Neutrino-Astronomie, was verbirgt sich dahinter ? Wenn wir von Astronomie sprechen, dann ist es selbstverständlich, dass wir damit die Beobachtung von Himmelskörpern mittels elektromagnetischer Wellen, insbesondere des sichtbaren Lichts meinen. Nun gibt es aber auch eine besondere Art von Elementarteilchen, die sogenannten Neutrinos, die von allen Sternen abgestrahlt werden. Könnten wir diese Teilchen problemlos detektieren, so wären wir in der Lage, die Sterne im “Licht“ der Neutrinostrahlung zu beobachten. Leider geht das aber nicht so ohne weiteres, dennoch gibt es seit etwa 35 Jahren eine Neutrino-Astronomie. Warum ? Die Neutrinos sind kleinste Elementarteilchen, die so gut wie keine Masse haben und sich praktisch mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. So gesehen, könnte man bei ihnen Lichtähnliche Eigenschaften vermuten. Dem ist aber nicht so. Sie unterscheiden sich nämlich fundamental von der elektromagnetischen Strahlung dadurch, dass sie de facto überhaupt nicht mit Materie wechselwirken. Was heißt das? Die Tatsache, dass wir leuchtende Objekte sehen, ist darauf zurückzuführen, dass das von ihnen kommende Licht auf der Netzhaut unserer Augen eine Umwandlung in elektrische Impulse erfährt, die ihrerseits entsprechende Reaktionen in unserem Gehirn verursachen. Verallgemeinern wir diesen Vorgang, so bedeutet das, dass elektromagnetische Strahlung, kommt sie mit Materie in Berührung, eine Reaktion der Materie hervorruft und umgekehrt. Physikalisch heißt das, dass zwischen den beteiligten Komponenten eine Austauschkraft wirkt, die als elektromagnetische Wechselwirkung bezeichnet wird. Würde diese Kraft nicht vorhanden sein, würden wir weder etwas von der Materie noch von der elektromagnetischen Strahlung spüren. Die Neutrinos sind nun genau solche Teilchen, die praktisch weder mit normaler Materie noch mit der elektromagnetischen Strahlung wechselwirken. Werden sie von einem Stern abgestrahlt, so fliegen sie durch andere Körper, also auch durch die Erde und uns selbst in unvorstellbar großer Anzahl einfach hindurch, ohne dass wir irgendetwas von ihnen spüren oder sehen. Da dem so ist, können wir eigentlich mit Neutrinos auch keine Astronomie betreiben. Es gibt jedoch den seltenen Fall, dass ein Neutrino einem Atomkern so nahe kommt, dass eine andere Wechselwirkung mit äußerst geringer Reichweite, die sogenannte schwache Kernkraft wirksam wird. Diese seltenen Ereignisse lassen sich nun mit Hilfe sehr aufwändiger und von jeglicher elektromagnetischer Wechselwirkung weitestgehend abgeschirmter, spezieller Detektoren nachweisen. Dabei lässt sich die Richtung der Neutrino-Quelle bis zu etwa 0,2° genau bestimmen. Ohne im Einzelnen auf die Funktionsweise der Detektoren einzugehen, soll an dieser Stelle nur kurz der Sinn der Neutrino-Astronomie aufgezeigt werden. Wie gesagt, wechselwirken Neutrinos mit anderen Teilchen so gut wie nicht und können deshalb nahezu ungestört aus dem tiefsten Innern eines Sterns austreten, was bei Licht nicht der Fall ist. Durch die Wechselwirkung des Lichts mit anderen, elektrisch geladenen Teilchen, wie z. B. Elektronen, gelangen die elektromagnetischen Wellen aus dem Sterninnern nämlich 1 vielfach gestreut, umgewandelt und dadurch verzögert und abgeschwächt an die Oberfläche. Damit bleiben die Prozesse im Stern der “normalen“ Astronomie verborgen bzw. erreichen uns deren Auswirkungen erst verspätet. Hingegen zeigt uns z. B. ein ungewöhnlicher NeutrinoAusbruch an, dass wir in Kürze eine Explosion des Sterns (Supernova) beobachten werden. Ferner können wir mit Hilfe der Neutrino-Astronomie wichtige Erkenntnisse über die inneren Vorgänge in Sternen erlangen. Zum Beispiel produziert die Sonne mehr als 1038 gleich 100000000000000000000000000000000000000 (!!!!!) Neutrinos pro Sekunde. Daraus und aus einer Messung der Teilchen-Energie können die Astrophysiker auf die kernphysikalischen Prozesse und damit auf den aktuellen Zustand der Sonne schließen. Dies wäre ohne die Neutrino-Astronomie nicht möglich. Neutrino-Observatorien gibt es mittlerweile über den ganzen Globus verteilt, entweder tief unter Felsmassiven oder unter Eis vergraben oder tausende von Metern unter der Oberfläche im Tiefwasser. So gibt es Neutrino-Observatorien am Grunde des Baikalsees in 3000 Meter Tiefe, das KAMOIKANDE-Observatorium in Japan, ferner das Neutrino-Teleskop ICECUBE unter dem Eis der Antarktis und ANTARES vor der Insel Porquerolle an der französischen Mittelmeerküste in 2500 m Wassertiefe, außerdem weitere Detektoren in USA und Kanada sowie 2000 m unter dem Gran Sasso - Massiv in den Abruzzen, Italien. Letzteres hat vor etwa einem Jahr Schlagzeilen gemacht, mit der inzwischen widerlegten Behauptung, dass Neutrinos schneller als Licht seien. Peter Steffen 2