Instrumente der Energieplanung Energiepass Die Entwicklung kommunaler Energiekonzepte ist mehr denn je von grosser Aktualität. Die diversen Instrumente, die in Europa bislang entwickelt wurden, werden entsprechend den Interessen der Städte mehr oder weniger häufig genutzt. Um die Energieeinsparpotenziale im Gebäudebestand zu erschließen, ist es wichtig, Transparenz hinsichtlich der energetischen Qualität von Gebäuden zu schaffen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die im April 2002 von dem Europäischen Parlament und Rat verabschiedete Richtlinie über das Energieprofil von Gebäuden. In der Münster (DE) hat der Stadtrat schon 1996 auf freiwilliger Basis den Wärmepaß als Gütesigel für den energetischen Gebäudezustand eingeführt. PROBLEMATIK Auf den Wohn- und den Dienstleistungssektor entfallen über 40% des Energieverbrauches in der europäischen Gemeinschaft. Die Steigerung der Energieeffizienz gerade in diesem Sektor ist ein wesentlicher Bestandteil der politischen Strategien und Maßnahmen, die zur Erfüllung der Auflagen des Kyotoprotokolles erforderlich sind. Die Richtlinie zur Begrenzung der Kohlendioxidemissionen durch effizientere Energienutzung (SAVE/93), nach der die Mitgliedsstaaten Programme zur Energieeffizienz für den Gebäudebereich entwickeln, durchführen und über diese Programme Bericht erstatten sollen, führt jetzt zu ersten spürbaren Ergebnissen. Ein ergänzendes Recheninstrument ist jedoch erforderlich, um konkrete Maßnahmen im Hinblick auf das große ungenutzte Potential für Energieeinsparung und die starke Diskrepanz zwischen den Erfolgen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet festzulegen. Durch die objektive Information über die Energieprofile von Gebäuden bei Bau, Verkauf und Vermietung wird eine Energieprofilzertifizierung zu mehr Transparenz am Immobilienmarkt beitragen und dadurch Investitionen in Energieeinsparungen fördern. Besitzer von energetisch hochwertigen Gebäuden müssen die Möglichkeit haben, sich gegenüber den Mitbewerbern positiv abzuheben. Andererseits brauchen Mieter und Käufer eindeutige Belege für die energetische Qualität von Häusern und Wohnungen, um so zwischen verschiedenen Objekten vergleichen zu können. Dies war Anlaß für das Europäische Parlament und den Rat eine Richtlinie über die Energieprofile von Gebäuden aufzustellen, die im April 2002 verabschiedet wurde. In Deutschland wird die Einführung solcher "Energiepässe" bereits seit mehr als 10 Jahren diskutiert. Besonders engagierte Kommunen haben ihn auf freiwilliger Basis schon eingeführt und bereits Erfahrungen hiermit über mehrere Jahre gesammelt, darunter auch die Stadt Münster, auf dessen "Wärmepass" die Darstellungen im folgenden Abschnitt beruhen. BESCHREIBUNG DES ENERGIEPASSES Haustypologie Vor der Einführung eines Energie- oder Wärmepasses haben alle Kommunen zunächst ein kommunales Energiekonzept erstellt, in dem die Einsparpotientiale und Umsetzungsmassnahmen getrennt nach Sektoren analysiert wurden. Zur Analyse der Energienachfrage und zur Bestimmung des Einsparpotentiales im Bereich der privaten Haushalte haben zahlreiche Kommunen in Deutschland sowie mehrere Landkreise und selbst Bundesländer eine Gebäudetypologie erstellen lassen. Mit deren Hilfe kann der Gebäudebestand in einen regionalen Besonderheiten bezüglich der Effizienz von Sparmassnahmen erfasst werden. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind: > Die Baukonstruktion der Aussenbauteile (Konstruktionsart, Baustoffe) > Das Oberflächen/Volumen-Verhältnis (freistehendes Haus, Doppelhaus, Hochhaus) Energie-Cités/ADEME 2002 Instrumente der kommunalen Energiepolitik Energiepass Typische Baukonstruktionen weisen eine weitgehende Abhängigkeit von Bauepochen auf. In Deutschland läßt sich der Gebäudebestand zunächst grob nach den großen historischen Einschnitten in drei Baualtersklassen einteilen: > Historische Gebäude, erstellt bis 1918 > Gebäude der Zwischenkriegszeit 1919-1948 > Gebäude der Nachkriegszeit Der Nachkriegsbestand wird in jeder Typologie weiter differenziert. Innerhalb jeder Baualtersklasse wird eine Einteilung in Ein/Zweifamilienhäuser, Mehrfamilien- und Hochhäuser vorgenommen, da sie sich einerseits in Größe und Kompaktheit unterscheiden, andererseits in der Nachkriegszeit oft auch baukonstruktiv grosse Unterschiede aufweisen. Zusätzlich wurden die Haustypen, soweit vorhanden, nach Satteldach- und Flachdachvarianten differenziert. Die Ein-/Zweifamilienhäuser werden zudem noch in einer Reihenhausvariante dargestellt. Zur Ermittlung des aktuellen Heizenergieverbrauches sowie des Einsparpotentials ist eine detaillierte Kenntnis der Baukonstruktionen aller Haustypen erforderlich. Diese wird durch in Augenscheinnahme und Befragung von Experten gewonnen. Gleichzeitig wird in den Interviews versucht, Hintergrundinformationen über mögliche bauphysikalische Probleme der Konstruktionen zu erhalten. Alle Angaben werden in den sogenannten Hausdatenblättern dokumentiert. Die Haustypologie ist in ihrer Detailliertheit somit nicht nur die Grundlage für eine Szenarienbildung zur Ermittlung des Einsparpotentiales sondern wird auch genutzt für: > Grundlage für die qualifizierte Energieberatung > Grundlage zur Ausarbeitung von Energiepässen (Standardrechenwerte) > Erstellung von Wärmeatlanten Energie-/Wärmepass Ziel der Einführung des Wärmepasses Die Stadt Münster hat ihren Wärmepass 1996 eingeführt. Der Beirat für Klima und Energie der Stadt Münster hatte in seinem in 1995 veröffentlichten Endbericht auf die große Bedeutung von Maßnahmen im Bereich Altbausanierung bezüglich der Klimaproblematik hingewiesen. Eine dieser umfangreichen Maßnahmen war die Einführung eines Wärmepasses für Altbauten, mit dem ein Gütesiegel auf freiwilliger Basis für den energetischen Zustand eines Gebäudes geschaffen werden sollte. Basis für die Überlegungen des Beirates war das Bestreben, eine erhöhte Sensibilität bei Hausbesitzern für das Thema Altbausanierung zu schaffen. Über die Sensibilisierung kann ein großes CO2-Reduktionspotential (bis 143.000 t CO2/a nach Angaben des Energiebeirates) durch die energetische Sanierung von Altbauten aktiviert werden. Dem Wärmepaß fällt dabei die Aufgabe zu, das Interesse der Hausbesitzer für den Zustand ihres Gebäudes zu wecken und zusätzlich mit dem eigenen Gebäude zur CO2-Reduzierung beizutragen. Dieses Ziel soll erreicht werden, indem der Wärmepaß den energetischen Zustand des Gebäudes darstellt und gleichzeitig eine Bewertung dieses Standards angegeben wird, um Vergleiche mit anderen Gebäuden zu ermöglichen. Neben der Ermittlung des Energiestandards des Gebäudes werden auch Sanierungsmaßnahmen aufgezeigt, um den Energieverbrauch zu senken. Das ist besonders wichtig, um dem Eigentümer eine Entscheidungshilfe zugunsten einer eventuellen Sanierung zu geben. Energie-Cités/ADEME 2002 Instrumente der kommunalen Energiepolitik Energiepass Über den Vergleich der Immobilie aus rein technischer/energetischer Sicht hinaus, wird zudem das Ziel verfolgt, den Wettbewerb unter den lmmobilienanbietern zu verstärken und den Wärmepaß mittelfristig als Marketinginstrument einzusetzen. Das bezieht sich sowohl auf die Parteien Vermieter/Neukäufer als auch auf den Mieter/Käufer-Sektor. Es ergibt sich aus dem gegenseitigem Interesse eine Motivation, Sanierungsmaßnahmen einzuleiten und im Wettbewerb durch den Wärmepaß zu bestehen, da der Vermieter/ Verkäufer eine positive Darstellung anbieten möchte und der Mieter/Käufer denselbigen Nachweis als Qualitätszeugnis verlangt. Angesprochen werden Hausbesitzer und Mieter von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie Wohnungsbaugesellschaften, die mit der Ausstellung eines solchen Dokumentes bzw. Zertifikates eine Aufwertung ihrer Immobilie verbinden bzw. erreichen wollen. Zeitgleich mit der Einführung des Wärmepasses lief das Förderprogramm Altbausanierung der Stadt Münster an, in welchem der Wärmepaß als fester Bestandteil eingebunden ist. Bei den durch die Stadt geförderten Maßnahmen werden somit die Ergebnisse gleichzeitig für den Besitzer der Gebäude und für die Stadt dokumentiert. Der Bürger erfährt also Unterstützung in ideeller und finanzieller Sicht, während die Stadt wichtige Rückschlüsse auf die Effizienz der Maßnahme schließen kann. Handlungsträger Die Ausstellung des Wärmepasses erfolgt durch das Umweltamt und die Verbraucherzentrale NRW – in Münster. Desweiteren können Ingenieurbüros, Architekten oder Handwerker der entsprechenden Fachrichtungen den Wärmepaß ausstellen, nachdem sie sich verpflichtet haben, die einheitlichen Vorgaben bei der Ausstellung des Wärmepasses einzuhalten. Als Vorgaben sind zu nennen: die einheitliche Ermittlung der Energiekennzahl des Wärmepasses, die kostenlose und gewissenhafte Ausstellung des Dokumentes, die nachrichtliche Kopie der ausgestellten Wärmepässe an das Umweltamt - Koordinierungsstelle für Klima und Energie. Die Ausstellung des Wärmepasses ist kostenlos. Die Erhebung der Gebäudedaten zur Bewertung des Gebäudes wird als Dienstleistung von Planern und Institutionen gegen Gebühr angeboten. Inhaltliche Darstellung des Wärmepasses Der Wärmepaß stellt ein Dokument dar, mit dem der energetische Zustand eines Gebäudes mittels eines Energiekennwertes (Einheit kWh/m²a) beschrieben wird. Der Kennwert wird aus dem für das Gebäude berechneten Energieverbrauch und der Energiebezugsfläche gebildet. Zusätzlich zur reinen Beschreibung des Ist-Zustandes werden für das Gebäude auch Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen und eine Bilanz der verursachten Schadstoffemissionen aufgestellt. Dies sind besonders wichtige Punkte, da mit der Darstellung möglicher Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Wärmeschutzes eine Entscheidung zugunsten des Wärmepasses erleichtert wird. Der Wärmepaß Münster gliedert sich in vier Elemente: > Ergebnisblatt Das Ergebnisblatt gibt die zusammenfassende Bewertung des Wärmepasses wieder und zeigt die Einstufung des Gebäudes aufgrund des Energiekennwertes, die kurz in einem zusammenfassenden Satz dargestellt wird. Das Gebäude wird beschrieben, und es erfolgt eine Bewertung für die Bereiche Gebäude, Heizung und Sonstiges (ökologische Komponenten und/oder Besonderheiten), die sich aufgrund der Analyse des Gebäudes ergeben haben. Im unteren Teil des Blattes wird in einer Vergleichsgrafik der relevante Energiekennwert für das Gebäude in der jeweiligen Typenklasse (s.o.) dargestellt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß in verschiedenen Baualtersklassen unterschiedliche energetische Standards erreicht wurden und kein einheitlicher Wertmaßstab für alle Gebäude anzulegen ist. Energie-Cités/ADEME 2002 Instrumente der kommunalen Energiepolitik > > > Energiepass Datenblätter Zunächst werden spezifische Daten zum Gebäude und der Heizungsanlage vermerkt. Aufgrund der Angaben, die in dieses Datenblatt eingegeben werden, ergeben sich alle weiteren Rechnerwerte und Ergebnisse des Verfahrens: > Summierung der Verluste durch Transmission und Lüftung sowie durch Interne und Solare Gewinne > Bildung der verschiedenen Kennwert Der Kennwert Heizwärmebedarf ist dabei der entscheidende Faktor zum Vergleich mit anderen Gebäuden, was in der entsprechenden Tabelle im unteren Blattfeld aufgelistet und auf dem Ergebnisblatt in graphischer Form abgebildet ist. Der andere Kennwert dient zur Einstufung der verschiedenen Komponenten (Heizung, Warmwasserbereitung) und damit der Vergleichbarkeit des tatsächlichen spezifischen Energieverbrauches. > Darstellung der Emissionen aus den einzelnen Bereichen Wärme, Warmwasser und Strom ohne Warmwasserbereitung, sowohl absolut als auch prozentual. Maßnahmenblatt: Im Maßnahmenblatt werden verschiedene Sanierungsmaßnahmen aufgezeigt, welche bei Umsetzung eine Verbesserung des Energieverbrauches erzielen. Desweiteren werden Hinweise bezüglich möglicher Förderprogramme gegeben. Anhang Der Anhang enthält die für eine vollständige Bilanzierung notwendigen Standardwerte, soweit diese Werte nicht direkt aus Messungen oder aus den technischen Unterlagen stammen. Prämierung Um die Bemühungen derjenigen zu belohnen, die sich einen Wärmepaß haben ausstellen lassen und eventuell Maßnahmen zur Verbesserung des Wärmebedarfes durchgeführt haben, werden am Ende eines Kalenderjahres die Häuser prämiert, welche in ihrer Typenklasse (s. auch Abschnitt Haustypologie) den niedrigsten Energiekennwert für das jeweilige Jahr erreicht haben. Neben einer Urkunde wird auch eine Plakette überreicht, die am Haus als Zeichen dieser Prämierung angebracht werden kann. Kommunale Anwender Zu den Kommunen, die in Deutschland neben Münster bereits Energie- oder Wärmepässe eingeführt haben zählen. Frankfurt, Hannover, Stuttgart, Tübingen, Heidelberg, Dortmund, Düsseldorf, Kiel, Hamburg, Naumburg, Dresden, Wiesbaden, oder Esslingen. EVALUATION UND PERSPEKTIVEN Da man in Münster –wie in vielen anderen Städten Deutschlands- davon ausgegangen ist, daß allein durch eine Einführung eines Wärmepasses die erwähnten Effekte noch nicht eintreten, wurde der Wärmepaß in das Gesamtkonzept Altbausanierung eingebunden, um die Verbreitung und damit auch die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. In den ersten fünf Jahren seit seiner Einführung sind in Münster 835 Wärmepässe für Wohngebäude ausgestellt worden. Dies ist zwar auf den Gebäudebestand gesehen ein bescheidener Anteil, die Tatsache, das viele andere Kommunen nun auch den Energiepass eingeführt haben und auf EU Ebene gerade die Richtlinie über das Energieprofil von Gebäuden verabschiedet wurde, bestätigt den in Münster gegangen Weg. Aber nicht nur die Kommunen, auch die Spitzenverbände und Dachorganisationen der Dämmstoff- und Glasindustrie sowie der deutschen Heizungswirtschaft haben sich im Oktober 2000 in der Arbeitgemeinschaft Energiepaß zusammengefunden, um einen bundesweit einheitlichen Energiepaß für den Gebäudebestand zu entwickeln und in der Planungs- und Beratungspraxis einzusetzen. Noch bestehen mehre Modell von Energie/Wärmepässen nebeneinander und die Rechenverfahren sind noch unterschiedlich, doch es ist nur eine Frage der Zeit bis "der Energiepaß" europaweit eingeführt werden wird. Energie-Cités/ADEME 2002 Instrumente der kommunalen Energiepolitik Energiepass WEITERGEHENDE INFORMATIONEN Stadt Münster Amt für Grünflächen und Umweltschutz Birgit Wildt Albersloher Weg 33 D 48155 Münster Tel.: +49 251 – 492 67 03 Fax: +49 251 – 492 77 37 Email : [email protected] http://www.muenster.de/stadt/umweltamt Weitere Interseiten zum Thema: Site Commission www.gre-online.de www.heizspiegel.de Die vorliegende Fallstudie wurde von Energie-Cités in Zusammenarbeit mit der Stadt Münster und dank finanzieller Unterstützung durch die französische Energieagentur ADEME (Agence de l'Environnement et de la Maîtrise de l'Energie) erstellt. Energie-Cités/ADEME 2002