Originalgetreue Wiedergabe ? Die originalgetreue Wiedergabe komplexer Musik ist bekanntlich keine leichte Aufgabe für einen Lautsprecher. Sie erfordert nicht nur die exakte Reproduktion aller Schallwellen von 17 m bis 1,7 cm Länge und Schalldruckpegel von 120 db (1: 1000000), denn zu allererst die zeitliche Abfolge bestimmter Frequenzen und Amplituden erzeugt die Klangstruktur der Musikinstrumente. So unterscheiden sich einige Musikinstrumente kaum in der Frequenz, die sie erzeugen, allein schon die Reihenfolge der Grund- und Obertöne bewirkt einen völlig unterschiedlichen Klang. Ein weiteres Problem bei der Wiedergabe komplexer Musik sind die sogenannten mikrozeitlichen Pegelschwankungen verschiedener Instrumente. Diese Lautstärkeschwankungen angehaltener Töne Informieren über das „ Gattungstimbre “, ob z.B. ein Klang von einem Blas- oder Streichinstrument erzeugt wird. Mit der Zahl der Instrumente eines Orchesters summieren sich dabei die Anforderungen an den Lautsprecher ganz erheblich. Kleinste zeitliche oder dynamische Fehler werden bei der Wiedergabe sofort als undifferenzierter Klang hörbar. Um keine Illusionen aufkommen zu lassen, die perfekte Musikreproduktion mit Lautsprechern ist unmöglich, auch wenn einige Werbeprospekte anderer Meinung sein sollten. Sobald die Wiedergabequalität der Boxen die der Aufnahmequalität erreicht, kann man von optimaler Wiedergabe sprechen, eine weitere Steigerung ist schon aus logischen Gründen unmöglich, denn mehr als die Aufnahmequalität liefert, kann einfach nicht reproduziert werden. Jeder, der den Klang eines guten Kopfhörers kennt, weiß, wie gering dieser Unterschied mittlerweilen sein kann. Warum ist eine Lautsprecherwiedergabe mit Kopfhörerqualität eigentlich so schwer zu realisieren ? Ein kurzer Seitenblick zur Aufnahmetechnik bietet eine deutliche Erklärung. Ein winziges Stück einer wenige tausendstel Millimeter dicken Kunststoff - Folie ist das Kernstück der besten Studiomikrophone. Praktisch masselos folgt diese Folie als Membran eines Kondensatormikrophons den Schallschwingungen der Luft. Ein aufgedampfter Metallbelag auf der Folie und eine feststehende Gegenelektrode ergeben einen Kondensator, der zur Erzeugung eines elektrischen Signals genutzt werden kann. Durch den konsequenten Verzicht auf bewegte Masse, Schwingspulen und Magnetfelder sowie den Einsatz modernster Technologien ist inzwischen eine fast perfekte Umwandlung von akustischer in elektrische Energie möglich geworden. Bei der Entwicklung einer neuen Studio- Mikrophonserie des dänischen Messgeräte- Spezialisten „Brüel & Kjaer“, die auch die anspruchsvollsten Aufnahmesituationen meistern sollte, zeigte sich wieder sehr deutlich, wie wichtig diese Kombination aus dynamisch und zeitlich richtigem Impulsverhalten ist. Nur ein praktisch masseloses System ist in der Lage, beide Parameter simultan zu erfüllen, ohne Kompromisse einzugehen. Bei einem masselosen System liegt die theoretische mechanische Resonanzfrequenz unendlich hoch, bei den realisierten Mikrophonen ist die unterste Resonanzfrequenz mit ca. 50 kHz noch immer weit oberhalb des Hörbereiches. Geringste Masse bedeutet bestes Impulsverhalten, hohe mechanische Resonanzfrequenz bedeutet lineares Phasenverhalten, da Phasendrehungen immer erst in dem Bereich dieser Resonanzfrequenz oder darüber auftreten. So ist z.B. der Phasenfrequenzgang des Mikrophons B&K 4007 von 50 – 20 kHz innerhalb von +/- 5 Grad linear. Bei den elektrostatischen Kopfhörern wird dieses Prinzip umgekehrt verwendet, hier wird ebenfalls eine Folie zwischen zwei Metallgittern aufgehängt. Wird diese Folie elektrostatisch aufgeladen, kann sie durch anlegen einer elektrischen Spannung an die Metallgitter bewegt werden. Da auch diese Folie praktisch masselos ist und über die gesamte Fläche gleichmäßig angetrieben wird, reproduziert sie exakt das vom Mikrophon aufgenommene Signal. Der geringe Unterschied zwischen Aufnahme und Kopfhörerwiedergabe resultiert aus der Ähnlichkeit und Kompromißlosigkeit der beiden Wandler. Eine Vergrößerung der strahlenden Fläche führt zu den elektrostatischen Lautsprechern. Diese Wandler besitzen alle Vorteile des elektrostatischen Kopfhörers und reproduzieren auch kleinste Details so, wie sie vom Mikrophon aufgenommen wurden. Da auch hier die gesamte Folienmembran über die gesamte Fläche gleichmäßig angetrieben wird, beeinträchtigt die etwas größere Masse anders als beim dynamischen Membranlautsprecher nicht das Impulsverhalten des Wandlers. Der elektrostatische Lautsprecher besteht praktisch aus einer unendlichen Zahl masselos angetriebener Einzelmembranen, während beim dynamischen Tauchspullautsprecher der größte Teil der bewegten Masse nur die Verbindung zwischen Antrieb und Umgebungsluft herstellt. Der geringe Abstand der beiden Metallgitter ermöglicht leider keine allzu großen Auslenkungen der Folie. Soll ein solcher elektrostatischer Lautsprecher zur Reproduktion des gesamten Frequenzbereiches eingesetzt werden, so ergeben sich recht unhandliche Abmessungen. Dieser Umstand hat die Verbreitung des Vollbereichselektrostaten in der Vergangenheit, zumindest beim verheirateten Teil der HiFi – Freunde gründlich behindert. Als Ausweg bietet sich nur die Möglichkeit, einen kleinen elektrostatische Lautsprecher mit einem dynamischen Schwingspulenlautsprecher, sogenannte Hybrid- Systeme, zu kombinieren. Die Realisierung einer solchen Kombination ist jedoch alles andere als einfach. Alle Schwingspulenlautsprecher arbeiten bekanntlich nach dem Prinzip des massegehemmten Wandlers, bei dem ein Großteil der Antriebsleistung zur Überwindung der Masseträgheit verbraucht wird. Nur wenige Lautsprecher mit sehr stabilen und leichten Membranen mit daraus resultierenden exzellenten Impulsverhalten sind daher zur Kombination mit elektrostatische Lautsprechern geeignet. Besondere Bedeutung gewinnt bei solchen Kombinationen die Frequenzweiche, die den Wandlern die entsprechenden Frequenzbereiche zuführt. Eine Frequenzweiche mit ungenügender Flankensteilheit ist für den Klang ebenso ruinös wie eine Frequenzweiche mit schlechtem Impulsübertragungsverhalten. Hybridsysteme mit Lautsprecherchassis unterschiedlicher Gesetzmäßigkeiten in der Schallabstrahlung stellen hier ein Problem dar. Ohne die Anwesenheit reflektierender Flächen sind die Schalldruckpegel solcher Hybridsysteme nur für eine Entfernung aneinander anzupassen. Nähert man sich dem System, so wird der Schallpegel der konventionellen Chassis lauter als der Schallpegel der Linienschallquelle. Bei einer weiteren Entfernung vom Lautsprecher ist das Umgekehrt. Raumreflexionen können dieses Verhalten etwas beeinflussen, aber das direkte Schallfeld, das in erster Instanz für die Ortbarkeit von Schallereignissen bei der Stereo- Wiedergabe zuständig ist, wird sich weitgehend so verhalten, wie es eben beschrieben wurde. Eine gelungene Kombination bietet dagegen alle Vorteile eines elektrostatische Lautsprechers mit besseren Basswiedergabeeigenschaften bei gleichzeitig erheblich geringerem Platzbedarf. Gibt es bei allen Vorteilen bei elektrostatischen Lautsprechern keine Nachteile ? Durch die relativ große Strahlerfläche wird der Schall stark gerichtet abgestrahlt. Diese oft als negativ beurteilte Eigenschaft bedeutet aber auch, dass Reflexionen von den Raumwänden vermindert werden. Dadurch werden klangliche Überlagerungen von Aufnahme- und Wiedergaberaum vermieden. Der Wiedergaberaum wird praktisch ausgeblendet, ähnlich, wie es beim Kopfhörer erlebt wird, der den Aufnahmeraum reproduziert und sonst nichts.