Sommer-Druck Feuchtwangen Stelzenmüller/Wiesner Therapie von Kiefergelenkschmerzen WN 020821/01/02 TN 131382 20.5.2010 Stelz_Umbruch_ Physiotherapie bei Störungen der Tuba auditiva und Tinnitus liegt und sich die Zungenränder an den Gaumen anlehnen, liegt die Zunge bei einem Mundatmer meistens im mittleren oder unteren Bereich. Schluckt er, erfolgt ein Anstoßen der Zunge an die Zähne. Da eine geringe Belastung von unter 100 g ausreicht, um Zähne zu bewegen, kann man sich vorstellen, dass es bei ca. 2000 Kontakten der Zungenspitze an die Zähne zu Verformungen des Zahnbogens, zum frontal offenen Biss und anderen Kieferanomalien kommen kann. 17.10.10 Artikulationsschwierigkeiten infolge falscher Zungenlage Aufgrund eines frontal offenen Bisses kann es nun zum Lispeln kommen, d. h. zu Fehlbildungen der „S“- und „Sch“-Laute, da diese Laute bei ihrer Bildung stark von der korrekten Zungenruhelage und einer guten Mundmuskulatur abhängig sind. 17.10.11 Schwierigkeiten in der auditiven Wahrnehmung Mundatmer haben ein erhöhtes Risiko, an Infektionskrankheiten zu erkranken. Besonders bei Kleinkindern entwickeln sich hieraus oft Mittelohrentzündungen. Hierbei kann es zur Flüssigkeitsbildung hinter den Trommelfellen kommen. Wie funktioniert das – die „Erkältung“ spielt sich doch im Nasen-Rachen-Raum ab? Die Verbindung zum Nasen-Rachen-Raum stellt die Tuba auditiva her, die auch zur Belüftung des Trommelfells unbedingt notwendig ist. Die auf diesem Weg in das Ohr gelangte Flüssigkeit kann sich auf die Hörleistung 379 auswirken. Tritt diese Schallleitungsschwerhörigkeit zu einem Zeitpunkt auf, wo das Gehör noch nicht vollständig ausgereift ist, kann es zu einer Behinderung der Hörbahnreifung kommen. Hieraus resultieren bei den Kindern oft Probleme beim Richtungshören und aufgrund der nunmehr notwendigen stärkeren Konzentration, die für das Hören aufgebracht werden muss, eine Verminderung der Konzentration bei gestellten Aufgaben. Die Kinder lassen sich durch Geräusche ablenken oder haben z. B. Schwierigkeiten, in einer unruhigen Klasse den Worten des Lehrers zu folgen. 17.10.12 ADS, ADHS, Lern- und Sprachentwicklungsverzögerung Ebenso wie Kinder mit Winkelfehlsichtigkeit haben auch Kinder, die Mundatmer sind, oft mit Nachteilen zu kämpfen. Wie gesagt, die Auswirkungen sind möglich und immer nur in individueller Ausprägung sichtbar. Während bei Kindern mit der Winkelfehlsichtigkeit das Verrechnen des Bildes extra „Arbeitspeicherkapazität“ oder Energie kostet, ist es bei Mundatmer-Kindern, die von einer Mittelohrentzündung betroffen sind, die Mehrbelastung durch das erschwerte Hören und damit das verlangsamte Erlernen von Sprache und Sprachstruktur, wie z. B. Grammatik. Viele Mundatmer haben, wie bereits beschrieben, Atembeschwerden oder neigen leichter zu Erkältungskrankheiten. All diese Probleme können die Entwicklung verzögern. Wenn wir die Kinder früh genug aus unseren Patienten herausfiltern und adäquat behandeln, haben sie im weiteren Leben bessere Chancen. 17.11 Physiotherapie bei Störungen der Tuba auditiva und Tinnitus Um das Gesamtbild von „Grenzen erkennen und Grenzen überwinden“ abzurunden, sollten die physiotherapeutischen Möglichkeiten auch auf diesem Gebiet dargestellt werden. Viele Menschen leiden mittlerweile unter Tinnitus und es ist nachvollziehbar, dass wir uns mit dieser Thematik befassen. Aber warum mit Problemen der Tuba auditiva? Für Menschen, die z. B. beruflich viel fliegen (Flugbegleiter, Piloten etc.) oder z. B. dem Tauchen als geliebtem Hobby nachgehen wollen, ist eine funktionierende Tubenbelüftung zum Druckausgleich existenziell wichtig. Da sich unsere Praxis in der Nähe des Frankfurter Flughafens befindet, haben manche unserer Patienten dieses Problem. 17.11.1 Störung der Tuba auditiva Haben wir uns bis jetzt mit dem Gehör nur im Rahmen der Mundatmung auseinandergesetzt, bei der es durch Erkältungskrankheiten über die Tuba auditiva (Eustachische Röhre) zu leichter Flüssigkeitsbildung hinter den Trommelfellen kommen kann, beschäftigen wir uns nun mit der Funktion des Mittelohrs beim Druckausgleich. Das Mittelohr ist ein mit Luft gefüllter Hohlraum der über die Ohrtrompete, die Tuba auditiva, mit dem NasenRachen-Raum in Verbindung steht. Sie reicht vom Trommelfell bis an die knöcherne Abgrenzung des Innenohrs und dient der Schallverstärkung mithilfe der Gehörknöchelchen und des Größenunterschieds zwischen Trommelfell und ovalem Fenster (dem Übergang zum Innenohr). Hinter der Pauke (Bereich hinter dem Trommelfell) beginnt das Mastoid. Hier gibt es mehr oder weniger luftgefüllte Kammern, die durch die Pauke belüftet werden. Die Tuba auditiva hat eine Länge von ca. 30 mm und besteht aus einem knöchernen und einem von Schleimhaut ausgekleidetem, knorpeligen Anteil. Beim Fliegen, aber auch beim Tauchen, also bei einer Erhöhung des Umgebungsdrucks, sollte der aktive Druckausgleich möglich sein. Aktiver Druckausgleich Die bekannteste Methode, den Druckausgleich vorzunehmen, ist der Verschluss der Nase durch Zeigefinger und Daumen bei gleichzeitigem Zusammenpressen des Mundes. Danach wird gegen den Widerstand der verschlossenen Nase ausgeatmet. Hierdurch kommt es zu einer Erhö- aus: Stelzenmüller u. a., Therapie von Kiefergelenkschmerzen (ISBN 9783131313829) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Thieme-Verlag Herr Elm Thieme-Verlag Herr Elm Stelzenmüller/Wiesner Therapie von Kiefergelenkschmerzen WN 020821/01/02 TN 131382 20.5.2010 Stelz_Umbruch_ 17 CMD – Grenzen erkennen und Grenzen überwinden? hung des Druckes im Nasen-Rachenraum und in der Folge zum Lufteinstrom in die Paukenhöhle. Der HNOArzt kann dies mit einem Otoskop anhand einer Vorwölbung des Trommelfells sehen. Die Funktion der Öffnung der Tuba auditiva kann er durch nasale Endoskopie überprüfen. Studie zur Mechanik der Tuba auditiva In einer Studie „Mechanik der Tuba auditiva – Neue Konzepte zur Behandlung der klaffenden Tube“ schreiben Sören Wenzel et al. (2006; früher UKE-Hamburg, jetzt niedergelassen in Pinneberg), : „In Verbindung mit tierexperimentellen Paralyseversuchen wurde die entscheidende Rolle des M. tensor veli palatini für die Tubenmechanik definiert: durch seinen Zug an der Lamina lateralis öffnet er die kranialen Tubenbereiche zur Ventilation, während er gleichzeitig die kaudalen Tubenanteile komprimiert und eine pharyngeal gerichtete Drainage erzielt wird. Die biomechanische Wirkung des einzigen direkt tubenangreifenden Muskels M. tensor veli palatini hängt entscheidend von der Vektorumlenkung seiner isometrischen Kraftentfaltung durch Hypomochlien ab. […] Neben einer relativ längenkonstanten Überkreuzungsstrecke zwischen Tensor- und medialem Pterygoidmuskel und den bekannten gleitlagerartigen Faszienplatten waren als neuer Aspekt insbesondere im Randbereich der Überkreuzung regelhaft fibromuskuläre Interkonnektionen darstellbar. Sie heften fest an der Weber-Lielschen Faszie an, die dementsprechend keine reine Verschiebeschicht zwischen den Muskeln darstellt, sondern ein Bindeglied zwischen den Muskeln. Diese intermuskulären Verbindungen bilden offensichtlich das morphologische Korrelat des funktionellen Synergismus zwischen beiden Muskeln und lassen den M. pterygoideus medialis eine indirekte, aber entscheidende Wirkung auf die muskuläre Tubenmechanik ausüben.“ Neue Therapieverfahren beim Syndrom der klaffenden Tube „Die Dysfunktion der Tuba auditiva ist durch zwei in Morphologie und Funktion komplementäre Abweichungen von der Norm charakterisiert: die Öffnungs- und die Verschlussinsuffizienz. […] Das Syndrom der klaffenden Tube als Sonderform der Verschlussstörung ist durch einen den Patienten häufig massiv belastenden Ohrdruck und eine Autophonie charakterisiert […]“ „Aus der neuen Erkenntnis des wesentlichen Einflusses des M. pterygoideus medialis auf die Tubenmechanik und einer konsekutiven Verschlussinsuffizienz bei einer muskulären Hypotrophie wurde dann ein neuer Ansatz zur Therapie des Syndroms der klaffenden Tube entwickelt. Durch eine spezielle Physiotherapie des kraniozervikalen Muskelgefüges und die gleichzeitige Anpassung einer zahnärztlichen Aufbissschiene wurde der M. pterygoideus medialis als Hypomochlion dynamisiert und stabilisiert sowie ein effizienter Volumen- bzw. Funktionszuwachs erreicht.“ Die Tuba auditiva bildet eine offene Verbindung zwischen Nasen-Rachen-Raum und Mittelohr. Durch die trichterförmige Erweiterung im Bereich des Pharynx bildet sie eine Art Haken (Hamulus) aus, an dem ein membranöser Teil ansetzt, der zum Pharynx her zunimmt. Oberhalb dieses Hakens bleibt eine permanente Öffnung, das sog. „Sicherheitsrohr“, welches eine konstante Belüftung des Mittelohrs garantiert. Die Tuba auditiva öffnet sich bei jedem Schluckakt, wodurch einen Druckausgleich des äußeren Luftdrucks und des Luftdrucks im Mittelohr stattfindet. Die Öffnung der Tube erfolgt durch die Mm. tensor veli und levator veli palatini sowie durch den M. salpingopharyngeus, die physiotherapeutisch nicht direkt behandelbar sind. Abb. 17.20 Lage der Tuba auditiva (Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. PROMETHEUS – Kopf und Neuroanatomie. 2006). aus: Stelzenmüller u. a., Therapie von Kiefergelenkschmerzen (ISBN 9783131313829) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 380 Sommer-Druck Feuchtwangen Sommer-Druck Feuchtwangen Stelzenmüller/Wiesner Therapie von Kiefergelenkschmerzen WN 020821/01/02 TN 131382 20.5.2010 Stelz_Umbruch_ 381 Physiotherapie bei Störungen der Tuba auditiva und Tinnitus Die indirekte Beeinflussbarkeit dieses Systems entnehmen Sie bitte o. g. Studie. In unserer physiotherapeutischen Praxis haben wir gute Erfahrungen mit der direkten intraoralen Behandlung der Mm. pterygoidei medialis in kombinierter Physiotherapie und zahnärztlicher Schienentherapie gemacht. 17.11.2 Tinnitus Ursachen Was ist Tinnitus? Zunächst hören fast alle Menschen – oder besser, sie nehmen Geräusche wahr. Der Unterschied zu einem Tinnituspatienten ist, dass die Geräusche des Tinnitus von keiner anderen Person wahrgenommen werden. Man unterscheidet den subjektiven vom objektiven Tinnitus. ● Beim subjektiven Tinnitus nimmt der Betroffene Geräusche, Töne, Pulsen oder Pfeifen in hoher Frequenz wahr, welche für andere Nebenstehende nicht hörbar sind, da sie durch keine äußere wahrnehmbare Quelle hervorgerufen wurden. ● Im Gegensatz hierzu beruht der objektive Tinnitus auf einer von außen wahrnehmbaren oder zumindest messbaren Schallquelle (Beispiele: hochfrequente Pfeife für Hunde, Ultraschall). Objektiver Tinnitus ist allerdings im Vergleich zum subjektiven Tinnitus sehr selten. Es werden außerdem 3 verschiedenen Formen/Phasen unterschieden: ● akute Form (aber potenziell reversible Funktionsstörung der Haarzellen, analog zum Hörsturz) – bis zu einer Dauer von 3 Monaten ● subakute Phase – ab dem 3. Monat, aber meist ohne komplette Restitution der Haarzellenschäden ● chronische Form – nach einem Jahr mit irreversiblen Schäden Es gibt viele Vermutungen über Ursachen von Tinnitus. Hierzu gehören z. B.: ● Knalltrauma (z. B. durch Silvesterknaller, Schüsse) ● akutes Lärmtrauma (z. B. Disco) ● Hörsturz ● chronische Lärmschwerhörigkeit (z. B. durch Presslufthammer) ● idiopathische Innenohrschwerhörigkeit ● Morbus Menière ● Schädel-Hirn-Trauma mit oder ohne Felsenbeinfraktur ● Akustikusneurinom ● Otosklerose ● chronische Mittelohrentzündung ● Intoxikation mit Medikamenten wie ASS, Chinin, Aminoglykoside, Chemotherapeutika ● immune Schwerhörigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Nierenkrankheiten ● ZNS-Erkrankungen ● funktionelle Anämie ● Störungen der HWS oder des Kiefergelenks ● muskuläre Erkrankungen Tinnitus kann an den verschiedensten Anteilen der Hörbahn entstehen (kochleäre Läsionen, Erkrankungen der Hörnerven, zentralauditorische Schädigung, psychische oder neurovegetative Faktoren). Hierzu gibt es verschiedene Hypothesen: ● pathologische Synchronisation der neutralen Aktivität der Hörfasern, z. B. teilweiser Zusammenbruch der Myelinscheiden, der zu einem „Übersprechen“ zwischen benachbarten Fasern führt ● Defekt in der Kutikularmembran oder im Ionenkanal, der die Haarzelle periodisch depolarisiert und damit neuronale Entladungen auslöst ● von äußeren Haarzellen ausgehender mechanischer Anstoß, sog. kochleärer motorischer Tinnitus Um es abzukürzen: Es gibt sehr viele Ursachen für Tinnitus. Was hat das Thema mit unserer Physiotherapie zu tun? Es gibt einige, zugegeben wenige Ursachen des Tinnitus, bei denen Zahnärzte, Kieferorthopäden und Physiotherapeuten sehr viel Gutes tun können. Physiotherapeutischer oder auch zahnärztlicher Befund Zunächst zur Untersuchung bzw. dem Ausschluss von CMD als Ursache. Wir machen bei den Tinnituspatienten, die zu uns überwiesen werden, erst einmal einen Haltungsstatus, bei dem wir uns die Statik und insbesondere die HWS und die SIG ansehen. Dann folgt eine Funktionsanalyse der Kiefergelenke, ähnlich wie wir sie in Kap. 6 beschrieben haben. Der einzige Unterschied ist, dass wir den Befund (meist als letzten Patienten abends) in absoluter Ruhe durchführen. Das bedeutet, Computer, Kopierer, Drucker, Lampen, besonders Leuchtstofflampen oder Trafos von Halogenlampen, die leise Geräusche produzieren oder ein „Fiepen“ von sich geben könnten, werden ausgeschaltet. ◆ Checkliste/Durchführung Anschließend beginnen wir mit der Untersuchung. Hierbei lassen wir uns für jede Grifftechnik ungefähr dreimal so viel Zeit wie bei einer normalen Funktionsanalyse. Kommt es zur Verstärkung des Geräuschs bei den Tests, ist dies ebenso gut, wie wenn es zur Dämpfung oder Verminderung des Geräuschs kommt. Jede Veränderbarkeit des Geräuschs ist ein Indiz dafür, durch Physiotherapie und/oder Zahnmedizin etwas verändern zu können. Wenn keinerlei Veränderungen von dem Patienten bemerkt werden, besteht eine eher geringe Wahrscheinlichkeit, dass der Tinnitus mit unserem „Testgebiet“ zusammenhängen kann. ◆ Die Erfahrung in unserer Praxis hat gezeigt, dass die interdisziplinäre Therapie in Zusammenarbeit mit Kieferorthopäden, wie z. B. Douglas Toll, auf diesem Gebiet sehr oft Früchte trägt – leider aber nicht immer. In jedem Fall jedoch können wir dem Patienten zumindest indirekt über verbesserte Biomechanik, Entspannungstechniken und verbesserte Körperwahrnehmung helfen, seine Gesamtsituation zu verbessern, was dann wieder auf diesem Wege zu einer Entlastung und teilweisen Verände- aus: Stelzenmüller u. a., Therapie von Kiefergelenkschmerzen (ISBN 9783131313829) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Thieme-Verlag Herr Elm Thieme-Verlag Herr Elm Stelzenmüller/Wiesner Therapie von Kiefergelenkschmerzen WN 020821/01/02 TN 131382 20.5.2010 Stelz_Umbruch_ 17 CMD – Grenzen erkennen und Grenzen überwinden? rung z. B. der Höhe und Intensität der Geräusche beitragen kann. Helfen können wir besonders in den Fällen, bei denen die Hyperaktivität der Kaumuskulatur mit ursächlich für den Tinnitus ist, z. B. ● wenn sie die Belastung reflektorisch auf den M. tensor veli tympani und den M. tensor veli palatini überträgt, die – wie schon im letzten Abschnitt erwähnt – an der Öffnung der Tuba auditiva beteiligt sind, ● bei Aktivitätssteigerung des M. tensor veli tympani; dann kann es zu einer Einwärtskippung des vorderen Anteils der Fußplatte in das ovale Fenster kommen, wodurch der endolymphatische Druck erhöht wird, ● bei Tonuserhöhung des M. tensor veli palatini, was wiederum zur Funktionsstörung der Tuba auditiva führt, woraus Belüftungsstörungen des Mittelohres resultieren, ● wenn die intratympanale Muskulatur versucht, durch Fehlen der Antagonisten jede Bewegung oder Verschiebung der einzelnen Knochen durch einen Rückschlag zu adjustieren oder zu korrigieren; damit kann es zu einer Ermüdung der Mittelohrmuskeln mit Kontraktionszustand, zu unkontrollierten Bewegungen der Gehörknöchelchen kommen, die autogene Vibrationen entstehen lassen, die Schwingungen im Lymphsystem des inneren Ohres und somit subjektiven Tinnitus zur Folge haben können, ● bei Stimulation von Triggerpunkten des M. masseter kann es zum Auftreten von Tinnitus auf derselben Seite kommen, da der Triggerpunkt des M. stapedius in der gleichen „Pain Reference Zone“ liegt. Zusätzlich können wir unterstützend behandeln bei Fehlrotationen C0–C1, hierbei kann es möglicherweise zur Veränderung der Fließgeschwindigkeit in den Blutgefäßen z. B. der Carotis interna kommen, welche wiederum das Innenohr versorgt. ● Diskutiert werden auch direkte Einflüsse aus den Kiefergelenken: ● Bei anteriorer Diskusverlagerung kommt es meist auch zu entzündlichen Prozessen im retrodiskalen Gewebe (bilaminäre Zone), über eine Kapselpenetration nach posterior könnten sich diese in die Karotisscheide ausbreiten. Physiotherapie Die Physiotherapie wird beim Tinnituspatienten vergleichbar aussehen wie bei unseren CMD-Patienten: ● Anamnese ● Befund ● Haltungsstatus ● Grundbehandlung, Detonisierung der Kaumuskulatur ● ● ● ● ● Entspannungstechniken manuelle Therapie im Bereich des orofazialen Systems und hierbei – ganz wichtig – der HWS Krankengymnastik zur Verbesserung der Haltung, Aufrichtung Körperwahrnehmung und Entspannung und immer wieder den Patienten nachspüren lassen, ob sich z. B. die Frequenz des Geräuschs unter der Behandlung verändert Ausblick Mittlerweile klagen immer mehr Patienten über Tinnitus. Etwa 15 % von ihnen haben häufig oder ständig Ohrgeräusche. Für einige dieser Patienten stellt die Belastung des Tinnitus ein großes Problem dar. Die meisten haben sich allerdings, soweit sich dies aus Studien, Veröffentlichungen und Befragung unserer Patienten ablesen lässt, mit dem Tinnitus arrangiert. Viele Patienten bemerken den Tinnitus nur nachts bei vollkommener Stille. Einige haben sich Radios oder CD-Spieler mit Einschlaftimer in das Schlafzimmer gestellt und kommen, ihren Berichten nach zu urteilen, damit klar. Manche Patienten leiden allerdings sehr stark darunter und man sollte alles versuchen, auch ihnen zu helfen. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit spezialisierten HNO-Ärzten und Kieferorthopäden zusammen, die vermehrt Tinnituspatienten behandeln. Eine Erleichterung konnte bei den meisten Patienten im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit erreicht werden. Hierzu ist eine Studie von der Gruppe um Professor Koeck, Uni Bonn, lesenswert (Linsen et al. 2006), die u.a mit einer im Bereich der 7er erhöhten Schiene arbeiteten, die 24 Stunden zu tragen war. Durch leichten Druck auf die Kinnspitze nach kranial sollte hierbei die dekomprimierende Wirkung des Hypomochleons zusätzlich verstärkt werden. Die Gruppe kam in ihrer Studie zu folgendem Schluss: „Die Ergebnisse zeigen eine Korrelation zwischen Tinnitus und den arthrogenen Leitsymptomen (Kiefergelenkgeräusche [Knacken/Krepitation], habituelle Diskusverlagerung, Deviationen bei Mundöffnung bzw. Mundschluss und Entlastung des Kiefergelenkes bei dekomprimierenden Maßnahmen). Aus diesem Grund sollte die Behandlung von Patienten mit Tinnitus in Konsultation mit einem mit CMD erfahrenen Zahnarzt erfolgen, da eine Distraktionsschiene mit beidseitigem Hypomochlion zu einer deutlichen Verbesserung der Tinnitus-Symptomatik führen kann.“ Zusätzliche lesenswerte Informationen: Studien Universität Berlin 1999 (Peroz u. Kirchner), Greifswald 2000 (Bitter), Freiburg 2005 (Emmerich u. Maier). aus: Stelzenmüller u. a., Therapie von Kiefergelenkschmerzen (ISBN 9783131313829) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 382 Sommer-Druck Feuchtwangen