Granularzelltumor der Zunge - Ruhr

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Zahnmedizin
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Seltene Tumoren der Mundhöhle
Granularzelltumor der Zunge
Fotos: Kunkel
Martin Kunkel, Torsten E. Reichert
Abbildung 1: Exzisat des Tumors im Anschnitt.
Es zeigt sich eine unmittelbar subepithelial
gelegene, weißliche Läsion ohne umgebende
Kapsel ( ➞ ).
Kasuistik
Eine 42-jährige Patientin wurde wegen einer nodulären Veränderung des rechten
Zungenkörpers überwiesen. Palpatorisch
handelte es sich um einen Befund in einer
Ausdehnung von etwa drei Millimetern, der
unmittelbar unter der Schleimhaut gelegen, als kugelförmiges Knötchen imponierte. Die Patientin hatte den Befund seit
einigen Wochen gespürt und meinte zuletzt ein Größenwachstum wahrzunehmen.
Schmerzen, Sensibilitätsstörungen oder
Funktionsbehinderung bestanden nicht.
Ein Aufbisstrauma oder auch eine Fremdkörpereinsprengung wurde anamnestisch
verneint.
Der klinisch nicht sichtbare Befund wurde
in toto exzidiert. Hierbei zeigte sich eine im
Anschnitt weißlich-gelblich erscheinende
Läsion (Abb. 1), die unmittelbar subepithelial gelegen war. Der noduläre Befund erschien gegen die Muskulatur nicht klar abgegrenzt und wies keine Kapselbildung auf.
Histologisch (Abb. 2 a,b) zeigte sich ein unmittelbar unter dem Plattenepithel gelegener, aus großen polygonalen Zellen zusammengesetzter Tumor. Die Zellen weisen ein
eosinophiles, ausgeprägt granuläres Zytoplasma auf. In der immunhistologischen
Darstellung wird S-100, ein typischer Marker neuraler Zellen, exprimiert (Abb. 3). Es
ergab sich damit die abschließende Diagnose eines Granularzelltumors der Zunge.
Diskussion
Granularzelltumoren oder Abrikossoff-Tumoren sind seltene benigne Neubildungen,
die sich im Kopf-Hals-Bereich insbesondere
an der Zunge und in der Schleimhaut des
Ösophagus manifestieren [Billeret Lebran-
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen Ihren differentialdiagnostischen
Blick schulen.
chu, 1999]. Sie werden heute überwiegend
als Derivate neuraler Zellen aufgefasst, so
dass mitunter auch die Bezeichnung Granularzell-Schwannom verwendet wird [Neville
et al., 2002]. Obwohl benigne, sind diese
Tumoren nicht durch eine Kapsel abgegrenzt. Vom histologischen Bild ist ein
pseudoinvasives Wachstumsmuster, insbesondere in die benachbarte Muskulatur, besonders charakteristisch (Abb. 4). Es ist daher nicht verwunderlich, dass aufgrund der
engen Beziehung zur Muskulatur dieser Tumor von seiner Erstbeschreibung her [Abrikossoff, 1926] myogenen Ursprungs, als
Granularzell-Myoblastom
angesprochen
wurde.
Granularzelltumoren treten überwiegend
solitär auf und betreffen etwas häufiger das
weibliche Geschlecht. Eine maligne Verlaufsform ist sehr ungewöhnlich und wird
lediglich bei ein bis drei Prozent dieser ohnehin seltenen Tumoren gesehen [Becelli et
al., 2001]. Aufgrund der lokalen Invasionstendenz besteht die Therapie der Wahl
trotz des benignen Charakters der Läsion in
der erweiterten Exzision und einer regel-
Abbildung 2: Histologischer Aspekt des Tumors (HE-Färbung, Originalvergrößerung 400x). Es zeigt sich das typische Zellbild eines Granularzell-Tumors, bestehend aus großen irregulär geformten Zellen mit einem ausgeprägt granulären Zytoplasma. Atypiezeichen finden sich nicht.
zm 94, Nr. 11, 1. 6. 2004, (1412)
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Fazit für die Praxis
Abbildung 3: Immunhistologische Darstellung
(Originalvergrößerung 200x) von S-100,
einem Protein, das unter anderem auf
neuralen Zellen exprimiert wird.
Es zeigt sich die massive Anfärbung der
granulären Zellen.
mäßigen Nachkontrolle [Piazza et al.,
1999]. Für die zahnärztliche Praxis stellt
diese Entität vor allem eine seltene Differentialdiagnose zu kleinen Speicheldrüsen-Extravasationszysten oder zu Tumoren der
kleinen Speichedrüsen dar.
PD Dr. Dr. Martin Kunkel
Prof. Dr. Dr. Torsten E. Reichert
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Johannes Gutenberg-Universität
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Abbildung 4: Histologischer Aspekt an der Tumorbasis (HE-Färbung, Originalvergrößerung
200x). Obwohl keine zytologischen Zeichen
der Malignität vorliegen, zeigt sich ein regelrecht invasives Wachstumsverhalten gegenüber der benachbarten Muskulatur.
Die Tumorzellen wachsen zwischen den aufgesplitterten Muskelzellverbänden vor.
Dieser Wachstumstyp ist charakteristisch für
den Granularzelltumor.
Das histologische Präparat wurde freundlicherweise von Dr. Kreft, Institut für
Pathologie der Johannes Gutenberg-Universität (Direktor: Prof. Dr. Kirkpatrick) zur
Verfügung gestellt.
■ Granularzell-Tumoren sind seltene,
benigne Tumoren, die im Arbeitsgebiet
der Zahnheilkunde vor allem die Zunge
betreffen können und hier als kleine
noduläre Läsionen imponieren.
■ Es handelt sich um ein Beispiel einer
Läsion, bei der trotz des benignen Charakters eine regelmäßige Nachsorge erfolgen sollte.
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zm 94, Nr. 11, 1. 6. 2004, (1413)
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