Zusammenfassung 8. Zusammenfassung In dieser Arbeit sollte die Synthese von N-heterozyklischen Carbenkomplexen und den entsprechenden Biokonjugaten etabliert werden. Desweiteren sollten erste Untersuchungen zur Eignung von N-heterozyklischen Carbenkomplexen als biologisch aktive Substanzen durchgeführt werden. Es wurden vor allem Komplexe analoger Phosphanverbindungen hergestellt, um den Einfluss des isolobalen Ligandenaustauschs zu beurteilen.[153] Als Ligandenvorstufe wurden Imidazoliumsalze ausgewählt, die in ihrer Struktur der Aminosäure Histidin ähneln, ebenso wie Thiazolylalanin als Seitenketten-funktionalisierbare Aminosäure. Als Biomolekül-Modellverbindungen wurden entweder einzelnen Aminosäuren oder [Leu]Enkephalin-Tyr gewählt, mit der Sequenz H-Gly-Gly-Phe-Leu-OH. Im ersten Teil dieser Arbeit wurden unterschiedliche Ligandenvorstufen hergestellt, die alle eine funktionelle Gruppe für weitere Kopplungen beinhalten. Des Weiteren wurden Thiazolium-Salze von Thiazolylalanin hergestellt, die direkt an ihrer freien Carboxyl-Gruppe funktionalisiert wurden. Zusätzlich wurden Imidazoliumpeptid-Salze in Lösung und an der festen Phase (SPPS) synthetisiert, so dass eine spätere Funktionalisierung mit einem Biomolekül unnötig wird. Ein Charakteristikum ist der [M-Halogen]+-Peak im Massenspektrum (ESI, pos. Modus), der unabhängig von funktionellen Gruppen oder Heterozyklus (Thiazol, Imidazol) für alle hergestellten Salze gefunden wurde. Die Herstellung funktionalisierter Carbenkomplexe durch in situ Deprotonierung zum freien Carben war nur im Falle Wolframcarbonylkomplex ließ von sich Verbindung jedoch 22 nicht erfolgreich. weiter zu Der einem so erhaltene Biokonjugat funktionalisieren. Daher wurden zur Komplexsynthese NHC-Silber-Komplexe aus den Imidazolium- oder Thiazoliumsalzen mittels Ag2O hergestellt. Da die Silber-Carbenkohlenstoffbindung durch ihre Labilität ein ideales Carben-Transferreagenz darstellt, wurden Metallkomplexe von Ruthenium(II), Rhodium(I, III) und Gold(I, III) durch Transmetallierung dargestellt. Der Vorteil dieser Methode ist die Toleranz vieler funktioneller Gruppen (Ausnahme Dreifachbindungen und Carboxylgruppen). 93 Zusammenfassung Die Imidazoliumsalze ohne Aminosäuren als Reste am Imidazolring ließen sich alle zum Silbercarben, bzw. zum gewünschten Metallkomplex umsetzen. Wurden im Falle der Imidazoliumsalze Peptidketten als Seitengruppe am Stickstoffatom eingeführt, so wurde festgestellt, dass ab einer Peptidlänge von drei Aminosäuren keine Umsetzung mehr zum gewünschten Komplex auftrat. Problemlos in Lösung darstellbar war z.B. Verbindung 26, die mit einer Aminosäure an der Seitenkette funktionalisiert ist. Um längerkettige Peptidkomplexe mittels SPPS herzustellen, wurde in NMR-Studien die Toleranz der Metall-Carben-Kohlenstoffbindung gegenüber verschiedenen TFA- Konzentrationen bestimmt (Abspaltreagenz), um das geeignete Harz zu ermitteln. Die Ruthenium-Carbene stellten sich als stabil genug heraus, um an ein Festphasen-gebundenes Peptid gekoppelt zu werden und anschließend unter leicht sauren Bedingungen abgespalten zu werden. Verbindung wurde 29 daher mittels SPPS hergestellt und vollständig charakterisiert.[123] N Ru N O Cl N Cl N N Ru Cl Cl HN N H N O H3CO O O N H H N O O Rh Cl N H Cl OH H N O O 26 29 O N H OCH3 O 30 Abbildung 8.1: Strukturen der Verbindungen 26, 29 und 30. Für Rhodium-Carbenbiokonjugate wurde auf Kopplung in Lösung zurückgegriffen und Verbindung 30 als Modellverbindung hergestellt. Von kationischen NHC-Gold-Komplexen ist hinlänglich bekannt, dass sie antimitochondriale Eigenschaften aufweisen, und somit großes Potential als Antitumortherapeutikum besitzen.[90, 92, 95] Die Eignung als Zytostatika wurde in dieser Arbeit für lineare Gold(I, III)- Carbenkomplexe untersucht. 94 Zusammenfassung Um den sterischen Anspruch der Imidazolium-Ligandenvorstufen zu erhöhen, wurden Tertbutyl- und Diphenylmethylgruppen eingeführt, wodurch exklusiv lineare NHC-GoldKomplexe hergestellt werden konnten. Alle in dieser Arbeit diskutierten Gold-Carbene sind vollständig analysiert worden und weisen insbesondere im 13 C NMR charakteristische chemische Verschiebungen für die Metall-Carbenkohlenstoffbindung auf. Je nach ancillaren Ligand (S-R, Cl, Br) und Oxidationsstufe des Goldatoms (I, III) wurden typische Verschiebungen gefunden. Biologische Eigenschaften wie z.B. die Membrandurchlässigkeit sind wichtige physikochemische Parameter, die relevant für die Eignung als potentieller Wirkstoff sind. Daher wurde auch die Lipophilie, als ein solcher Parameter, von den Rutheniumverbindungen 29 und 32a untersucht. Allerdings konnte der Wasser/n-Octanol-Verteilungskoeffizient logP nicht bestimmt werden, da die Bildung einer neuen hydrophileren Spezies bei Verwendung der HPLC-Methode beobachtet wurde. Diese wurde mittels HPLC-Untersuchungen und ESIMassenspektren als Hydrat-Komplexe identifiziert. Anstelle der Metall-Chloridbindung konnte ein vollständiger Austausch mit Wassermolekülen als wahrscheinlich bestimmt werden. Dieses Verhalten ist analog bekannter Ruthenium-Aren-Verbindungen (RAPTAKomplexe).[154-156] Der logP-Wert der Gold-Carbene konnte nur anhand des Löslichkeitverhaltens abgeschätzt werden, da bei Zugabe von Wasser zu organischen Lösemitteln, teilweise oder vollständige Präzipitation auftrat (vgl. Abschnitt 6). Die Goldverbindungen werden mit wachsender Größe der Seitenketten am Stickstoffatom des Imidazolrings immer lipophiler. Zytotoxische Untersuchungen wurden von den Ruthenium-Carbenen und den Goldverbindungen auf den humanen Zelllinien HeLa, HepG2 und HT-29 durchgeführt. Im Falle der Rutheniumverbindungen wurde keine Wachstumsinhibierung gefunden (IC50 > 500 µM). Daher wurden ihre antimetastatischen Eigenschaften untersucht (s.u.). Im Falle der lipophilen Gold-Verbindungen konnten für alle getesteten Substanzen IC50Werte bestimmt werden. Der Einfluss der Oxidationsstufe auf die zytotoxischen Eigenschaften, z.B. durch Reduktion der Gold(III)-Verbindung zu einer Gold(I)-Verbindung unter Freisetzung von zellschädigendem Brom, konnte nicht gefunden werden.[157] Auffallend war, dass die unfunktionalisierten Verbindungen (40a-40c) die größte Aktivität auf diesen Zelllinien aufwiesen, vergleichbar mit Cisplatin. Es ist bekannt, dass NHC-AuFragmente bevorzugt an Schwefel binden. Um den Einfluss der Biokonjugation am Goldatom 95 Zusammenfassung direkt zu untersuchen, wurden von der Verbindung 40a durch Austausch des ancillaren Chloridligandens Thiol-Peptidkonjugate hergestellt. Da bei dem Dipeptidkonjugat 42 die Aktivität bereits stark nachlässt, kann das [NHC-Au]+-Fragment, das in allen Verbindungen vorhanden ist, nicht alleine ausschlaggebend für die biologische Aktivität sein. N Au S N N NHBoc N AuCl Au S HN N O O OH O O 40a IC50 : 3.3 NHBoc N 42 43 17.3 3.4 Abbildung 8.2: IC50- Werte von 40a, 42 und 43 auf HeLa-Zellen (Kristallviolett-Assay). Die bisher durchgeführten Tests auf antimetastatische Aktivität lassen auf eine dosisabhängige Inhibierung der Zellablösung der untersuchten humanen, hoch-invasiven Brustkrebszelllinie MDA-MB-231 schließen. Die Aktivität ist umgekehrt proportional der Länge des Restes am Imidazolstickstoff und der zunehmenden Komplexität der Seitenkette. Anscheinend sind kleine unfunktionalisierte Ruthenium-Komplexe, oder RutheniumEthylesterkomplexe besonders geeignet. Im Vergleich mit der antimetastatisch wirkenden Verbindung NAMI-A zeigten die Verbindungen 31a und 33 gleich gute Eigenschaften. Um die Eignung der Verbindungen besser zu verstehen, werden aktuell Tests mit anderen Zelllinien mit unterschiedlich starken invasiven Charakteristika durchgeführt. Anhand der erhaltenen Ergebnisse für die Ruthenium- und Goldcarbene scheinen zu große biologische Reste die Aktivität als Zytostatika oder Antimetastatika zu verringern. Dies kann entweder durch zu hohe Lipophilie der Verbindungen hervorgerufen werden, oder durch eine Inaktivierung des Organometallfragmentes. Bei der Untersuchung der Rutheniumverbindungen konnten ähnliche Eigenschaften in Bezug auf biologische Aktivität und Hydrolyse wie für die Phosphan-Analoga (RAPTA) festgestellt werden. Zukünftig sollten 96 Zusammenfassung weitere Tests durchgeführt werden, um einen möglichen Wirkmechanismus für das antimetastatische Verhalten zu finden. Für weitere Untersuchungen sollte versucht werden, besser wasserlösliche lineare NHC-GoldVerbindungen herzustellen, beispielsweise durch Funktionalisierung am Gold durch gut wasserlösliche Peptide. Des Weiteren wäre es interessant, die Rhodium(III)-Verbindungen ebenfalls auf antimetastatisches Verhalten zu untersuchen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass NHC-Komplexe nur bedingt für die Fmoc-SPPS geeignet sind, da die Metall-Carbenkohlenstoffbindung nur Abspaltbedingungen für extrem säurelabile Linker toleriert, was die Auswahl an Peptiden stark einschränkt, da viele Aminosäuren Schutzgruppen tragen, die nur im stark sauren Milieu abgespalten werden können. 97