Technisch genutzte Pflanzen 5.1 Faserliefernde Pflanzen . . . 359 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 Haare als Fasern . . . 359 Fasern aus Sprossachsen . . . 362 Fasern aus Blättern . . . 367 Fasern aus Früchten . . . 370 5.2 Holzliefernde Pflanzen . . . 370 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 Heimische oder bei uns kultivierte Nadelhölzer . . . 372 Außereuropäische Nadelhölzer . . . 374 Heimische oder bei uns eingebürgerte Laubhölzer . . . 375 Außereuropäische, besonders tropische Laubhölzer . . . 379 Monokotylenholz . . . 381 Rasch wachsende Baumarten der Tropen und Subtropen . . . 383 Korkliefernde Pflanzen . . . 384 5.2.7 5.3 Gerbstoffliefernde Pflanzen . . . 385 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 Gerbstoff in Rinden und Hölzern . . . 386 Gerbstoffe in Blättern . . . 388 Gerbstoffe in Früchten und Samen . . . 388 Gerbstoffe in Pflanzengallen . . . 389 5.4 Pflanzen, die Kautschuk und verwandte Stoffe liefern . . . 389 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 Kautschuk . . . 390 Guttapercha . . . 393 Chicle . . . 394 Balata . . . 395 5.5 Harz-, balsam- und lackliefernde Pflanzen . . . 395 5.5.1 5.5.2 5.5.3 Harze . . . 395 Balsam . . . 397 Lack . . . 397 5.6 Wachsliefernde Pflanzen . . . 398 5.7 Farbstoffliefernde Pflanzen . . . 400 5.7.1 5.7.2 Farbstoffe aus Flechten . . . 400 Farbstoffe aus höheren Pflanzen . . . 401 5.8 Insektizidliefernde Pflanzen . . . 406 5.9 Energie- und kraftstoffliefernde Pflanzen . . . 410 5.9.1 5.9.2 5.9.3 5.9.4 Alkohol aus Pflanzen . . . 411 Benzinliefernde Pflanzen . . . 412 Dieselölliefernde Pflanzen . . . 414 Kraftstoff aus Biomasse . . . 416 Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! 359 Pflanzen und pflanzliche Produkte bestimmen das menschliche Leben in nahezu allen Bereichen. Neben der offensichtlichen Versorgung des Menschen mit Nahrung und Genussmitteln nimmt die Bedeutung der Pflanzenprodukte für verschiedenste Lebensbereiche einen solch weiten Raum ein, dass es kaum möglich ist, allen Nutzungsaspekten Rechnung zu tragen. Bei technischer Nutzung beginnt die Betrachtung bei der Verwendung z. B. als Konstruktionsholz bei Haus- und Möbelbau, jedoch macht man sich kaum klar, dass auch Dinge des täglichen Lebens wie Tapetenkleister, Schuhcreme, Zeitungspapier oder Geschmacksstoffe aus Pflanzen entstehen. Um wie viel komplexer ist die Frage nach der Herkunft der Grundstoffe für viele Lacke und Farben, für technische Produkte wie Gerbstoffe zur Lederherstellung oder die große Menge an Elastomeren für die Reifenindustrie, Medizintechnik, Elektroindustrie. Diese Bereiche durchdringen das tägliche Leben und sind in der Regel so selbstverständlich, dass man erst bei Versorgungsengpässen darauf aufmerksam wird, welches die Quellen der Bedarfsgegenstände sind. Um diese Engpässe vorausschauend zu vermeiden, sind angesichts der globalen Veränderungen der Lebensräume Ressourcenschutz und -schonung der nachwachsenden Rohstoffe äußerst wichtige Themen, die trotz ihrer großen Bedeutung oft nachrangig eingestuft werden. Ein dringliches Konfliktthema zeichnet sich derzeit ab: es ist die Entscheidung, Äcker vermehrt für die Produktion von Energieträgern statt für die Produktion von Lebensmitteln zu verwenden. 5.1 Faserliefernde Pflanzen Schon in frühester Zeit haben die Menschen es verstanden, aus Pflanzen Fasern zu gewinnen, die sie zu Kleidung und Gegenständen des Haushaltes verarbeiten konnten. In allen Fällen handelt es sich bei den Fasern entweder um Haare, also Bildungen der Epidermiszellen, oder um Bündel von Sklerenchymfasern, die zur Festigung der Leitbündel und Blätter dienen. Die Zellwände der Haare und Fasern bestehen vor allem aus Cellulose, in geringeren Anteilen aus Hemicellulose und Pektin. Sklerenchymfasern enthalten auch inkrustiertes Lignin. Wenn im Folgenden Haare als Fasern bezeichnet werden, so gilt dies nicht als botanischer, sondern als technischer Begriff. 5.1.1 Haare als Fasern Samenhaare Baumwolle, Gossypium herbaceum L. var. acerifolium A. CHEV, G. hirsutum L., G. barbadense L., G. arboreum L. engl. cotton, franz. coton, ital. cotone, span. algodón, port. algodão Ordnung: Malvales, Familie: Malvaceae verwendete Pflanzenteile: Samen Herkunft. Baumwolle ist eine sehr alte tropische Kulturpflanze mit mehreren Ursprungszentren, die zum einen im südlichen Afrika oder Indien, Indonesien, zum anderen an den Westhängen der nördlichen Anden anzutreffen ist. Nach archäologischen Funden wurde Baumwolle schon ca. 3000 v. Chr. im Industal sowie um 2500 v. Chr. in Peru verarbeitet und um 500 v. Chr. in Ägypten angebaut. Ausdauernde Wildformen finden sich in ariden Gebieten der Tropen und Subtropen der ganzen Welt verstreut. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5.1 Faserliefernde Pflanzen 5 Technisch genutzte Pflanzen Abb. 5.1 Baumwollblüte (Gossypium spec.). a Sprossstück mit Blüte. b Geöffnete Blüte. Abb. 5.2 In Europa gewann die Baumwolle erst zu Beginn des 19. Jh., insbesondere mit der Erfindung der Entkörnungsmaschine (Gin, s. u.) in den USA, an Bedeutung und entwickelte sich dann mit dem Bevölkerungsanstieg, der Industrialisierung und Kolonisierung außereuropäischer Länder rasch zu einer Weltwirtschaftspflanze. Die besonderen Eigenschaften wie Festigkeit, Faserlänge, Spinnbarkeit und gute Anfärbbarkeit machten sie entsprechend konkurrenzfähig gegenüber anderen faserliefernden Pflanzen. Bedingt durch die hohe Nachfrage erweiterte sich die Anbaufläche, die sich heute in die Subtropen und sogar in die gemäßigten Breiten ausdehnt, sofern das Klima warm genug ist. Viele fruchtbare Böden stehen durch den konkurrierenden Anbau von Baumwolle nicht mehr der Lebensmittelproduktion zur Verfügung. Biologie. Baumwollhaare sind einzellige, bandartig abgeflachte und in sich schraubig verdrehte, bis 4 cm lange Samenhaare, die sich aus Epidermiszellen der Samenschale entwickeln. Die Baumwollarten (Box 5.1) sind meist ausdauernde Stauden, die jedoch in der Kultur einjährig gehalten werden. Anfangs verzweigt sich die Pflanze monopodial, mit Beginn der Blütenbildung sympodial. Alle Achsen tragen wechselständig lang gestielte fünflappige Blätter, deren Achselknospen im oberen Bereich jeweils zu fünfzähligen, gelben, weißen oder purpurroten Blüten auswachsen. Unterhalb der fünf Kelchblätter befindet sich ein Außenkelch, der aus drei lang gezähnten Hochblättern gebildet wird. Die Filamente der zahlreichen Staubblätter sind zu einer Röhre verwachsen (Abb. 5.1b). Die dreizipfelige Narbe wird durch Selbstbestäubung, seltener durch Insektenbestäubung mit Pollen belegt, der nach ca. 30 Stunden die 6–10 Samenanlagen in den Fächern des aus 3–5 Fruchtblättern gebildeten Fruchtknotens befruchtet. Die 3–5fächrige Kapsel reift in ca. vier Wochen. In dieser Zeit wachsen auch die Samenhaare heran (Abb. 5.2a, b). Zwischen den längeren, Lintfasern genannten Haaren stehen kurze Haare, die als Linters, Linterfasern oder Grundwolle bezeichnet werden. Beide sind anfänglich von Plasma erfüllt, sterben aber schließlich ab und fallen bandartig zusammen. Bei der Reife öffnen sich die lokuliziden Kapseln von der Spitze her an den Mittelnähten der Fruchtblätter (vgl. Abb. 2.35l, m, S. 40) und lassen die Samen mit ihren Haarbäuschen heraustreten (Abb. 5.2c). Anbau, Standortansprüche. Die frostempfindlichen Pflanzen bevorzugen warmes arides Klima, wobei während der Frühentwicklung ausreichende Baumwollkapsel (Gossypium spec.). a Reife Kapsel mit Außenkelch. b Kapsel im Querschnitt. c Reife, aufgeplatzte Kapsel. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 360 5.1 Faserliefernde Pflanzen Box 5.1 Baumwollarten Die angebauten Arten gliedern sich in zwei altweltliche mit 2n = 26 Chromosomen, die strauch- oder baumförmige Art G. arboreum und die einjährige Art G. herbaceum, sowie in die mehrjährigen, in der Kultur einjährig gehaltenen neuweltlichen mit 2n = 52 Chromosomen, zu denen G. hirsutum (Upland-Baumwolle) und G. barbadense (Sea-Island-Baumwolle) gehören. Kreuzungen und Züchtungen haben zu einem großen Sortenreichtum geführt. Man bewertet die Faser insbesondere nach ihrer Länge (Stapel), wobei die von G. barbadense mit 3–4 cm erheblich vor G. hirsutum mit 2–3 cm und G. arboreum bzw. herbaceum mit 1,8–2,2 cm rangieren. Wertvolle langstapelige Sorten werden bevorzugt in Ägypten und Peru, die mittellangstapeligen, wirtschaftlich bedeutendsten in den USA und kurzstapelige in Asien angebaut. 75 % der Produktion fallen auf mittelstapelige, ca. 15 % auf langstapelige und 10 % auf kurzstapelige Ware. Fruchthaare Kapokbaum, Ceiba pentandra (L.) GAERTN. Wollbaum; engl. silk cottontree, franz. kapokier, capoc, span. ceiba, árbol capoc Ordnung: Malvales, Familie: Bombacaceae verwendete Pflanzenteile: Endokarp Biologie. Der ursprünglich im tropischen Südamerika beheimatete Kapokbaum ist ein Gewächs des Regenwaldes und heute in den Tropen der ganzen Welt anzutreffen. In der Jugend ist sein von großen Brettwurzeln gestützter Stamm mit kegelförmigen Stacheln besetzt. Er erreicht bis 50 m Höhe und trägt an den horizontal stehenden, etagenförmig verzweigten Ästen handförmig gefingerte, lang gestielte Blätter. Wenn diese zu Beginn der Trockenzeit abgeworfen werden, erscheinen an den Zweigenden büschelweise die weiß oder rosa gefärbten Blüten. Nach Bestäubung durch Wind, Insekten oder Fledermäuse entwickeln sich die oberständigen Fruchtknoten zu Kapseln von ca. 20 cm Länge und länglich ovaler Gestalt, die sich bei manchen Formen öffnen, bei anderen geschlossen bleiben. Bis zu 100 runde braunschwarze Samen liegen zwischen gelblich-weißen Haaren, die der Innenepidermis der Fruchtwand (Endokarp) entspringen, jedoch bei der Reife abbrechen (s. Abb. 2.35f, g, S. 40). Infolge eines feinen Wachsüberzugs sind die 10–35 mm langen Fasern glatt und lassen sich nicht verspinnen. Sie bestehen zu 64 % aus Cellulose und Hemicellulose. Der lichtbedürftige Baum braucht 1000–1500 mm Niederschlag während der Regenzeit. Er fruchtet vom 5. bis 60. Lebensjahr. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Man pflückt die Früchte von Hand oder schlägt sie mit Stangen ab und rechnet mit 4,5–6 dt/ha Fasererträgen Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Wasserversorgung, später trockenes Wetter notwendig ist. Für die 2–3 m lange Pfahlwurzel ist ein tiefgründiger, durchlüfteter Boden erforderlich, der nicht zu salzhaltig sein darf. Der Anbau ist zwischen 47 Grad nördlicher und 28 Grad südlicher Breite möglich. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte guter Qualitäten erfolgt bei ausreichenden Arbeitskräften wie in Ägypten und im Sudan von Hand und dem Reifefortschritt entsprechend mehrmals. In den USA und in Russland setzt man Pflückmaschinen ein, die jedoch die Qualität beeinträchtigen, denn die ungleichmäßig reifenden Kapseln werden auf einmal geerntet und die Blätter ebenfalls erfasst. Es kann jedoch ein vorheriger Blattabwurf durch Frost oder Chemikalien (Defoliantien) ausgelöst werden. In den USA hat man Vakuumpflücker (fahrbare Maschinen mit vielen Saugarmen) und Spindelpflücker (Maschinen mit drehbaren Spindeln, die die Haare der reifen Samen der geöffneten Kapseln erfassen und eindrehen) entwickelt. Mit ihnen kann differenziert geerntet werden. Die Anbauer verkaufen ihre Samenbaumwolle an Fabriken, in denen die Lintfasern (s. o.) zunächst mit sogenannten Ginmaschinen von den birnenförmigen Samen abgetrennt (egreniert, entkörnt) werden. Andere Maschinen schneiden dann die kurzen Linterfasern (s. o.) ab. Während die ölreichen Samen als Saatgut oder zur Gewinnung des Baumwollsaatöls (S.142) Verwendung finden, werden die Lintfasern zu Baumwollgarnen versponnen, die Linterfasern aber als Polstermaterial genutzt oder wegen ihres hohen Cellulosegehalts (80–90 %) als Rohstoff für die Papier-, Cellulose- und Kunstseidenindustrie verkauft. Die Erträge schwanken stark zwischen 0,1 und 1 t/ha Lintfasern. Über die Faserproduktion gibt Tabelle 6.62 im Anhang Auskunft, über die Samenproduktion siehe Seite 142. 361 362 5 Technisch genutzte Pflanzen und 0,7–1,4 t/ha Samen. Kapokfasern dienen nach Entfernen der Samen ohne weitere Aufbereitung als Polster- und Isoliermaterial und, da sie unbenetzbar sind, auch zur Füllung von Schwimmwesten und Rettungsringen. Die Samen enthalten 22–25 % fettes Öl, das schwach trocknend, aber giftig ist. Es wird zur Seifenerzeugung oder als Leuchtöl genutzt. Die Hauptproduktion findet sich in Südostasien mit Indonesien an der Spitze. Kleinere Mengen liefern die Philippinen, Afrika sowie Mittel- und Südamerika. Der Asiatische Kapok (Bombax ceiba L.; syn. B. malabaricum DC.) ist ein dem Kapokbaum ähnlicher, in Südostasien heimischer Baum, dessen nicht ganz so gut bewerteten Fruchthaare fast zur Hälfte die Weltkapokproduktion ausmachen. Fasern aus Sprossachsen Die zu Bündeln vereinigten Sklerenchymfasern (Bastfasern) krautiger zweikeimblättriger Pflanzen sind lang gestreckte, dickwandige tote Zellen. Sie stehen an der Innenseite der Rinde vor den Leitbündeln oder umgeben sie ringsum und bewirken die Festigkeit der Sprossachse. Da sie elastisch sind, können die Pflanzen z. B. bei Winddruck in ihre aufrechte Stellung zurückkehren. Die stark mit Cellulose versetzten Zellwände der Faserzellen werden über Pektin miteinander verbunden und sind oft mit Lignin sekundär verstärkt. Lein, Linum usitatissimum L. ssp. usitatissimum Flachs; engl. flax. franz. lin, ital. u. span. lino, port. linho Ordnung: Geraniales, Familie: Linaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen Im Gegensatz zum Öllein (S. 148) liegt beim Faser- oder Ölfaserlein (Kombinationslein) das Hauptgewicht der Produktion auf der Fasererzeugung. Biologie. Der schlanke Stängel der einjährigen Pflanze trägt beim Faserlein eine geringer verzweigte Infloreszenz als beim Öllein. Der Faserlein weist im Stängelquerschnitt von der Rinde her gesehen vor dem Phloem der ringförmig angeordneten Leitbündel je ein Faserbündel auf, dessen Faserzellen im mittleren Teil des Stängels, entsprechend der Internodienlänge, 2–6 cm lang sind. Im unteren Teil und im oberen Abschnitt erreichen die Zellen eine Länge bis 10 cm. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Reife Pflanzen werden aus dem Boden gezogen (gerauft) und getrocknet. Um die bis 60 cm langen Faserbündel zu isolieren, legt man gebündelte Pflanzen nach Abstreifen der Kapseln (Riffeln) zur sogenannten Röste in stehendes oder langsam fließendes Wasser (Wasserröste) oder lässt sie in taureichen Gebieten auf dem Feld liegen (Tauröste). Bei diesem Vorgang lösen pektinabbauende Bakterien (Wasserröste) oder Pilze (Tauröste) die Mittellamellen auf und trennen auf diese Weise die Zellen voneinander. Heute wird ebenfalls eine rein chemische Mazeration durchgeführt, doch gilt das biologische Röstverfahren als das schonendere. Neue Aufschlussverfahren mit gezielter mikrobieller Animpfung der geernteten Pflanzen sind derzeit in Entwicklung. Nach 2–3 Wochen werden die Pflanzen erneut getrocknet, wobei bereits ein Teil der voneinander isolierten Zellen abplatzt. Anschließend klopft und bricht man die gebündelten Stängel und schwingt sie, um die Faserbündel von den noch anhängenden Zellen der Rinden- und Holzteile zu befreien. Schließlich zieht man die Faserbündel über ein Nagelbrett, um die Fasern parallel Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5.1.2 5.1 Faserliefernde Pflanzen 363 zu richten (Hecheln des Flaches) und die Langfasern von den Kurzfasern, dem Werg, abzutrennen. Die wegen ihrer hohen Wärmeleitfähigkeit kühlend wirkende Faser ist gut zu verspinnen und als Garn zu verweben, jedoch schwierig anzufärben. Durch die Baumwolle ist Leinen stark zurückgedrängt worden. Festes dauerhaftes Leinentuch, das speziell in Irland und Deutschland hergestellt wurde und der Stolz unserer Vorfahren war, ist heute nur schwer zu bekommen. Als nachwachsender Rohstoff gewinnt Lein in Deutschland wieder an Bedeutung. 2004 wurden weltweit 913 000 t Leinfasern produziert, davon (in 1000 t): China 471, Belgien 123, Frankreich 90, Russische Föderation 58, Weißrussland 57, Großbritannien 28, Tschechien 18, Ukraine 16, Spanien 11 und Polen 10. Der Jahresertrag schwankt zwischen 1 und maximal 6 t/ha, im Mittel sind es 1,7 t/ha. engl. hemp, franz. chanvre, ital. canapa, span. cáñamo Ordnung: Urticales, Familie: Cannabaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen Herkunft. Hanf ist wie der Flachs eine sehr alte Kulturpflanze, die aus den gemäßigten Breiten Zentralasiens bis Nordwestindien stammt und deren Sprossachsenfasern schon im 2. Jahrtausend v. Chr. in China zur dort entwickelten Papierherstellung genutzt wurden. Auch in Europa war Hanf von großer Bedeutung. Biologie. Die Pflanze ist einjährig und zweihäusig, im männlichen Geschlecht (Femelhanf) schwächer entwickelt als bei den weiblichen Individuen (Hanfhenne), die stärker verzweigt und reicher belaubt sind und 2–5 Wochen später reifen. Die unscheinbaren perianthlosen grünlichen Blüten der Weibchen stehen zu zweit in den Achseln kleiner Tragblätter und sind zu dicht gedrängten Scheinähren vereinigt, während die Männchen ihre Blüten mit einfachem Perianth in endständigen lockeren Rispen tragen (s. Abb. 4.237, S. 307). Die 3–4 m hohen kräftigen krautigen, zuletzt verholzenden Stängel sind wechselständig mit lang gestielten Blättern besetzt, deren Spreiten in 5–7 Fiedern geteilt sind. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Stängel werden bei der Reife abgemäht, getrocknet und zur Gewinnung der in 1–4 Reihen vor den Leitbündeln liegenden Faserbündel wie Faserlein einer Röste unterworfen. Ihre festen, bis 2 m langen Faserbündel aus 5–55 mm langen Faserzellen sind weniger elastisch als Faserlein und dienen hauptsächlich zur Herstellung von Tauen, Seilen und Netzen, Bindfäden und Zwirnen. Aber auch Segeltuch und Textilien werden daraus gefertigt. Die nach Absonderung der Faserbündel verbleibenden holzigen Reste, Schäben genannt, enthalten im Mittel 67 % Cellulose und nur 3,3 % Lignin. Sie lassen sich für die Herstellung von Pappe und Papier nutzen, im letzteren Fall unter Mitverwendung von Hanffasern. Das über Jahrhunderte haltbare Papier (z. B. der Gutenbergbibel) ist unübertroffen. Aus den ölhaltigen Hanfsamen lässt sich mit einem besonderen Verfahren auch ein Hanfmehl herstellen, das zum Backen von Brot, Teigtaschen und Pizza geeignet ist. Die Nutzung der ölhaltigen kleinen Nüsse wird auf Seite 153 besprochen, der halluzinogen wirksame Indische Hanf wird auf Seite 307 behandelt. Die für die technische Nutzung angebauten Sorten enthalten jedoch wenig Tetrahydrocannabinol (THC) (Box 5.2). Darüber hinaus ist Hanf auch aus ackerbaulichen Gründen vorteilhaft. Die bis 40 cm langen Pfahlwurzel und ihre zahlreichen, bis 2 m langen Seitenwurzeln, die während der ca.100 Tage umfassenden Hanfkultur entstehen, Box 5.2 Nutzung THC-armer Hanfsorten Früher wurde das von den Blütenständen des Indischen Hanfes (Cannabis sativa ssp. indica; S. 307) ausgeschiedene Harz als vielseitig anwendbares Heilmittel genutzt. Erst die ausufernde Nutzung für Rauschgiftzwecke führte zu einem Anbauverbot der Hanfpflanze. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass das Harz nur im Indischen Hanf und nur unter tropischen Anbaubedingungen in größeren Mengen gebildet wird, während der Harzgehalt in der Subspezies sativa gering ist. 1937 wurde Hanfanbau in den USA durch den „Marijuana Tax Act“ sehr hoch besteuert, was einem Verbot gleichkam. Der Anbau wurde aber während des Zweiten Weltkrieges wegen der Faserrohstoffe wieder zugelassen, dann aber nach Kriegsende sehr rigoros kontrolliert. Mittlerweile ist der Hanf züchterisch intensiver bearbeitet worden. Seit der Auslese von Sorten, deren Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) weniger als 0,3 % beträgt, ist der Anbau von Hanf als Nutzpflanze jedoch wieder erlaubt. 1996 wurde das Anbauverbot für THC-arme Sorten auch in Deutschland, wo der Hanfanbau nur unter sehr strengen Auflagen möglich und genehmigungspflichtig war, gelockert. Hier waren es Wissenschaftler und Landwirte, die diese Erlaubnis des Anbaus durchsetzten. Innerhalb der EU waren 2006 über 25 Faserhanfsorten zugelassen. Die Anbaufläche in der EU liegt derzeit bei etwa 180 000 ha, der Anteil in Deutschland betrug 2004 1729 ha. Mit Hanf als nachwachsendem Rohstoff kann man unter anderem die in Europa stillgelegten Flächen nutzen. Damit ließe sich grundsätzlich auch der übermäßige Nutzungsdruck auf die Regenwälder für die Holz- und Cellulosegewinnung reduzieren, deren klimaregulierende, erosionsvermeidende und die biologische Vielfalt bewahrende Wirkungen aus ökologischen Gründen erhalten bleiben müssen. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Hanf, Cannabis sativa L. ssp. sativa 364 5 Technisch genutzte Pflanzen bewirken eine gute Bodengare. Eine dichte Aussaat und das rasche Wachstum unterdrücken die Beikrautentwicklung und vereinfachen die Kultur. Große Brennessel, Urtica dioica L. Die mit dem Hanf verwandte zweihäusige Brennessel (Abb. 5.3) wurde bis ca.1720 in größerem Ausmaß als heimische Faserpflanze bei uns angebaut. Ihre Stängelfasern, die vor allem in den Kanten der vierkantigen, gegenständig beblätterten Sprossachsen zu finden sind, lassen sich nicht durch eine Röste, sondern nur durch Kochen in Laugen oder mit Spezialmaschinen isolieren. Weil stets Rindenteile an den spinnbaren Fasern verbleiben, ist das daraus gewonnene Nesseltuch etwas rauh. Dieses Tuch ist sehr geeignet für Berufskleidung, Betttücher und Zeltbahnstoffe. Als Nesseltuch wird heute auch ein Baumwollgewebe in Leinwandbindung bezeichnet. Die Nesselnutzung erfährt derzeit einen neuen Anschub. Im Zeichen der Entwicklung nachwachsender Rohstoffe sind sehr erfolgreiche Selektionen mit einem Fasergehalt von bis zu 16 % im Anbau. Die Fasern werden für Stoffe, aber auch für die Herstellung neuartiger kombinierter Faser/Kunststoff-Verbundprodukte eingesetzt. Die ähnliche Sibirische Hanfnessel (Urtica cannabina) wird in Südrussland angebaut. Abb. 5.3 Große Brennessel (Urtica dioica). Ramiepflanze, Boehmeria nivea (L.) GAUDICH Chinesische Nessel; engl. ramie, franz. ramie, ortie blanche, span. ramio, port. rami Ordnung: Urticales, Familie: Urticaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen Abb. 5.4 Ramiepflanze (Boehmeria nivea). Herkunft. Eine typische Nesselfaser liefert auch die mit der Brennessel verwandte Ramiepflanze. Sie stammt aus China und wurde in Ostasien schon vor der Baumwolle kultiviert. Erst im 18. Jh. wurde sie in Europa bekannt, dann bald weltweit zwischen 48. Grad Süd und Nord, so in Ostasien, Mittelund Südamerika, angebaut. Obwohl die weiß glänzenden reißfesten Ramiefasern 15–18 cm, die Faserbündel sogar über 2 m Länge erreichen, blieben sie wegen der mühsamen und kostspieligen Faserisolierung (wie bei der Brennessel) lange ohne größere Bedeutung. Biologie. Die ausdauernde Pflanze bringt aus ihrem Wurzelstock bis über 2 m hohe, kaum verzweigte Sprosse hervor, deren wechselständige lang gestielte, herzförmige Blätter auf der Unterseite weißfilzig (Weiße Ramie; ssp. nivea; Abb. 5.4) oder grün sind (ssp. tenacissima). Die einhäusig getrenntgeschlechtigen Blüten stehen in Rispen in den Achseln der Blätter und werden durch den Wind bestäubt. Wie die Brennessel benötigt die Pflanze nährstoffreichen guten Boden und hohe Niederschläge. Sie lässt sich bis zu sechsmal im Jahr schneiden. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Sprosse werden frisch oder getrocknet von Hand oder maschinell geschält. Die Schälprodukte kommen als Chinagras zu den Fabriken, wo die Faserbündel chemisch degummiert, d. h. durch Kochen in Laugen kostenaufwendig isoliert werden. Die Fasern, die zu 69 % Cellulose und 13 % Hemicellulose enthalten, sind stark hygroskopisch, ohne sich nass anzufühlen, und wirken kühlend. Deshalb dienen sie in den Tro- Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. engl. stinging nettle, franz. grande ortie, span. ortiga, port. urtiga Ordnung: Urticales, Familie: Urticaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen 5.1 Faserliefernde Pflanzen 365 pen bevorzugt zur Herstellung von Küchen-, Leib- und Bettwäsche, von Plüsch, Filter- und Segeltuch, aber auch von Banknotenpapier und Feuerwehrschläuchen. Hauptproduktionsgebiete sind China, Brasilien, Japan, Philippinen, Taiwan, Kambodscha und Korea. Rundkapseljute, Corchorus capsularis L. Kalkuttahanf; engl. white jute, franz. chanvre de Calcutta, span. yute blanco, port. juta Langkapseljute, Corchorus olitorius L. Herkunft. Jute ist eine in Indien seit alters her genutzte Faserpflanze, die allerdings erst nach Entdeckung einer geeigneten maschinellen Verarbeitung Mitte des 19. Jh. größere Bedeutung gewann und dann auch in den an Indien angrenzenden Ländern verstärkt angebaut wurde. Biologie. Die einjährigen Pflanzen werden bis 4 m hoch und tragen wechselständig lanzettliche, kurz gestielte Blätter, deren unterste Zähne lang ausgezogen sind (Abb. 5.5). An den Knoten der Stängel treten einzeln oder paarweise unscheinbare fünfzählige, gelblich-weiße Blüten auf, deren oberständige Fruchtknoten zu rundlichen oder länglichen Kapseln heranwachsen. Im Stängelquerschnitt von der Rinde her gesehen vor den Leitbündeln finden sich die Faserzellen von nur 2 mm Länge, die jedoch im Verband spinnbare Faserbündel von 1–3 m Länge bilden. Standortansprüche. Die meist von Kleinbauern angebaute Jute benötigt einen tiefgründigen Boden und feuchtwarmes Klima. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Man erntet nach dem Fruchtansatz, wobei man die Sprossachsen mit Sicheln dicht über dem Boden abschneidet. Nach Abwelken werden die Blätter abgestreift und die Stängel für 8–10 Tage einer Wasserröste (S. 362) unterworfen. Von den Stängeln lassen sich dann die graugelben Faserbündel mit der Hand abziehen. Das verspinnbare Fasermaterial lässt sich nicht bleichen, aber gut anfärben und zur Herstellung von Jutegarn für Säcke, Linoleum, Teppiche, Wandbespannungen, Kabelumhüllungen und Seilerwaren verwenden. In den Erzeugerländern werden aus Jute auch schöne Gewebe und billige Bekleidungsstücke hergestellt. Der Anbau ist stark rückläufig, da viele Waren nicht mehr in Säcken, sondern in Containern als Schüttware transportiert werden. Allerdings werden teurere Rohstoffe wie z. B. Rohkakao weiterhin abgesackt, da die Jutehülle die Ware aufgrund der Wasserbindefähigkeit des Gewebes temperiert und vor Nässe während des Transportes schützt. Die Langkapseljute liefert mit ihren jungen Sprossen und Blättern ein wohlschmeckendes Gemüse. Die Fasererträge liegen bei 2,6 t/ha, über die Produktion informiert Tabelle 6.63 im Anhang. Abb. 5.5 Jute (Corchorus capsularis). Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. engl. Nalta jute, franz. corète potagère, span. yute, port. juta Ordnung: Malvales, Familie: Tiliaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen 366 5 Technisch genutzte Pflanzen Gambohanf, Hibiscus cannabinus L. Dekkanhanf, Mesta; engl. kenaf, deccan hemp, franz. chanvre de deccan, span. apocino Rosellahanf, Hibiscus sabdariffa L. Abb. 5.6 Rosellahanf (Hibiscus sabdariffa). Zwei Kelchblätter mit Außenkelch. Herkunft. Die zwei Hibiscus-Arten stammen aus dem afroasiatischen Raum und werden heute in weiten Teilen der Tropen und Subtropen der Welt angebaut, wo sich Jute als Faserlieferant nicht kultivieren lässt. Biologie. Beide Arten sind einjährige, bis 4 m hohe Pflanzen mit rauhhaarigen (H. cannabinus) oder glatten (H. sabdariffa var. altissima) Stängeln und gelappten Blättern. Oberwärts sitzen in den Blattachseln in Einzahl ansehnliche gelbe, fünfzählige Blüten mit zu einem Säulchen verwachsenen Staubblättern, einem zu einer Kapsel werdenden Fruchtknoten und einem drei- bis mehrzähligen Außenkelch. Während Kelch und Außenkelch bei H. cannabinus bei der Reife hart und stachelig werden, sind bei H. sabdariffa, vor allem bei der Varietät sabdariffa, die Kelchblätter fleischig saftig, leuchtend rot (Abb. 5.6). Standortansprüche. Beide Arten sind frostempfindlich und benötigen hohe Temperaturen sowie ausreichend Niederschläge bzw. Bewässerung. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Gleich zu Beginn der Blüte setzt die Ernte ein und kann von Hand oder durch Mähbinder erfolgen. Die beiden Hibiscus-Arten liefern juteähnliche Fasern, die man wie bei Jute durch Handarbeit oder heute auch maschinell gewinnt. Die Eigenschaften und Verwendungszwecke der Fasern sind denen der Jute ähnlich. Sie dienen auch für die Papierherstellung. Ihre Produktionsdaten (insbesondere in Thailand, Indien und Russland) sind in Tabelle 6.63 im Anhang enthalten. Neben den Fasern werden aber auch die Kelchblätter verwendet. Sie schmecken angenehm säuerlich, weshalb man sie zu Erfrischungsgetränken, Marmelade und getrocknet (Karkadeh genannt) zu dem bei uns als Malventee bezeichneten säuerlich erfrischenden Getränk verarbeitet. Bengalischer Hanf, Crotalaria juncea L. Sunnhanf, Bombayhanf; engl. sunn hemp, franz. chanvre indien, span. cáñamo san Ordnung: Fabales, Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Papilionoideae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen Die nur aus der Kultur bekannte einjährige Art gilt als ältester Faserlieferant, der hauptsächlich in Indien angebaut wird. Sie erzeugt bis 3 m hohe, dünne, kaum verzweigte Stängel mit lanzettlichen Blättern. Man erntet sie, wenn die in Trauben angeordneten gelben Blüten voll geöffnet sind. Die wie Jute gewonnenen Fasern sind allerdings härter und gröber und werden zu Segeltuch, Seilen und Netzen verarbeitet. In die USA exportierte Fasern dienen zur Herstellung von Zigaretten- und Seidenpapier. Die Art wird jetzt häufiger als Gründüngungspflanze genutzt. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Rama; engl. roselle, jamaica sorrel, franz. oseille de guinée, span. rosa de jamaica Ordnung: Malvales, Familie: Malvaceae verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen 5.1 Faserliefernde Pflanzen 5.1.3 367 Fasern aus Blättern Unterblattfasern Bei vielen Monokotylen sind die Unterblätter als große Blattscheiden ausgebildet. Sie bedingen die Festigkeit der aus den Blattbasen erzeugten Scheinsprosse, da sie zahlreiche von Sklerenchymfasern umgebene Leitbündel enthalten. Diese Fasern sind im Gegensatz zu den Stängelfasern der Dikotylen stärker verholzt und werden daher auch als Hartfasern bezeichnet. Manilahanf, Musa textilis NÉE Herkunft. Manilahanf, auf den Philippinen heimisch, wird dort, auf Sumatra und in Zentralamerika angebaut. Biologie. Die Pflanze ähnelt im Habitus der Obstbanane (S.164), d. h. sie bildet einen 3 m hohen und 20 cm dicken Scheinstamm aus den Unterblättern, während die bis 2 m langen, zerschlitzten Oberblätter zu einem Schopf angeordnet sind. Aus den terminalen Blütenständen der Faserbanane gehen im Gegensatz zur Obstbanane samenhaltige, wegen ihres hohen Gerbstoffgehaltes jedoch ungenießbare Früchte hervor. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Zur Gewinnung der Fasern werden bei Blühbeginn die Blätter an der Basis abgeschnitten und nach Alter und damit zugleich nach Qualität in vier Gruppen geordnet. Die jüngsten, d. h. die innersten Blattscheiden des Scheinstammes enthalten die weichesten und zartesten weißen Fasern. Nach Entfernen der Blattspreiten werden die Leitbündelscheiden in Hand- oder Maschinenarbeit längs herausgeschnitten und von den fleischigen Teilen der Blattscheide befreit. Nach Trocknen und Bleichen an der Sonne liegen leichte, lange und feste Fasern vor, die nur etwa 10 % der Blattscheiden ausmachen. Da die Fasern nur schwer verrotten, eignen sie sich zur Herstellung schwimmfähiger Schiffstaue, Fischernetze, Sackgewebe, von Bindfäden, Hängematten und Kabelumhüllungen. Die Rhizome der Stauden bilden immer neue Schösslinge, sodass Scheinstämme aus einer Pflanze über 15–20 Jahre hinweg geerntet werden. Die Produktion von etwa 100 000 t pro Jahr aus Indonesien und Panama bei 0,1–1,5 t/ha wird zum größten Teil exportiert. In ähnlicher Weise lassen sich die Blattscheiden der Japanischen Faserbanane (Musa basjoo SIEBOLD et ZUCC.) und der Palmen wie der Weinpalme (Raphia vinifera P. BEAUV.) nutzen. Blattstielfasern Von Sklerenchymfasern umgebene Leitbündel können auch im Blattstiel auftreten, der z. B. bei Palmen die bis zu 50 kg schwere und bis zu 7 m lange fiederspaltige Blattspreite zu tragen hat. Solche Faserstränge ragen aus der am Stamm stehenbleibenden Blattscheide abgestorbener Blätter als zerspleißende Reste des Blattstieles hervor. Die Stränge sind sehr hart und liefern das als Piassava bezeichnete Material für Besen, Bürsten und Pinsel. Ausgehend von der brasilianischen Palme Leopoldinia piassaba WALLACE (Arecaceae), ist der Begriff Piassava auf andere Palmenblattstielfaser übertragen worden. Lieferanten solcher Fasern sind Raphia-Arten im tropischen Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Faserbanane; engl. manila hemp, franz. abacá, span. cáñamo de manila Ordnung: Zingiberales, Familie: Musaceae verwendete Pflanzenteile: Blätter, Blattscheiden 368 5 Technisch genutzte Pflanzen Afrika, die Bahia-Piassavapalme (Attalea funifera MART.) in Brasilien, die Brennpalme (Caryota urens L.), aus der in Indien die Kittulfaser gewonnen wird, und viele andere Palmen. Blattspreitenfasern Auch in den Spreiten vieler Blätter finden sich brauchbare Fasern in Leitbündelscheiden. Sisalagave, Agave sisalana PERRINE Abb. 5.7 Sisalagave (Agave sisalana). Biologie. Die in Mexiko beheimatete Pflanze lebt 6–12 Jahre und bildet in dieser Zeit trotz Internodienstauchung einen bis 1 m hohen, von der Blattrosette gekrönten Rosettenbaum (Abb. 5.7). Im letzten Lebensjahr wächst ihr terminaler Sprossscheitel zu einer mächtigen Infloreszenz aus. Nach der Fruchtreife stirbt die Pflanze ab. Sie vermehrt sich indessen meist nicht generativ, sondern erzeugt an ihrer Grundachse aus den Achseln abgestorbener Blätter Schösslinge und im Blütenstand anstelle von Blüten zuweilen bewurzelte Brutknospen, die abfallen und zu neuen Pflanzen heranwachsen. In der vegetativen Phase sprießen jährlich etwa 15–20 Blätter, die nach 2–4 Jahren geschnitten werden. Die Pflanze enthält ihren lanzettförmigen, 1–2 m langen, 8–15 cm breiten, stachelspitzigen, starren Rosettenblättern Hartfasern, die als Sisalhanf bekannt sind. Dieser wird in den Tropen der ganzen Welt, meist in Großplantagen, gewonnen. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Noch im frischen Zustand entfasert man die fleischigen Blätter maschinell und gewinnt dabei die den Leitbündeln anliegenden, 1–2 m langen Faserbündel. Nach Waschen und Trocknen erhalten die glänzend gelben Fasern durch Schlagen und Bürsten wieder Geschmeidigkeit. Die Sisalfaser dient zur Herstellung von Bindegarn, Seilen und daraus gefertigten Netzen, Hängematten, Möbelstoffen und Teppichen. Unter den Agave-Arten spielt die bei uns am meisten bekannte, im Mittelmeergebiet weit verbreitete, aber aus Mittelamerika stammende A. americana L. wegen ihrer ungewöhnlich fleischigen, zur Fasergewinnung aber ungeeigneten Rosettenblätter keine Rolle. In gleicher Art werden die Blattfasern der mexikanischen Henequenagave (A. fourcroydes LEM.; Silberagave) gewonnen. Die der Sisalagave ähnelnde Pflanze besitzt stachelige, weißlich wachsbereifte Blätter, einen bis 2 m hohen und 25 cm dicken Rosettenstamm und lebt ca. 30 Jahre. Sie wird in Mexiko und Kuba angebaut. Ihre groben Fasern liefern vorzugsweise Bindegarn. Ferner sind die Kantala-Agave (A. cantala ROXB.) und die Letona-Agave (A. angustifolia var. letonae (TAYLOR) GENTRY) anzuführen. In ihren wenigen fleischigen, spitz bestachelten Blättern sind feinere Fasern, jedoch in geringerer Menge, enthalten. Erstere wird fast nur auf den Philippinen und Java, letztere besonders in El Salvador kultiviert. Sie liefern den Rohstoff für Bindegarn, Seilerwaren, Hängematten und Taschen. Unter den Agavaceae sind weiterhin der Mauritiushanf (Furcraea foetida (L.) HAW.; syn. F. gigantea VENT.) und die Fiquefaser (F. macrophylla BAKER) zu nennen. Während der aus Südamerika stammende Mauritiushanf, ein stammbildender Rosettenbaum mit bis zu 3,5 m langen bandförmigen Blättern, auf Mauritius, in Mexiko und Südamerika angebaut wird, kommt die Fiquefaser in Kolumbien wild und angebaut vor. Beide Fasern sind wei- Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Ordnung: Asparagales, Familie: Agavaceae verwendete Pflanzenteile: Blattspreiten 5.1 Faserliefernde Pflanzen 369 cher als Sisal und werden besonders zur Sackfabrikation verwendet. Wie die Agave sind beide Arten plurienn-hapaxanth, d. h. leben über viele Jahre (bis 40) vegetativ, blühen dann mit einer bis 10 m hohen Inflorenszenz und sterben anschließend ab. Beim Mauritiushanf treten im Blütenstand anstelle der weißen Blütenglöckchen vielfach Brutzwiebelchen mit 1–2 Blättchen auf, die abfallen und der vegetativen Vermehrung dienen. Neuseeländer Flachs, Phormium tenax J. R. FORST. et G. FORST. Diese auf Neuseeland heimische Rosettenpflanze trägt lanzettliche, flache Blätter, die über 3 m lang werden und einem ausdauernden Wurzelstock entspringen. Sie besitzen zahlreiche parallel verlaufende Leitbündel, die von sehr festen Fasern umgeben sind. Ihre Faserbündel erreichen fast die Länge der Blätter. Die maschinell gewonnene Faser ist dehnbarer als Flachs und Hanf und wird als solche oder mit Manilahanf oder Sisal gemischt zu Seilerwaren, Matten und Sacktuch verarbeitet. Zwergpalme, Chamaerops humilis L. engl. dwarf fan palm, franz. palmier nain, ital. cefaglioni, span. palmito Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae verwendete Pflanzenteile: Blattspreiten Herkunft. Die Zwergpalme ist die einzige auch in Europa, von Südportugal bis Italien, natürlich vorkommende Palme, die in Nordwestafrika weit verbreitet ist. Biologie. Die meist nur 70–100 cm hohe Fächerpalme, die als Schössling aus langen Rhizomen entsteht und ganze Reihen von Pflanzen erzeugt, enthält sowohl in ihren Spreiten Fasern um die Leitbündel herum als auch unter der Epidermis Fasergruppen. Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Fasergruppen werden von Hand oder maschinell aus eingeweichten Spreiten herausgelöst. Diese sehr elastischen und kaum zerstörbaren Fasern dienen als Polstermaterial in Matratzen und Sitzmöbeln. Sie werden auch als vegetabilisches Rosshaar bezeichnet. Weitere Pflanzen, die Blattfasern liefern Von vielen Pflanzen seien das Espartogras (Stipa tenacissima L.; Poaceae; Halfagras), einige Sansevieria-Arten, die Palmlilie (Yucca filamentosa LOEFL. ex L.; Agavaceae) und unter vielen Palmen die auf Madagaskar heimische Bastpalme (Raphia farinifera (GAERTN.) HYL.; syn. R. ruffia [JACQ.] MART.) genannt. Letztere liefert ölhaltige Steinfrüchte, Blattwachs, Palmwein, Palmkohl, Bauholz und als wichtiges Produkt den in Gärtnereien genutzten Raphia-Bast. Er stammt aus Blattfiedern noch nicht entfalteter Blätter, deren obere aus Epi- und Hypodermis bestehende feste Haut abgestreift wird und sich zum Aufbinden von Pflanzen eignet. Auch Cultivare von Ananas comosus (L.) MERR. liefern Blattspreitenfasern, besonders auf den Philippinen. Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. engl. new zealand flax, franz. lin de la Nouvelle Zélande, ital. clamidia, span. lino de Nueva Zelanda Ordnung: Asparagales, Familie: Phormiaceae verwendete Pflanzenteile: Blattspreiten 370 5 Technisch genutzte Pflanzen 5.1.4 Fasern aus Früchten Kokospalme, Cocos nucifera L. Die Kokospalme, die auch auf Seite 143 unter den fettliefernden Pflanzen besprochen wird, liefert neben der Kopra noch ein wichtiges Fasermaterial, das im Mesokarp der Steinfrüchte vorliegt. Die Mesokarphüllen werden bei der Ernte von den Steinkernen abgerissen. Sie stellen ein dichtes Geflecht von mit Sklerenchymfaserscheiden umgebenen Leitbündeln dar. Diese Coir genannte Faser ist dauerhaft und elastisch. Für besonders gute Qualität müssen nicht voll ausgereifte Früchte geerntet werden, da die Fasern bei Vollreife stärker verholzt sind. Bei solchen Früchten wird allerdings der Kopraertrag gemindert. Zur Gewinnung der Fasern packt man die Mesokarphüllen zu Flößen zusammen und versenkt sie, mit Steinen und Erde beschwert, für neun Monate im flachen Brackwasser von Meeresbuchten oder Flussmündungen zum Rösten (S. 362). Nach dieser Zeit werden sie wieder an Land gebracht, getrocknet und mit Hölzern geklopft, um die Fasern von anhängenden Gewebeteilen zu befreien. Die Fasern werden auch ohne Röste maschinell gewonnen. Die Fasern lassen sich verspinnen und liefern Garne für Seile, Taue, Teppiche, Matten und Läufer, für Wandbespannungen und viele Bedarfe des Alltags. Kurzfasern dienen als Polstermaterial. Gewinnung und Verarbeitung der Coirfasern sind besonders bedeutsam im indischen Staat Kerala. 5.2 Holzliefernde Pflanzen Holz ist ein fester und zugleich elastischer Gewebekomplex, in dem das aus Cellulose bestehende Gerüst der Zellwände mit Lignin inkrustiert (verholzt) ist. Bei Bäumen und Sträuchern von Gymnospermen und Dikotyledonen besteht es vorwiegend aus wasserleitenden Elementen wie Tracheiden (bei Nadelhölzern) oder aus Tracheiden und Tracheen (Gefäßen; bei dikotylen Laubhölzern). Dazu treten Sklerenchymfasern und Holzparenchym. Alle diese Elemente bilden den vom Bast und Phloem umgebenen zentralen Körper der Sprossachse (Xylem, Holzteil) und kommen durch sekundäres kambiales Dickenwachstum zustande. Soweit von Monokotyledonen Holz überhaupt gebildet wird (z. B. bei Palmen, Bambus- und Calamus-Arten), handelt es sich um den primären verholzten Zentralzylinder, der aus kollateralen, mit Sklerenchymfasern umgebenen Leitbündeln und Parenchym aufgebaut und von der primären Rinde ummantelt ist. Seine Erstarkung beruht auf primärem Dickenwachstum (S. 25). Während die Achsen monokotyler Pflanzen dementsprechend keine Jahresringe aufweisen, treten solche bei Gymnospermen und Dikotyledonen vielfach aufgrund des jahresperiodischen Wechsels von dünnwandigem, weitlumigem Frühjahrsholz und dickwandigem, englumigem Spätjahrsholz in Erscheinung. Auch sind die Stämme der Nadelbäume und dikotylen Laubbäume meist in ein durch Einlagerung (Imprägnierung) von unterschiedlichen Sekundärstoffen in die Zellwände (Verkernung) gekennzeichnetes dunkleres, nicht mehr saftleitendes, zentrales Kernholz und ein äußeres helleres Splintholz gegliedert, das noch der Wasserleitung dient. Die Kernholzfarbstoffe (Phlo- Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. engl. coconut palm, franz. cocotier, span.cocotero Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae verwendete Pflanzenteile: Mesocarp der Steinfrüchte