UND ANDERSWO …? 695 Und anderswo …? Antoine de Torrenté Fragestellung Fast die Hälfte der Raucher startet pro Jahr zwei Aufhörversuche. Dabei probieren ca. 50% ihren Konsum schrittweise zu reduzieren und fast 70% greifen auf pharmakologische Unterstützung zurück. Die meisten Studien haben jedoch gezeigt, dass ein sofortiger Rauchstopp erfolgreicher ist als eine schrittweise Entwöhnung. Dennoch bleibt dies umstritten. Vareniclin (V) (Champix®), ein partieller Agonist am α₄β₂-Nikotinrezeptor, trägt häufig zu einer Verringerung des Tabakkonsums, bzw. zur vollständige Abstinenz bei. Wie wirksam ist er bei Rauchern, die ihren Tabakkonsum schrittweise verringern wollen? tens zehn Zigaretten täglich. Ihr CO-Gehalt in der Ausatemluft betrug über 10 ppm, was ein Zeichen von Tabakkonsum ist. Ein Ausschlusskriterium waren Suizidgedanken oder ein Suizidversuch in den zwei Jahren vor Studieneinschluss. Die Probanden wurden gebeten, ihren Tabakkonsum in Woche 4 möglichst um 50 und in Woche 8 um 75% zu reduzieren sowie diesen in Woche 12 versuchsweise vollständig zu beenden. Bei jeder Untersuchung (insgesamt 18) wurde der CO-Gehalt gemessen. Alle Teilnehmer bekamen eine Broschüre mit Ratschlägen zur Raucherentwöhnung. Zusätzlich erhielten sie zehn telefonische Konsultationen. Eine Gruppe erhielt zwei mal 1 mg Vareniclin und eine andere Plazebo. Primärer Endpunkt war die Abstinenzrate, gemessen am CO-Gehalt in der Ausatemluft, in den Wochen 15 bis 24 der Behandlungsphase. Methode Die randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie wurde in 61 Zentren in zehn Ländern durchgeführt. Sie bestand aus zwei Teilen: Einer 24-wöchigen Behandlungs- und einer 28-wöchigen Nachbeobachtungsphase. In den ersten zwölf Wochen erfolgte die schrittweise Reduktion, in den zwölf darauffolgenden Wochen die Abstinenzphase. Die Patienten waren über 18 Jahre alt und rauchten mindes- Resultate In jede Gruppe wurden 760 Probanden eingeschlossen. In Woche 4 hatten 47% der Personen unter Vareniclin ihren Tabakkonsum um 50% reduziert oder waren abstinent, gegenüber 31% unter Plazebo. In Woche 21 bis 24 waren dies 38% unter Vareniclin und 12,5% unter Plazebo. Zu Studienende (Woche 52) betrug die Abstinenzrate 27 vs. 10%. Alle Zahlen waren signifikant. Fast 30% der Personen unter Vare- Antibiotika: nicht übertreiben! Die «Infectious Diseases Society of America», die an der «Choosing Wisely Initiative» teilnimmt, hat folgende Empfehlungen herausgegeben: – Keine Antibiotika bei asymptomatischer Bakteriurie. – Keine Antibiotika bei Infektionen der oberen Atemwege. – Keine Antibiotika bei Stauungsdermatitis der unteren Extremitäten. – Keine antibiotische Prophylaxe bei Patienten mit Mitralklappenprolaps. P.S.: In der amerikanischen Landwirtschaft wurden im Jahr 2011 15 Millionen Tonnen Antibiotika zur Steigerung der Fleischproduktion eingesetzt. Ein Hoch auf die ökologische Viehhaltung! Physician’s First Watch. 2015; February 24. Zigarettenentwöhnung: schrittweise Reduktion? Wichtige Ausnahme: Im Falle einer asymptomatischen Bakteriurie bei Schwangeren ist eine Antibiose zur Vermeidung einer Pyelonephritis angezeigt. (Tolosa JE. Antibiotics for asymptomatic bacteriuria in pregnancy. Kommentar der RHL [letzte Überarbeitung: 14. Januar 2008]. The WHO Reproductive Health Library Geneva. Weltgesundheitsorganisation.) Infektiöse Diarrhoe: bei Kindern gar nicht so harmlos … Die Entwicklung von 32 Kindern nach einer Episode mit infektiöser Diarrhoe wurde mit einer gematchten Gruppe von Kindern mit kleineren Verletzungen verglichen. In der Gruppe nach infektiöser Diarrhoe traten noch sechs Monate später signifikant häufiger Verdauungsstörungen in Form von Reizdarm, Obstipation und Bauchschmerzen auf: 47 vs. 16%. Dabei bestand kein Unterschied zwischen bakteriell oder viral bedingter Diarrhoe. Zwei Fragen: Warum wiesen 16% der «normalen» Kinder Verdauungsbeschwerden auf? Besteht bei Kindern mit einer Prädisposition für funktionelle Verdauungsbeschwerden möglicherweise ein SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(31–32):695 niclin litten unter Übelkeit, gegenüber 10% in der Plazebogruppe. Es traten keine psychiatrischen Probleme auf, die eine gefürchtete Nebenwirkung von Vareniclin sind. Probleme Die Studie gilt ausschliesslich für gesunde Probanden und schliesst Patienten mit psychiatrischen Problemen (die oftmals starke Raucher sind), Lungen- oder kardiovaskulären Erkrankungen aus. Kommentar Die Resultate sind für Raucher, die eine schrittweise Entwöhnung versuchen, positiv. Allein in den USA sind dies 14 Millionen Menschen. Ein zusätzlicher interessanter Fakt war der relativ hohe Asiatenanteil (23%), da in asiatischen Ländern der Tabakkonsum häufig extrem hoch ist. Nicht zu vergessen, die erhöhte Motivation durch die 18 Untersuchungen und die telefonischen Konsultationen. Was die Unternehmen dieses tödlichen Geschäfts jedoch freuen dürfte: Lediglich 27% der Vareniclingruppe und 10% der Plazebogruppe waren zu Studienende abstinent. Mit dem Rauchen aufzuhören ist eben sehr sehr schwer (persönliche Erfahrung! …) Ebbert JO, et al. JAMA 2015;313:687. höheres Risiko an infektiöser Diarrhoe zu erkranken? Pensabene L, et al. J Pediatr. 2015; February 4. Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom Fast zwei Millionen im dänischen nationalen Geburtenregister erfasste Personen wurden von der Geburt bis 2013 beobachtet. 32 000 litten an einem Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom. In 25 Millionen Patientenjahren verstarben 5580 Personen. Die Sterberate betrug bei hyperaktiven Personen 5,85/10 000 Patientenjahre, gegenüber 2,20 bei anderen. Nach der Bereinigung um Störfaktoren betrug die Risk Ratio für die Sterblichkeit der hyperaktiven Personen 2,07. Die Hauptursache waren Unfälle, wobei Frauen stärker gefährdet waren. Könnte man diese erhöhte Mortalität durch eine frühzeitige Behandlung verringern? Dalsgaard S, et al. Lancet. 2015; February 25. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)61684-6.