ADVOCA-INFO II / 2010 Inhalt: • • • • • Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Warnung an Ärzte und Apotheker - es drohen Strafverfahren Öltankreinigung als Betriebskosten umlegbar Kündigungsgrund: Schlechte Deutschkenntnisse Konkludente Abnahme ist auch bei wesentlichen Mängeln möglich Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Bau- und Architektenrecht Alexander Krafft) Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Mitte März 2010 darf eine Gemeinde bei der Besetzung der Stelle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeiten in Projekt- und Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stellen mit einem Mann gefährdet wäre. Ein solcher Fall liegt nach Auffassung des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes dann vor, wenn sich die Angebote an Frauen in Problemlagen richten, in denen die Betroffenen typischerweise zu einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten leichter Kontakt aufnehmen können und sich ihr besser offenbaren können oder ausreichende Lösungskompetenzen nur einer Frau zutrauen. Im vom Gericht zu entscheidenden Fall war es so, dass die Beklagte in ihrer Stellenanzeige eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte gesucht hat, wobei Schwerpunkte der Tätigkeit unter anderem in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen und deren Beratung lag. Die Gleichstellungsbeauftragte sollte Maßnahmen zu frauen- und mädchenspezifischen Themen initiieren, mit allen relevanten Organisationen zusammen arbeiten und Opfer von Frauendiskriminierung unterstützen. Es waren bestimmte Vorbeschäftigungen und Ausbildungen gefordert. Hiergegen richtete sich der Kläger, der zuvor über zwei Jahre im Rahmen einer Betriebsratstätigkeit als stellvertretender Gleichstellungsbeauftragter tätig war. Er hatte sich nämlich auf die Stelle beworben und wurde mit Hinweis darauf abgelehnt, dass die Stelle mit einer Frau zu besetzen sei und er im Übrigen die Anforderungen der Stellenanzeige nicht erfülle. Die vom Kläger geforderte Entschädigungszahlung sprach ihm das Bundesarbeitsgericht nicht zu. Es war nämlich der Auffassung, dass das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin wegen der konkreten Ausgestaltung der Stelle eine wesentliche und entscheidende Anforderung für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung darstelle. Trotz dieser Entscheidung ist es geboten, bei der Fassung von Stellenanzeigen erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Das allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) hat „Zähne“. Die im Rahmen des AGG möglichen Strafzahlungen können ganz erhebliche Höhe erreichen. Warnung an Ärzte und Apotheker - es drohen Strafverfahren (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Joachim Hofmann) Zum ersten Mal hat ein Oberlandesgericht entschieden, dass sich Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen nach Korruptionsvorschriften strafbar machen können. Bisher hatte noch kein Oberlandesgericht eine solche Entscheidung getroffen. Es ist bekannt, dass niedergelassene Ärzte systematisch von allen möglichen Unternehmen der Gesundheitsbranche umworben werden, weil diese Unternehmen von ihren Verschreibungen abhängig sind. Sowohl diese Unternehmen aus der Gesundheitsbranche als auch Ärzte können sich zukünftig bei Zuwendungen strafbar machen. Im konkret vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall hatte die Staatsanwaltschaft einen Arzt wegen Vorteilsannahme gemäß § 299 Abs. 2 StGB angeklagt, weil er sich von einem Apotheker den Umbau seiner Praxis und später Mietkostenvorschüsse in Höhe von 2.000,00 EUR pro Monat zahlen ließ. Der Vorwurf lautet, im Gegenzug den Apotheker bei der Verschreibung von Arzneimitteln bevorzugt zu haben. Im Ergebnis hat zwar das OLG Braunschweig den Tatverdacht nicht als hinreichend angesehen, weil es den Nachweis nicht als gegeben ansah, dass der Arzt tatsächlich auf Patienten eingewirkt hat, Medikamente gerade bei diesem Apotheker zu kaufen. Es hat allerdings den Arzt sehr wohl als Beauftragten der Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB angesehen. Nach der Entscheidung des OLG Braunschweig ist damit zu rechnen, dass Staatsanwälte häufiger in solchen oder ähnlich gelagerten Fällen Anklage erheben werden, um eine Musterentscheidung des BGH herbeizuführen. Für das OLG Braunschweig war die Erwägung maßgeblich, dass Kassenärzte eine "Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung" sind. Wörtlich heißt es in der Entscheidung: "Der Kassenvertragsarzt ist also aufgrund der ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgabe berechtigt und verpflichtet, für den Betrieb - hier die Krankenkasse - zu handeln. Durch die Art und Menge der durch ihn verordneten Medikamente nimmt er damit erheblich auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss. Er ist verantwortlich und maßgebend dafür, ob zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker ein Vertrag über den Kauf von Medikamenten zustande kommt. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs handelt er insoweit als Vertreter der Krankenkasse und nimmt insoweit deren Vermögensinteressen wahr." In den Fällen, in denen sich ein Zusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Gegenleistung nachweisen lässt, wäre eine Strafbarkeit nach § 299 StGB gegeben. Öltankreinigung als Betriebskosten umlegbar (Rechtsanwältin und Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht) Bei der Umlage von Betriebskosten in der jährlichen Abrechnung kommt es immer wieder zu Streit zwischen Vermieter und Mieter unter anderem darüber, ob und in welcher Weise einzelne Positionen umlagefähig sind. Nach der Definition sind Betriebskosten laufend entstehende Kosten und als solche bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung auf den Mieter umlegbar. Hierbei können auf den Wohnraummieter lediglich die Betriebskosten im Sinne der Betriebskostenverordnung umgelegt werden, während der Vermieter bei der Geschäftsraummiete einen wesentlich größeren Spielraum hat. Für die Wohnraummiete hat der Bundesgerichtshof aktuell entschieden, dass Kosten für die Reinigung des Öltanks einer Heizungsanlage als Betriebskosten umlagefähig sind, auch wenn diese nicht jährlich, sondern in größeren zeitlichen Abständen, jedoch wiederkehrend, entstehen. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass im Mietvertrag die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage als auf den Mieter umlegbar vereinbart wurden. Hierunter fallen dann auch die Kosten der Öltankreinigung und können grundsätzlich in dem Abrechnungszeitraum umgelegt werden, in welchem sie tatsächlich anfallen. Eine weiteres klarstellendes Urteil fällte der Bundesgerichtshof auch zu der Betriebskostenposition „Sach- und Haftpflichtversicherung“ und entschied großzügig, dass diese auch als einheitliche Kostenposition „Versicherung“ in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesen sein darf, ohne dass Einzelbeträge für die jeweilige Versicherungsart angegeben werden müssen. Kündigungsgrund: Schlechte Deutschkenntnisse (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Joachim Hofmann) Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2010 Az. 2 AZR 764/08 - können unzureichende Deutschkenntnisse eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen. Verlangt der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern Kenntnisse der deutschen Sprache, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist, so stellt dies keine verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft nach § 3 Abs. 2 AGG dar. Nach Auffassung des BAG verfolgt der Arbeitgeber ein legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er, z. B. aus Gründen der Qualitätssicherung, schriftliche Arbeitsanweisungen einführt. In dem vom BAG entschiedenen Fall war der Kläger seit 1978 als Produktionshelfer in einem Unternehmen aus der Automobilzuliefererindustrie beschäftigt. Er war im nichtdeutschsprachigen Ausland geboren und dort zur Schule gegangen. In einer von ihm unterzeichneten Stellenbeschreibung zählte zu den an ihn gestellten Anforderungen die Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Im Jahr 2003 nahm er auf Kosten seines Arbeitgebers während der Arbeitszeit an einem Deutschkurs teil. Ihm vom Arbeitgeber empfohlene Folgekurse lehnte er ab. Bei mehreren internen Audits der qualitätszertifizierten Arbeitgeberin wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in der Lage war, Arbeits- und Prüfanweisungen zu lesen. Im September 2005 forderte ihn die Arbeitgeberin auf, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu ergreifen. Im Februar 2006 erfolgte eine weitere Aufforderung mit dem Hinweis, er müsse mit einer Kündigung rechnen, wenn er die Kenntnisse nicht nachweisen könne. Bei einem Audit im April 2007 wurde festgestellt, dass der Kläger weiterhin nicht in der Lage war, die Arbeitsanweisungen zu lesen. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31.12.2007. Das BAG hat die Klage, im Gegensatz zur Vorinstanz, abgewiesen. Seiner Ansicht nach liegt kein Verstoß gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft vor. Der Arbeitgeber hatte das Recht, vom Kläger ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache zu verlagen. Er hatte ihm außerdem ausreichend Gelegenheit gegeben, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Konkludente Abnahme ist auch bei wesentlichen Mängeln möglich (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Bau- und Architektenrecht Alexander Krafft) Nach einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg von Anfang April dieses Jahres ist selbst dann, wenn wesentliche Mängel am Gewerk vorliegen, dieses beispielsweise noch gar nicht vollständig erbracht wurde, gleichwohl eine konkludente Abnahme in Form der vorbehaltlosen Bezahlung der Schlussrechnung denkbar. Die Parteien stritten über die Frage, ob und wann die Abnahme von Dachdeckarbeiten erfolgt ist. Der Bauherr führte dabei aus, dass die Arbeiten überhaupt nicht vollständig abgeschlossen seien, bzw. wesentliche Leistungsdefizite bzw. Mängel vorliegen würden. Trotzdem aber zahlte er die vom Werkunternehmer vorgelegte Schlussrechnung. Das LG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass allein maßgebend sei, dass aus dieser Zahlung des Bauherren auf eine Billigung der Werkleistung des Bauunternehmers als im Wesentlichen vertragsgemäß geschlossen werden darf. Mit anderen Worten: der Unternehmer durfte annehmen, dass der Bauherr mit seiner Leistung zufrieden ist, da dieser ansonsten nicht bezahlt hätte. Dass er seinerseits der Auffassung ist, dass er seine Werkleistung ordnungsgemäß und vollständig erbracht hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass er seine Schlussrechnung übersendet hat. Diese hätte der Bauherr prüfen können und im Rahmen dieser Prüfung erklären müssen, dass Mängel bzw. offene Restarbeiten vorhanden sind. Kommen derartige weitere Umstände aber nicht hinzu, so darf aus der Zahlung ohne Weiteres auf die Abnahme geschlossen werden. Im konkreten Falle hatte dies insbesondere deswegen verheerende Konsequenzen, weil, wenn man das Datum der Schlusszahlung zugrunde legt, bereits die Verjährung der Mängelbeseitigungsansprüche eingetreten war. Bauherren sollten also stets genau prüfen, ob abgerechnete Schlussrechnungen ordnungsgemäß sind und den tatsächlichen Leistungsstand wiederspiegeln und ob das Gewerk tatsächlich insgesamt erbracht wurde.