Sanofi-Aventis möchte Genzyme übernehmen

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B I OT E CH NO LO G I E · N E WS & KO M M E N TA R E
ÿ Sanofi-Aventis möchte Genzyme übernehmen
ÿ Innovation mit bereits zugelassenen Wirkstoffen
ÿ Actavis zieht es in die Schweiz
ÿ Stammzellentherapie bei Diabetes
Sanofi-Aventis möchte Genzyme übernehmen
ó Der französische Pharmakonzern SanofiAventis möchte Genzyme, eines der größten
Biotech-Unternehmen der USA, kaufen.18,5
Milliarden USD bietet Sanofi-Aventis in bar an,
das bedeutet einen Aufschlag von 38 Prozent
gegenüber dem Kurs vom 1. Juli 2010. Die Summe entspricht dem Vierfachen Umsatz von Genzyme und dem Zwanzigfachen des für 2011
erwarteten Gewinns. Die Führung von Genzyme
hat das Übernahmeangebot offiziell zurückgewiesen, das Unternehmen sei dramatisch unterbewertet. Genzyme ist vor allem auf orphan
drugs, Wirkstoffe gegen seltene Erkrankungen,
spezialisiert. (rrm)
ó
Eine im Himmel gestiftete Ehe?
Y Bis 2013 wird Sanofi-Aventis 20 Prozent
seines Umsatzes an Generika-Konkurrenten
verlieren. Um dem entgegenzuwirken hat
Sanofi-Aventis seit 2008 über 17 Mrd USD für
M&A (merger & acquisition) ausgegeben und
die Kerngeschäftsfelder mit Produkten und
Technologien gestärkt. Das gehört zu der Strategie, das Geschäft vom zyklischen, „Block-
buster“- abhängigen in einen nachhaltigen
Wachstumsmodus mit verstärkter Vertretung
der personalisierten Medizin umzuwandeln.
Um dieses Ziel zu erreichen, glaubt Chris Viehbacher (CEO), die innovative Kraft der BiotechIndustrie mehr als bisher nutzen zu müssen.
Mit der anvisierten Genzyme-Akquisition, die
mehr kosten wird als die gesamten M&A-Ausgaben der letzten drei Jahre, macht SanofiAventis einen wichtigen Schritt sowohl zur
Integration von Biotech-Kultur, als auch Patientenorientierter Therapeutika. Genzyme bringt
ein Portfolio hoch innovativer Medikamente
für seltene Erkrankungen, sowie die ersten
vermarkteten Zelltherapie Produkte mit, die
die Pipeline von Sanofi-Aventis komplementieren. Wichtig sind auch die Expertise, sowie
die unternehmerischen Visionen, die notwendig waren, um solche Produkte zu entwickeln.
Zusammen werden sie Sanofi-Aventis‘ Ziel, ein
hoch innovatives Neuland zu betreten, bestens
unterstützen. Der Schlüssel zum Erfolg des
Deals wird sein, kulturelle Synergien zu erzielen, sodass zwei traditionell unterschiedliche
Geschäftsmodelle zusammen kommen. Sanofi-Aventis hat sich, um innovative Kraft zu fördern, bei neueren Akquisitionen signifikante
Freiheiten erlaubt. Das zeigt, dass sowohl die
Geschäftsführung als auch das Unternehmen
bereit sind, selbst von den kleinsten Partnern
zu lernen. Bei der Interaktion wird Genzyme
wiederum von Sanofi-Aventis „big pharma“Stärke profitieren. Für Patienten, Kassen,
Arbeitnehmer, Gesellschafter und die PharmaBiotech Branche kann diese gelungene Ehe
nur gut sein.
ó
Dr. Jonathan Turner,
Texel Consulting GmbH, Kelkheim
Dr. Jonathan Turner, Neurowissenschaftler, ist Geschäftsführer der Texel Consulting
GmbH, die Biotechnologieunternehmen und Investoren
berät. Er hat 20 Jahre Erfahrung in leitenden Positionen in
Geschäftsentwicklung und F&E
bei internationalen Pharmafirmen, unter anderem Schering AG, AstraZeneca
und Boehringer Ingelheim.
Innovation mit bereits zugelassenen Wirkstoffen
ó Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
(AMNOG) soll den ausufernden Anstieg der
Arzneimittelausgaben eindämmen. Nur Arzneimittel, die nachgewiesen eine Innovation
darstellen, dürfen für die Dauer eines Jahres ab
Markteinführung zum vom Unternehmen festgelegten Preis verkauft werden. Danach übernehmen die Krankenkassen ausschließlich den
ausgehandelten Erstattungspreis. Alle ande-
ren Arzneimittel, selbst neue, werden ins Festbetrags-System übernommen, bei denen die
Erstattungshöhe auf den Preis vergleichbarer
Medikamente begrenzt ist. Besonders hart fühlen sich dabei die mittelständischen Unternehmen betroffen, die an Verbesserungen
bewährter Wirkstoffe forschen. Sie fordern,
diese Forschung ebenfalls als Innovation anzuerkennen. (rrm)
ó
AMNOG darf nicht entkernt werden
Y Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zeigt Licht und Schatten: Positiv bewerten wir den Einstieg in eine konsensuale Preisregulierung von patentgeschützten Arzneimitteln. Die Kostensteigerung bei Spezialarzneimitteln ist mittlerweile exorbitant, eine faire Preisregulierung
unverzichtbar. Ob wir tatsächlich über eine
schnelle Nutzenbewertung und direkte Verhandlungen zwischen pharmazeutischen Herstellern und Krankenkassen zu vernünftigeren Preisen kommen, muss sich in der Praxis
zeigen. Jedenfalls ist es den Versuch wert,
denn die Pharmaindustrie muss jetzt Verantwortung zeigen. Dass sie sich damit teil-
weise schwer tut, zeigen die Versuche, die
Anhebung des Herstellerrabatts und das
Preismoratorium zu umgehen. Zudem macht
uns ein Änderungsantrag stutzig, wonach die
Kriterien der Nutzenbewertung nun per
Rechtsverordnung festgelegt werden sollen.
Noch abwegiger ist der Plan, Arzneimittel für
seltene Erkrankungen und solche, die angeblich ohne wirtschaftliche Bedeutung sind, von
der Nutzenbewertung freizustellen. Auch Arzneimittel für seltene Erkrankungen müssen
nicht automatisch einen Zusatznutzen mit
sich bringen, sofern eine bisherige Therapieform existiert. Das Gesetzesvorhaben darf
jetzt nicht nachträglich entkernt werden. Die
Definition von Bewertungskriterien muss
durch unabhängige wissenschaftliche Institutionen erfolgen, das Ministerium sollte sich
heraus halten. Hier bietet sich die Expertise
des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) an. Das
AMNOG hat aber noch eine Schwachstelle:
Die Mehrkostenregelung ist gleich mehrfach
falsch. Abgesehen davon, dass Kostenerstattung wieder unnötig Verwaltung bedeutet,
weicht sie das Substitutionsgebot in den Apotheken auf, unterläuft die Rabattverträge und
benachteiligt die Versicherten. Auch hätten
wir uns gewünscht, den Apothekenabschlag
auf mindestens 2,30 Euro zu fixieren.
ó
Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, Barmer GEK, Berlin
Dr. Rolf-Ulrich Schlenker ist
seit über 25 Jahren im Gesundheitswesen tätig. 2009 führte
der promovierte Jurist die
Gmünder Ersatzkasse in die
Vereinigung mit der BARMER.
Seit Anfang des Jahres ist er
stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK
und als solcher zuständig für den Vertrags- und
Leistungsbereich sowie die Versorgungsforschung.
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Actavis zieht es in die Schweiz
ó Der isländische Pharmahersteller Actavis
möchte seine neue Managementzentrale in die
Schweiz verlegen. Zwischen 1999 und 2008
entwickelte sich der Konzern zu einem der weltweit führenden Generikahersteller, bis ihn die
Finanzkrise den Konzern traf. Nach der Refinanzierung durch die Deutsche Bank ist Actavis gut aufgestellt mit etwas Aufholbedarf bei
Biosimilars. Im Bereich Onkologie, in dem es
viele große biotechnologisch hergestellte Produkte gibt, will Actavis den Markteintritt schaffen. Für den Vorstandschef, Dr. Claudio
Albrecht, ist Deutschland kein attraktiver
Standort für Generikaunternehmen mehr, weil
es seine Arzneimittelversorgung zu sehr auf
Spotanbieter aufbaut. Trotzdem möchte Actavis seinen Marktanteil hier ausbauen. (rrm)ó
Die Schweiz mit ihrer zentralen Lage
in Europa zieht viele Unternehmen an
Y Es kommt nicht von ungefähr, dass sich
eine Firma wie Actavis in der Schweiz ansiedelt. Denn die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist Schnittpunkt unterschiedlicher
Kulturen sowie Kommunikations- und Trans-
portzentrum zwischen Nord- und Südeuropa.
Das macht sie zum attraktiven Wirtschaftsstandort und idealen Ausgangspunkt für
Geschäfte in Ländern der Europäischen
Union. Mit ihrer Sprachenvielfalt bietet die
Schweiz beste Voraussetzungen, um von hier
aus neue Märkte zu erschließen. Die Schweizer Wirtschaft ist zudem eine der liberalsten
und wettbewerbfähigsten der Welt. Im neusten Ranking des World Economic Forums
(WEF) bezüglich Wettbewerbsfähigkeit belegt
die Schweiz wiederum die Nummer 1. Die
Schweiz zeichnet sich durch sozialen Frieden
sowie politische und wirtschaftliche Stabilität
aus. Auch bezüglich Forschung und Ausbildung ist die Schweiz vorbildlich und gehört zu
den forschungsaktivsten Staaten der Welt. Sie
zählt zu den Volkswirtschaften mit der weltweit höchsten Arbeitsproduktivität. Ebenfalls
hoch ist die Dienstleistungsqualität. Das geistige Eigentum ist in der Schweiz durch ein
Netzwerk internationaler Verträge geschützt.
Die Schweiz ist deshalb auch ein wertvoller
Nährboden für Kreativität und Innovation –
nirgendwo werden Neuentwicklungen und
Erfindungen besser geschützt als in der
Schweiz. Die Gründung eines Unternehmens
in der Schweiz verläuft zudem schnell und
unkompliziert. Eine sehr moderne IT-Infrastruktur und modernste technologische Hilfsmittel bieten optimale Voraussetzungen für
die Entwicklung neuer Technologien. Als
einer der grössten Finanzplätze der Welt bietet die Schweiz Unternehmen zudem ausgezeichnete Möglichkeiten für die Finanzierung
von Investitionsvorhaben. So sind mehrere
Branchencluster entstanden, die von internationaler Bedeutung sind.
ó
Caroline Villiger, Osec, Zürich
Caroline Villiger ist Repräsentantin Deutschland
beim Programm Handels- & Investitionsförderung
des Aussenwirtschaftsförderers Osec in Zürich,
Schweiz. Die Osec unterstützt Schweizer und
Liechtensteiner Unternehmen beim Auf- und Ausbau ihrer Auslandaktivitäten und ermöglicht so
eine schlagkräftige Aussenwirtschaftsförderung.
Sie bündelt – basierend auf dem Entscheid des
Schweizer Parlaments – seit 2008 auch die Leistungsaufträge der Export-, Import- und Investitionsförderung sowie der Standortpromotion
unter einem gemeinsamen Dach.
Stammzellentherapie bei Diabetes
ó Das Kompetenznetz Diabetes mellitus und
die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG)
äußern in einem offenen Brief Bedenken vor
der Stammzellentherapie zur Behandlung von
Diabetes. XCell-Center, eine private Klinik für
regenerative Medizin, die die Genehmigung
der Bezirksregierung Köln zur Entnahme von
Knochenmark und eine Freigabe des Stammzellpräparates zur autologen Anwendung hat,
behandelt unter anderem Typ-1 und Typ-2-Diabetes, obwohl es bisher keinerlei Evidenz gibt,
dass Patienten von dieser unkontrollierten Therapie profitieren. Derweil geht die deutschamerikanische Kooperation mit dem Fokus
Stammzellen und regenerative Medizin zwischen California Institute of Regenerative Medicine (CIRM) und BMBF in die dritte Runde.
Durch den Förderschwerpunkt „Basic Biology
III“ können KMU und Kliniken, die sich auf regenerative Therapien spezialisiert haben, gefördert werden. (rrm)
ó
Genehmigung für Stammzelltherapie
Y Die Deutsche Diabetesgesellschaft hat zu
Recht Stellung gegen Stammzelltherapien
genommen, die ausserhalb von klinischen
Studien durchgeführt werden. Die StellungBIOspektrum | 07.10 | 16. Jahrgang
nahme wurde von vielen Patienten angeregt,
die sich vor die Frage gestellt sehen, in einer
Privatklinik tausende von Euros für eine wage
Heilungschance zu zahlen. Dennoch müssen
wir uns fragen, wie eine solche Situation entstehen konnte und warum diese Therapien
vielmehr in privaten Kliniken zu finden sind
als z.B. in Deutschen Universitätskliniken,
wo sie von Experten im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien und zum Nutzen
der Patienten durchgeführt werden. Stammzelltherapien sind von großem Interesse. Bei
Diabetes hat man bereits beträchtliche Erfolge bei der Produktion von Pankreas-Betazellen aus echten Stammzellen erzielt, aber der
Weg in die Klinik ist noch weit. Patienten fragen nach neuen Therapien und private Kliniken sehen hier ein profitables Geschäftsfeld. Warum also werden diese Therapien
dann nicht von öffentlichen Kliniken angeboten? Weil Wissenschaftler zum Teil wenig
von dem Nutzen der Therapie halten, aber
auch, weil es aufgrund der EU-Regularien ein
langer und oft aussichtsloser Prozess ist, die
Genehmigung für klinische Studien mit
Stammzellen zu erhalten. Wie können wir die
derzeitige Situation konstruktiv nutzen?
Solange private Kliniken eine Nachfrage
bedienen, die nicht durch den öffentlichen
Sektor abgedeckt ist, wäre ein Mechanismus
erforderlich, der rigoros die in Frage kommenden Therapien testet. Renommierte Institutionen wie das Paul Ehrlich Institut könnten (und sollten vielleicht) mit dem BMBF
zusammenarbeiten. Wissenschaftler und
Patientengruppen sollten sich in Diskussionen zusammenfinden, um klinische Studien
für Stammzelltherapien, ähnlich denen im
privaten Sektor, finanziell zu unterstützen
und voranzutreiben. Das kommt allen Interessengruppen zugute.
ó
Prof. Dr. Ezio Bonifacio, TU Dresden
Prof. Dr. Ezio Bonifacio ist
Professor für Präklinische
Stammzelltherapie am DFGForschungszentrum für Regenerative Therapien an der TU
Dresden. Von 2001 bis 2007
war er Direktor des JDRF Center for Beta Cell Replacement
am San Raffaele Institute in
Mailand. Er promovierte an der University of
Western Australia.
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