Schlüsselexperimente: Quarks und Leptonen F-Praktikumsseminar Jennifer Wettig 10.01.2011 Inhalt: 1. Das Standardmodell 2. Die Entdeckung des Charm-Quarks 3. Die Entdeckung des τ-Leptons 1. Das Standardmodell Was ist ein Modell? Allgemein ist es ein theoretisches Rahmenmodell, aufgebaut durch Beobachtungen, mit dem man Vorhersagen für zukünftige Experimente machen kann. Ein Modell kann nie verifiziert, nur falsifiziert werden. Bekannte Beispiele sind das Periodensystem der Elemente oder die nichtrelativistische Quantenmechanik. Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt Elementarteilchen und 3 von 4 fundamentalen Wechselwirkungen (schwache Wechselwirkung (WW), starke WW, elektromagnetische WW). Das Standardmodell (SM) ist eine relativistische Quantenfeldtheorie, d.h. die spezielle Relativitätstheorie gilt. Materieteilchen sind punktförmig und nicht mehr teilbar. Zu jedem Teilchen existiert ein Antiteilchen, wobei additive Quantenzahlen (z.B. Ladung) entgegengesetzt und nicht-additive Quantenzahlen (z.B. Masse) gleich sind. Kräfte werden im SM durch Austauschteilchen beschrieben. Das Standardmodell besteht aus 6 Quarks, 6 Leptonen und 4 Arten von Kraftteilchen. Das Higgs-Boson wurde zwar schon 1964 vorhergesagt, jedoch bisher nicht nachgewiesen. Hadronen sind Teilchen, welche aus Quarks aufgebaut sind. Man unterscheidet zwischen Mesonen und Baryonen. Mesonen bestehen aus einem Quark und Antiquark, ihre Antiteilchen sind ebenfalls Abbildung 1: Das Standardmodell der Teilchenphysik (Grafik: DESY) Mesonen. Baryonen sind aus drei Quarks aufgebaut, wobei ihre Antiteilchen, die Antibaryonen, aus drei Antiquarks bestehen. Hadronen müssen farbneutral sein. Aufgrund der Farbladung eines jeden Quarks ergibt sich so eine wichtige Bedingung: In Mesonen trägt das Antiquark die passende Antifarbe zum Quark, sodass das Meson nach außen farbneutral ist. Bei Baryonen trägt jedes Quark eine andere der drei Farbladungen, Antibaryonen jeweils Antifarben. Seite 1 2. Die Entdeckung des Charm-Quarks Bisher Bis 1970 waren drei Quarks, Up, Down und Strange, bekannt. 1970 wurde dann ein viertes Quark vorhergesagt, welches mit dem GIM-Mechanismus das kleiner als erwartete Verzweigungsverhältnis erklären würde. Beim GIM-Mechanismus interferieren Zerfallskanäle destruktiv. Das Charm-Quark wäre somit eine „charming solution“, was zu seiner Namensgebung führte. Außerdem würde das Charm-Quark das bisherige Standardmodell mit zwei Generationen vervollständigen. Das Experiment von Burton Richter et. al. Burton Richter wurde am 22.02.1931 in New York geboren. Richter arbeitete am SPEAR, dem Stanford Positron Electron Accelerating Ring. Die maximale Schwerpunktsenergie liegt bei 8GeV, wobei die maximale Luminosität bei =4,8GeV erreicht wird. Prinzip des Experiments ist, dass sich Elektron und Positron annihilieren und ein virtuelles Photon erzeugen, welches wiederum in Teilchen und Antiteilchen zerfällt. Diese Teilchenpaare werden dann mit dem MarkI Detektor aufgenommen, auf den wir im dritten Teil des Vortrags noch genauer eingehen werden. Abbildung 2: schematischer Prozess von Richter Das Experiment von Samuel Ting et.al. Samuel Ting wurde am 27.01.1936 in Michigan geboren. Ting arbeitete am AGS, dem Alternating Gradient Synchrotron am BNL. Hierbei schoss er einen Protonenstrahl auf ein Beryllium12 Target mit einer Rate von 2*10 Protonen / pulse. Die maximale Strahlenergie war 30GeV. Aus einem Proton des Strahls und einem Proton aus dem Target werden jeweils ein Quark und Antiquark herausgelöst, welche zu einem virtuellen Photon annihilieren und Abbildung 3: schematischer Prozess von Ting eine Paarbildung von Fermionen bedingen. Zum Beispiel entstehen Elektron-Positron-Paare, welche mit einem Zwei-ArmSpektrometer detektiert werden. Der Detektor von Ting Die Magnete M0, M1 und M2 dienen zur Ablenkung des Teilchens. Mit den Cherenkovzählern C0 und Ce können die Teilchen identifiziert werden. Die Proportionalzähler A0, A, B und C sind in einem Winkel von 20° zueinander verdreht und geben Auskunft über die Flugbahn der Teilchen. Abschirmung: 10000t Beton 100t Blei 5t Uran 5t Seife Seite 2 Abbildung 4: Zweiarmspektrometer von Ting (Grafik: Ting) Die Messergebnisse Ting et. al.: Richter et. al.: q q e e e e f f Aufgetragen sind hier die Events gegenüber der invarianten Masse der Elektron-Positron-Paare, welche gemessen wurden. Somit wurde ein kontinuierliches Spektrum an Werten aufgenommen. Erwartet hätten wir eine fallende Kurve ohne große Auffälligkeiten. Wie man sieht, haben wir hier jedoch eine schmale Resonanz bei etwa 3,1 GeV. Hier sehen wir einen Graphen der Arbeitsgruppe von Richter. Aufgetragen ist der Wirkungsquerschnitt, welcher proportional zur Zählrate ist, gegen der Schwerpunktsenergie im Elektron-Positron-Beschleuniger. Das aufgenommene Spektrum ist hiermit diskret. Knapp unterhalb von 3,1GeV liegt eine schmale Resonanz vor, welche nach rechts ausläuft, aufgrund des Energieverlusts durch Bremsstrahlung. Aufgrund der schmalen Zerfallsbreite schließen wir auf eine lange Lebensdauer, wodurch ein Anregungszustand von bisher bekannten Teilchen ausgeschlossen werden kann. Die Forschungsgruppen von Richter und Ting haben ein neues Teilchen gefunden, das J/Ψ-Meson. Ting benannte dieses Teilchen nach seinem Nachnamen, da das chinesische Zeichen für seinen Namen einem J sehr ähnlich sieht. Richter wollte dieses Meson “SP” (aufgrund SPEAR) nennen, doch entschied sich seine Gruppe für einen griechischen Buchstaben. Viele waren nicht mehr übrig, und so wählten sie Ψ aus, welches immerhin die beiden Buchstaben “SP” enthält. Dass dieser Name die “richtige” Wahl war, zeigte sich in einem Detektorbild eines Ψ(2s)-Mesons, dem angeregten Zustand von Ψ (Abb. 5). Das Ψ(2s)-Meson wurde ebenfalls von Richter wenige Jahre später gefunden. Es hat eine Masse von 3,7GeV und zerfällt zu einem hohen Wirkungsquerschnitt in ein J/Ψ und ein Pionenpaar. Das J/Ψ wiederum zerfällt in unserem Beispiel in ein Elektron-Positron-Paar. Abbildung 5: Zerfall eines Psi(2s)-Mesons in ein J/Ψ und 2 Pionen (Grafik: SLAC) Seite 3 Charmonium Das Charm-Quark Das J/Ψ-Meson ist ein Charmonium, ein gebundener -Zustand. Das Charm-Quark zerfällt nur über schwache Wechselwirkung in ein Strange-Quark. Richter und Ting veröffentlichten beide im November 1974 ihre Forschungsergebnisse, weshalb diese Entdeckung auch die “November-Revolution” genannt wird. 1976 erhielten sie hierfür den Nobelpreis. Man sagt, dass sie sich nicht leiden konnten. 3. Die Entdeckung des tau-Leptons Bisher Mit der Entdeckung des Charm-Quarks waren nun zwei komplette Familien von Quarks und Leptonen bekannt. Die geladenen Leptonen, Elektron und Myon, unterschieden sich nach damaligem Wissensstand nur in der Masse – so kam die Frage auf, ob es weitere, schwerere Leptonen gibt. Martin Perl ging mit seiner Forschungsgruppe dieser Frage nach und wurde fündig. Das Experiment von Martin Perl et. al. Martin Perl wurde am 24.06.1927 in New York geboren. Perl arbeitete am SPEAR, dem Stanford Positron Electron Accelerating Ring. Zur Erinnerung: Die maximale Schwerpunktsenergie liegt bei 8GeV, wobei die maximale Luminosität bei =4,8GeV erreicht wird. Prinzip des Experiments ist, dass sich Elektron und Positron annihilieren und ein virtuelles Photon erzeugen, welches wiederum in Teilchen und Antiteilchen zerfällt. Diese Teilchenpaare werden dann mit dem MarkI Detektor aufgenommen. Wir erwarten von diesem Experiment Paarproduktionen von Elektron – Antielektron oder Myon – Antimyon, jedoch nur eine geringe Untergrundmessung von Elektron-Myon-Paaren durch z.B. gleichzeitige Zerfälle, da die Leptonzahl nicht erhalten ist. MarkI Detektor Der MarkI Detektor war der erste Detektor mit nahezu 4πRaumwinkelabdeckung, daher auch ein Vorbild für zukünftige Detektoren. Der Detektor ist im Schichtsystem aufgebaut, wobei in der Mitte das Strahlrohr verläuft. Danach kommen Proportionalkammern und Triggerzähler, Drahtkammern und ein Magnetfeld zur Bestimmung der Flugbahn. Der Schauerzähler dient zur Bestimmung von Elektronen. Nach der Eisenabschirmung können Myonen in den Funkenkammern nachgewiesen werden. Abbildung 6: Querschnitt des MarkI Detektors Seite 4 Ergebnisse Links sehen wir ein Detektorbild des MarkI-Detektors mit einer Elektron-Myon-Spur. Rechts ist der Wirkungsquerschnitt der Produktion solch eines Teilchenpaares gegenüber der Schwerpunktsenergie des SPEAR-Speicherrings aufgetragen. Ab einer Schwerpunktsenergie von etwa 3,5 GeV tritt die Messung dieses ungewöhnlichen Paares auf, was darauf schließen lässt, dass wir hier ein neues Teilchen gefunden haben. Abbildung 8: MarkI Detektorbild mit Elektron-Myon-Spur Abbildung 7: Wirkungsquerschnitt aufgetragen gegenüber Schwerpunksenergie Das Tau-Lepton Das τ–Lepton zerfällt über die schwache WW in ein τ–Neutrino und ein WBoson, welches wiederum in entweder ein Elektron oder Myon plus Neutrino, oder up und down-Quark zerfällt. Seite 5