Geotechnische Herausforderungen bei der Gestaltung der Kippen

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Geotechnische Herausforderungen bei der Gestaltung der Kippen aus
locker gelagerten Sanden in Braunkohlenbergbauen der Lausitz
Dipl.-Ing. Klaus Zschiedrich
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
Knappenstr. 1, 01968 Senftenberg
T: +493573844130, F: +493573844619, Email: [email protected]
Kurzreferat
Die LMBV führt als bergrechtlich verantwortliches Unternehmen für die
Braunkohlesanierung alle Maßnahmen durch, die der Herstellung und Gewährleistung der
öffentlichen Sicherheit dienen. Nach Bundesberggesetz, Raumordnungs-, Wasser- und
Naturschutzrecht ist an den bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen die öffentliche
Sicherheit durch Abwehr von Gefahren aus dem Betrieb zu sichern sowie die
Wiedernutzbarmachung der Oberflächen zu ermöglichen. Die LMBV als Projektträger der
Braunkohlensanierung in der Lausitz stellt sich den besonderen geotechnischen
Herausforderungen und
entwickelt mit ihren Partnern neuartige Technologien zur
geotechnischen Langzeitstabilität.
Mit der Einstellung der bergbaulichen Sümpfungsmaßnahmen und der Flutung der
geotechnisch gesicherten Tagebaurestlöcher steigt das Grundwasser in der Fläche wieder an.
Infolge erhöhter Niederschläge stieg das Grundwasser in den vergangenen Jahren sehr schnell
an. In den bisher unverdichtet belassenen Innenkippenflächen zeigten sich ab ca. 2009
ungleichmäßige Sackungen und Verflüssigungen, verbunden mit grundbruch- oder
geländebruchartigen Bewegungen der Geländeoberfläche.
Die LMBV arbeitet mit Partnern aus der Wissenschaft und Forschung, aus
Ingenieurgesellschaften und aus Sanierungsunternehmen an der wissenschaftlichen
Durchdringung der Verflüssigungsvorgänge auf Innenkippen, ausgelöst durch innere Initiale.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der Kippennacherkundung wurden Systeme zur
Porenwasserdrucküberwachung entlang sensibler Bauwerke erfolgreich implementiert.
Seimisch-hydraulisches Monitoring ermöglicht die zeitnahe Erfassung geotechnisch
hydraulischer Parameter und Auswertung systemkritischer Zustände. Im besonderen Fokus
steht die Entwicklung ergänzender Sanierungstechnologien zur Sicherung der
Innenkippenflächen. Die derzeitig entwickelten Konzeptionen sollen bis 2014 in die
Anwendung überführt werden. Durch die Umsetzung werden schrittweise hinreichende
Bedingungen zur Standsicherheit von Innenkippen in der Lausitz geschaffen. Parallel dazu
arbeiten die Wissenschaftler weiter an dualen Nachweisverfahren, welche sowohl die lokalen
als auch die globalen Standsicherheitsverhältnisse bewerten.
1. Einleitung
Die wissenschaftlichen Modellansätze zur Berechnung der geotechnischen Sicherheit
berücksichtigten bisher Verflüssigungszustände, die infolge von äußeren Initialen entstehen.
In Auswertung der bisher gegangenen grundbruchartigen Bewegungen ist jedoch erkennbar,
dass hier innere Initiale zum Überschreiten von Gleichgewichtszuständen führten. Diese
Erscheinungen lassen auf vorhandene Wissens- und Kenntnislücken hinsichtlich der Abläufe
von Verflüssigungsvorgängen schließen. Zum raschen Schließen der erkannten Wissens- und
Kenntnislücken hat die LMBV Anfang 2011 den „Geotechnischen Beirat“ berufen. Darin
vertreten sind international anerkannte Wissenschaftler der Geotechnik aus ganz Deutschland,
erfahrene Sachverständige der Geotechnik sowie Fachkräfte aus dem Unternehmen Vattenfall
und LMBV. Im Rahmen der Arbeit des Geotechnischen Beirates wurden wissenschaftliche
Untersuchungen und Feldversuche mit Testcharakter initiiert.
2. Kippennacherkundung
Auf den gesperrten Innenkippenflächen wurden umfangreiche Nacherkundungsmaßnahmen
durchgeführt. Es wurden bisher ca. 320 Druck- und Kombinationsdrucksondierungen geteuft.
Im Ergebnis der Auswertung kann festgestellt werden, dass der Spitzenwiderstand für
einzelne Sanierungsbereiche, in denen verstärkt Geländeeinbrüche auftraten, deutlich
unterschritten wurde. Der Verlauf der Untergrenze im Hauptfeld der Innenkippe Spreetal
wurde als Referenzkurve herangezogen [1].
Spreetal Hauptfeld
Schlabendorf Süd
Lohsa
Abbildung 1: Vergleich des Spitzenwiderstands von Drucksondierungsergebnissen
unterschiedlicher Tagebaufelder [1]
Dabei wurde festgestellt, dass in der Innenkippe Schlabendorf-Süd, auf der eine Häufung der
geotechnischen Ereignisse zu verzeichnen war, um 0,5 bis 1,0 MPa geringere
Spitzenwiderstände gemessen wurden, als der Referenz Spitzenwiderstand in Spreetal (Abb.
1). Auf der Innenkippe Lohsa wurden gegenüber der Referenz um 0,5 bis 1,0 MPa höhere
Spitzenwiderstände gemessen, vereinzelt jedoch auch deutlich geringere. Hier haben weitere
Einflussfaktoren zur Auslösung der geotechnischen Ereignisse beigetragen. In Auswertung
der Druck– und Kombinationsdrucksondierungen einzelner Tagebaubereiche konnten
signifikante Unterschiede in Einzelaufschlüssen und in Summe nachgewiesen werden. Im
Vergleich von Sondierungen aus dem Jahr 2003/2005 mit Sondierungen aus dem Jahr 2011
wurde exemplarisch erkannt, dass mit dem Ansteigen des Grundwasserspiegels eine
Verlagerung der Zone mit den geringsten Spitzenwiderständen einhergeht.
3. Porenwasserdrucküberwachung
An besonders zu schützenden Objekten wurden zur Erhöhung der geotechnischen Sicherheit
zusätzliche Überwachungselemente installiert. Eine Überwachung des Porenwasserdrucks
ermöglicht es, beim Überschreiten von kritischen Systemzuständen eine automatische
Verkehrsbeeinflussung zu veranlassen. Auf der Kippe Spreetal wurde zur Sicherung des
öffentlichen Straßenverkehrs entlang der Bundesstraße B 97 zwischen Hoyerswerda und
Spremberg
ein
porenwasserdruckgesteuertes
Warnsystem
mit
automatischer
Verkehrsbeeinflussung installiert und erfolgreich in Betrieb genommen (Abb.2).
Abbildung 2: Porenwasserdrucküberwachung entlang der Bundesstraße B 97
4. Einsatz von Kunststoffdrains
Zur vorbeugenden Entspannung des Porenwasserdruckes im Bereich wassergesättigter
Innenkippen wurde der Einsatz von Kunststoffdrains untersucht. Für diesen Einsatz liegen
bisher keine Erfahrungen auf Innenkippenflächen vor. In einem Testfeld wurde untersucht,
wie durch Kunststoffdrains der Abbau von Porenwasserdruck und Gasdruck beschleunigt
werden kann.
Mittels Initialeinträge von der Geländeoberfläche aus, durch Einsatz eines LKW´s, einer
Rüttelplatte, eines Walzenzuges und einer Sprengung wurden Porenwasserüberdrücke
erzeugt, ohne eine Bodenverflüssigung auszulösen (Abb.3). Auch die Abstände der Drains
untereinander wurden im Verlauf des Feldversuches verändert.
Abbildung 3 – Sprengvorbereitung zum Test der Kunststoffdrains
Im Ergebnis des Feldversuches konnte belegt werden, dass die verwendeten Kunststoffdrains
geeignet sind, den Porenwasserdruckabbau zu beschleunigen und bei allmählicher zyklischer
Belastung den maximalen Porenwasserdruckanstieg zu reduzieren [2]. Kunststoffsdrains
können daher im Bereich gefährdeter Straßenabschnitte auf Innenkippenflächen eingebracht
und hier temporär entscheidend zur Erhöhung der geotechnischen Sicherheit beitragen.
5. Feldversuche zum schonenden Sprengen
Im Tagebau Seese West wurde im Bereich der Innenkippe ein erster Feldversuch zum
schonenden Sprengen mit geringen Ladungsmengen durchgeführt. Ziel ist eine Verdichtung
der locker gelagerten, wassergesättigten Sande. Mittels Drucksondierungen und
Kombinationsdrucksondierungen konnte ein durchschnittlicher Spitzendruckanstieg von Δ q ≈
1 - 3 MN/m2, eine Änderung im Porenanteil von Δ n ≈ 0,02 – 0,05 und eine Dichteänderung
von Δ ρd ≈ 0.03…0,1 g/cm3. nachgewiesen werden (Abb. 4).
Die Ergebnisse dieses Versuches bilden die Grundlage für die Durchführung weiterer,
großflächiger Feldversuche. Es wird schonendes Sprengen in Vertikalbohrungen sowie
oberflächennahes schonendes Sprengen in mehreren Feldversuchen getestet. Beim Sprengen
in Vertikalbohrungen kommen Sprengstoffmengen von 6 – 9 kg zum Einsatz, verteilt auf bis
zu 3 Teilladungsmengen in unterschiedlicher Teufe. Beim oberflächennahen Sprengen
werden die Sprengstoffmengen von 0,5 – 2 kg mit bis zu 2 Teilladungsmengen variiert. Zum
beschleunigten Abbau von Porenwasserdrücken wurden Perforationen sowie Drainagesäulen
um das Sprengbohrloch herum angelegt. Bei den bisher durchgeführten Sprengungen wurden
keine großräumigen Setzungsfließrutschungen ausgelöst.
Abbildung 4: Vergleich des Spitzendrucks und der Reibungsverhältnisse [3]
Die Ergebnisse zeigen eine Verdichtung durch Anstieg des Spitzendruckes. Der
Verdichtungserfolg wurde darüber hinaus messtechnisch durch die entstandene
Setzungsmulde nachgewiesen. Die Erarbeitung von Dimensionierungsregeln sowie einer
Regeltechnologie zur Überführung der Ergebnisse in großflächige Sanierungsmaßnahmen ist
vorgesehen.
6. Seismik
Seismische Messungen gewinnen hinsichtlich der Erfassung und Prognose spontaner
geotechnischer Ereignisse immer mehr an Bedeutung. Das seismo-hydraulische Monitoring
erlaubt eine summarische Erfassung des Kippen Zustandes vor, während und nach der
Verdichtung. Das Ziel des Alarmierungssystems besteht in der zeitnahen Erfassung, Ortung
und Umfangsabschätzung von geotechnischen Ereignissen. Zur kontinuierlichen
Kippenbeobachtung und Auswertung der Ergebnisse ist die Entwicklung eines seismohydraulischen Frühwarnsystems vorgesehen. Die Errichtung und der Betrieb eines
seismischen Alarmierungs- und Monitoring Systems werden bedarfsorientiert erfolgen.
7. Gefährdungsfaktor
Um potenziell gefährdeter Teilbereiche der Kippen ausweisen zu können, wird eine
kennwertbasierte Methodik zur Bestimmung eines lokalen Gefährdungsfaktors von Kippen
entwickelt [4]. Der dimensionslose Gefährdungsfaktor Gf ist dabei eine Ortsfunktion
geotechnischer
und
hydraulischer
Parameter
wie
Spitzendruck,
Porenanteil,
Grundwasserflurabstandes, Geländeneigung, Geländehöhendifferenz, des hydraulischen
Gradienten sowie der durch die Nachnutzung erzeugten äußeren Belastung der
Kippenoberfläche.
Abb. 4 - Gefährdungsfaktoren der Innenkippe Schlabendorf Süd 2008 [4]
8. Literaturverzeichnis
[1] Dennhardt/Bischof, CDM, Bericht Kippennacherkundung, LMBV 2012, unveröffentlicht
[2] Prof. Kulda , TU Freiberg, Zwischenbericht Kunststoffdrains, LMBV 2013, unveröffentlicht
[3] Dr. Kessler, BIUG, Bericht Schonendes Sprengen, LMBV 2013, unveröffentlicht
[4] Förster/Dennhardt , Zwischenbericht Gefährdungsfaktor, LMBV 2013 unveröffentlicht
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