen
Fachgebiete vertreten, und sie dient der fachübergreifenden Diskussion und Zusammenarbeit
sowie der Fortentwicklung plastisch-rekonstruktiver Maßnahmen.
Der rasante wissenschaftlich-technische Fortschritt in den vergangenen 50 Jahren bei
gleichzeitig allgemein wachsendem Wohlstand hat zu einer explosionsartigen Weiter- und
Neuentwicklung in allen Teilbereichen der Medizin geführt und damit auch spektakuläre
Erfolge auf dem Gebiet der Plastischen und Wiederherstellungschirurgie ermöglicht.
Die Plastische und Wiederherstellungschirurgie ist jedoch kein Arbeitsbereich eines einzigen
Fachgebietes, sondern unverzichtbarer Bestandteil aller operativer Fachgebiete.
Literatur
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Objektivierung und Quantifizierung von Weichteilveränderungen. In: Rudolph H
(Hrsg) Plastische und Wiederherstellungschirurgie - Qualitätssicherung,
Komplikationen, Innovationen. Einhorn, Reinbek, S 203-206
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9. Partecke B, Pitzler D (1995) Sekundäre Rekonstruktion brandverletzter Hände. In:
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Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie. In: Pannike A, Rudolph
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Unfallchirurgie, Plastischen und Wiederherstellungschirurgie)
11. Rudolph H (1992) Deutschsprachiger Arbeitskreis für Krankenhaushygiene 1990:
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R, Meißner A (Hrsg) Störung der Frakturheilung. Springer, Berlin Heidelberg New
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12. Rudolph H (1984) Aspekte der Ästhetik in der Chirurgie. In: Pfeiffer G (Hrsg) Die
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13. Rudolph H, Lehmann RR, Studtmann V, Schlichting C (1994)
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