DIE TÄGLICHE MEDIZIN

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MEINE SPRECHSTUNDE
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DIE TÄGLICHE
MEDIZIN
Heute: Neue OP bei
engem Wirbelkanal
Prof. Dr. Christian Stief
Prof. Dr. Jörg-Christian Tonn
ist seit 2001 Direktor der
Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie der Ludwig-Maximilians-Universität in
Großhadern. Er ist unter
anderem Spezialist für Neuroonkologie, das heißt für
Tumore des Nervensystems.
Hier forscht Tonn an neuen
Therapien insbesondere für
bösartige Hirntumore.
Als Chefarzt im Münchner Klinikum
Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig
medizinische Aufklärung ist. Meine Kollegen
und ich möchten daher jeden Montag den
Merkur-Lesern ein Thema vorstellen, das für
ihre Gesundheit von Bedeutung ist.
Der Autor des heutigen Artikels ist
Prof. Dr. Jörg-Christian Tonn. Er erklärt, wie man
eine Verengung des Wirbelkanals erkennt und wie
man diese behandeln kann.
Keil zwischen Wirbel
Leserfragen an Prof. Jörg-Christian Tonn:
www.merkur-online.de/sprechstunde
Eine gebeugte Haltung kann die Schmerzen bei verengtem Wirbelkanal lindern.
FOTO: SWR
Wenn es den Nerven zu eng wird
Schon nach hundert
Metern Wegstrecke
schmerzt der Rücken:
Besonders ältere Menschen leiden oft unter
Beschwerden beim Stehen und Gehen. Ursache
ist oft eine Verengung
des Wirbelkanals, die Spinalkanalstenose.
VON JÖRG-CHRISTIAN TONN
„Er ist vom Alter gebeugt“,
sagt man, wenn ältere Menschen beim Laufen ihren Rücken nach vorne krümmen.
Doch ist diese Haltung oft ein
Versuch Rückenschmerzen
zu lindern, die durch eine
Veränderung der Wirbelsäule
entstehen. Denn mit zunehmendem Alter verengt sich
bei vielen Menschen der Wirbelkanal. In ihm liegen das
Rückenmark sowie empfindliche Nervenwurzeln. Stehen
sie unter Druck, kann es zu
starken Beschwerden kommen.
Was ist
der Spinalkanal?
Die Wirbelsäule besteht
aus sieben Hals-, zwölf Brustund sechs Lendenwirbelkörpern. Wirbelgelenke verbinden sie und ermöglichen ihre
große Beweglichkeit. Der
Spinalkanal liegt in der Wirbelsäule hinter den Wirbelkörpern. Durch die Wirbelbögen ist er von der umgebenden Muskulatur abgegrenzt.
Vom oberen Ende der Halswirbelsäule bis etwa in Höhe
des ersten Lendenwirbelkörpers liegt im Spinalkanal das
Rückenmark. Im unteren Teil
der
Lendenwirbelsäule
nimmt der Spinalkanal die
Nervenwurzeln, die zu den
Beinen und den Organen im
Unterbauch ziehen, auf. Rückenmark findet sich hier
nicht mehr. Die knöchernen
Bögen, die den Spinalkanal
nach
hinten
begrenzen,
schützen das Rückenmark
mechanisch.
Warum wird der
Spinalkanal enger?
Im Alter kommt es zu Abnutzungen
(degenerativen
Veränderungen). Der Durchmesser der Knochenbögen
wird dadurch größer. Der
Knochen bildet oft Auswüchse an den Wirbelgelenken.
Zudem verdicken sich die
Bänder. Manchmal kommt
noch hinzu, dass sich abgenutzte Bandscheiben vorwölben. All dies bewirkt, dass der
Spinalkanal von allen Richtungen aus eingeengt wird.
Starke derartige Veränderungen treten am häufigsten an
der Lendenwirbelsäule auf.
Doch auch die Halswirbelsäule ist oft betroffen.
Verengt sich der Spinalkanal, führt dies dazu, dass an
der Halswirbelsäule Nervenwurzeln und Rückenmark gedrückt werden. Dieser Druck
führt nicht nur zu Schmerzen.
Es kommt auch zu fortschreitenden Funktionsstörungen.
Welche Beschwerden auftreten, hängt dabei davon ab, ob
die Verengung im Bereich der
Halswirbelsäule oder der
Lendenwirbelsäule auftritt.
Warum erkranken
mehr Menschen?
Immer mehr Deutsche werden 60 Jahre und älter. Da
sich der Wirbelkanal vor allem mit zunehmendem Alter
verengt, leiden immer mehr
Patienten unter einer Spinalkanalstenose. Doch lässt sich
die Erkrankung heute auch
besser erkennen. So gibt es
bildgebende Verfahren wie
die Computertomografie und
Kernspintomografie, die eine
Diagnose ermöglichen. Zudem kennt man das Krankheitsbild heute besser. Daher
denken viele Ärzte heute
auch eher daran, dass eine
Verengung des Wirbelkanals
hinter Rückenschmerzen stehen könnte.
Welche Beschwerden
sind typisch?
Je nachdem, an welcher
Stelle der Wirbelsäule der
Spinalkanal
verengt
ist,
kommt es zu unterschiedlichen Beschwerden: An der
Halswirbelsäule
(zervikale
Spinalkanalstenose) gerät das
Rückenmark unter Druck.
Die Betroffenen leiden häufig
unter Gangstörungen. Sie gehen unsicher. Es treten Lähmungen an den Beinen und
Armen auf. Oft lassen sich zunächst die Finger nicht mehr
so fein bewegen. Die Patienten haben Probleme beim
Schreiben, beim Schließen
von Knöpfen oder bei Handarbeiten. Schmerzen in den
Armen können hinzukommen. Dies ist aber nicht immer der Fall. Häufige Beschwerden sind allerdings
Gefühlsstörungen: Arme oder
Beine fühlen sich taub an
oder kribbeln, als würden
Ameisen darüber laufen.
Ist der Wirbelkanal der
Lendenwirbelsäule verengt
(lumbale Spinalkanalstenose), kommt es hingegen meist
zu Schmerzen. Diese treten in
Sind die Wirbelknochen
abgenutzt, die Bandscheiben verschlissen, dann
wird unsere Wirbelsäule
instabiler – vor allem wenn
auch die Bänder und Muskeln schwach sind. Im Extremfall gleiten dann benachbarte Wirbel ständig
übereinander. Die Patienten werden immer unbeweglicher. Eine Operation
kann helfen. Doch scheuen viele Patienten den großen Eingriff. Denn die
Versteifung des betroffenen
Wirbelsäulenabschnitts ist nicht ohne Risiko. Der empfindliche
Wirbelsäulenkanal,
in
dem wichtige Nerven liegen, muss geöffnet werden. Nach der OP kann es
zudem zu Verwachsungen
kommen.
der Regel bei Belastung auf.
Zunächst haben die Betroffenen Schmerzen, wenn sie längere Zeit stehen oder gehen.
Die Dauer, bis die Beschwerden auftreten, wird dann immer kürzer. Meist strahlt der
Schmerz vom Rücken in eines oder beide Beine aus.
Schreitet die Erkrankung fort,
fühlen sich die Beine oft
schwer an. Schließlich fühlen
sich die Patienten schon
schwach, wenn sie nur ein
paar Minuten lang gehen.
Wenn sie sich beim Laufen
oder Sitzen nach vorne beugen, bessern sich die Beschwerden deutlich. Legen
sich die Betroffenen hin, verschwinden die Schmerzen oft
fast völlig. Doch jede Form
der aufrechten Belastung, also Gehen oder Stehen, führt
zu erneuten Symptomen.
Ist die Erkrankung bereits
weit fortgeschritten, leiden
die Patienten zunehmend unter Problemen beim Wasserlassen und beim Stuhlgang.
Treten diese Beschwerden
auf, sollte man dringend einen Arzt aufsuchen. Unbehandelt können sowohl die
Einengung der Lendenwirbelsäule als auch der Halswirbelsäule zu bleibenden Lähmungen bis hin zur Bewegungsunfähigkeit führen.
Wie stellt man
die Diagnose?
Um die Diagnose stellen zu
können, muss der Facharzt
zuerst die Krankengeschichte
des Patienten kennen. Nach
einer eingehenden körperlichen und neurologischen Untersuchung sollte dann eine
Röntgenaufnahme gemacht
werden. Zunächst wird mit
Übersichtsaufnahmen
die
Knochenstruktur der Len-
denwirbelsäule abgebildet. So
kann der Facharzt andere Erkrankungen wie Knochentumore, eine krankhafte Entkalkung (Osteoporose) der
Wirbelsäule sowie andere
Veränderungen ausschließen.
Die knöchernen Veränderungen, die den Spinalkanal verengen, sind auf diesen Röntgenbildern in der Regel bereits erkennbar. Doch reichen
diese Aufnahmen für eine differenzierte Diagnose nicht
aus.
Um genau zu erkennen,
wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist, ist die sogenannte Schnittbilddiagnostik,
also eine computerunterstützte Röntgenuntersuchung, erforderlich. Dies kann mit Hilfe der Computertomografie
oder der Kernspintomografie
erfolgen. Fachärzte geben der
letzten heute immer mehr den
Vorzug. Denn mit dieser Methode lassen sich sowohl Veränderungen an den Knochen
als auch an den Weichteilen
erkennen. So macht das
Kernspinbild Veränderungen
an den Bandscheiben, Entzündungen sowie Tumore
sichtbar.
Was verursacht
ähnliche Symptome?
Rückenprobleme können
viele Ursachen haben. Um
klar zu sagen, dass es sich um
eine Spinalkanalstenose handelt, muss man andere Erkrankungen ausschließen, die
ähnliche Beschwerden hervorrufen. Dies sind zum Beispiel Erkrankungen der Hüfte
oder der krankhafte Knochenschwund (Osteoporose).
Auch ein Leistenbruch, ein
Bandscheibenvorfall
oder
Nervenerkrankungen
wie
zum Beispiel die sogenannte
Polyneuropathie
können
ähnliche Symptome hervorrufen. Eine Abgrenzung von
diesen Erkrankungen ist unbedingt nötig, um richtig behandeln zu können. Sie ist
nur möglich, indem man die
Untersuchungsergebnisse des
Facharztes, die Röntgenaufnahmen und die Beschwerden gemeinsam betrachtet
und daraus Schlüsse zieht.
Wie verläuft
die Behandlung?
Leidet der Patient nicht unter neurologischen Ausfällen,
also unter Beschwerden wie
Lähmungen, behandelt man
zunächst mit sogenannten
konservativen
Therapien.
Das heißt, der Patient muss
nicht operiert werden. Oft
lassen sich die Beschwerden
durch
Krankengymnastik
und Muskelaufbau nach einem medizinisch überwachten Programm lindern. Bessern sich die Schmerzen trotz
Behandlung nicht oder treten
neurologische Ausfälle auf,
kann eine Operation sinnvoll
sein. Infrage kommt ein sehr
schonender
mikrochirurgischer Eingriff: Dabei werden
mit kleinen Diamantfräsern
und Mikrostanzen unter dem
Mikroskop Knochen und
Bänder entfernt, die auf die
Nerven drücken. Ist der Operateur in dieser Methode geübt, ist das Risiko für den Patienten sehr gering. In der Regel kann der Patient ein bis
zwei Tage nach der OP wieder vorsichtig aufstehen.
Ziel dieser Operation, die
die Nerven entlastet, ist zu
verhindern, dass das Leiden
fortschreitet.
Greift
man
rechtzeitig ein, verbessert sich
durch den Eingriff die Bewegungsfähigkeit der Patienten.
Für die meisten Betroffenen
ist das wichtigste Ergebnis allerdings, dass sich die
Schmerzen verringern. Durch
eine Operation ist dies in der
Regel effektiv und nachhaltig
möglich. Besonders Schmerzen, die in Arme oder Beine
ausstrahlen, werden in der
Regel sehr rasch und deutlich
gelindert.
Welche Risiken
hat die Operation?
Die Risiken dieses Eingriffs
sind selbst für Menschen im
hohen Alter sehr gering. Allerdings muss man vor der
Operation abklären, ob der
Patient Erkrankungen hat,
die nach dem Eingriff zu Problemen führen können. Dazu
gehören vor allem Stoffwechselerkrankungen wie die Zuckerkrankheit,
Herzrhythmuserkrankungen sowie Störungen der Blutgerinnung.
Wann ist eine
Versteifung nötig?
Nur selten muss man einen
Teil der Wirbelsäule versteifen. Der Arzt muss dazu feststellen, ob tatsächlich ein sogenanntes Wirbelgleiten vorliegt. Durch diese Instabilität
der Wirbelsäule, bei der ein
Wirbelkörper über den nächst
tieferen hin und her wandert,
können Nerven des Spinalkanals eingeklemmt werden.
Dann kann es nötig sein, den
betroffenen Abschnitt der
Wirbelsäule durch ein System
aus Schrauben und einem
Stab zu versteifen. Gerade
Menschen in höherem Alter
haben allerdings häufig fixierte Fehlstellungen der Wirbelsäule, die keine Versteifungsoperation erfordern. Man
sollte daher kritisch entscheiden, ob ein solcher großer
Eingriff wirklich nötig ist. Er
sollte dann immer von einem
erfahrenen Operateur ausgeführt werden.
Wichtig ist
die frühe Diagnose
Verengt sich der Spinalkanal, geraten Rückenmark und Nerven unter Druck.
Die rechtzeitige Diagnose
und Behandlung der Spinalkanalstenose ist wichtig. Besonders ältere Patienten können so beweglich bleiben
oder ihre Beweglichkeit wiedererlangen. Wer Beschwerden hat, sollte daher frühzeitig einen Neurochirurgen
oder Orthopäden aufsuchen,
der Erfahrung mit Wirbelsäulenoperationen hat. Je früher
man die Stenose erkennt, desto besser lassen sich die Beschwerden mit konservativen
Methoden oder einer Operation in den Griff bekommen.
Eine neue schonende Methode aus den USA kann
Patienten jetzt ohne großes Risiko von ihren starken Beschwerden befreien. Sie kommt in Frage,
wenn die Bandscheiben
und die kleinen Wirbelgelenke des Patienten stark
verschlissen sind und die
Wirbelsäule zudem instabil ist. Hat der Patient
dann ständig Schmerzen
oder leidet unter neurologischen Ausfällen wie
Lähmungen, kann die sogenannte
Xlif-Methode
helfen. „Nur ein kleiner
Schnitt von vier Zentimetern ist dafür nötig“, sagt
der Münchner Orthopäde
Dr. Felix Söller. Er hat bereits sehr gute Erfolge mit
der neuen Technik erzielt.
Der Arzt versteift dabei
den betroffenen Abschnitt
mit einem KunststoffKorb, der wie ein Keil zwischen die Wirbel geschoben wird. Dafür wird zunächst ein Teil der Bandscheibe entfernt. Der Korb
wird mit Knochen- Material aufgefüllt. Schon am
ersten Tag nach der OP
kann der Patient in der Regel aufstehen. Er sollte
dann sofort mit täglicher
Krankengymnastik beginnen. Nach vier bis fünf Tagen kann er das Krankenhaus verlassen.
Dr. Felix Söller zeigt an einem Model den Wirbelkanal.
FOTO: TIMM
Tiefer Kreuzschmerz
Eine etwas andere Technik verspricht Hilfe, wenn
die letzten Wirbel am
Kreuzbein betroffen sind.
Die Patienten leiden dann
oft unter dem sogenannten
tiefen Kreuzschmerz. Die
Hüftknochen verhindern
dann den Eingriff von der
Seite. Doch kann auch
dieser Abschnitt mit einem
schonenden minimal-invasiven Eingriff stabilisiert
werden. Die Methode
heißt Axialif. Dabei werden über einen drei Zentimeter großen Schnitt neben dem Steißbein die nötigen OP-Instrumente eingeführt. Die Bandscheibe
wird entfernt, der entstehende Raum mit Knochenersatz aufgefüllt. Eine
Schraube stabilisiert dann
die Wirbel, die durch den
Eingriff
auseinandergedrückt werden. Der verengte Wirbelkanal wird erweitert. „Die Ergebnisse
sind im Vergleich zu den
großen Verfahren sogar
mehr als gleichwertig“,
sagt Söller.
sog
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