ERDGESPRÄCHE PK - Hintergrundinformation CHANGE TOMORROW TODAY! (Neongreen Network) Pressekonferenz im Rahmen der Erdgespräche 2015 (28.05.2015) DIVEST - RAUS AUS FOSSILEN GELDANLAGEN! WAS IST FOSSIL DIVESTMENT? Das Ziel von „Divestment“-Initiativen ist der Abzug von Vermögen und Kapitalanlagen, die zur Finanzierung der fossilen Energiegewinnung und damit zum Klimawandel beitragen. Öffentliche und private Finanzinstitutionen investieren Milliardenbeträge in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen ohne Berücksichtigung der klimapolitischen Dimension. Dazu zählen auch staatliche Institutionen, Unternehmen, Pensionskassen, Banken, Versicherungen, Universitäten, religiöse Institutionen etc. Doch droht neben den verheerenden Folgen durch den Klimawandel auch ein ökonomisches Risiko. Um die Erderwärmung zu begrenzen (2-Grad-Ziel), muss der Großteil der fossilen Energiereserven im Boden bleiben und verliert damit finanziell an Wert. Investitionen in CO2-intensive Technologien („Carbon Investments“) stellen insofern nicht nur ein enormes ökologisches, sondern auch ein großes finanzielles Risiko dar. Eine CO2-Blase („Carbon Bubble“) am Kapitalmarkt droht. Die Aktienwerte fossiler Brennstoffunternehmen und die Weltmarktpreise fossiler Energieträger richten sich stark nach den vorhandenen Reserven und der Annahme, diese auch nutzen zu können. Da für die Einhaltung des 2°C-Ziels regulative Mechanismen ergriffen und folglich die Verbrennung fossiler Energieträger beschränkt werden müssen, werden diese Unternehmen massiv an Wert verlieren. Die Aktien werden zu sogenannten „stranded assets“ (verlorene Vermögenswerte). Eine Studie der britischen Bank HSBC zeigt, dass der Wertverlust von Unternehmen und Investitionen im fossilen Sektor 40 - 60 % ausmachen könnte. Aktien-, Anleihen- und Kreditexposures der Finanzinstitute in der EU an Unternehmen, die über fossile Brennstoffreserven und fossile Rohstoffe verfügen, haben substanziellen Umfang. Im Rahmen einer Studie im Auftrag der Europäischen Grünen wurde untersucht, inwieweit 43 der größten Banken und Pensionsfonds in fossile Energien investiert haben, und unter Einbeziehung verschiedener Szenarien die möglichen Verluste berechnet. Mehr als 1 Billion € sind in fossilen Energien veranlagt. Die Schätzungen belaufen sich auf ca. 260-330 Milliarden € für die Pensionskassen in der EU, auf 460-480 Milliarden € für Banken und auf 300-400 Milliarden € für Versicherungsunternehmen. Divestment-Initiativen in aller Welt zielen derzeit darauf ab, Kapital aus fossilen Investitionen abzuziehen und stattdessen in klimafreundlichen Alternativen wirksam werden zu lassen. DIE DIVESTMENT-BEWEGUNG Der Klimaschutz und das finanzielle Risiko einer Carbon Bubble bzw. Überlegungen zu ethischer Verantwortung ermuntern Initiativen international – insbesondere in den USA und Teilen Europas – zu einer Abkehr von fossilen Investitionen. Zahlreiche BürgerInnen- und Studierendenbewegungen, Plattformen und Kampagnen versuchen Investoren davon zu überzeugen, von fossilen Brennstoffen Abstand zu nehmen. Auch Finanzexperten beginnen, das Risiko ernst zu nehmen. ERDGESPRÄCHE PK - Hintergrundinformation In den Vereinigten Staaten hat vor allem die NGO 350.org – Mitbegründer Bill McKibben war 2013 Gast bei den Erdgesprächen – das Thema aufgegriffen und eine Kampagne zu “Divestment” gestartet. Mit Erfolg: Mehrere Städte, Universitäten, Kirchengemeinden und Verbände haben schon entsprechende Beschlüsse getroffen, ihr Kapital aus der fossilen Energiegewinnung abzuziehen. ERFOLGSBEISPIELE • Die US-amerikanische Stanford University ist eines der ersten prominentesten Beispiele für „Fossil Divestment“ gewesen. Der Ausstieg bezieht sich dabei insbesondere auf Kohle-Divestment. Weitere Schritte für den Ausstieg aus fossilen Investitionen sind in Diskussion. Kürzlich folgte die University of Washington mit einem ähnlichen Beschluss (2,8 Mrd US-Dollar). • Die University of Glasgow in Schottland war die erste Universität Europas, die ein Divestment im Wert von £128 Millionen beschlossen hatte (Oktober 2014). Dem Beschluss ging eine Kampagne von Studierenden voraus. • Auch Kirchen folgen dem Beispiel und zogen ihre Mittel zurück. Eines der Beispiele ist die Church of England, die erst vor wenigen Wochen aus Kapitalanlagen in die Energiegewinnung aus Ölsanden und Kohle ausgestiegen sind (Wert 12 Millionen britische £). • Norwegen strich im Jahr 2014 rund 114 Firmen (viele davon involviert in Kohleund unkonventionelle Ölförderung) aus Klima- und Umweltschutzgründen aus dem Portfolio seines Staatsfonds (zweitgrößter Staatsfonds der Welt). Dies ist zwar noch weit weg von einem Gesamtausstieg, wird jedoch als erster Schritt interpretiert. • Auch Städte hinterfragen zusehends die Klimawirksamkeit ihrer Kapitalanlagestrategie. Die schwedischen Städte Örebro und Lidköping zogen ihre Investitionen aus fossiler Energiegewinnung zurück. Eine Reihe von US amerikanischen Städten haben ebenso entsprechende Beschlüsse getroffen. “KEEP OIL IN THE SOIL AND COAL IN THE HOLE” Um die mittlere globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 66 Prozent auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, ist es notwendig, die kumulierten CO2-Emissionen seit dem Jahr 1870 weltweit auf etwa 2.900 Gigatonnen (Gt) CO2 einzuschränken. Etwa zwei Drittel davon sind bereits bis zum Jahr 2011 ausgestoßen worden. Das bedeutet, die Menschheit sollte nur noch maximal 1.000 Gt (Spanne von ca. 800 - 1.200 Gt) CO2 emittieren. Dem gegenüber stehen nachgewiesene weltweite Öl, Gas und Kohle Reserven von rund 2.900 Gt CO2. Ein Erreichen der Klimaschutzziele würde voraussetzen, mindestens zwei Drittel davon ungenutzt zu lassen. Insbesondere über 80 % der Kohlereserven dürften nicht angetastet werden. Die Nutzung der fossilen Reserven in Besitz der Top 100 aktiennotierten Kohle- und der Top 100 Öl- und Gasgesellschaften bedeuten Gesamtemissionen von weit über 500 Gt CO2. Der noch größere Anteil ist in Besitz staatlicher Unternehmen und Institutionen. ERDGESPRÄCHE PK - Hintergrundinformation Schon heute sind die Lebensgrundlagen vieler Menschen durch die Folgen des Klimawandels bedroht. An einer Neuorientierung der Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energie wird kein Weg vorbeiführen. FOSSILE SUBVENTIONEN Im Zuge der Divestment-Kampagnen erhalten auch die Berechnungen für fossile Subventionen immer mehr Aufmerksamkeit. Die externen Kosten – etwa durch Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden – spiegeln sich nicht im Preis für fossile Energie wider. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wird der Energieverbrauch allein in diesem Jahr mit 5,3 Billionen Dollar gestützt. Auf lange Sicht würden die Länder mit solchen Subventionen aber vor allem ihren eigenen Bürgern schaden. Auch die Internationale Energieagentur kritisiert seit Jahren öffentliche Subventionen für den Konsum fossiler Energie in der Höhe von über 550 Milliarden US-Dollar (externe Kosten sind hier nicht berücksichtigt). Dies ist fast fünf Mal so viel wie die öffentlichen Beihilfen für erneuerbare Energie. ERDGESPRÄCHE 2015 Die ERDgespräche sind eine Diskussions-, Vortrags- und Vernetzungsveranstaltung organisiert von NEONGREEN NETWORK, die seit 2008 jährlich in Wien stattfinden. Sie lädt NGOs, Unternehmen, öffentliche Institutionen und Interessierte aus der Öffentlichkeit zum Dialog mit den Vortragenden und – nicht zuletzt – zum Dialog miteinander ein.