Andacht zum Schwesternjubiläum 5.5.2016 Apostelgeschichte 1 3 Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. 4 Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt; 8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. 9 Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. 10 Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. 11 Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen. Liebe Festgemeinde! Schwesternjubiläum. Besser, genauer, richtiger gesagt: Jubiläum der Diakonissen, der Diakonischen Schwestern und Brüder. Jubiläum der Diakonischen Gemeinschaft. Das feiern wir heute. Wir danken für den Dienst der Mitglieder unserer Diakonischen Gemeinschaft, für alles, was dieser Dienst mit Herzen, Mund und Händen bewirkt hat an Hilfe, Heilung und Stärkung, an Trost und Ermutigung für andere und beigetragen hat zu einer lebendigen Gemeinschaft. Wir würdigen es, indem wir an Stationen ihres Wirkens erinnern, uns nachher diese Stationen, Orte und Menschen, vor Augen führen. Wir tun es, indem wir uns bewusst machen, in welcher Zeit und unter welchen Umständen sie diesen Dienst begonnen und ausgeübt haben. Welche Aufgaben und Herausforderungen sie zu bewältigen hatten. Wie sich ihr Dienst über die Jahre und Jahrzehnte verändert hat und wie sie diese Veränderungen mitgestaltet haben. Wir rufen in Erinnerung, was die Mitglieder unserer diakonischen Gemeinschaft in ihrem Dienst bewegt und was sie gestärkt hat, was sie bei allen Belastungen in diesem Dienst gehalten hat, und was ihnen Freude gemacht hat, früher und bis heute. Wir tun dies an Christi Himmelfahrt. So, wie es seit Jahren bei den Diakonissen Speyer-Mannheim Brauch ist. Schwesternjubiläum, Jubiläum der Diakonischen Gemeinschaft, und Christi Himmelfahrt: Wie passt das eigentlich zusammen? Passt es überhaupt zusammen? Gibt es etwas, das beides miteinander verbindet? Oder ist es reiner Zufall? Ist es irgendwann einfach so gekommen, dass das Schwesternjubiläum – und heute ist es ja auch ein Brüderjubiläum - an Christi Himmelfahrt begangen wird, diesem Feiertag, der für viele in unserem Land mit einem anderen Namen belegt ist? Liebe Festgemeinde, mir geht es jetzt gar nicht um die geschichtliche Frage, seit wann es bei den Diakonissen Speyer-Mannheim so ist und wer dies so entschieden hat. Vielmehr um den Zusammenhang zwischen dem, wofür diakonische Gemeinschaft steht, und dem, woran uns der Feiertag Christi Himmelfahrt erinnert. Zunächst einmal markiert Christi Himmelfahrt einen Einschnitt. Einen ganz wesentlichen, ja entscheidenden Einschnitt - für alle, die mit Jesus verbunden waren und sind. Jesus, der nach seinem Tod am Kreuz sowohl Frauen als auch Jüngern erschienen ist, das ist ja die Erfahrung von Ostern, er entzieht sich. Er entzieht sich denen, denen er vorher begegnet war. Oder besser: er wird menschlichen Augen und Händen entzogen: Von nun an kann ihn keiner der Jünger mehr mit eigenen Augen sehen, und die Hände taugen nicht mehr, um zu begreifen, wo und wer Jesus ist. Von nun an gehört er unzweideutig zu Gott, zur himmlischen Sphäre, die unserem Zugriff entzogen ist. Das ist Christi Himmelfahrt: zuallererst einmal, so hart es klingt: ein Entzug. Entzug, liebe Gemeinde, das klingt nach Verlust. Doch Christus verlässt die Seinen nicht einfach so. Untrennbar verbunden damit, dass er nun nicht mehr wie zuvor als Mensch da ist, gegenwärtig ist, untrennbar damit verbunden ist eine Sendung und ist eine Zusage. Im gleichen Zug, indem Jesus uns als Mensch entzogen wird, wird uns etwas zugesagt. Hören wir noch einmal auf unseren Abschnitt aus der Apostelgeschichte. Da heißt es in Vers 8: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“: Darin ist schon angedeutet, was Lukas ein Kapitel später über das Pfingstfest berichtet. Er erzählt von einem Geschehen, das die Jünger ergreift, und dann viele von denen anrührt, die das Auftreten der Jünger miterleben: Sie hören erst nur, wissen nicht so recht, was da geschieht ... Und dann werden überraschend viele selbst zu Zeugen: Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft sagen weiter, dass da etwas Wichtiges passiert ist, etwas, das sie ergriffen hat. Gottes Geist ist am Werk. Die Kraft seines Geistes verändert Menschen, so wie Jesus das Leben von Menschen verändert hat. „Ihr werdet meine Zeugen sein“ sagt Jesus denen zu, die ihm vertrauen. Wie wird man Zeuge? Es geschieht etwas. Ich sehe etwas, bekomme etwas mit, erlebe etwas, und schon bin ich Zeuge. Ob ich dann als Zeuge gefragt werde oder mich als Zeuge zur Verfügung stelle, das steht auf einem anderen Blatt. Aber Zeuge wird man unwillkürlich. In aller Regel ohne Absicht, ohne es vorher geplant zu haben. Schwestern erzählen, wie sie Diakonissen wurden. Was ihnen den Weg in diese Lebensform gewiesen hat. Als Mädchen oder junge Frauen wurden sie Zeuginnen von dem, was eine Diakonisse tat, und wie sie es tat. Für Kranke da sein, ohne Ansehen der Person, helfen, ganz praktisch, und beten für sie, und mit ihnen. Für Kinder da sein, die jemanden brauchen, der sich um sie kümmert, wenn niemand aus der Familie oder gar keine Familie da ist. Einfach da sein für andere, mit anderen. Ja, wenn Mitglieder unserer diakonischen Gemeinschaft von ihrem Werdegang erzählen, dann sind es oft solche Geschichten, viel plastischer, viel konkreter noch, Geschichten von anderen Menschen, die sie als Zeugen der Liebe Gottes erlebten. All diesen Geschichten ist gemeinsam: Da hat ein Tun einen tiefen Eindruck hinterlassen, das Innerste berührt. Und hat Fragen geweckt: Könnte das nicht auch mein Weg sein? Sollte das nicht auch mein Weg sein? Zeuge kann nur sein, wer von etwas betroffen ist, wen das, was er sieht und hört, wirklich erreicht. Im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums ist von Nathanael die Rede. Von ferne sieht er zu Jesus und seinen Jüngern hin. Aber damit hört es nicht auf. Er wird gesehen und angesprochen, er wird als Zeuge beansprucht: Komm und sieh! Wir wissen wenig über ihn – nur noch einmal kommt sein Name im Johannes-Evangelium vor – aber: Er hat sich als Zeuge in Anspruch nehmen lassen. Menschen, die sich Jesus Christus zugehörig wissen. Ja, Christ-sein zeigt sich darin, etwas zu bezeugen. Genauer: einen zu bezeugen: Jesus Christus. Dies gilt für jede Christin, für jeden Christen. Auch dieser Gottesdienst ist nichts anderes. Wir versichern uns gegenseitig: Gottes Wort ist wichtig für unser Leben, wir suchen es, wir brauchen es, es stellt Fragen an uns, schärft unser Gewissen, gibt uns Halt, Kraft und Orientierung. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein“: Ja, darum geht es: bezeugen, wofür Jesus Christus mit seinem ganzen Leben und Wirken steht, mit seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung: Die Liebe ist stärker als der Tod. Stärker als die Kräfte, die Menschen beeindrucken, Angst machen, faszinieren. Diese Kräfte helfen nicht zum Leben. Keine Macht der weiten Welt bringt Leben hervor, wenn sie sich nicht mit der Liebe verbindet, wie es der Apostel Paulus in seinem Lied (in 1. Korinther 13, 1.2) auf die Liebe bezeugt: Noch einmal: Christ-sein heißt Zeuge, Zeugin sein. Als Christen bringen wir keine Opfer in Tempeln, weder Lebewesen, noch Früchte. Auch das Geld, das wir spenden, ist kein Opfer, um eine zornige Gottheit zu versöhnen. Sondern Ausdruck des Dankes für die Erfahrung, dass wir jeden Morgen neu aufstehen und leben dürfen. Und Ausdruck des Dankes für Gottes Wort, für Gottes Liebe, die allen Menschen gilt. Als evangelische Christen, als Protestanten kennen wir keine vorgeschriebenen Riten, keine Waschungen, keine Wallfahrten, die uns auferlegt wären. Auch Jesus hat seinen Jüngern keine Anweisungen gegeben, wie sie sich im Einzelnen verhalten sollen. Und was sind unsere Sakramente Taufe und Abendmahl? Es sind Zeichen, durch die wir uns gegenseitig wahrnehmen als Zeuginnen und Zeugen, als Wenn ich mit Menschen - und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Ja, es ist so, wie es der Apostel schreibt: Glaube, Hoffnung und Liebe bleiben. Und die Liebe ist die höchste unter ihnen. Daraus erwächst von Anfang an diakonisches Tun. Anfangs in der Versorgung von Witwen, die auf Unterstützung angewiesen waren. Diakonie entwickelt sich in verschiedenen Feldern, in unterschiedlichen Formen und Strukturen, findet Gestalt in Lebensformen, wie wir sie aus unseren Mutterhäusern kennen: Diakonissen, die ihr ganzes Leben unter Verzicht auf Einkommen und Familie der Diakonie widmen, in anderen Formen diakonischer Gemeinschaft, Diakonische Schwestern – und: heute besonders im Blick: auch Diakonische Brüder. Wir wissen nicht erst heute: Formen sind dem Wandel unterworfen. Wir dürfen mit dem gleichen Nachdruck würdigen, was unsere Diakonissen, unsere Diakonischen Schwestern und Brüder in der Vergangenheit bewirkt haben, wie wir alles zu fördern suchen, was heute und in Zukunft dazu beiträgt, den diakonischem Auftrag zu erfüllen: engagierte, fachlich qualifizierte berufliche Mitarbeit im Dienst am Nächsten und ehrenamtlicher Einsatz in Verbindlichkeit. „Ihr werdet meine Zeugen sein“, sagt Jesus uns zu. Ja, das können und sollen wir: Zeugen der Liebe Gottes sein, die in Jesus Christus erschienen ist. Mit all unseren Stärken und Schwächen. Unsere Liebe wird nie vollkommen sein, unser Tun und Lassen werden stets Stückwerk bleiben. Angewiesen darauf, dass Gott unsere Fehler zum Guten wendet, und durch andere weiterführt, wo unser Werk endet. In seinen Dienst berufen, sind und bleiben wir Zweifelnde und Glaubende, Hörende und Redende, Sünder und Gerechte, einmal Schwache und ein anderes Mal Starke. Wir sind aus krummem Holz geschnitzt und zum aufrechten Gang berufen. Die Kraft des Geistes Gottes, seines Heiligen Geistes will eingehen in irdene, in menschliche Gefäße. Gottes Geist sucht unsere Herzen und unseren Verstand zu bewegen, will uns mit Empathie, Tatkraft, Mut und Vertrauen erfüllen. Öffnen wir uns dafür, wie es viele vor uns getan haben. Ja, es ist schon recht so, dass wir unser Jubiläum heute feiern, an Christi Himmelfahrt. Denn es gilt uns allen, den Älteren, Jubilarinnen und Jubilaren wie den Jüngeren, was Christus zusagt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, und werdet meine Zeugen sein.“. Amen. Dr. Günter Geisthardt, Diakonissen Speyer-Mannheim