Offener Umgang mit einem Tabuthema

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BLSV aktuell
Offener Umgang mit
einem Tabuthema
Vereinsberatung Sexuelle Übergriffe im Sport sorgen für Sensibilisierung.
bayernsport-Interview mit BLSV-Experten.
N
achdem in den letzten Wochen mehrere Fälle von sexuellen Übergriffen auf
Kinder und Jugendliche auch in der bayerischen Sportszene bekannt wurden, sind
viele Vereine verunsichert. Wo gibt es Rat,
was ist zu tun?
Wir sprachen mit BLSV-Geschäftsführer
Peter Koller und Wolfgang Ballester, den zuständigen Fachmann bei der Bayerischen
Sportjugend (BSJ) im BLSV.
bayernsport: Die letzten Wochen haben mehrere Fälle von Kindesmissbrauch im Sport
die Schlagzeilen dominiert. Wie reagiert
denn der BLSV auf solche Schlagzeilen,
was raten Sie Vereinen, die jetzt bei Ihnen anrufen?
Koller: Wir verurteilen diese Fälle
aufs Schärfste, so etwas darf nicht
passieren. Über eine Million junge
Menschen unter 18 Jahren, also
mehr als 40 % aller bayerischen Kinder und Jugendlichen, sind in
den Sportvereinen
aktiv. Sie müssen
wirksam vor
sexuellem
Missbrauch
geschützt
werden
und mögliche Täter
müssen abgeschreckt
werden, sich
den Sportverein als Tatort
zu wählen. Dies
ist Aufgabe des organisierten Sports
und auch der Verantwortlichen in
den Vereinen.
bayernsport:
Fast
100.000 Übungsleiter sind im BLSV
organisiert - hauptamtlich wie ehrenamtlich. Haben Sie nicht
die Sorge, dass eine Art
Sippenhaft entsteht und
man aufgrund der aktuellen Vorfälle eine ganze
Zunft vorverurteilt?
Nr. 36 · bayernsport · 1. September 2009
Koller: Man muss auf jeden Fall differenzieren, es handelt sich um Einzelfälle, in denen
Menschen straffällig geworden sind. Man
darf keinesfalls die Vielzahl der sehr engagierten und kompetenten Übungsleiter in
Frage stellen und muss sie gleichzeitig auch
vor falschen Verdächtigungen und Missverständnissen schützen.
bayernsport: Es geht um Kinder und Jugendliche und damit ist die Bayerische Sportjugend
(BSJ) Ansprechpartner für diese Thematik.
Welche Maßnahmen hat die BSJ im BLSV entwickelt, um mit dem Thema umzugehen?
Ballester: 2005 haben wir das neue Präventionsprojekt „Prätect“ vom Bayerischen
Jugendring den Vorsitzenden unserer 76
Kreise und sieben Bezirke vorgestellt. Das
Theaterstück „Mein Körper ist mein Freund“
über den Missbrauch eines Kindes bewirkte
in diesem Rahmen eine große Betroffenheit
unter den Mandatsträgern. Alle waren sich
einig, dass die Prävention sexueller Gewalt
auch im größten Jugendverband offensiv
angegangen werden muss.
Noch im selben Jahr entwickelte die BSJ
auf Landesebene ein Konzept zur Installation der „Prävention sexueller Gewalt in der
sportlichen Jugendarbeit“ (PsG), das auf
drei Säulen steht: Aus- und Fortbildung,
Verankerung in der Struktur des Sports sowie begleitende Maßnahmen, wie z.B. Öffentlichkeitsarbeit.
Seitdem konnten einige der geplanten Bausteine des Konzepts umgesetzt werden:
O Seit 2007 ist das Thema PsG verbindlich
in die Ausbildung (zum Übungsleiter-CBreitensport Kinder und Jugendliche) aufgenommen. In dieser Sparte werden jedes
Jahr rund 500 Übungsleiter ausgebildet.
Auch die derzeit über 300 FSJ-Mitarbeiter
im Sport (Freiwilliges Soziales Jahr) müssen sich aktiv mit allen relevanten Fragen
auseinander setzen. Mittel- bis langfristig
verbreiten wir damit das Thema bayernweit in viele Sportvereine. Auch dies wird
helfen, das Tabu des Missbrauchs aufzubrechen.
BLSV aktuell
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In Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern (BJR-Prätect, Amyna, Wildwasser
etc.) wurden eigene Referenten zur PsG
ausgebildet.
O Seit 2006 bietet die BSJ ihren Untergliederungen ein fertiges und bezuschussungsfähiges Tagesseminarkonzept und Fachreferenten an. Leider wird dieses Angebot
nur sehr zögernd nachgefragt.
O In diesem Jahr werden mit etwa 20 „Kinder
stark machen“ - Lehrgängen bayern weit
Übungsleiter geschult, wie sie Kinder so
stark machen können, damit diese „Nein“
sagen, zu Drogen, Alkohol, aber auch zu
sexueller Belästigung und Übergriffen.
O Seit 2008 ist die Ächtung der Gewalt und
im Speziellen die Ächtung der sexuellen
Gewalt in der BLSV-Jugendordnung festgeschrieben. Die BSJ zeigt keinerlei Toleranz
und wird das Thema weiter offensiv angehen.
O Wir haben eine Muster-Verpflichtungserklärung für ehren- oder hauptamtlich in
der sportlichen Jugendarbeit tätige Mitarbeiter in Sportvereinen entwickelt (zum
Downloaden unter www.bsj.org/Projekte/sexuelle Gewalt/). Damit sollen sich
Übungsleiter und Betreuer, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind, verpflichten, präventiv tätig zu sein und Kinder und
Jugendliche zu schützen.
O
bayernsport: Wie werden denn diese Angebote
bisher angenommen ?
Ballester: Bisher mussten wir z.B. die Tagesseminare leider oft wie Sauerbier anbieten,
die wenigen Anmeldungen waren schon
frustrierend. Es handelt sich eben noch immer um ein Tabuthema und viele Sportvereine sind der Meinung: „Bei uns gibt es
so was nicht!“. Die durchweg sehr positive
Rückmeldung der Teilnehmer aber aus den
wenigen Seminaren, die stattfanden, zeigen
uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Gut angenommen werden die „Kinder stark
machen“ – Lehrgänge.
Ich glaube auch, dass nach den Vorfällen der letzten Wochen ein Umdenken stattfinden wird. Die Zunahme der telefonischen
Nachfragen in den letzten Tagen deuten dies
an.
Zudem ist die Verbreitung des Präventionsgedankens zur Verhinderung sexuellen
Missbrauchs in die Sportvereine und –Verbände hinein langfristig angelegt und wird
die sportliche Jugendarbeit dauerhaft begleiten. Hier müssen wir noch mehr Werbung für unsere Angebote machen, so dass
die Verpflichtungserklärung für Sportvereine genau so gut nachgefragt wird, wie das
Merkblatt für Freizeiten.
bayernsport: Was raten Sie Sportvereinen, die
in diesen Tagen unter dem Eindruck der Ereignisse bei Ihnen anrufen ?
Koller: Die Sportvereine haben jetzt die
Chance, das Thema auch im Sinne eines
Qualitätsmanagements für den Verein aufzugreifen und ihre Übungsleiter und auch
die verantwortlichen Abteilungsleiter anzusprechen. Man darf es sicher nicht überziehen, gewisse Standards sollte man auf
jeden Fall anbieten und da bietet der BLSV
ja die angesprochenen Instrumente wie
etwa kompetente Experten unserer Kooperationspartner sowie die „Verpflichtungserklärung für Übungsleiter“ als Hilfestellung an...
Wolfgang Ballester
Tipps zur Einführung eines Verhaltenskodexes im Sportverein werden ebenfalls angeboten.
O Das Merkblatt zur PsG für Kinder- und Jugendfreizeiten unseres Partners BJR wird
in unseren Übungsleiter-Ausbildungen
und Lehrgängen verteilt.
O Im bayernsport und auf der BSJ-Homepage
wird das Tabuthema seit 2006 immer wieder und unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgegriffen. Laufende Information und Aufklärung der Sportvereine sind
ein wichtiger Baustein
O Derzeit wird diskutiert, eine Ansprechstelle im Verband zu schaffen, die beraten und
gegebenenfalls Betroffene an Fachstellen
weiter leiten kann.
O
Ballester: ...die im Übrigen derzeit nur auf
freiwilliger Basis eingesetzt werden kann,
aber es wäre sicher ein guter Ansatz, so eine
Erklärung verpflichtend einzuführen.
Info
Weitere Informationen zum Thema
im Internet unter:
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www.blsv.de
www.bsj.org
www.bjr.de
www.praetect.de
Nr. 36 · bayernsport · 1. September 2009
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