Jürgen Trinks - Thomas A. Bauer

Werbung
Jürgen Trinks
Faszination des Massenmediums
(aus: Faszination Fernsehen, die Bedeutung des medialen Weltbezugs für den
Menschen der Gegenwart; Jürgen Trinks; Peter Lang – Europäischer Verlag der
Wissenschaften; Frankfurt am Main 2000)
Abstract
Dieser Text versucht eine Erklärung auszuarbeiten, warum das Fernsehen eine
derartig große Faszination auf das Publikum ausübt, bzw. welche (vor allem
psychologischen) Phänomene dafür verantwortlich sind. In diesem
Zusammenhang wird auch der Begriff der „Masse“, im Speziellen der
Unterschied zwischen der konkreten Masse bei Veranstaltungen und der Masse
beim Konsum des Mediums Fernsehen, behandelt. Anschließend wird der
Versuch einer Bewertung des Fernsehens unternommen, indem positive und
negative Seiten aufgezeigt und Vergleiche mit der Kunst angestellt werden.
Zuletzt wird die kulturelle Bedeutung des Fernsehens, also auch der Einfluss des
Massenmediums auf unsere Kultur, erläutert.
Schlagwörter
Trinks, Fernsehen, Faszination, Masse, Psychologie, Wünsche, Unterhaltung,
Berührungsfurcht, Kultur, Kunst
Name: Doris Hennebichler
Matr.-Nr. 0302038
Studienkennzahl: 033/641
696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur
Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, , WS 2004/2005
Zusammenfassung:
Der Text stellt einen Versuch dar, die Gründe für die Faszination des
Massenmediums Fernsehen festzustellen, miteinander in Verbindung zu bringen,
und zu hinterfragen.
Laut Jürgen Trinks liegt die Faszination unter anderem darin, dass sich Menschen
durch das Fernsehen Distanzen aufbauen, um ihre Berührungsfurcht erträglich(er)
zu machen. Die Angst, von etwas Unbekanntem völlig aus der Fassung gebracht
zu werden, es nicht mehr kontrollieren zu können, macht einen Großteil der
Grundhaltung des Menschen aus und beeinflusst ihn in seinen Entscheidungen.
„Nicht vor der Berührung, sondern vor der uns aus der Fassung bringenden
Rührung haben wir eigentlich Angst.“1 Ein Rest von Kontrolle über das
Geschehen soll bewahrt werden.
Trinks geht sogar so weit und vergleicht das Fernsehen mit der Kunst indem er
meint, Fernsehen setze die Kunst fort. „Große Kunst nämlich erschüttert uns und
unser gewohntes Interpretationssystem, aber nicht, damit wir zugrundegehen,
sondern, damit wir uns neu gewinnen können und nicht im Gewohnten
erstarren.“2
Die Ambivalenz des Wunsches des Menschen nach Sicherheit wird in diesem
Text sichtbar. Einerseits will er sich sicher fühlen, andererseits will er aus dieser
Sicherheit ausbrechen, da sie ihn auch beengt. Dieses Ausbrechen und Aufheben
der Distanzen kann durch ein konkretes Massenerlebnis vollzogen werden. „Das
starke Gefühl der Befreiung in einer Masse von Körpern – eher ein Abenteuer als
ein Erlebnis – resultiert gerade aus diesem Widerspruch, einen Körper zu fühlen,
wo doch unüberwindbar und ganz konkret nur einzelne Körper sind.“3 Der
Nachteil ist jedoch, dass dieses Massenerlebnis etwas schnell Zerfallendes ist und
nie ein Dauerzustand sein kann. In den Massenmedien geschieht allerdings eine
1
Trinks, 2000, S. 44
Trinks, a.a.O., S.44
3
Trinks, a.a.O., S. 51
2
-1-
Befreiung von der Differenz der Körper überhaupt. Dadurch, dass man anonym
bleibt, und sich nicht offen zu einer Gruppe bekennen muss, ist man auf Distanz
zur Körperlichkeit gegangen, die verantwortlich für die Vergänglichkeit der
konkreten Masse war. Es wird eine „virtuelle Homogenität größten Ausmaßes
erreicht“4, die eine höhere Stabilität als die konkrete Masse aufweist.
Ein weiterer Punkt den Trinks anspricht ist die Paranoia. Unter Paranoia versteht
er die „radikale Trennung zwischen dem einzelnen und dem Rest der Welt“5, in
Verbindung mit dem Gefühl einer universellen Verschwörung. Er meint, dass
jeder Fernsehzuschauer etwas von einem Paranoiker hat, da er sich die Gefahr
vom Leibe hält und das Risiko einer direkten Auseinandersetzung mit der
Bedrohung nicht eingeht.
Ein Thema, das sehr ausführlich behandelt wird, ist die Verbindung von
Fernsehen und Wünschen. Fernsehproduzenten sehen es als ihre Aufgabe an, alle
möglichen Wunscherfüllungen in Form von Sendungen bereitzustellen, um eine
Vielzahl der Wünsche des unsichtbaren Publikums zu befriedigen. Trinks folgert
daraus einen möglichen „Begehrensverlust durch totales Angebot und
Vereinnahmung“6 und bezeichnet diesen Zustand als eine neue Art der
Unfreiheit. Der „alte“ Unfreiheitssbegriff beklagt immer einen Mangel; dieser
„Neue“ hingegen beklagt die Abwesenheit eines konkreten Mangels.
Problematisch ist hier, dass daraus gefolgert werden kann, dass ein Mangel nur
mehr durch persönlich-individuelle Schuld entstehen kann.
Abschließend geht Trinks noch auf das Verhältnis von Unterhaltung und Kultur
ein. Er plädiert in seinem Text für eine Kultur der Unterhaltung und macht
deutlich, dass diese beiden Begriffe nicht als Gegensätze zu begreifen sind. Er
betont auch, dass Kunst und Unterhaltung sich in einem (seiner Meinung nach)
wichtigen Punkt ähneln, nämlich dass beide im Prinzip funktionslos sind und die
normale Zweckhaftigkeit unterbinden.
4
Trinks, 2000, S. 54
Trinks, a.a.O., S. 47
6
Trinks, a.a.O., S. 60
5
-2-
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Trinks die Attraktivität des
Fernsehens darin sieht, dass es den Wunschvorstellungen (nach Sicherheit und
Unverletzlichkeit) der Masse entspricht und einen Kompromiss zwischen Hingabe
und Vorsicht ermöglicht. Allerdings ist der am meisten betonte Grund der
(psychoanalytisch begründete) Wunsch der Wiederaufnahme des absoluten
Liebesanspruchs an die Mutter, da das Fernsehen eine ständige Präsenz bietet
(oder zumindest zu bieten scheint). Jedoch ist die Erfüllung dieses Wunsches
weder von der Mutter, noch vom Fernsehen, vollkommen verwirklichbar.
Hintergründe des Artikels:
Den Großteil der Grundlage dieses Textes stellt das Buch „Masse und Macht“7
von Elias Canetti dar, das während des ganzen Textes immer wieder als Quelle
von Zitaten herangezogen wird. Obwohl in diesem Buch überhaupt nicht die Rede
vom Fernsehen ist, lassen sich die Einstellungen der menschlichen
Grundhaltungen, die es beschreibt, zur Erklärung der Faszination des
Massenmediums heranziehen. Auch die Struktur und die Gliederung des Textes,
scheinen an die des oben erwähnten Buches angelehnt zu sein.
Weiters stützt sich Trinks immer wieder auf den psychoanalytischen Ansatz von
Siegmund Freud. Dies wird besonders in dem Bereich der Faszination des
Fernsehens durch Wunscherfüllung sichtbar, in dem die Theorie des Lustprinzips
aufgegriffen wird.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Text sehr stark durch die Psychologie,
die Philosophie, aber auch die Kulturkritik, bestimmt ist.
7
Canetti, Elias: Masse und Macht, Frankfurt/Main, 1980
-3-
Zusammenhang zur Medienpädagogik:
Der Zusammenhang zur Medienpädagogik ist, meiner Meinung nach, dadurch
gegeben, dass die Hintergründe für die Faszination des Fernsehens aus der
Nutzen- bzw. Kompensationsperspektive dargestellt werden. Allerdings tritt die
eigentliche Aufgabe der Medienpädagogik, Menschen medienkompetent(er) zu
machen und ihnen den Umgang mit Medien zu erleichtern, stark in den
Hintergrund. Eindeutig sichtbar wird die Beziehung zwischen Medienpädagogik
und dem Text lediglich in dem Punkt, in dem Trinks sich für eine Kultur der
Unterhaltung einsetzt und konkrete Vorschläge zur Verbesserung des
Verhältnisses dieser beiden (scheinbaren) Gegensätze macht. „So wie die
Situation sich entwickelt hat, wird man die Wiedergewinnung eines wirksamen
und selbstbewussten Publikums nicht aus der sauren Arbeit argumentativer
Kleinschrittigkeit entwickeln können, sondern eher aus einem Bewusstsein davon,
daß Denken Freude machen kann, insbesondere, wenn es sich den
Überraschungen durch die Gesprächspartner aussetzt, deren verrückten Einfällen,
ausgesuchten Finessen, geistreichen Formulierungen, ironischen Relativierungen,
entwaffnenden Witzen.“8
Die Relevanz dieses Artikels für die Medienpädagogik ist allerdings nicht zu
unterschätzen, da viele wichtige Punkte nur in ihren Grundzügen dargestellt
werden (z.B. die Auswirkungen der „totalen Wunscherfüllung“ auf die
Gesellschaft bzw. auch die Kultur), aber darauf hingewiesen wird, dass sie einer
genaueren Beschäftigung und Ausarbeitung bedürften. Somit stellt der Text,
meiner Meinung nach, den Anstoß für viele weitere Untersuchungen zu diesem
Thema.
8
Trinks, 2000, S. 64
-4-
Kritik des Artikels:
Grundsätzlich war der Artikel von Jürgen Trinks sehr interessant; durch extrem
komplizierte und verschachtelte Sätze (die man sicherlich auch einfacher
formulieren könnte) war das Lesen, bzw. eher das Verstehen des Textes allerdings
äußerst mühsam. Zusätzlich ist der Artikel sehr philosophisch und psychologisch
geschrieben, was das Verstehen noch zusätzlich erschwert hat.
Meiner Meinung nach war auch der Aufbau des Textes sehr verwirrend, da zwei
aufeinander folgende Themen nicht immer in Zusammenhang stehen und damit
der Lesefluss gestört wird. Ferner konnte ich bei manchen Kapiteln, erst nach
intensiver Suche und langem Überlegen, überhaupt einen Zusammenhang zum
Thema des Textes feststellen.
Außerdem kommt es mir manchmal so vor, als würde Jürgen Trinks zeitweise den
Bezug zum eigentlichen Thema des Textes verlieren und abschweifen.
Bibliographie:
-
Adorno, Th.W.: Negative Dialektik, Frankfurt am Main, 1982
-
Adorno, Th.W.: Prolog zum Fernsehen, in: Eingriffe. Neun kritische
Modelle, Frankfurt am Main, 1970
-
Baas, Bernhard: Das öffentliche Ding. Die Schuld (an) der Gemeinschaft,
in: Gondeck, Hans-Dieter und Widmer, Peter (Hg.): Ethik und
Psychoanalyse. Vom kategorischen Imperativ zum Gesetz des Begehrens:
Kant und Lacan, Frankfurt am Main, 1994
-
Canetti, Elias: Masse und Macht, Frankfurt am Main, 1980
-
Freud, Siegmund: Hemmung, Symptom und Angst (1926), in:
Studienausgabe Bd. VI, Frankfurt am Main, 1982
-
Freud, Siegmund: Jenseits des Lustprinzips, in: Studienausgabe Bd. 3,
Frankfurt am Main, 1982
-
Trinks, Jürgen: Faszination Fernsehen. Die Bedeutung des medialen
Weltbezugs für den Menschen der Gegenwart, Frankfurt am Main, 2000
-5-
Schlagwörter:
Trinks
Fernsehen
Faszination
Masse
Psychologie
Wünsche
Unterhaltung
Berührungsfurcht
Kultur
Kunst
-6-
Herunterladen