Was versteht man unter Beschleunigerphysik?

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Einführung in die Physik der
Teilchenbeschleuniger
Rüdiger Schmidt – CERN / TU Darmstadt
Vorlesung an der Technischen Universität Darmstadt
22 März - 26 März 2010
Home page: http://rudi.home.cern.ch/rudi/
E-mail:
[email protected]
Literatur über Teilchenbeschleuniger
Allgemeine Literatur
• Physik der Teilchenbeschleuniger und Synchrotronstrahlungsquellen, Klaus Wille,
Teubner Verlag, Studienbücher, 2. Auflage 1996 (Ausgezeichnetes Lehrbuch)
• Proceedings of CERN ACCELERATOR SCHOOL (CAS), Yellow Reports, für viele
Themen in der Beschleunigerphysik, General Accelerator Physics, and topical schools
on Vacuum, Superconductivity, Synchrotron Radiation, Cyclotrons, and others…
http://schools.web.cern.ch/Schools/CAS/CAS_Proceedings.html
• 5th General CERN Accelerator School, CERN 94-01, 26 January 1994, 2 Volumes,
edited by S.Turner
• F.Kneubühl: Repetitorium der Physik, Teubner Studienbücher, Stuttgart 1982
Spezialthemen
• Superconducting Accelerator Magnets, K.H.Mess, P.Schmüser, S.Wolff, WorldScientific
1996
• Handbook of Accelerator Physics and Engineering, A.W.Chao and M.Tigner, World
Scientific, 1998 (Nachschlagewerk für viele Themen in der Beschleunigerphysik - nicht
als Lehrbuch geeignet)
•
A.Sessler, E.Wilson: Engines of Discovery, World Scientific, Singapur 2007
Geschichte der Beschleuniger
•
Konferenzen und Workshops für Beschleuniger (EPAC, PAC, IPAC, …)
2
Übersicht der Vorlesungsreihe
1. Beschleunigerphysik: Einführung
2. Teilchenbeschleuniger und Grundlagenforschung
3. Typischer Aufbau einiger Beschleunigeranlagen
4. Entwicklung der Beschleuniger und Beschleunigertypen
5. Synchrotronstrahlung
6. Beschreibung der Teilchendynamik - Grundlagen
7. Magnetfelder und Teilchenfokussierung
8. Bewegung von geladenen Teilchen im Magnetfeld
9. Betafunktion und optische Parameter
10. Beschleunigung und longitudinaler Phasenraum
11. Hohlraumresonatoren für Teilchenbeschleuniger
12. Beispiel für kollektive Effekte: Raumladung
13. Der LHC am CERN
3
Kapitel 1
Beschleunigerphysik: Einführung
Rüdiger Schmidt (CERN) – Darmstadt TU - 2010 - Version 2.3
Übersicht
Was versteht man unter einem Teilchenbeschleuniger?
Relativistische Kinematik: Geschwindigkeit und Energie
Teilchenbeschleunigung
Teilchenablenkung
Was ist Beschleunigerphysik?
6
Was sind Teilchenbeschleuniger ?
Definition
CAMBRIDGE DICTIONARY: A particle accelerator is a machine which
makes extremely small pieces of matter travel at very high speeds, so that
scientists can study the way they behave
Teilchenbeschleuniger sind die bedeutensten physikalischen Grossgeräte,
und werden in Forschung und Entwicklung in der Physik (Grundlagen und
Anwendungen), Biologie, Chemie, Medizin, Archäologie, … gebraucht
7
Welche Teilchen ?
Von 1920 bis heute…..
Elektronen
•
Ruheenergie m0  c2 = 511 keV, elementares Teilchen, negative Ladung e0=1.602  10-19 C
Positronen
•
Ruheenergie m0  c2 = 511 keV, elementares Teilchen, positive Ladung e0 =1.602  10-19 C
Protonen
•
•
Ruheenergie m0  c2 = 938 MeV, kein elementares Teilchen (Quarks und Gluonen)
positive Ladung e0 = 1.602  10-19 C
Antiprotonen
•
Wie Protonen aus Quarks aufgebaut, Masse wie Protonen, negative Ladung
Ionen (von Deuteronen zu Uran)
•
•
Ladung vielfaches einer Elementarladung, Masse von 2mProton bis Uran
Stabile und unstabile Ionen (Beta Beams)
Ideen für die Zukunft
m Mesonen / Muon– Collider
•
elementares Teilchen wie e+/e-, Ruheenergie m0  c2 = 106 MeV, Ladung e0 =1.602  10-19 C
•
Lebensdauer: 2.2  10-6 s im Ruhesystem. Im Laborsystem gilt: LAB =   RS
8
Parameter eines Teilchens
Ruhemasse m0
Ladung q
Spin
z
y
Geschwindigkeitsvektor vx, vy, vz
Position im Raum x, y, z
x
•
•
Die Energie ändert sich mit der Geschwindigkeit
Der Spin wird im Rahmen dieser Vorlesung nicht berücksichtigt
9
Beschleunigung und Ablenkung von Teilchen: Lorentzkraft
Die Kraft auf ein geladenes Teilchen ist proportional zur Ladung, zum
elektrischen Feld, und zum Kreuzprodukt von Geschwindigkeitsvektor und
Magnetfeld:

  
F  q  (E  v  B)
Für ein Elektron, Positron, Proton, ... ist die Ladung q die Elementarladung:
q  e 0  1.602  10 19 [C]
Energieänderung nur durch elektrische Felder, im Magnetfeld kann man keine
Ladung beschleunigen:
 
E   F  ds
s2
s1
dE
 
 v F
dt
   
 
dE  q  (v  E
 v  (v  B))  q  v  E
dt
10
Energiegewinn eines geladenen Teilchen
Beispiel: Ein geladenes Teilchen wird durch im Potential beschleunigt.
Zusammenhang zwischen Spannung und elektrischen Feld:
 
U   E  ds
s2
s1
Energiegewinn des geladenes Teilchen:
s2
 
 
E   F  ds   q  E  ds  q  U
s2
s1
s1
Der Energiegewinn des geladenes Teilchen ist proportional zur
Spannung, die das Teilchen durchläuft, und zur Ladung des
Teilchens.
11
Beschleunigung eines Elektrons im elektrischen Potential
z.B.Plattenkondensator
-
+
U = 10000 V
U = 10000 V
d=1m
q = e0
E = 10000 eV
d=1m
Definition der Einheit „eV“: Ein Teilchen mit der Ladung e0 , welches
eine Spannung von einem Volt durchläuft, gewinnt die Energie von einem
eV (Elektronenvolt). Es gilt: 1 eV = 1.602  10-19 Joule
Der Energiegewinn ist unabhängig von der Energie und Geschwindigkeit
des Teilchens, und von der Länge der durchlaufenen Strecke bei
gegebener Potentialdifferenz
Eneu = Ealt + E
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Relativistische Kinematik: Geschwindigkeit und Energie
Die Geschwindigkeit der Teilchen bei hoher Energie nähert sich der Lichtgeschwindigkeit
an. Die Lichtgeschwindigkeit kann nicht überschritten werden.
Annahme: Ein Teilchen mit der Masse m0 bewegt sich mit der Geschwindigkeit v bezüglich
des Laborsystems.
Die Energie des Teilchens ist : E 
mit der Definition  
1
v2
1- 2
c
 m0  c 2    m0  c 2
1
1 - 2
v
c
Die Ruheenergie des Teilchens ist : E  m0  c 2
und  
13
Mit einer Beschleunigungsspannung von
Fall, (für v << c):
U  0.1 MV gilt im nichtrelativistischen
1
2
Aus Ek =  m  v folgt für die Geschwindigkeit für Elektronen : ve 
2
und für Protonen:
8m
ve  1.875  10
s
6m
vp  4.377  10
s
ve
 e 
c
vp
 p 
c
 e  0.626
(v<<c gilt nicht,
daher ist das Resultat
nur eine Näherung)
vp 
2Ek
me
2Ek
mp
 p  0.015
Bei höherer Energie wäre die Geschwindkeit grösser als die Lichtgeschwingikeit,
was nicht möglich ist
=> relativistischer Fall
Im relativistischen Fall gilt mit einer kinetischen Energie von Ek  0.1 MeV :
m0  c
Die Gesamtenergie eines Teilchens ist E =
1
2
v
c
2
für Elektronen:
ve  c
1
me  c
2
und Protonen:
ve  1.643  10
 e  0.548
vp  c
8m
s
1
2
4
(Ek  me  c2)
mp  c
2
2
und
ve
 e 
c
und
vp
 p 
c
4
(Ek  mp  c )
2
2
vp  4.376  10
 p  0.015
6m
s
Ablenkkraft auf ein relativistisches, geladenes Teilchen

  
F  q  (E  v  B)
Gegeben: Elektrisches Feld mit einer Stärke von:
E  7  10
und ein transversales Magnetfeld mit einer Stärke von:
B  2T
6 V
m
Mit der Lorentzkraft F = e0  ( E  c  B) ergibt sich für die Kraft auf das Teilchen:
FB_Feld  e0  c  B
FE_Feld  e0  E
FB_Feld  9.606  10
FB_Feld
FE_Feld
 11
N
FE_Feld  1.121  10
 12
N
 85.655
zum Vergleich die Gravitation:
FG  8.933  10
 30
N
FG  g  me
16
Ablenkung durch elektrische Felder
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Magnetfelder – Elektrische Felder
Für die Beschleunigung von Teilchen werden elektrische Felder benutzt
Für Beschleuniger werden in der Regel Magnetfelder zur Teilchenablenkung und
Fokussierung benutzt.
Es gibt jedoch auch einige Anwendungen für elektrostatische Felder zur
Teilchenablenkung, z.B:
• Strahlseparierung für Teilchen mit entgegengesetzter Ladung im Speicherrung
• Feedbacksysteme: es ist bei hoher Strahlintensität notwendig, die einzelnen
Teilchenpakete zur Strahlstabilisierung unterschiedlich abzulenken. Dazu werden
häufig elektrische Felder benutzt.
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Teilchenbewegung im Magnetfeld
Protonen
Antiprotonen
B
Ein Kreisbeschleuniger für
zwei Stahlen mit gleichen
Teilchen erfordert Magnete
entgegengesetzter
Feldrichtung
B
Daher viele Collider mit Protonen /
Antiprotonen und e+e19
Werden in Beschleuniger Teilchen « beschleunigt »?
• Trifft für die meisten Beschleuniger zu … aber nicht für alle
• Ein Fernsehgerät würde man nicht als Beschleuniger bezeichnen, obwohl
Elektronen mit einer Spannung von einigen kV beschleunigt werden
Speicherringe sind Beschleuniger, in denen Teilchen gespeichert werden
(die Teilchenenergie bleibt in vielen solchen "Beschleunigern" konstant)
• zur Akkumulation von Positronen und Antiprotonen
• zur Kollision von zwei Protonenstrahlen (Injektion bei Kollisionsenergie, CERN ISR)
• Beschleuniger, die Synchrotronstrahlung erzeugen (einer der wichtigsten
Beschleunigertypen), häufig ohne die Teilchen zu beschleunigen
Beschleuniger, in denen Teilchen abgebremst werden
• Die Antiprotonen haben eine kinetische Energie von einigen hundert MeV, und
werden für Experimente auf wenige eV abgebremst (CERN – AD) – z.B. zur
Herstellung von Anti – Wasserstoff
Beschleuniger, in denen Teilchen auf ein Target gelenkt werden
• Zur Erzeugung von Neutrinos oder anderen Teilchen
• Die Erzeugung von Antiprotonen funktioniert mit Protonen, die mit einer Energie von
einigen GeV auf ein Target gelenkt werden
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Was ist Beschleunigerphysik und Technologie?
Die physikalischen und technischen Grundlagen, um einen
Teilchenbeschleuniger zu planen, zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Elektromagnetismus
Relativitätstheorie
Teilchenphysik
Strahlungsphysik
Thermodynamik
Mechanik
Quantenmechanik
Physik nichtlinearer Systeme
Festkörperphysik und Oberflächenphysik
Vakuumphysik
Ausserdem: Maschinenbau, Elektrotechnik, Computerwissenschaften,
Bauingenieurwesen einschl. Vermessungswesen
21
Anwendungen von Teilchenbeschleunigern
Teilchenphysik: CERN, DESY, SLAC, FERMILAB, JLAB, KEK …
Anwendungen von Synchrotronstrahlung: z.B. ESRF, DESY, ….
•
Chemie
•
Biologie
•
Physik
Kernphysik: S-DALINAC, GSI, SNS (Oak Ridge, USA) ….
Industrielle Anwendungen
Medizinische Anwendungen: GSI - Heidelberg, PSI (Schweiz), …
•
Erzeugung von Radioisotopen
•
Bestrahlung von Patienten, z.B. zur Tumorbehandlung
Archäologie, Altersdatierung, Umweltforschung (z.B. Wien - VERA )
Energietechnik: Kernfusion, Energy Amplifier
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World wide inventory of a accelerators, in total 15000.
The data have been collected by W. Scarf and W. Wiesczycka
(See U. Amaldi Europhysics News, 31/6, 2000)
Today (2007), this increased to about 20000.
Ion implanters and surface modifications
7000
Accelerators in industry
Accelerators in non-nuclear research
1500
1000
Radiotherapy
Medical isotopes production
Hadron therapy
Synchrotron radiation sources
5000
200
20
70
Nuclear and particle physics research
110
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