Durchdachte Performance auf zwei Rädern

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VerschleiSStest: 11-fach-Getriebe
Auf den
Zahn
Gefühlt
Text und Fotos: Robert Kühnen
Das Getriebe am Fahrrad ist eigentlich ein Unding.
Filigrane Zahnräder, dicht an dicht gepackt und
nach Maßstäben des Maschinenbaus mit zu wenigen Zähnen versehen, werden mörderischen Kettenkräften ausgesetzt. Und das ganz ohne Schutz
vor der rauen Biker-Umwelt. Matsch, Lehm, Sand,
Staub – alles, was unter die Räder kommt, gelangt
auch auf die Kette; der Dreck wird geradezu magisch angezogen vom Schmierstoff, ohne den keine Kette geschmeidig läuft. Überall, wo Metall
auf Metall trifft und dazwischen auch noch Dreck
schmirgelt, wird Material abgetragen. Zwischen
Bolzen und Laschen der ungedichteten Ketten,
und an den Flanken der Ritzel und Blätter erodiert
auch härtester Stahl, ganz zu schweigen vom viel
weicheren Aluminium. Nur durch rechtzeitigen
Tausch verschlissener Komponenten, insbesondere
der Kette, bleibt der Antrieb betriebssicher (siehe
Kasten „Schlau wechseln“).
Der Verschleiß folgt einer einfachen Logik: je höher die Kräfte und je kleiner die Kontaktflächen,
desto höher der Abrieb. Wenn mehr Ritzel auf dem
gleichen Bauraum Platz finden müssen, liegt der
Verdacht nahe, dass die Kontaktflächen zwangsläufig kleiner werden und der Verschleißdruck zunimmt. Sind Elffach-Antriebe also nur etwas für
Besserverdiener, denen die Kilometerkosten beim
Biken egal sein können?
Zahnausfall gestoppt
Sram hält dagegen und verspricht für seine XX1Elffach-Kette eine viermal höhere Lebensdauer
als bislang. Grund soll eine spezielle Beschichtung
und Härtung sein. Auch Shimano wirbt mit einer neuen, reibungsmindernden Beschichtung der
Elffach zeichnet sich bei Rennrädern und Mountainbikes als
neuer Ritzelstandard ab. Trekkingbikes werden folgen. Kann das
gut gehen? Oder ist bei immer
dünneren Ketten und Ritzeln
extremer Verschleiß vorprogrammiert? Der Labortest klärt auf.
XTR-Kette. Marketing-Zauber oder technischer
Fortschritt? Um den Verschleiß unter kontrollierten Bedingungen zu testen, hat unser Schwes­
termagazin BIKE drei 1x11-Antriebsstränge auf
dem Kettenprüfstand einem rigorosen Test unterzogen: Sram XX1, Sram X1 und Shimano XTR
wurden 45 Stunden lang mit groben Kräften, Sand
und Wasser traktiert (siehe auch „Der Test im Detail“ auf Seite 70).
Das Ergebnis ist überwiegend positiv. Die SramXX1-Kette ist trotz nochmals verringerter Breite tatsächlich der beste Gliederstrang, den die
Deutsch-Amerikaner bislang gebaut haben. Sowohl der Gelenkverschleiß als auch der Rollenverschleiß fallen deutlich geringer aus als bei den
Zehnfach-Ketten. Die höhere Materialqualität
zeigt Wirkung und kompensiert die schmalere Bauweise. Auch die günstigere X1-Kette hat deutlich
härtere Rollen als die Zehnfach-Ketten von Sram.
Im Gelenkverschleiß, der für die Lebensdauer der
Kette maßgeblich ist, liegt sie auf gutem, mittlerem Niveau. Shimanos Elffach-XTR-Kette zeigt
jedoch einen etwas größeren Gelenkverschleiß
als die 2011 extrem gut getes­tete Zehnfach-XTR.
Shimano büßt also etwas an Kettenfestigkeit ein,
während Sram aufholt.
Auch bei den Kettenblättern hat sich Sram verbessert. Wurden die Alu-Blätter beim letzten Test
von Neunfach- und Zehnfach-Gruppen bis zum
teilweisen Zahnausfall getrieben, zeigen sie im aktuellen Testlauf zwar deutliche Verschleißspuren,
sind zum Testende aber noch intakt. Abhängig
vom Schräglauf, so die Erfahrungen aus der Praxis, kann sich der Verschleiß aber weiter steigern.
Groß-groß lässt die Zähne seitlich schmelzen und
verschlechtert die Führungsqualitäten der X-SyncBlätter.
Fazit
Dipl.-Ing. Robert Kühnen
„Die Hersteller haben einen
guten Job gemacht und die
Elffach-Komponenten recht
robust gestaltet. Die Haltbarkeit liegt auf einem Niveau mit
den Zehnfach-Antrieben. Beim
Einfach-Blatt wäre aber Stahl
als Zahnradwerkstoff vorne
wünschenswert. Dies würde
die Wechselintervalle deutlich
verlängern.“
434 EURO FÜR EIN RITZELPAKET SIND HEFTIG.
DESHALB: KETTE RECHTZEITIG WECHSELN!
1-2016 TREKKINGBIKE
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Der Test im Detail
Gleiche Bedingungen für alle:
Nur ein Test im Labor ermög­
licht einen objektiven Vergleich.
Folterkammer: Jeder Antrieb wurde im Testlabor 45 Stunden lang mit groben Kräften, Sand und Wasser traktiert.
Schlau wechseln
Verschleiß lässt sich beim Radfahren nicht vermeiden. Wer hohen Kosten
vorbeugen will, sollte rechtzeitig die Kette tauschen. Was sich übrigens
auch im Sinne der Sicherheit empfiehlt.
Ketten und Ritzel sind Verschleißteile. Im
Betrieb längt sich die Kette unweigerlich und
ändert ihre sogenannte Teilung: Aus anfangs
gleichmäßigen 12,7 Millimetern Abstand
von Bolzen zu Bolzen wird eine Abfolge von
lang-kurz-lang. Dies hinterlässt Abdrücke
in den Zahnrädern und führt langfristig
zum Durchrutschen der Kette auf kleinen
Zahnrädern. Um diesen Effekt zu vermeiden,
empfiehlt es sich, die Ketten spätestens
bei einem Gelenkverschleiß von 0,075 mm/
Raffinierte Lösung: Shimano krönt sein Alu-Blatt mit
Gelenk zu tauschen. Die Längung misst man
Zähnen aus Titan. Das hält den Verschleiß in Grenzen. am einfachsten mit einschwenkbaren Kettenlehren wie der Rohloff Caliber. Hat man den
Wechselzeitpunkt verpasst, funktioniert eine
neue Kette nicht mehr mit den eingefahrenen
Ritzeln. Man kann dann die gelängte Kette
weiter runternudeln, was oft noch eine ganze
Weile gutgeht. Allerdings schwindet dabei die
Betriebssicherheit. Die Kette wird schlechter geführt und kann plötzlich ausfallen.
Dann muss das gesamte Getriebe getauscht
werden. Gerade bei hochwertigen Antrieben
sollte man daher besser regelmäßig die Kette
checken und frühzeitig wechseln. Dann halten die Kassetten einige Kettenleben lang.
Schön und leicht: Das Alu-Blatt von Sram zeigt nach
dem Test deutlichen Verschleiß, ist aber noch intakt.
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TREKKINGBIKE 1-2016
Bitte mehr Stahl!
Shimano setzt bei der XTR auf ein Hy­brid-Blatt
mit Alu-Träger und hohen Titanzähnen. Diese raffinierte Bauweise erhöht das Gewicht gegenüber
einem Alu-Blatt um magere 30 Gramm, verbessert
das Verschleißverhalten aber deutlich. Es bestätigt
sich einmal mehr, dass Alu als Zahnradwerkstoff
nur dritte Wahl ist. Noch verschleißfester und
deutlich kostengünstiger als Titan wäre Stahl als
Zahnradmaterial. Aber eben auch noch ein paar
Gramm schwerer. Weshalb es bei den Edelgruppen
nicht zum Einsatz gelangt.
Wolftooth Components aus den USA fertigt Edelstahlblätter für die Sram-Kurbeln mit Direktaufnahme (nur mit 24 Zähnen, 99 Dollar). Dieses Teil
dürfte eine deutlich bessere Standzeit besitzen als
die Originalblätter. Denn je kleiner das Blatt vorne
gewählt wird, desto größer werden die Kettenkräfte bei gleicher Tretleistung. Wer also sein 29er-Bike
mit 1x11 berggängig und verschleißfest machen
möchte, hat mit dem harten 24er-Edelstahlblatt
eine interessante Tuning-Option.
Vorbildlich gering ist der Verschleiß der SramElffach-Kassetten. Die XX1 setzt auf die bewährte
X-Dome-Technik, bei der das ganze Ritzelpaket
bis auf den Alu-Rettungsring aus einem massiven
Stahlblock gefräst wird. Ein wahnwitziges, verschwenderisch anmutendes Verfahren, mit allerdings beeindruckendem Ergebnis. Das Fräskunstwerk ist superleicht und überdurchschnittlich
haltbar. Aber der Preis ist entsprechend. 434 Euro
Listenpreis für ein Verschleißteil sind heftig. Und
auch die günstigsten Preise im Web liegen nur et-
Rückenwind
aus deR steckdose
Das Schmiermittel der Kette zieht den Dreck magisch an. Das Schmirgeln zwingt irgendwann jeden Antrieb in die Knie. Nur mit permanenter Pflege läuft das Getriebe dauerhaft.
Besser Schmieren
© Sram
Jedes Getriebe wurde auf dem Kettenprüfstand einem 45-Stunden-Dauerlauf
unterzogen (entspricht rund 750 Kilometern). Drei Mal wurde während der
Prüfung feiner Quarzsand und Wasser
auf die geschmierte Kette aufgetragen,
um den Verschleiß zu beschleunigen.
Mit einer Verspannkraft von 100 Kilogramm Gewichtskraft haben wir eine
viel gefahrene, mittlere Übersetzung von
32/17–19 mit einer „Trittfrequenz“ von
75 Umdrehungen pro Minute traktiert.
Metallisches Knirschen und Schleifen
kündete akustisch von den zerstörerischen Kräften während der Fahrt. Die
Längung der Kette wurde mehrfach
erfasst und Ritzel und Blätter nach dem
Versuch unter Last mit einer neuen
Kette gecheckt. Zudem wurde der
Zahnabrieb gemessen.
Wie schnell ein Antrieb verschleißt, hängt von den äußeren Bedingungen ab. Und von der richtigen Pflege. Darauf sollten Sie achten.
Der Verschleiß der Kette hängt stark
von den Umweltbedingungen, der
Pflege und den bevorzugten Gängen
ab. Schlammfahrten mit Untersetzungen setzen der Kette am stärksten zu. Regelmäßige mechanische
Reinigung der Kette und Zahnräder
erhöht die Lebensdauer. Bewährt hat
sich eine Kombi-Schmierung: erst
zäh­flüssiges Öl auf die Gelenkspalte
träufeln und über Nacht einwirken lassen. Die Kette dann mit einem Baumwolllappen trocken reiben und mit
Hartwachs (Auto­pflege) versiegeln.
Das Wachs dichtet die Spalte und
zieht keinen Dreck an. So präpariert,
übersteht die Kette ohne Nachschmieren drei Transalp-Etappen.
was unter 300 Euro. Wer die XX1 fährt, sollte seine
Kette immer sehr zeitig wechseln und nicht zu viel
Zeit auf Ritzeln mit weniger als 18 Zähnen verbringen, da hier vorzeitiger Verschleiß droht. Das bis auf
die drei kleinsten Ritzel genietete X1-Paket, ebenfalls mit einem Alu-Abschlussritzel, zeigt sich im
Test genauso standfest, ist mit 321 Euro Listenpreis
aber auch immer noch sehr teuer. Da kommt sogar
das XTR-Paket mit sechs Titanritzeln günstiger, die
paarweise auf Spidern befestigt sind. Die kleinen
Shimano-Ritzel sind nicht so verschleißfest wie die
Sram-Zahnräder, dafür aber einzeln austauschbar.
Dünn und stark
Der Labortest zeigt: Elffach muss nicht mehr Verschleiß bedeuten. Dies deckt sich mit Erfahrungen
beim Rennrad, wo Elffach schon länger Standard ist
und auch den Maßstab in der Haltbarkeit setzt. Wie
lange die Komponenten durchhalten, bestimmen
vor allem die verwendeten Werkstoffe und Härteverfahren. Die Elffach-Technik wird die Kilometerkosten für Normal-Biker daher voraussichtlich
nicht erhöhen, wenn die Technik der Edelgruppen
zu den günstigen Antrieben weitergereicht wird.
@
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