Gneis! Ein S im K chweize onte r x t de Gestein r Arc hite ktur Materialsammlung der ETH Zürich Materialsammlung der ETH Zürich Gneis! Ein Schweizer Gestein im Kontext der Architektur Die Broschüre Gneis! Ein Schweizer Gestein im Kontext der Architektur ist im Zusammenhang mit der gleichnamigen Ausstellung vom 7. Oktober bis 6. Dezember 2016 in der Materialsammlung der ETH Zürich erschienen. Die Materialsammlung der ETH Zürich wird gemeinsam getragen vom Departement Architektur und der ETH-Bibliothek. Sie ist Teil des Netzwerks Material-Archiv. Inhalt 4 Einführung 10 Karte 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Andeer Verde Spluga Rheinquarzit San Bernardino Valser Soglio Verzasca Legiuna Cresciano Iragna Lodrino Calanca Bodio Nero Maggia Onsernone 42 Bildnachweis 43 Bibliographie 44 Impressum Einführung Warum Gneis? Neben Kalk- und Sandstein zählt Gneis zu den wichtigsten Schweizer Naturwerksteinen. In der Südschweiz bestehen die Alpen zu einem sehr grossen Teil aus diesem Gestein. Zuweilen sind ganze Dörfer daraus erbaut oder zumindest durch Steindächer aus lokalem Gneis geschützt. Auch wirtschaftlich gesehen ist Gneis heutzutage der bedeutendste Naturstein der Schweiz. Von den noch etwa 70 aktiven Steinbrüchen wird in etwa 30 Gneis abgebaut (gefolgt von 17 Steinbrüchen, in denen Sandstein und 12, in denen Kalkstein gewonnen wird). Abbau und Vermarktung – ein kurzer historischer Überblick Während Gneis schon seit Jahrtausenden lokal Verwendung fand, ist die Geschichte seines systematischen Abbaus noch relativ jung. Erst die Errichtung des Gotthardtunnels und die Eröffnung der gleichnamigen Bahn 1882 ermöglichten und beförderten die kommerzielle Ausbeutung des Gesteins im grossen Stil im Tessin. Während der Bauphase wurden Steinbrüche angelegt (Abb. 1), die nach Fertigstellung des Tunnels für den sich nun eröffnenden grossen Absatzmarkt auf der Alpennordseite produzierten. Betrug der Transport durch den neuen Tunnel 1883 noch rund 10’000 Tonnen Gneis jährlich, steigerte sich die Menge bis zur Jahrhundertwende um das Fünfzehnfache. Allein im Tessin gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert rund 30 Gneissteinbrüche mit über 1000 Beschäftigten.1 Im Zuge der Konjunkturkrise zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es jedoch zu einem erheblichen Einbruch des Absatzmarktes. Diese Situation besserte sich erst in den späten 1950er Jahren mit dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit, Abb. 1: Gneissteinbruch bei Personico, Tessin (1936) Abb. 2: Werbung eines Steinhändlers für verschiedene Gneis- und Marmorsorten im Tessin, Schweizerische Bauzeitung (1908) 4 erreichte allerdings nie mehr die früheren Ausmasse. Durch die kontinuierliche Erschliessung neuer Abbauorte hat sich jedoch insbesondere das Tessiner Gneissteinbruchgewerbe bis heute erhalten. Aber auch anderen Schweizer Gneissteinbrüchen ist es gelungen, sich auf dem Markt zu behaupten. Mit geschicktem Marketing und erfolgreichem Branding, insbesondere durch die Verbindung bestimmter Gesteinshandelsnamen mit ikonenhafter Architektur, gelang es einigen Steinbruchbetreibern sogar, ihrem Gneis einen über die Schweizer Grenzen hinaus bekannten Namen zu verleihen – genannt seien hier vor allem Andeer und Valser, die durch Holleins Centrum Bank in Vaduz und Zumthors Therme in Vals internationale Bekanntheit erlangt haben. Gneis und seine Handelsnamen Die verschiedenen heute noch erhältlichen Gneistypen sind meist nicht als solche bekannt. Im Handel werden die Steine oft nach ihrer geographischen Herkunft bezeichnet oder zusätzlich unter einem nicht nach geologischen Kriterien gewählten Namen vermarktet. Die ersten grossen Tessiner Gneissteinbrüche, die beim Bau des Gotthardtunnels entstanden, vertrieben ihr Produkt zum Beispiel als Granit (Abb. 2), eine Namensgebung, die sich vielfach bis heute erhalten hat. Die Gneise aus Vals, Soglio und Hinterrhein werden überwiegend als Quarzite verkauft. Granit und Quarzit geniessen allgemein einen höheren Bekanntheitsgrad als Gneis. Man weiss, dass diese Gesteine sehr hart und witterungsbeständig sind – wie Gneis im Übrigen auch. Doch während Granit und Quarzit massige Steine mit einer gleichmässigen Optik und richtungslosen Textur sind, unterscheidet sich Gneis mit seiner lagig ausgeprägten Textur und Spaltbarkeit deutlich von den beiden erstgenannten, auch hinsichtlich seiner Anwendungsmöglichkeiten. Was ist Gneis? Gneise sind harte und hochgradig metamorphe Gesteine, das heisst sie sind unter hohen Druckund Temperaturbedingungen aus einem bereits existierenden Ausgangsgestein entstanden, zum Beispiel aus Granit. Bei diesem Umwandlungsprozess bleiben die chemische Zusammensetzung des Gesteins sowie dessen fester Aggregatzustand erhalten, es können sich jedoch neue Minerale bilden oder bestehende umgewandelt werden. Die meisten Gneise setzen sich, wie auch Granit, zu einem hohen Anteil aus Quarz und Feldspat zusammen, daneben treten die Glimmer Biotit (dunkel) und Muskovit (hell) sehr häufig im Gefüge auf. Das Farbspektrum von Gneis reicht weltweit von Grau, Grünlich-Grau über Rötlich bis hin zu Gelblich-Grau. In der Schweiz sind grünliche bis gräuliche Varietäten anzutreffen, je nach den darin enthaltenen Mineralen. 5 Charakteristisch für Gneise ist ihre sogenannte Schieferung, die das Gestein durchzieht und sich meist aus helleren und dunkleren Lagen zusammensetzt (Abb. 3). Sie entsteht, wenn sich die vorhandenen Glimmerminerale während der Metamorphose senkrecht zur Druckrichtung in einer Ebene anordnen. Dies bedeutet nicht, dass Gneise eine streng planare Schieferung aufweisen müssen. Wenn sich die Spannungsrichtung im Zuge des Umwandlungsprozesses verändert, können die Glimmerschichten auch wild verfaltet werden. Gneise entstehen entweder durch Metamorphose aus siliziumreichen magmatischen Gesteinen (wie beispielsweise Granit) oder aus sandig-tonigen Sedimenten (beispielsweise toniger Sandstein). Der Glimmergehalt im Gneis ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Ursprungsgesteins. So entstehen aus Sedimenten meistens glimmerreiche Gneise von feiner Schieferung, während aus magmatischen Gesteinen eher schwach geschieferte, homogenere Gneise hervorgehen. Abbau und Bearbeitungsmöglichkeiten von Gneis Gneise werden heute durch kontrollierte Sprengung oder mit Seilsägen über und unter Tage abgebaut und anschliessend gespalten oder gesägt. Die meisten Gneise sind entlang ihrer Schieferung relativ gut spaltbar. Die Spaltbarkeit richtet sich nach Menge und Verteilung der Glimmerminerale – je konzentrierter sie in planen Lagen vorliegen, desto leichter und ebener spaltbar ist das Gestein. Sägen kann man sowohl senkrecht als auch parallel zur Schieferung (man spricht alternativ von ‹quer zum Lager› beziehungsweise ‹mit dem Lager›). Dies führt zu erheblichen optischen und konstruktiven Unterschieden, wovon bei diversen architektonischen Anwendungen profitiert werden kann. Die Oberflächen von Gneis können zusätzlich durch verschiedene Techniken bearbeitet werden – durch Politur wird zum Beispiel die Struktur des Gesteins hervorgehoben, zudem wird es relativ dunkel (ähnlich wie durch Einwirkung von Nässe). Flammen, Sand- oder Kugelstrahlen verbessern die Rutschfestigkeit, während die Oberfläche durch Bürsten eine samtige Haptik erhält. Traditionelle steinmetzmässige Bearbeitungen wie Stocken oder Spitzen werden kaum mehr angewendet, sind aber möglich und können die Oberfläche optisch, haptisch und qualitativ verändern. Abb. 3: Glimmerreicher Biotit-Gneis aus der Gotthardtunnelsammlung von Friedrich M. Stapff (1880), Erdwissenschaftliche Sammlungen, ETH Zürich Abb. 4: Ponte dei Salti mit Gneisfelsen im Vordergrund, Lavertezzo, Tessin 6 Technische Eigenschaften Der Schweizer Gneis ist ein sehr kompaktes und widerstandsfähiges Gestein. Seine Druckfestigkeit (140–220 N/mm2) ist allgemein vergleichbar mit der von Granit oder Quarzit, aber deutlich höher als die der meisten Sand- oder Kalksteine.2 Generell ist die Biegefestigkeit senkrecht zum Lager höher als parallel zum Lager. Gneise sind relativ frost- und tausalzbeständig, hochkonzentrierte Tausalzrückstände können das Gestein nach jahrelanger wiederholter Einwirkung dennoch angreifen. Anwendungsgebiete von Gneis im Bauwesen Von alters her wurden Gneise im Alpenraum an den jeweiligen Orten ihres Vorkommens als Massivbausteine und für Dachplatten eingesetzt. Auch heute noch schreibt die lokale Denkmalpflege in einzelnen Kantonen die Verwendung der traditionell eingesetzten lokalen Gesteine für Dachbedeckungen (Beispiel Vals) sowie für die Restaurierung von alten Tunnelportalen oder Brücken vor. Der Tessiner Gneis war in seiner Blütezeit im ausgehenden 19. Jahrhundert das bevorzugte Material für Gehwegrandsteine, Sockelmauerwerk, Treppenstufen und Bodenbeläge, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, England und den Beneluxstaaten. An den meisten historischen Bauten in der Schweiz aus den Jahren zwischen ca. 1885 und 1930 (Villen oder öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfen, Schulen, Museen) wird man bei genauem Hinsehen Gneiselemente entdecken. Ganze Fassaden aus Gneis sind indes seltener. Ab den 1950er Jahren kamen allerdings vorgehängte Steinplattenfassaden in Mode. Auch Brunnen aus Gneis – älteren und jüngeren Datums – finden sich zahlreich. Noch heute kommen Schweizer Gneise im Strassen- und Gartenbau zum Einsatz, allerdings bei Weitem nicht mehr in dem Ausmass, wie dies noch bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts der Fall war. Aufgrund hoher Lohnkosten, modernster Sicherheitsstandards in den Steinbrüchen, hoher Umweltauflagen bei deren Betrieb sowie strenger gewerkschaftlicher Arbeitszeitregelungen ist der Abbau von Gneis hierzulande um einiges teurer als im nahen und fernen Ausland. Immer weniger Schweizer Kommunen, darunter Basel, verfügen in ihren öffentlichen Ausschreibungen für Tiefbauten noch die Verwendung einheimischer Steine. Dies variiert von Kanton zu Kanton, und die engen Preismargen der meisten öffentlichen Ausschreibungen in der Schweiz sind oft nur noch durch den Import von Hartgesteinen aus Italien, Portugal oder China einzuhalten. 7 Schweizer Gneis in der Architektur – prominente Beispiele Beispiele für die Verwendung von Gneis in der Architektur vor 1880 finden sich vor allem im Tessin, einer Region, auf die sich der überwiegende Teil des Schweizer Gneisvorkommens konzentriert (gefolgt von Graubünden und dem Wallis). Genannt seien beispielhaft der Ponte dei Salti in Lavertezzo im Valle Verzasca (Abb. 4), das Dorf Corippo im selben Tal mit seinen nahezu vollständig aus Gneis erbauten Rustici,3 die Kirche San Nicola in Giornico oder die Castelli von Bellinzona. In den 1920er Jahren gestalteten die Gebrüder Pfister die Fassade des Bahnhofs Enge (Abb. 5), der seinerzeit Ausgangspunkt der Gotthardlinie war, aus behauenen und gebrochenen MaggiaQuadern. Der historisierende, der Tessiner Tradition entlehnte Bau war damals sehr umstritten, sein Entwurf wurde als nicht zeitgemäss empfunden.4 Livio Vacchinis Casa Rezzonico in Vogorno im Verzascatal (1985) wurde aus Stahlbeton und Steinen errichtet, die beim Ausbaggern der Fundamente zutage traten. Zur Anwendung des lokalen Baustils gezwungen, fügte der Architekt auf parodistische Weise traditionelle Elemente hinzu. Das historisch anmutende Äussere, die gemauerte Fassade und das Dach aus Gneis, sind folglich nur Maske.5 Abb. 5: Vorportal des Bahnhofs Enge mit Mauerwerk aus behauenen und gebrochenen Maggia-Quadern, Zürich (1927), Gebrüder Pfister Abb. 6: Der Sechseläutenplatz aus Valser Stein im Bau, Zürich (2014), Zach und Zünd-Architekten 8 Die von Mario Botta 1992 errichtete Kirche San Giovanni Battista in Mogno ist innen und aussen mit lokalem Stein verkleidet.6 Bänder aus dunkelgrauem Maggia-Gneis und weissem CristallinaMarmor wechseln sich ab – ein traditionelles, bekanntes Fassadenmuster für Sakralbauten, das bei Botta in postmoderner Manier auf die Spitze getrieben wird. Für einen ganz anderen Umgang mit Gneis entschied sich zeitgleich Peter Zumthor beim Bau der Therme in Vals.7 Der aus geometrischen Kuben zusammengesetzte Bau wurde innen und aussen mit Stein verkleidet, was der Anlage eine monolithische Anmutung verleiht. Bei näherem Hinsehen sorgen allerdings die exakt gesägten und in Reihen vermauerten Platten unterschiedlicher Stärke aus optisch sehr heterogenem Valser Gneis für eine reizvolle Belebung der Innen- und Aussenfassade. So betrachtet erscheint der 2014 von Zach und Zünd-Architekten realisierte Zürcher Sechseläutenplatz (Abb. 6) wie eine Übertragung der Zumthor’ schen Idee in die Horizontale. Hier wurden schmale, parkettartige Platten aus Valser Stein verbaut, allerdings mit einer ausgetüftelten Untergrundkonstruktion und genau bemessenen Fugen, um den Belag auch gegen Schwerstlasten zu sichern. Jürg Conzett verwandelte 1999 in der Viamala den grünen Andeer in eine Art ‹High-Tech-Material›, indem er aus dünn gesägten Platten eine elegante, 40 Meter lange Spannbandbrücke konstruierte, den Pùnt da Suransuns.8 1 2 3 4 5 6 7 8 Die mineralischen Rohstoffe der Schweiz 1997, S. 197. Die mineralischen Rohstoffe der Schweiz 1997, S. 252. Amsler et al. 1959. Von Burg 2000, S. 236–249. Masiero 1999, S. 96–99. Pizzi 1998, S. 154. Durisch 2014, S. 39–40. Mostafavi 2006, S. 297–298. 9 Karte der gegenwärtig abgebauten Schweizer Gneissorten 1 Andeer 2 Verde Spluga 3 Rheinquarzit 4 San Bernardino 5 Valser 6 Soglio 7 Verzasca 8 Legiuna 9 Cresciano 10 Iragna 11 Lodrino 12 Calanca 13 Bodio Nero 14 Maggia 15 Onsernone 10 5 3 4 13 14 7 8 10 11 9 1 2 6 12 15 Gneissteinbrüche 2015 Gneissteinbrüche 1915 Gneisvorkommen 11 Andeer Andeer ist ein dunkelgrüner, mässig bis stark geschieferter Gneis von mittlerer Körnung mit weissen Einsprenglingen. Zusammensetzung Das Gestein besteht aus kleinen, glasig-grauen Quarzkörnern mit grösseren, weissen Körnern aus Feldspat sowie Chlorit (dunkelgrün) und dem Glimmermineral Phengit (hellgrün). Letztere bestimmen die charakteristische Färbung des Gesteins. Eigenschaften Andeer ist schwerer zu bearbeiten als die Tessiner Gneise und nur mässig spaltbar, daher wird er vorzugsweise gesägt. Geschichte In der Schweiz findet Andeer seit langer Zeit im Strassen-, Bahn- und Tunnelbau, als Naturwerkstein im Hochbau sowie im Garten- und Landschaftsbau Verwendung. In vorindustrieller Zeit nutz te man vielfach Bruchsteine, die im Fluss angeschwemmt wurden. In grossem Stil wird das Gestein seit Beginn des 20. Jahrhunderts abgebaut. Die 1915 erschienene Publikation Die natürlichen Bausteine und Dachschiefer der Schweiz hebt Andeer als einzigen Graubündner Gneis hervor, der sich bereits «ein grösseres Absatzgebiet in der übrigen Schweiz zu erwerben gewusst und Anlass zu einer vielversprechenden Industrie gegeben» habe. In der Umgebung von Andeer finden sich viele historisch bedeutsame, mittlerweile jedoch stillgelegte ehemalige Steinbrüche. Andere Bezeichnungen Andeergranit, Rofnaporphyr, Rofnagneis, Andeerergneis, Verde Andeer Abbauort Andeer wird in den drei Steinbrüchen Parsagna, Bärenburg (Crap da Sal) und Cuolmet bei der Ortschaft Andeer in Graubünden abgebaut. Abbauende Betriebe Battaglia Andeer Granit AG, Andeer Toscano AG, Andeer Anwendungsbeispiele Bahnhof Luzern, CH, Bodenbelag Bahnhofstrasse, Chur, CH, Bodenbelag Centrum-Bank, Vaduz, LI, Fassadenverkleidung und Dach (Hans Hollein, 2002) DEZA-Gebäude, Bern, CH, Fassadenverkleidung ETH Zürich, CH, CLA-Gebäude, Untergeschoss, Cafeteria, Teile des Bodenbelags Kunstmuseum Bonn, DE, Bodenbelag (Axel Schultes, 1992) Landtagsgebäude von Niederösterreich, St. Pölten, AT, Fassadenverkleidung, Bodenbelag (Ernst Hoffmann, 1997) Österreichische Botschaft, Berlin, DE, Bodenbelag innen und aussen (Hans Hollein, 2001) Pùnt da Suransuns, Viamala, CH (Jürg Conzett, 1999) 12 Verde Spluga Verde Spluga ist ein hellgrüner, schwach geschieferter, mittelkörniger Gneis mit weissen Einsprenglingen und durchzogen von Adern unterschiedlicher Grösse. Zusammensetzung Das Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz, die charakteristische lindgrüne Farbe wird durch das Glimmermineral Phengit hervorgerufen, ausserdem sind Feldspat und Epidot in geringer Menge enthalten. Eigenschaften Die Gesteinsformation des Verde Spluga ist vergleichbar mit der des Andeer, sie ist jedoch quarzreicher, deutlich heller und die Glimmerplättchen treten optisch stärker hervor. Der Stein ist nur schwer spaltbar. Geschichte Andere Bezeichnungen Splügenquarzit, Monte-Spluga-Quarzit Abbauort Verde Spluga wird auf der italienischen Seite des Splügenpasses im Valle Spluga bei Isola nördlich von Chiavenna auf 1200 m abgebaut. Seit einigen Jahren findet die Steingewinnung untertage statt. Abbauende Betriebe De Giambattista Franco e F.lli S.r.l., Gordona, IT Graniti Conrad S.r.l., Piuro, IT Anwendungsbeispiele Casino Innsbruck, AT, Fassadenverkleidung Internationaler Seegerichtshof, Hamburg, D, Fassadenverkleidung (Alexander von Branca, 2000) Kantonalbank, Schwyz, CH, Fassadenverkleidung (BSS-Architekten AG, 2003) Kantonalbank, Fribourg, CH, Fassadenverkleidung (Mario Botta, 1982) Kantonalbank Sankt Gallen, CH, Fassadenverkleidung (RLC-Architektur, 2007) Früher wurde Verde Spluga nicht nur auf der italienischen, sondern auch auf der Schweizer Seite östlich der Splügenpasshöhe auf 2100 m Höhe abgebaut. Die dort gebrochenen sogenannten ‹Splügenerplatten› sind dünnschiefriger und wurden vor allem für Dachbedeckungen im Rheinwald verwendet. Sie sind an der auffälligen rostroten Flechte zu erkennen, die sich nach kurzer Zeit auf den Platten ansiedelt. 14 Rheinquarzit Rheinquarzit ist ein variantenreicher grünlich-grauer Gneis mit mässiger bis starker Schieferung, feiner bis mittlerer Körnung, glimmerreichen Lagen und zum Teil durchzogen von weissen Adern und Augen. Zusammensetzung Das Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz sowie aus dem grünlichen Glimmermineral Phengit, das dem Gestein seine Farbe verleiht. Daneben sind Muskovit (Hellglimmer), Chlorit sowie stellenweise Granat enthalten. Eigenschaften Andere Bezeichnungen Hinterrhein, Hinterrheiner Quarzit, Hinterrheinquarzit, Rheinischer Quarzit, Silber Grün Abbauort Der Stein wird bei der Ortschaft Hinterrhein in Graubünden am Fusse des San-Bernardino-Passes abgebaut. Der alte Steinbruch Brunst befindet sich etwa 3 km westlich von Hinterrhein. Abbauende Betriebe Cava Quarzite SA, Hinterrhein De Giambattista Franco e F.lli S.r.l., Gordona, IT Graniti Conrad S.r.l., Piuro, IT Anwendungsbeispiel Residenz Serletta, St. Moritz, CH, Fassadenverkleidung aus geflammten Platten Rheinquarzit stammt aus derselben Gesteinsformation wie Valser und San Bernardino und ist sehr gut spaltbar. Geschichte Bereits im 19. Jahrhundert wurde im HinterrheinGebiet Gneis als Naturwerkstein abgebaut. Noch 1969 waren drei Abbaustellen aktiv. Der heutzutage bewirtschaftete Steinbruch Brunst wurde erst in neuerer Zeit wieder in Betrieb genommen, derzeit ist eine neue Abbaustelle in Planung. 16 San Bernardino San Bernardino ist ein grauer, silbrig anmutender Gneis mit gut ausgeprägter Schieferung und feiner Körnung sowie deutlichen weissen Augen unterschiedlicher Grösse. Zusammensetzung Das sehr heterogene Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz, Feldspat und Muskovit (Hellglimmer). Eigenschaften San Bernardino stammt aus derselben Gesteinsformation wie Rheinquarzit und Valser und ist sehr gut spaltbar. Geschichte Im Gebiet nördlich der San-Bernardino-Passhöhe wurden seit 1953 Steine für Bauzwecke gewonnen, insbesondere Mauersteine und Spaltplatten. In den 1970er und 1980er Jahren ging der Abbau aufgrund der sinkenden Nachfrage stark zurück und kam zwischenzeitlich ganz zum Erliegen. Im Zuge der Renaissance des inländischen Natursteins wurde 2006 die alte Abbaustelle neu eröffnet. Andere Bezeichnungen San-Bernardino-Gneis, San-Bernardino-Silber, San-Bernardino-Silver, Bernhardinquarzit, Bündner Quarzit Abbauort San Bernardino wird in einem Steinbruch nördlich unterhalb der San-Bernardino-Passhöhe auf 1900 m abgebaut. Abbauender Betrieb Toscano AG, Andeer (Verarbeitung durch Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG, Staad sowie Toscano AG, Andeer) Anwendungsbeispiele Erweiterung Gemeindehaus Meilen, CH (Horisberger Waagen-Architekten, 2015) Kunstmuseum Chur, CH, Aussenplatz (2015) Therme Bad Schinznach, CH, Mauer aus Steinblöcken zwischen Ruhe- und Aussenraum (Fontana & Partner Architekten, 2011) Wohnüberbauung Quadratscha, Samedan, CH, Fassadenverkleidung (2010) 18 Valser Valser ist ein variantenreicher grauer oder grünlicher, deutlich geschieferter, feinkörniger Gneis mit hellgrauen bis weissen Adern sowie zum Teil grossen, weissen Augen und glimmerreichen Lagen. Zusammensetzung Das Gestein setzt sich hauptsächlich aus den Mineralen Quarz, Feldspat und Muskovit (Hellglimmer) zusammen. Eigenschaften Valser weist grosse Unterschiede in seiner Ausbildung auf. Er variiert von einem Glimmerschiefer (glimmerreich) bis hin zu einem Augengneis (quarzund feldspatreich). Varietäten mit einem höheren Quarzanteil sind besonders widerstandsfähig. Aufgrund seiner gefalteten, nicht planar verlaufenden Schieferung wird ein Grossteil des abgebauten Steins gesägt, einige Varietäten eignen sich jedoch auch gut zum Spalten auf 3–5 cm. Geschichte Andere Bezeichnungen Valser Quarzit, Valsergneis, Valser Stein, Valser Naturstein Abbauort Der Stein wird im Valsertal bei Vals in Graubünden in zwei Steinbrüchen abgebaut. Abbauende Betriebe Truffer AG, Vals Valser Naturstein AG, Vals Anwendungsbeispiele Bundesplatz, Bern, CH (Christian Stauffenegger, Ruedi Stutz und Stephan Mundwiler, 2004) Capital City Academy, London, GB (Norman Foster, 2003) Dorfbrücke Vals, CH (Jürg Conzett, Peter Zumthor, 2010) Rocksresort, Laax, CH (Domenig Architekten, 2015) Schulhaus Apfelbaum, Zürich, CH (Pfister Schiess Tropeano Architekten, 2006) Sechseläutenplatz, Zürich, CH (Zach und Zünd Architekten, 2014) Therme Vals, CH (Peter Zumthor, 1996) Valser Gneis wird seit Jahrhunderten lokal als Baumaterial verwendet. Früher besorgten sich die Anwohner den von ihnen benötigten Stein selbst. Ein Steinbruch in Vals wird bereits 1915 in der Publikation Die natürlichen Bausteine und Dachschiefer der Schweiz erwähnt, was aber kein Beleg für eine kontinuierliche und/oder kommerzielle Ausbeutung ist. Ein systematischer Abbau erfolgte in einem ersten Steinbruch seit 1929, in einem weiteren seit den 1940er Jahren. 20 Soglio Soglio ist ein hellgrauer Gneis mit intensiver Schieferung und feiner bis mittlerer Körnung. Zusammensetzung Das Gestein besteht zu über zwei Dritteln aus Quarz, daneben finden sich silbriger Muskovit (Hellglimmer) an den Spaltflächen sowie körnige Einstreuungen aus weissem Feldspat. Eigenschaften Soglio lässt sich aufgrund der deutlich ausgeprägten, regelmässigen Schieferung gut und mit ebener Fläche spalten. Geschichte Andere Bezeichnungen Soglioquarzit, Sogliogranit, Monte Soglio, Bergeller Gneis Abbauort Der Stein stammt aus dem Bergell (Val Bregaglia) im Kanton Graubünden, dem Tal auf der südwestlichen Seite des Malojapasses, und wird zwischen Promontogno und Soglio seit 2012 unter Tage gewonnen. Abbauender Betrieb Graniti Conrad S.r.l., Piuro, IT Anwendungsbeispiel Kantonale Verwaltung Gutsmatte, Liestal, CH, Fassadenverkleidung (Otto+Partner Architektur, 1997) Der Stein wird seit dem 19. Jahrhundert systematisch abgebaut. 22 Verzasca Verzasca ist ein dunkelgrauer, mässig geschieferter, mittel- bis grobkörniger Gneis. Zusammensetzung Das Gestein setzt sich aus ca. 65% Feldspat und ca. 30% Quarz zusammen sowie aus Biotit (Dunkelglimmer) und Muskovit (Hellglimmer). Eigenschaften Verzasca lässt sich gut auf 4–5 cm spalten. Geschichte Verzasca wird lokal schon seit Jahrhunderten zum Bauen verwendet. Der systematische Abbau setzte im Jahr 1873 ein. Damals gab es zahlreiche Steinbrüche in der Gegend, die vor allem Material für den Strassenbau in der Deutschschweiz lieferten. Früher wurden auch hellgraue Varietäten des Verzasca abgebaut. Bis in die 1960er Jahre war der Steinabbau ein bedeutender Wirtschaftszweig für die Region um Brione. Heute ist nur noch ein einziger Steinbruch aktiv. Andere Bezeichnung Verzascagranit Abbauort Verzasca wird in einem Steinbruch im Osolatal, einem Seitental des Valle Verzasca, westlich von Brione abgebaut. Abbauender Betrieb Graniti Buzzini, Brione Anwendungsbeispiele Parlamentsgebäude, Bern, CH, zwei Spindeltreppen im Kuppelraum, Abdeckungsplatten am Stufenunterbau aussen an der Kuppel, Plattenbelag der Durchgangshöfe (Hans Wilhelm Auer, 1902) Bundeshaus, Bern, CH, Bodenplatten (3×1 m) in den Haupteingängen, Bodeneinfassung vor dem Bundeshaus (erneuert 2016) ETH Zürich, CH, Zentrum, Treppenstufen in mehreren Bauten 24 Legiuna Legiuna ist ein weiss-grauer Gneis mit sehr schwacher Schieferung, grober Körnung und grossen weissen Augen. Zusammensetzung Das Gestein ist quarz- und feldspatreich und enthält viel Biotit (Dunkelglimmer). Eigenschaften Legiuna ist lebhaft strukturiert, hat eine Korngrösse von 4 bis 40 mm und weist auffallend grosse Augen aus Feldspat mit einem Durchmesser von bis zu 10 cm auf. Aufgrund seiner schwach ausgeprägten, unregelmässigen Schieferung ist der Stein nur schlecht spaltbar, daher wird er für Platten vor allem gesägt. Geschichte Andere Bezeichnungen Legiüna, Legiunagranit Abbauort Legiuna wird zwischen Malvaglia und Biasca im Valle di Blenio am Ausgang des Val Pontirone (durch das der Wildbach Lesgiüna fliesst) abgebaut. Abbauender Betrieb Granito Legiuna SA, Malvaglia Anwendungsbeispiele Bahnhof Locarno, CH, Bodenbelag Bahnhof Lugano, CH, Bodenbelag Bahnhof Tenero, CH, Bodenbelag Eckhaus Weinbergstrasse/Stampfenbachstrasse/ Central, Zürich, CH, Fassadenverkleidung und Treppenstufen (nach 1963) Piazza Centrale, Biasca, CH, Bodenbelag Der kommerzielle Abbau des Legiuna begann 1961. 26 Cresciano Cresciano ist ein sehr heller Gneis mit schwacher bis mässiger Schieferung und mittlerer bis grober Körnung sowie deutlich erkennbaren hellen und dunklen Glimmermineralen. Zusammensetzung Das Gestein besteht hauptsächlich aus weissem Feldspat und hellem Quarz und enthält mehr Biotit (Dunkelglimmer) als Muskovit (Hellglimmer). Eigenschaften Cresciano stammt aus derselben Gesteinsformation wie Bodio Nero, Iragna und Lodrino. Er ist nur mässig spaltbar. Geschichte Aufgrund seiner guten bautechnischen Eigenschaften haben schon die ersten Siedler Cresciano als Baumaterial für Unterkünfte und Sakralbauten verwendet. Im Zuge des Baus der nahegelegenen Gotthardbahn ab 1872 setzte ein Aufschwung in der Bewirtschaftung des Steinbruchs ein, dessen Gestein zunächst für Bauten der Bahn und nach Fertigstellung des Tunnels auch als Baumaterial nördlich der Alpen Verwendung fand. In der 1915 erschienenen Publikation Die natürlichen Bausteine und Dachschiefer der Schweiz wird hervorgehoben, dass die Steinbrüche bei Osogna als einzige im Tessin über eine Gleisverbindung mit der Bahnstation sowie über Verladestationen verfügten, so dass auch grössere Bestellungen schnell ausgeführt werden konnten. Andere Bezeichnung Crescianogranit Abbauort Cresciano stammt aus dem Tessiner Valle Riviera und wird in grossen Mengen südlich der Bahnstation Osogna-Cresciano am Osthangfuss des Tals entlang der Gleise abgebaut. Abbauende Betriebe Graniti Maurino SA, Biasca Ongaro Graniti SA, Cresciano Anwendungsbeispiele Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, General-Guisan-Quai 40, Zürich, CH, die beiden steinernen Löwen, die den Haupteingang flankieren (Jakob Probst, 1939) Bundeshaus Bern, CH, Bodenbeläge und Treppen (Hans Auer, 1902) Castelgrande Bellinzona, CH, Bodenbelag und Blockstufen (Aurelio Galfetti, 2000) Lido di Locarno, CH, zweite Ausbauetappe, vorgespannte Passerellen und Podium (Moro & Moro Architekten, 2009) Novartis Campus Basel, CH, Bodenbelag innen und aussen, Treppen, Verkleidungen und Sitzbänke (Yoshio Taniguchi, 2010) 28 Iragna Iragna ist ein grauer, mässig geschieferter Gneis von mittlerer bis feiner Körnung mit fein verteilten Glimmermineralen. Zusammensetzung Das Gestein besteht zum überwiegenden Teil aus weissem Feldspat und Quarz sowie Biotit (Dunkelglimmer) und Muskovit (Hellglimmer). Eigenschaften Iragna stammt aus derselben Gesteinsformation wie Bodio Nero, Cresciano und Lodrino. Aufgrund der zahlreichen Abbaustellen bei Iragna und Personico gibt es verschiedene Varianten, die alle gut spaltbar sind. Geschichte Aufgrund seiner guten bautechnischen Eigenschaften haben schon die ersten Siedler Iragna als Baumaterial für Unterkünfte und Sakralbauten verwendet. Eine intensive Nutzung des Gesteins setzte mit dem Bau der nahegelegenen Gotthardbahn ab 1872 ein, zunächst für Bauten der Bahn und nach Fertigstellung des Tunnels auch als Baumaterial nördlich der Alpen. Andere Bezeichnung Iragnagranit, Silber, Personico Abbauort Iragna wird in mehreren Steinbrüchen zwischen Personico und Iragna abgebaut. Vier Abbaustellen befinden sich am nördlich Rand der Gemeinde Iragna und zählen somit noch zum Valle Riviera, weitere drei liegen 50–100 m davon entfernt auf dem Gebiet der Gemeinde Personico und damit bereits im Valle Leventina. Abbauende Betriebe Adriano Bignasca SA, Lodrino Graniti Maurino SA, Biasca Impresa Pervangher, Personico Martinetti SA, Iragna Riedil Sagl, Prosito Anwendungsbeispiele Bahnhof Stadelhofen, Zürich, CH, Bodenbelag und Treppen (Santiago Calatrava, 1990) Erlenmattpark, Basel, CH, Pflastersteine allseitig gespalten Flughafen Zürich-Kloten, CH, Bodenbelag Terminal (1953) Hauptbahnhof Zürich, CH, S-Bahn-Haltestelle, Boden und Treppen Stadt Basel, CH, Randsteine, Stellsteine 30 Lodrino Lodrino ist ein grauer, mässig geschieferter Gneis von feiner bis mittlerer Körnung mit fein verteilten hellen Glimmermineralen. Zusammensetzung Es gibt hellere und dunklere Varietäten des Gesteins, das hauptsächlich aus weissem Feldspat und Quarz sowie Biotit (Dunkelglimmer) und Muskovit (Hellglimmer) besteht. Eigenschaften Lodrino stammt aus der selben Gesteinsformation wie Bodio Nero, Cresciano und Iragna. Seine Korngrösse variiert zwischen 2 und 10 mm. Der überwiegende Teil des Vorkommens ist gut bis mässig spaltbar. Andere Bezeichnung Lodrinogranit Abbauort Lodrino wird in zwei Steinbrüchen am Fusse des Westhangs des Valle Riviera und des südlichen Valle Leventina bei Lodrino abgebaut. Abbauende Betriebe Elio Sangiorgio SA, Lodrino Giannini Graniti SA, Lodrino Anwendungsbeispiele Biologie-Hochhaus CIBA, Basel, CH, Bodenbelag Municipio di Iragna (Raffaele Cavadini, 1995) Restaurant auf dem Monte Generoso, CH, Fassadenverkleidung (Mario Botta, 2017) Schweizerische Treuhandgesellschaft, Basel, CH, Fassade Geschichte Schon die ersten Siedler haben Lodrino als Baumaterial für Unterkünfte und Sakralbauten verwendet. Eine intensive Nutzung des Gesteins setzte mit dem Bau der nahegelegenen Gotthardbahn ab 1872 ein, zunächst für Bauten der Bahn und nach Fertigstellung des Tunnels auch als Baumaterial nördlich der Alpen. In der Gegend um Lodrino finden sich zahlreiche Spuren ehemaliger Abbaustellen des Gesteins an den Felshängen. 32 Calanca Calanca ist ein hell- bis dunkelgrauer, mässig geschieferter Gneis von mittlerer Körnung mit dunklen Glimmermineralen. Andere Bezeichnungen Calancagranit, Calanchiner Gneis, Bündner-Gneis Abbauort Calanca wird noch in einem grossen Steinbruch südlich von Arvigo im Calancatal abgebaut. Abbauender Betrieb Zusammensetzung Man unterscheidet drei Varietäten des Gesteins. Je nach Abbaustelle weist der Gneis Farb- und Körnungsunterschiede auf. Das Gestein besteht etwa zur Hälfte aus Feldspat, die andere Hälfte setzt sich hauptsächlich aus Quarz und Biotit (Dunkelglimmer) zusammen. Eigenschaften Der Stein lässt sich aufgrund seiner deutlich ausgeprägten, regelmässigen Schieferung und dem hohen Glimmeranteil sehr gut spalten. Geschichte Calanca wurde früher an zahlreichen Stellen in der Umgebung von Castaneda an dem Bergsporn gewonnen, der das Val Calanca vom Misox trennt. Aus dem heimischen Gneis entstanden zahlreiche Trockenmauern, Dachplatten und viele Häuser im Calancatal. Der Abbau in Arvigo begann 1920. Ab den 1950er Jahren wurde die Steingewinnung zunehmend industriell organisiert und ausgeweitet. 2012 musste einer der beiden Hangbrüche bei Arvigo aufgrund von Felssturzgefahr geschlossen werden. Alfredo Polti SA, Arvigo Anwendungsbeispiele Bureau International du Travail, Genf, CH Firmensitz Alfredo Polti ‹In Cava›, Roveredo, CH (José Stefanini, 2008) Grimsel Hospiz, Grimselpass, CH, Mauerwerk, Bodenplatten, Blockstufen und Fensterbänke des Erweiterungsbaus Palazzo Odeon, Lugano, CH, Fassadenverkleidung mit geschliffenen Platten (2014) Staatstheater Darmstadt, DE, Bodenbelag (Karl Prange, 1972) Viadukte der Rhätischen Bahn, UNESCO-Strecke: Albulalinie zwischen Thusis und St. Moritz & Berninalinie zwischen St. Moritz und Tirano, CH, massive Abdeckplatten und Konsolsteine, (2017) 34 Bodio Nero Bodio Nero ist ein dunkelgrauer, feinschiefriger Gneis von feiner bis mittlerer Körnung mit kleinen, hellen Einsprenglingen. Zusammensetzung Bodio Nero besteht etwa zur Hälfte aus Feldspat, ausserdem aus ca. 20% Quarz und ca. 15% Biotit (Dunkelglimmer), der die optische Erscheinung des Gesteins massgeblich prägt. Charakteristisch sind zudem fein verteilte, winzige gelbe Partikel (Titanit). Andere Bezeichnungen Bodio, Bodiogranit Abbauort Bodio Nero stammt aus der Leventina (Valle Leventina) im Tessin und wird in einem Steinbruch nördlich von Personico bei Bodio abgebaut. Abbauender Betrieb Ongaro Graniti SA, Cresciano Anwendungsbeispiele Kantonalbank Basel, CH, Fassade Residenza governativa Bellinzona, CH, Schalter und Werkstücke Rheinuferpromenade Basel, CH (2015) Eigenschaften Bodio Nero stammt aus derselben Gesteinsformation wie Cresciano, Iragna und Lodrino. Seine Korngrösse variiert zwischen 1 und 5 mm. Er ist aufgrund seiner deutlich ausgeprägten Schieferung gut auf 4–6 cm spaltbar. Geschichte Aufgrund seiner guten bautechnischen Eigenschaften haben schon die ersten Siedler Bodio Nero als Baumaterial für Unterkünfte und Sakralbauten verwendet. Eine intensive Nutzung des Gesteins setzte mit dem Bau der nahegelegenen Gotthardbahn ab 1872 ein, zunächst für Bauten der Bahn und nach Fer tigstellung des Tunnels auch als Baumaterial nördlich der Alpen. Bodio Nero zählt zu den ersten Plattengneisen, die ausserhalb ihres Herkunftsgebiets Verwendung fanden. 36 Maggia Maggia ist ein dunkelgrauer, stark geschieferter, feinkörniger Gneis mit hellen Einsprenglingen Zusammensetzung Das Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz, weissem Feldspat sowie einem hohen Anteil an Biotit (Dunkelglimmer), der abwechselnd mit Feldspat und Quarz eine Hell-Dunkel-Bänderung bewirkt. Eigenschaften Der Stein entstammt derselben geologischen Formation wie Onsernone und ist diesem optisch sehr ähnlich. Anders als Onsernone kann Maggia allerdings gut auf 4–6 cm gespalten werden. Gespaltene Flächen sind meist dunkler als gesägte, da sie entlang der Dunkelglimmerlagen verlaufen. Geschichte Der kommerzielle Abbau des Maggia begann im Jahr 1900. Der Steinbruch entwickelte sich bis 1915 zu einem Grossbetrieb, sicherlich auch befördert durch die 1907 eröffnete Eisenbahnlinie ins Maggiatal. Die Trasse wurde 1965 zugunsten eines Ausbaus der Strasse stillgelegt. In den 1960er Jahren wurde im Maggiatal schweizweit die grösste Menge an Naturstein abgebaut und noch heute sind die Abbaukapazitäten des Gesteins sehr hoch. Andere Bezeichnungen Maggiagneis, Maggiagranit Abbauort Maggia wird in Riveo im Valle Maggia zwischen Cevio und Maggia in fünf Steinbrüchen auf beiden Talseiten abgebaut. Abbauende Betriebe Bettazza Graniti SA, Cevio Graniti Bionda SA, Cevio Graniti Maurino SA, Biasca Fratelli Campana SA, Riveo Pollini Figli fu Roberto SA, Maggia Anwendungsbeispiele Bahnhof Enge, Zürich, CH (Otto und Werner Pfister, 1927) Bahnhof, Bahnhofplatz und Bälliz, Thun, CH, Bodenplatten naturgespalten (2000) Brunnen Lago Montagna, Tessinerplatz, Zürich, CH (Horst Bohnet, 2006) ETH-Hönggerberg, Zürich, CH, HCI-Gebäude und Aussenraum: Boden, Fassade, Treppe, Sitzbänke, Wasserwand (Mario Campi, 2001) Japanische Botschaft, Bern, CH, Fassadenverkleidung (GWJ-Architekten, 1996) San Giovanni Battista, Mogno, Tessin, CH, Aussen- und Innenfassade, Böden, im Wechsel dunkel-hell gestreift aus Maggia und Cristallina-Marmor (Mario Botta, 1996) Strandbad Tiefenbrunnen, Zürich, CH, polygonaler Plattenbelag (Josef Schütz, Willy Roos und Otto Dürr in Zusammenarbeit mit Hans Nussbaumer, 1954) 38 Onsernone Onsernone ist ein sehr homogener dunkel- bis mittelgrauer Gneis von feiner Körnung und starker Schieferung. Zusammensetzung Das Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz, weissem Feldspat und Biotit (Dunkelglimmer). Die Minerale Epidot und Zoisit bilden kleine hellgrüne Partien im Gestein. Eigenschaften Onsernone entstammt derselben geologischen Formation wie Maggia und ist optisch kaum von diesem zu unterscheiden. Allerdings wird er anders als letzterer hauptsächlich maschinell verarbeitet und lässt sich trotz der ausgeprägten, regelmässigen Schieferung nur mässig und allenfalls auf 7–8 cm spalten, da er kompakter ist. Geschichte Onsernone wird erst seit den 1960er Jahren kommerziell abgebaut. Während das Tal in den ersten 20 Jahren der Steingewinnung verkehrstechnisch relativ schlecht angebunden war, wurden die Transportwege in der Folgezeit ausgebaut, so dass sich einer der heute noch ausgebeuteten OnsernoneSteinbrüche zum grössten in der Schweiz überhaupt entwickeln konnte. Andere Bezeichnungen Vergeletto, Onsernonegranit Abbauort Onsernone wird in einem Seitental des Onsernonetals, dem Val di Vergeletto, 6 km hinter dem Städtchen Vergeletto in mehreren Steinbrüchen am Hang abgebaut. Abbauende Betriebe Candolfi SA, Vergeletto Edgardo Pollini + figlio SA, Cavigliano Onsergraniti SA, Tegna Anwendungsbeispiele Bagni di Craveggia, CH, Fussbad und Badewannen (Elena Bonardi, 2015) Coop-Filialen, schweizweit, Bodenbelag (seit 2001) ETH Zürich, CH, Sockel IFW-Gebäude & Haltestelle Haldenegg, Fassadenverkleidung Helvetia-Hochhaus (ehemals Patria-Verwaltungsgebäude), Basel, CH, Fassadenverkleidung (Suter & Suter, 1969) SUVA-Hauptverwaltung, Luzern, CH, Fassadenverkleidung 40 Bildnachweis Abb. 1: Dr. Leo Wehrli, e-pics / ETH Zürich (Dia_247-10186) Abb. 2: Schweizerische Bauzeitung (1908), Bd. LII, Nr. 21 Abb. 3: e-pics / ETH Zürich (GN_037_01_O) Abb. 4: Wladyslaw, Wikimedia Commons, File: Lavertezzo_-_Ponte_dei_Salti2.jpg Abb. 5: gta Archiv / ETH Zürich (79_062_F_4) Abb. 6: Roland zh, Wikimedia Commons, File: Valser Quarzit – Sechseläutenplatz Zürich 2013-05-07 - 16-51 (Xperia Z).jpeg Abb. S. 13–41: Scans polierter Gneisplatten im Masstab 1:1 aus der Materialsammlung der ETH Zürich Abb. S. 42: e-pics / ETH Zürich (GN_110a_01_O) Die QR-Codes auf den Seiten 12–40 verweisen auf die entsprechenden Datensätze der Gneissorten in der Online-Datenbank des Netzwerks www.materialarchiv.ch. Gebänderter Gneis aus der Gotthardtunnelsammlung von Friedrich M. Stapff (1880), Erdwissenschaftliche Sammlungen, ETH Zürich 42 Bibliographie Amsler, Thomas et al.: Corippo. Bauaufnahme an der TH Stuttgart 1959, Stuttgart 1959. Bundesplatz. Neugestaltung Bundesplatz Bern 2004, hg. vom Bundesamt für Bauten und Logistik u. a., Bern 2004. 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