GESUNDHEIT R I N D BHV1: Jetzt wird die Sanierung Pflicht! nischen Untersuchung einen Ausbruch vermuten lässt. Die zuständige Veterinärbehörde kann bereits beim Verdacht auf einen BHV1-Ausbruch umfangreiche Seuchenbekämpfungsmaßnahmen einleiten. Die Kreisveterinäre erhalten so einen erheblichen Ermessensspielraum. Sie können: ■ die Tötung der seuchenverdächtigen Rinder anordnen. ■ eine Betriebssperre verhängen. Darunter fällt auch ein Weideverbot. Zudem müssen, sowohl beim Seuchen- Betrieb eingerichtet werden. Die Veterinärbehörden können die angeordneten Maßnahmen erst wieder aufheben, wenn: ■ alle infizierten Rinder des Bestandes verendet, gemerzt oder entfernt wurden. ■ und wenn frühestens 30 Tagen nach Entfernen des letzten infizierten Rindes bei allen Rindern zwei Blutproben mit negativem Ergebnis auf das gE-Glykoprotein untersucht wurden. Alternativ können auch alle Rinder zwei Mal geimpft werden (Grundimmunisierung). Die neue BHV1-Verordnung schreibt jetzt die bundesweite Sanierung verpflichtend vor. Die Maßnahmen erinnern an die MKS-Seuchenbekämpfung. S eit dem 8. Dezember 2001 gilt die neue BHV1-Verordnung. Sie schreibt ein flächendeckendes Sanierungsverfahren vor. Das bedeutet, dass jetzt alle Rinderhalter am BHV1-Sanierungsverfahren teilnehmen müssen. Bisher erfolgte die BHV1-Sanierung auf freiwilliger Basis. In den meisten Bundesländern hat die freiwillige Sanierung bislang noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nur in Bayern sind die meisten Bestände BHV1frei. Dagegen gelten v.a. in MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Sachsen und RheinlandPfalz noch viele Bestände als infiziert. Ausschlaggebend für diese Verschärfung sind vor allem wirtschaftliche Gründe. Besonders die deutschen Zuchtorganisationen drängten auf die flächendeckende Sanierung. Sie befürchteten, beim Zuchtviehexport gegenüber den BHV1freien Ländern (z. B. Finnland, Schweden, Dänemark, Österreich) in das Hintertreffen zu geraten. Untersuchung jetzt Pflicht Was bedeutet die neue Verordnung konkret für die Praxis? Hier sind die wichtigsten Änderungen: ■ Untersuchungspflicht: Alle Zuchtund Nutzrinder im Alter von über neun Monaten müssen ab sofort einmal jährlich serologisch (Blut- oder Milchprobe) auf Antikörper gegen das BHV1-Virus bzw. auf BHV1-gE-Antikörper (Blutprobe) untersucht werden. Ausgenommen hiervon sind nur Rinder aus nachweislich BHV1-freien oder kontrollierten Impfbeständen und bereits bekannte Reagenten. Die serologischen Untersuchungen müssen regelmäßig im Abstand von 12 Monaten wiederholt werden. Allerdings R 12 top agrar 2/2002 kann die zuständige Veterinärbehörde hier Ausnahmen zulassen, wenn die Rinder regelmäßig geimpft werden und die Seuchenbekämpfung dadurch nicht behindert wird. Von dieser Ausnahmeregelung können vor allem reine Mastbetriebe profitieren, die ihre Rinder ausschließlich zur Schlachtung abgeben. ■ Impfen: Zuchtrinder dürfen nur noch mit Markerimpfstoffen geimpft werden. Bei Markerimpfstoffen fehlt die Information für das gE-Protein. Mit einem Test können so geimpfte von nicht geimpften Tieren unterschieden werden. Reine Mastbetriebe können dagegen auch nicht markierte Impfstoffe einsetzen. Eine regelmäßige Bestandsimpfung ist nicht vorgeschrieben worden. Allerdings kann die zuständige Behörde die Impfung anordnen, wenn sie dies aus Gründen der Seuchenbekämpfung für notwendig erachtet. ■ Viehverkauf: Es dürfen nur noch Rinder aus BHV1-freien Beständen oder solche aus kontrollierten Impfbeständen mit negativem gE- Untersuchungsergebnis in andere Bestände bzw. auf Märkte verbracht werden. Betriebe ohne BHV1-Status können nur noch Tiere an nicht Zuchtrinder dürfen nur noch mit Markerimpfstoffen geimpft werden. Reine Mastbetriebe können dagegen auch nicht markierte Impfstoffe einsetzen. Foto: agrarpress BHV1-freie Betriebe abgeben, die regelmäßig impfen oder an reine Mastbetriebe. Betriebssperre droht Eine weitere gravierende Neuerung ist die Definition des Verdachtes auf eine BHV1-Infektion. Ein Verdacht liegt laut Verordnung bereits vor, wenn das Ergebnis der serologischen oder der kli- Wann ist ein Betrieb BHV1-frei? Als BHV1-frei gilt ein Betrieb, wenn: ■ alle Rinder frei von klinischen Erscheinungen sind und ■ wenn bei einer zweimaligen Blutuntersuchung aller über neun Monaten alten Zuchtrinder (im Abstand von fünf bis sieben Monaten) keine Antikörper gegen das Glykoprotein gE festgestellt wurden. Im Bestand mit ausschließlich nicht geimpften Tieren können die Blut- tests alternativ durch zwei Einzelmilchproben oder durch drei Bestandsmilchproben (im Abstand von mindestens drei Monaten) ersetzt werden. ■ Weiterhin muss gewährleistet sein, dass die Rinder des Bestandes nicht in Kontakt mit nicht BHV1-freien Tieren kommen. Der Status BHV1-frei muss weiterhin regelmäßig durch Blut- oder Milchproben nachgewiesen werden. -ve- verdacht als auch beim Auftreten der Erkrankung, die betroffenen Rinder abgesondert werden. Mist und Gülle darf nicht mehr ausgebracht werden. Verendete oder getötete Rinder, tot geborene Kälber, abgestorbene Früchte und Nachgeburten müssen so aufbewahrt werden, dass sie nicht mit Menschen oder Tieren in Berührung kommen. Die Veterinärbehörde kann zudem verlangen, dass Futter und Einstreu, die Träger des Erregers sein können, verbrannt oder zwei Monate an einem separaten Ort gelagert werden. Das gilt auch für Jauche und Gülle. Diese müssen gegebenenfalls sogar desinfiziert werden. Fahrzeuge und sonstige Gerätschaften, die mit verdächtigen oder erkrankten Tieren in Berührung kommen, müssen nach Anweisung der Amtsveterinäre desinfiziert werden. Zudem sind alle Personen, die den Betrieb aufsuchen, verpflichtet, betriebseigene Schutzkleidung zu tragen. Alle genannten Schutzmaßnahmen gelten auch bei einem Ausbruch der BHV1-Infektion. In diesem Fall kann jedoch zusätzlich ein Sperrbezirk um den Konsequenzen für die Praxis Für alle BHV1-freien Betriebe oder diejenigen, die bisher bereits am freiwilligen Sanierungsverfahren teilgenommen haben, wird sich kaum etwas ändern. Dagegen müssen alle Rinderhalter ohne BHV1-Status mit deutlichen Einschnitten rechnen. Sie müssen künftig alle Rinder untersuchen lassen. Zu beachten ist jedoch, dass allein aus Kostengründen ein BHV1-freier Status angestrebt werden sollte, da so die aufwändigen und „teuren“ Blutproben durch Sammelmilchproben ersetzt werden können. Die anfallenden Untersuchungskosten (3 – 6 E/Probe) und die Kosten der Impfstoffe müssen in der Regel die Rinderhalter tragen. In einigen Regionen bezuschussen jedoch die Tierseuchenkassen die erforderlichen Untersuchungen bzw. die Impfstoffe. G. Veauthier Weitere Informationen zu den BHV1Sanierungskonzepten finden Sie auf der folgenden Seite. top agrar 2/2002 R 13 GESUNDHEIT R I N D Impfen oder merzen? top agrar sprach mit Dr. Martin Beer, Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten, Insel Riems, über Sanierungs- und Impfkonzepte. Ï top agrar: Welche Konzepte der BHV1-Sanierung gibt es? Worin unterscheiden Sie sich? Beer: Die BHV1-Bekämpfung lässt sich grundsätzlich in zwei Konzepte unterteilen: 1. „Selektionskonzept“ oder „konventionelles Konzept“: Hierbei erfolgt die Sanierung über die Selektion BHV1freier Tiere bzw. Merzung BHV1-positiver Tiere. 2. „Impfkonzept“ oder „Markerkonzept“: Sanierung durch Markerimpfung. Die BHV1-freien Länder (z. B. Finnland, Schweden, Dänemark, Österreich) haben das Ziel der BHV1-Freiheit vorrangig durch das Selektionsprinzip erreicht. Die Ausgangssituation war jedoch in diesen Regionen aufgrund eines geringen BHV1-Vorkommens (1% bis 10% der Bestände) günstig. Ähnliche Verhältnisse sind in Deutschland nur in Bayern gegeben. In Regionen mit hohem Durchseuchungsgrad ist, aufgrund der hohen Kosten, die Sanierung ausschließlich durch Selektion kaum möglich. Beim Impfkonzept wird dagegen versucht, durch die Vakzinierung mit Markerimpfstoffen BHV1-„Feldvirus“ zu verdrängen. Einsatzgebiet des Impfkonzeptes sind deshalb Regionen mit einer hohen Zahl BHV1-positiver Tiere bzw. Bestände. Das Impfkonzept ist dabei als Vorstufe für ein nachfolgendes konventionelles Vorgehen (Selektionskonzept) bei dann erniedrigter Durchseuchung zu verstehen. Ï top agrar: Welche Strategie empfehlen Sie den Betrieben? Beer: Über eine schnelle Statuserhebung (Blutproben) sollte zunächst geklärt werden, wie viele Tiere eines Bestands betroffen sind. In Abhängigkeit vom Grad der Durchseuchung und der Betriebsstruktur muss dann das weitere Vorgehen mit dem Hoftierarzt sowie den zuständigen Behörden abgestimmt werden. Für den Einsatz von Impfstoffen gibt es kein Patentrezept. Es muss für jeden Betrieb individuell entschieden werden, welche Strategie am sinnvollsten ist. R 14 top agrar 2/2002 Dr. Martin Beer ■ Betriebe mit wenigen BHV1-positiven Tieren sollten eine Sanierung über die Merzung dieser Tiere vorziehen. ■ In Herden mit hohem Durchseuchungsgrad ist es sinnvoll durch Impfung das BHV1-Feldvirus zu verdrängen. Dabei sollten aber immer auch weitere Maßnahmen wie die regelmäßige Untersuchung des Bestandes auf BHV1-gEAntikörper, das Abschaffen positiver Tiere, die Trennung von BHV1-positiven und BHV1-freien Tieren (besonders während der Abkalbung) und strenge Hygienemaßnahmen angewendet werden (Quarantäne für Zukäufe, betriebseigene Kleidung für betriebsfremde Personen, Tierarzt). Ï top agrar: Welche Konsequenzen ergeben sich bei einem Impfprogramm? Beer: Bei dem Einstieg in ein Impfprogramm müssen stets die Konsequenzen bedacht werden, die sich aus der Impfung ergeben: ■ Die BHV1-Statuserhebung ist dann nur noch über die weniger empfindlichen gE-Markertests möglich. ■ Die Möglichkeit einer kostengünstige Diagnostik über die Milch (Sammelprobe) entfällt. ■ Die Vermarktung von Tieren an BHV1-freie Betriebe und Märkte ist nach einer Impfung nur noch eingeschränkt möglich. Ï top agrar: Die Impfung mit BHV1Markerimpfstoffen wird kritisch diskutiert. Warum? Beer: Die Impfung gegen BHV1 soll in erster Linie BHV1-Feldvirus aus den Beständen verdrängen und klinische Erkrankungen verhindern. Zwar schützen alle BHV1-Impfstoffe, inklusive der Markerimpfstoffe, sehr gut vor der klinischen BHV1-Erkrankung (IBR, IPV), sie können allerdings nicht vollständig verhindern, dass sich Rinder mit BHV1 infizieren – ohne zu erkranken – oder dass infizierte Tiere BHV1 ausscheiden. Eine vollständige Blockade von Infektion, Ausscheidung oder Reaktivierung des Erregers durch Impfung ist nicht möglich. Bei geimpften Rindern ist allerdings im Gegensatz zu nicht geimpften die Wahrscheinlichkeit deutlich verringert, dass es zu einer BHV1-Infektion kommt. Auch ist die Virusausscheidung nach einer Infektion stark reduziert. Ï top agrar: Wieso kommt es in BHV1-freien Betrieben immer wieder zu einer erneuten Ansteckung? Beer: Wie bei anderen Herpesviren auch, kommt es nach der Infektion mit BHV1 zunächst zu einer akuten Virusvermehrung und Virusausscheidung. Nach dieser akuten Phase folgt eine so genannte latente („versteckte“) Phase, bei der sich das Virus in Nervenzellen zurückzieht und dort lebenslang vorliegen kann (Latenz). Diese latenten Viren können jedoch durch besondere Stresssituationen wie z. B. Abkalbung, Transport oder Kortisonbehandlung wieder reaktiviert werden und zu einer erneuten Ausscheidung von infektiösem BHV-1 führen. Jedes BHV1-infizierte Tier (BHV1Antikörper-positiv) ist ein lebenslanger Virusträger und stellt damit ein ständiges, nicht berechenbares Infektionspotenzial dar! Ï top agrar: Wenn ich BHV1-frei bin, wie kann ich mich schützen? Beer: Als Infektionsquelle kommen vor allem akut infizierte Tiere als auch Tiere in der Phase der Reaktivierung in Frage. Zusätzlich sind alle Personen und Gegenstände, die Kontakt zu solchen Tieren hatten, potenzielle Quellen einer Infektion, wenn keine geeigneten Hygienemaßnahmen ergriffen werden. Die Hauptursachen einer BHV1-Infektion sind: ■ Zukauf von BHV1-Reagenten oder akut infizierten Tieren. ■ Fehlende Hygienemaßnahmen (uneingeschränkter Personenzugang, mangelhafte Desinfektion, keine stalleigene Kleidung für Personen wie Tierarzt, Klauenschneider etc.). ■ Kontakt zu fremden, infizierten Tieren durch unkontrolliertes Weiden, Beschickung bzw. Zukauf von Märkten und durch Tiertransporte. ■ Kontamination über Geräte (z. B. überbetrieblich genutzter Futterwagen, Instrumente etc.). -ve-