Mediensysteme - Medienorganisationen (S. 181-182) 1 Medien als Systeme und Organisationen Medien erfüllen Leistungen in einem Umfeld, das von ökonomischen, politischen und rechtlichen Gesichtspunkten geprägt ist. In erster Linie sind es spezifische Gesetze, normative Vorstellungen, die Handlungen von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren sowie der Wettbewerb und das Zusammenspiel von Interessen im Medienmarkt, welche auf die Medien einwirken. Konkrete Medienleistungen und bestimmte Programmqualitäten sind deshalb in hohem Masse davon abhängig, welche rechtlichen Vorgaben an die Medien gemacht werden, welche Formen von Medienorganisationen ermöglicht werden, welche ökonomischen Möglichkeiten bestehen und an welchen kulturellen Regeln sich Medien orientieren. Wie unterschiedlich die Beziehung zwischen Medien und ihrem Umfeld sein kann, ist am Beispiel der Einführung des Radios zu erkennen. In den 1920er-Jahren wurde in Grossbritannien ein im Dienst der Öffentlichkeit („Public Service") stehendes Radio etabliert. Damit es frei von wirtschaftlichen und politischen Ein.üssen seinen Programmauftrag erfüllen konnte, erhielt ein Non-Profit-Unternehmen, die BBC, die Sendelizenz mit der Au.age, sich über Gebühren zu .- nanzieren. Zudem durften in der Aufsichtsbehörde keine Politiker Einsitz nehmen; vielmehr wurde die Öffentlichkeit in Beratungsgremien eingebunden. Im selben Zeitraum führte auch die USA den Rundfunk ein, definierte diesen aber als private Angelegenheit, die Wettbewerb und freiem Markt überlassen wurde und das Recht auf freie Meinungsäusserung garantieren sollte. Es wurde eine Finanzierung über Werbung und Sponsoring angestrebt und die Regulierung des Radios beschränkte sich auf die Kontrolle von Monopolen. Ein drittes Modell der gesellschaftlichen Institutionalisierung von Rundfunk stellt das in den 1970er-Jahren in Schweden eingeführte Privatradio dar. Lizenzen wurden lediglich an Non-ProfitOrganisationen (wie Kirchen oder studentische und politische Organisationen) für lokale Radiosender vergeben. Die Finanzierung musste über Spenden des Publikums oder Trägerorganisationen erfolgen. Die theoretischen Grundlagen und Perspektiven der Forschung, die den Systemcharakter und die Organisiertheit der Medien untersucht, sind Gegenstand dieses Kapitels. Zuerst werden aus der MakroPerspektive Möglichkeiten, Medien als Systeme aufzufassen, und anschliessend aus der MesoPerspektive konkrete Organisationsformen und ihre Konsequenzen für Medienleistungen präsentiert. Saxer definiert das Zusammenspiel von Akteuren und Interessen im Medienbereich als ein „gegenseitiges Problemschaffen und -lösen" (Saxer 2002: 3). Um Voraussetzungen und Folgen dieser gegenseitigen Abhängigkeit erfassen und analysieren zu können, geht die publizistikwissenschaftliche Forschung – wie im obigen Beispiel der Radio-Institutionalisierung – häufig vergleichend vor. In den nachfolgenden Abschnitten werden deshalb auch methodische Prinzipien und Beispiele solcher Vergleiche beschrieben. 2 Mediensysteme: Verständnis, Definitionen, Typologien 2.1 Medien und Systeme Medien besitzen eine Doppelnatur. Sie sind zum einen technische Kommunikationskanäle. Zum anderen besitzen sie ein soziales Potential. Saxer weist mit seiner De.nition von Medien auf diesen Umstand hin: „Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen" (1998: 54). Dabei unterscheidet er nebst der oben erwähnten technischen Eigenschaft verschiedene Merkmale von Medien: