Die Geschichte der gaiwo In den 1950er-Jahren herrschte in Winterthur Wohnungsnot. Auf der Suche nach einer Anstellung und einer besseren Zukunft für ihre Familien strömten Arbeiter in die aufstrebende Industriestadt. Eine geeignete Wohnung zu finden, war für die meisten schwierig. Es mangelte vor allem an kleineren Wohnungen mit einem bis zwei Zimmern. Aus diesem Grund blieben viele ältere Alleinstehende und Ehepaare in den grossen Wohnungen, die eigentlich für Familien gebaut worden waren. Zudem war es für ältere Personen und Menschen mit einer Behinderung sehr schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Eine Gruppe engagierter Winterthurer Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik nahm sich dieser Problematik an. Ihre Vision: zusammen mit der Stadt Winterthur eine Genossenschaft zu gründen und älteren Personen erschwinglichen Wohnraum in Wohnliegenschaften in den Quartieren zur Verfügung zu stellen. Am 24. Oktober 1954 unterstützte das Winterthurer Stimmvolk das Vorhaben mit grosser Mehrheit. Die Gründung der Genossenschaft Am 6. Februar 1956 fand die konstituierende Sitzung der Genossenschaft für Alterswohnungen in Winterthur statt. Der Zweck der Genossenschaft: günstige Kleinwohnungen für ältere Personen mit niedrigem Einkommen zu erstellen und dabei keinen Gewinn zu erwirtschaften. Ausgegeben wurden unverzinsliche Anteilscheine zu 5000 Franken, die gemäss Statuten als „finanzielle Opfer zugunsten der Genossenschaft“ galten. Verantwortlich für die Verwaltung der Genossenschaft waren fünf ehrenamtlich arbeitende Personen, von denen zwei durch den Winterthurer Stadtrat bestimmt wurden. Die anderen drei wurden durch die Mitgliederversammlung gewählt. Die Beteiligung anlässlich der Gründungsversammlung im Überblick: – Stadtgemeinde Winterthur CHF 60'000.– – Gebrüder Sulzer AG CHF 25'000.– – J.J. Rieter AG CHF 15'000.– – Lokomotivfabrik Winterthur CHF 5'000.– – Heimstättengenossenschaft CHF 5'000.– – Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Fr. 5'000.– – Winterthur Versicherungen CHF 5'000.– Total CHF 120'000.– Die ersten Jahre Als Erstes wurde ein Bauprojekt mit 24 Wohnungen im Mattenbachquartier entwickelt. Die finanziellen Vorgaben liessen den Verantwortlichen wenig Spielraum. Wie bei heutigen Bauten wurde da und dort nach Einsparungsmöglichkeiten gesucht. So überlegte man sich, auf die Installation von Warmwasserboilern oder auf den Einbau einer Ölzentralheizung zu verzichten. Für jede Wohnung waren lediglich eine 4,4 Quadratmeter grosse Kleinküche sowie ein einziges Bad für alle Mieterinnen und Mieter im Kellergeschoss vorgesehen. Vernünftigerweise wurden die Küchen dann sechs Quadratmeter gross und jede einzelne Wohnung bekam ein eigenes Badezimmer und Warmwasser. Auch eine zentrale Heizungsanlage wurde eingebaut. Am 26. Juni 1956 wählte die Verwaltung aus 96 Anmeldungen 24 Mieterinnen und Mieter aus. Personen mit hohem Einkommen wurden nicht berücksichtigt, genauso wenig wie Bewohnerinnen und Bewohner, die gesundheitlich stark angeschlagen waren. Die hohe Zahl von Anmeldungen führte dazu, dass umgehend mit der Planung des zweiten Bauvorhabens begonnen wurde. Auf einer von der Stadt zur Verfügung gestellten Parzelle beim Schloss Wülflingen wurde ein fast identisches Gebäude wie im Mattenbach erstellt. Bereits im Jahre 1959 fasste man zwei weitere Projekte ins Auge – den Bau von 40 Wohnungen erneut im Mattenbach sowie 36 Wohnungen im Rosenbergquartier. Aufgrund der Erfahrungen der ersten Jahre wurden mehrheitlich Einzimmerwohnungen erstellt. Die damalige Regelung besagte, dass einer einzelnen Person nicht mehr als ein Zimmer und Ehepaaren nicht mehr als zwei Zimmer zur Verfügung gestellt werden sollten. Weitere Bauetappen folgten im Jahre 1968: 61 Wohnungen in Töss und 53 Wohnungen im Grüzefeld. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Genossenschaft bereits acht Siedlungen mit insgesamt über 360 Wohnungen. Zum eigentlichen Wahrzeichen wurde das Hochhaus am Strahleggweg, ein elfstöckiger Elementbau, der in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG), der Heimstätten-Genossenschaft Winterthur (HGW) und der WohnbauGenossenschaft Waldheim (Waldheim) erstellt wurde. Die Mieterschaft wurde nach strengen Kriterien ausgewählt: Personen, die mit ihrem Umzug eine grössere Wohnung für eine Familie frei machten, wurden bevorzugt. Die Neuausrichtung der Genossenschaft in den 70er-Jahren Die Tatsache, dass Menschen mit einer Behinderung grösste Mühe bekundeten, auf dem freien Wohnungsmarkt eine geeignete Wohnung zu finden, veranlasste die Verantwortlichen dazu, die Genossenschaft neu auszurichten: Die Wohnungen sollten künftig auch an Menschen mit einer Behinderung vermietet werden. Der Genossenschaftsname wurde 1972 entsprechend geändert in „Genossenschaft für Alters- und Invalidenwohnungen in Winterthur“ bei neuen Bauvorhaben wurde ein grosses Augenmerk auf behindertengerechte Bauweise gelegt. So wurden beispielsweise die beiden viergeschossigen Neubauten an der Schlosstalstrasse und der Büelhofstrasse mit Liften ausgestattet, was damals für Wohnbauten dieser Grösse unüblich war. Die Nachfrage nach Alters- und Invalidenwohnungen, vor allem nach Einzimmerwohnungen, war anhaltend hoch. Mit verschiedenen Neubauten wurde der Nachfrage entsprochen. In Seen, Töss, Rosenberg, Oberwinterthur und Wülflingen wurden insgesamt 344 behindertengerechte Wohnungen gebaut; die Stadt stellte in mehreren Fällen das Land im Baurecht zur Verfügung. Finanziert wurden die Bauten damals nach folgendem Prinzip: Die Stadt zeichnete Anteilscheine in der gleichen Höhe wie die übrigen Genossenschafter. Angebote und Dienstleistungen immer wieder angepasst Die gaiwo ging mit der Zeit und passte ihr Angebot immer wieder von Neuem an die sich verändernden Bedürfnisse ihrer Mieterschaft an. So gelangten die Verantwortlichen zur Einsicht, dass neben der eigentlichen Wohnung auch andere Faktoren zur Attraktivität einer Alters- und Invalidensiedlung beitragen – so zum Beispiel das Gefühl von Sicherheit oder Beschäftigungsmöglichkeiten. Neubauten wurden folglich mit Gemeinschaftsräumen ausgestattet. Damit wollte man den Zusammenhalt in der Gemeinschaft stärken und einer Anonymisierung und Vereinsamung entgegenwirken. Bewohnerräte mit einem bestimmten Mitspracherecht wurden gebildet. Auch wurden Helferinnen für Bastelnachmittage, Singstunden etc. engagiert, um den Bewohnerinnen und Bewohnern Beschäftigungsmöglichkeiten und da und dort auch etwas mehr Lebensinhalt zu bieten. Um das Sicherheitsgefühl zu verbessern, wurden Betreuerinnen eingestellt, die regelmässig nach den Bewohnerinnen und Bewohnern schauten und verhindern halfen, dass jemand an Unterversorgung litt oder gar verwahrloste. Mit dieser Massnahme sollte auch einer möglichen Gettoisierung der Alterssiedlungen entgegengewirkt werden. Anfang der 80er-Jahre wurden immer mehr grössere, nicht von der öffentlichen Hand subventionierte Wohnungen gebaut. Die Tatsache, dass vermehrt auch ältere Personen über beträchtliche finanzielle Mittel verfügten, bewog die gaiwo dazu, neben subventionierten Ein- und Zweizimmerwohnungen auch nicht subventionierte Wohnungen zu bauen. Dies hatte positive Auswirkungen auf die Durchmischung der Mieterschaft. Die 90er-Jahre Dank einer grosszügigen Schenkung von Elisa Weidmann wurden im Tägelmoos in Seen 50 Alters-/IV-Wohnungen gebaut, eine Pflegewohnung sowie ein Spitex-Zentrum eingerichtet und damit ein eigentliches Alterszentrum erstellt. Daneben konzentrierte sich die gaiwo vor allem auf die Sanierung der ersten Bauten. Zahlreiche Einzimmerwohnungen wurden zusammengelegt und zu Zweieinhalbzimmerwohnungen umgebaut. Zur gleichen Zeit wurden die Liegenschaften an der Endlikerstrasse und am Talhofweg saniert und zahlreiche Mehrzimmerwohnungen erstellt. Um die Umgebungspflege zu verbessern und den Erhalt der Liegenschaften zu gewährleisten, wurden Quartierwarte eingestellt. Auch die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner sollte verbessert werden. Deshalb wurde in jedem Quartier eine Siedlungsbetreuerin angestellt, die für die Vermietung der Wohnungen sowie für den Kontakt zu den Mieterinnen und Mietern zuständig ist. Auf ins neue Jahrtausend Die gaiwo ging mit der Zeit und wollte den gestiegenen Komfortbedürfnissen der Mieterschaft Rechnung tragen. So wurden bei Umbauten jeweils zwei Einzimmer- zu einer Zweizimmerwohnungen zusammengelegt. In der Folge ging die Zahl der Wohnungen von über 600 auf 450 zurück. Ferner wurden Um- und Neubauten nach den Standards des behindertengerechten Bauens realisiert. Ende 2003 zeigte eine Befragung der Mieterinnen und Mieter, dass das Interesse nach Autonomie und Bewegungsmöglichkeiten gestiegen war, gleichzeitig aber auch das Bedürfnis nach Sicherheit und Einbindung in die Gemeinschaft. Ausbau und Professionalisierung der Betreuung 2006 wurdedie Professionalisierung der Betreuungspersonen weiter vorangetrieben.. Es wurden Aus- und Weiterbildungsstandards etabliert. Den Mieterinnen und Mietern stehen spezialisierte und gut ausgebildete Siedlungsleiterinnen zur Seite. Ein 24-Stunden-Notruf stellt sicher, dass Hilfeleistungen im Bedarfsfall rund um die Uhr geleistet werden. Für Kleinreparaturen in den Wohnungen steht ein Reparaturservice zur Verfügung. Mit diesem umfassenden Angebot können Heimeintritte hinausgezögert oder ganz verhindert werden. Die gaiwo zählt heute 95 Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Unter ihnen die Stadt Winterthur, die Johann-Jacob-Rieter-Stiftung, die Hülfsgesellschaft, die Kirchgemeinden, die Pro Senectute, die Sulzer AG sowie weitere namhafte Firmen und Einzelpersonen aus Winterthur. Sie ist gut verankert in der Stadt Winterthur und nimmt bei der Betreuung von alten Menschen und Menschen mit einer Behinderung eine wichtige Aufgabe war. Es ist für die Verantwortlichen der gaiwo klar, dass die Wohnbaugenossenschaft auch in Zukunft ihre Dienstleistungen und Angebote immer wieder überprüfen und wenn nötig auf die neuen Gegebenheiten anpassen und ausrichten wird. Klar ist ebenso, dass die gaiwo auch in Zukunft vielen Menschen, ein sicheres und gutes Zuhause bieten will.