463_503neu.qxd 486 11.09.2006 11:29 Uhr Seite 486 WISSENSCHAFT · S PECIA L: BI O-I MAGI NG Fluoreszenzmikroskopie Von der Seite beleuchtet: Selective Plane Illumination Microscopy OLAF SELCHOW ZENTRALL ABOR FÜR MIKROSKOPIE UND BILDANALYSE SFB 495 UND INSTITUT FÜR ZELLBIOLOGIE UND IMMUNOLOGIE, UNIVERSITÄT STUTTGART Biologisches Gewebe streut sichtbares Licht sehr stark und erlaubt deshalb kein hoch auflösendes Abbilden von Strukturen mit klassischen fluoreszenzmikroskopischen Techniken. Damit bleibt vor allem die fluoreszenzmikroskopische Untersuchung entwicklungsbiologischer Prozesse an lebenden Organismen nach wie vor eine Herausforderung. „Selective Plane Illumination Microscopy“ (SPIM) eröffnet der Biologie bisher unerreichbare Möglichkeiten der Mikroskopie[1]. ó Die am Europäischen Institut für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg von E. Stelzer und seinen Mitarbeitern entwickelte Technik erlaubt das Aufnehmen optischer Schnitte mit hoher Eindringtiefe in lebende Proben und in physiologischer Umgebung. Fotobleichen und fototoxische Effekte werden durch die hocheffiziente und schnelle Bildaufnahme minimiert. Kurze Historie der bisherigen Verfahren Die lichtmikroskopische Beobachtung lebender Proben hat mit der Entwicklung neuer bildgebender Verfahren, und insbesondere durch den gentechnologischen Einsatz fluoreszierender Proteine wie GFP („Green Fluorescent Protein“), einen großen Aufschwung erfahren. So wurde es möglich, mit dem Lichtmikroskop bis auf die molekulare Ebene vorzudringen und intrazelluläre Vorgänge, intakte Zellen und ihre Bewegungen oder sogar Organe und ganze Organismen mit ihren Funktionsabläufen zu beobachten. Die konventionelle Fluoreszenzmikroskopie ist dabei grundsätzlich auf die Beobachtung sehr dünner Proben mit wenigen Mikrometern Dicke beschränkt. Die quantitative ˚ Abb. 1: Aufbau eines SPIM. Die Beleuchtung (Blau) ist senkrecht zur Detektionsachse (Grün). Das Laserlicht tritt aus einer Glasfaser aus und wird von einer zylindrischen Linse zu einem „Lichtblatt“ geformt das die Probenkammer durchschneidet. Die Probe ist in Agarose eingebettet und von oben aufgehängt. So kann sie in alle drei Raumrichtungen verschoben und zusätzlich um die Aufhängungsachse rotiert werden. Die Detektion wird analog zur Weitfeldmikroskopie realisiert.* Untersuchung von Prozessen in ganzen Organen und Organismen erfordert jedoch zwingend die Analyse dreidimensionaler Strukturen von bis zu mehreren Millimetern Größe. Optische Schnitte („Optical Sectioning“) ohne die Probe tatsächlich schneiden zu müssen, sind hierfür essenziell. Nur so kann verhindert werden, dass Fluoreszenz aus Probenregionen außerhalb der fokalen Ebene die Bildinformation überlagert. Das konfokale Laserscanning-Mikroskop (CLSM) erfüllt diese Forderung[2, 3]. Es ist jedoch in der Eindringtiefe auf ca. 100 μm begrenzt und seine Anwendung auf lebende Organismen ist durch eine hohe Lichtbelastung der Probe und geringe Bildraten eingeschränkt. Insbesondere für die Entwicklungsbiologie stellt die „Selective Plane Illumination Microscopy“ (SPIM) einen methodischen Durchbruch dar[1, 4]. Sie erlaubt es, lebende und opake (stark Licht streuende) Organismen wesentlich tiefer und gleichzeitig schonender zu mikroskopieren als die meisten anderen lichtmikroskopischen Methoden. Diese Vorteile werden besonders bei großen Proben, wie Fisch- oder Fliegen-Embryonen, die lebend über mehrere Tage hinweg beobachtet werden können, deutlich. Viele Vorteile von SPIM bietet auch die 2Photonen-Mikroskopie[5], die sich ebenso hervorragend für Anwendungen in der Entwicklungsbiologie und Neurobiologie eignet. In verschiedenen Studien wird zurzeit untersucht, welche der beiden Methoden in bestimmten Anwendungen bestmögliche Bilddaten erzeugt[6]. Die SPIM Technologie überzeugt besonders durch hervorragende Bilder mit gering vergrößernden Objektiven, also bei der Aufnahme sehr großer Objekte, sowie durch den wesentlich einfacheren und kostengünstigeren Aufbau. * „Abstracted with permission from [Huisken, J., Swoger, J., Del Bene, F., Wittbrodt, J., Stelzer, E. H. (2004): Optical sectioning deep inside live embryos by selective plane illumination microscopy. Science 305: 1007–1009]. Copyright [2004] AAAS.“ BIOspektrum | 05.06 | 12. Jahrgang 463_503neu.qxd 11.09.2006 11:29 Uhr Seite 487 487 Selective Plane Illumination Microscopy Mit einem SPIM wird die Probe von der Seite mit einem Lichtblatt nur in der Fokusebene beleuchtet. Das Lichtblatt wird durch eine zylindrische Optik erzeugt, die das Laserlicht nur in einer Richtung fokussiert (Abb. 1). In der in Agarose eingebetteten und in wässrigem Medium aufgehängten Probe wird deshalb nur in einer Ebene Fluoreszenz induziert. Die fluoreszierende Ebene wird durch eine senkrecht zur Anregung angeordnete Weitfeld-Fluoreszenzmikroskopie-Optik auf eine CCD-Kamera abgebildet. Um einen dreidimensionalen Datensatz aufzunehmen wird die Probe entlang der Detektionsachse schrittweise durch das Lichtblatt bewegt. Optische Schnitte werden so direkt und sehr effizient erzeugt, da keine Fluoreszenz außerhalb der Fokusebene angeregt wird. Fototoxische Effekte und das Ausbleichen der verwendeten Fluoreszenzfarbstoffe werden minimiert. Dadurch ist das Überleben der Proben auch über längere Experimentierzeiten hinweg BIOspektrum | 05.06 | 12. Jahrgang möglich. Mehrkanal-Fluoreszenzaufnahmen sind problemlos durchführbar. Auch die Auflösung kann in vielen Fällen erhöht werden. Mit der „Multi Angle View“Methode wird die Probe von unterschiedlichen Winkeln aufgenommen. Durch spezielle Bildverarbeitungs-Software wird aus den vielen Bildstapeln ein resultierender Datensatz berechnet, der sich durch nahezu isotrope räumliche Auflösung auszeichnet. Anwendungsbeispiele Mit SPIM können lebende Objekte wesentlich länger beobachtet werden als mit anderen Techniken, da die Strahlenbelastung durch die selektive Beleuchtung drastisch reduziert ist. Ein Beispiel ist die Embryonalentwicklung des Medaka-Fisches: Von Huisken et al.[1] werden Details der Herzmuskelkontraktion mit einer zeitlichen Auflösung von 65 Bildern pro Sekunde beschrieben. Der vier Tage alte Embryo war dazu in einem Agarose-Gel fixiert worden, ohne seine Lebensfunktionen erkennbar zu beeinträchtigen. Abbildung 2 zeigt zwei Maximal-Projektionen von Übersichtsaufnahmen eines solchen Embryos. Der transgene Medaka-Fisch exprimiert GFP in Muskelzellen. Mithilfe der „Multi Angle View“-Rekonstruktion können die internen Strukturen des Organismus auch 500 μm tief im Gewebe hervorragend aufgelöst werden. Abbildung 3 zeigt eine Zeitserie der D. melanogaster Embryogenese. Der verwendete Embryo exprimiert GFP-Moesin, wodurch die Plasma-Membran markiert wird. Die Strukturen im Embryo sind deutlich erkennbar und können über die Zeit verfolgt werden. Diese Bilder belegen, dass SPIM auch für das Abbilden opaker Proben geeignet ist und große Eindringtiefen erreicht. Zusammenfassung SPIM zeigt, dass fluoreszenzmikroskopische optische Schnitte am effektivsten erzeugt werden, indem man selektiv nur eine einzelne Ebene in der Probe anregt. So werden fototoxische Effekte und Farbstoffbleichen reduziert. Der Einsatz hocheffizienter CCD-Kame- 463_503neu.qxd 488 11.09.2006 11:29 Uhr Seite 488 WISSENSCHAFT · S PECIA L: BI O-I MAGI NG ˚ Abb. 2: Oben: Dorsal ventrale, Unten: laterale Maximum-Projek- tion der mit der „Multi Angle View“-Methode aufbereiteten Datensätze eines Medaka-Embryo. Die hohe Auflösung erlaubt die Identifikation verschiedener Gewebe (genauere Beschreibung in[1]). Der Bildstapel hat eine Größe von 1.201 x 659 x 688 Pixel (1.549 x 850 x 888 μm).* ras zur Detektion bietet höhere Bildraten und einen größeren dynamischen Bereich als alle bekannten Punkt-Rasterverfahren. Auch in relativ stark streuendem Gewebe kann mit SPIM eine hohe Eindringtiefe erreicht werden. Zudem erhöht eine „Multi View“-Rekonstruktion den Informationsgehalt der Datensätze und die axiale Auflösung. Neben diesen Stärken der SPIM-Technologie sind die einfache Probenhalterung sowie die Eignung für Aufnahmen mit gering vergrößernden Objektiven und großem Arbeitsabstand bemerkenswert. Diese erlauben die Beobachtung von millimetergroßen lebenden Proben unter physiologischen Bedingungen über sehr lange Zeiträume. Letzteres macht die Methode für die Aufzeichnung kompletter raumzeitlicher Muster von Gen- und ProteinExpression oder Zell- und Gewebebewegungen in sich entwickelnden lebenden Embryonen besonders wertvoll. ó ˚ Abb. 3: Zeitserie der D. melanogaster Embryogenese. Sechs von 205 aufgenommenen Zeitpunkten sind gezeigt (supplemental Material von[1]). Zu jedem Zeitpunkt wurden 56 optische Schnitte aufgenommen von denen hier zwei dargestellt sind. Das Lichtblatt trifft die Probe im Bild von unten, was zu einer leichten Reduktion der Intensität von unten nach oben führt. Die Intensität der Bilder wurde normiert, um die mit der Zeit zunehmende Menge fluoreszierenden Proteins in der Probe zu kompensieren.* Danksagung Ich bedanke mich bei Jan Huisken, Klaus Greger, Ernst Stelzer und Klaus Pfizenmaier für Unterstützung bei meinen Arbeiten zu SPIM. Literatur [1] Huisken, J., Swoger, J., Del Bene, F., Wittbrodt, J., Stelzer, E. H. K. (2004): Optical sectioning deep inside live embryos by selective plane illumination microscopy. Science 305: 1007–1009. [2] Conchello, J. A., Lichtman, J. W. (2005): Optical sectioning microscopy. Nat Methods 2: 920–931. [3] Pawley, J. (1995): Handbook of Biological Confocal Microscopy. Ed. Plenum Press, New York. [4] Huisken, J. (2004): PhD Thesis, Albert-LudwigsUniversität Freiburg. [5] Helmchen, F., Denk, W. (2005): Deep tissue two-photon microscopy. Nat Methods 2: 932–940. [6] Stelzer, E. H. K., Huisken, J., Greger, K., Selchow, O., Nitschke, R. (2006): unveröffentlichte Daten. Korrespondenzadresse: Dr. Olaf Selchow Leiter des Zentrallabors für Mikroskopie und Bildanalyse SFB 495 und Institut für Zellbiologie und Immunologie Universität Stuttgart Allmandring 31 D-70569 Stuttgart [email protected] BIOspektrum | 05.06 | 12. Jahrgang