046 BLSV aktuell Offener Umgang mit einem Tabuthema Vereinsberatung Sexuelle Übergriffe im Sport sorgen für Sensibilisierung. bayernsport-Interview mit BLSV-Experten. N achdem in den letzten Wochen mehrere Fälle von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche auch in der bayerischen Sportszene bekannt wurden, sind viele Vereine verunsichert. Wo gibt es Rat, was ist zu tun? Wir sprachen mit BLSV-Geschäftsführer Peter Koller und Wolfgang Ballester, den zuständigen Fachmann bei der Bayerischen Sportjugend (BSJ) im BLSV. bayernsport: Die letzten Wochen haben mehrere Fälle von Kindesmissbrauch im Sport die Schlagzeilen dominiert. Wie reagiert denn der BLSV auf solche Schlagzeilen, was raten Sie Vereinen, die jetzt bei Ihnen anrufen? Koller: Wir verurteilen diese Fälle aufs Schärfste, so etwas darf nicht passieren. Über eine Million junge Menschen unter 18 Jahren, also mehr als 40 % aller bayerischen Kinder und Jugendlichen, sind in den Sportvereinen aktiv. Sie müssen wirksam vor sexuellem Missbrauch geschützt werden und mögliche Täter müssen abgeschreckt werden, sich den Sportverein als Tatort zu wählen. Dies ist Aufgabe des organisierten Sports und auch der Verantwortlichen in den Vereinen. bayernsport: Fast 100.000 Übungsleiter sind im BLSV organisiert - hauptamtlich wie ehrenamtlich. Haben Sie nicht die Sorge, dass eine Art Sippenhaft entsteht und man aufgrund der aktuellen Vorfälle eine ganze Zunft vorverurteilt? Nr. 36 · bayernsport · 1. September 2009 Koller: Man muss auf jeden Fall differenzieren, es handelt sich um Einzelfälle, in denen Menschen straffällig geworden sind. Man darf keinesfalls die Vielzahl der sehr engagierten und kompetenten Übungsleiter in Frage stellen und muss sie gleichzeitig auch vor falschen Verdächtigungen und Missverständnissen schützen. bayernsport: Es geht um Kinder und Jugendliche und damit ist die Bayerische Sportjugend (BSJ) Ansprechpartner für diese Thematik. Welche Maßnahmen hat die BSJ im BLSV entwickelt, um mit dem Thema umzugehen? Ballester: 2005 haben wir das neue Präventionsprojekt „Prätect“ vom Bayerischen Jugendring den Vorsitzenden unserer 76 Kreise und sieben Bezirke vorgestellt. Das Theaterstück „Mein Körper ist mein Freund“ über den Missbrauch eines Kindes bewirkte in diesem Rahmen eine große Betroffenheit unter den Mandatsträgern. Alle waren sich einig, dass die Prävention sexueller Gewalt auch im größten Jugendverband offensiv angegangen werden muss. Noch im selben Jahr entwickelte die BSJ auf Landesebene ein Konzept zur Installation der „Prävention sexueller Gewalt in der sportlichen Jugendarbeit“ (PsG), das auf drei Säulen steht: Aus- und Fortbildung, Verankerung in der Struktur des Sports sowie begleitende Maßnahmen, wie z.B. Öffentlichkeitsarbeit. Seitdem konnten einige der geplanten Bausteine des Konzepts umgesetzt werden: O Seit 2007 ist das Thema PsG verbindlich in die Ausbildung (zum Übungsleiter-CBreitensport Kinder und Jugendliche) aufgenommen. In dieser Sparte werden jedes Jahr rund 500 Übungsleiter ausgebildet. Auch die derzeit über 300 FSJ-Mitarbeiter im Sport (Freiwilliges Soziales Jahr) müssen sich aktiv mit allen relevanten Fragen auseinander setzen. Mittel- bis langfristig verbreiten wir damit das Thema bayernweit in viele Sportvereine. Auch dies wird helfen, das Tabu des Missbrauchs aufzubrechen. BLSV aktuell Anzeige In Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern (BJR-Prätect, Amyna, Wildwasser etc.) wurden eigene Referenten zur PsG ausgebildet. O Seit 2006 bietet die BSJ ihren Untergliederungen ein fertiges und bezuschussungsfähiges Tagesseminarkonzept und Fachreferenten an. Leider wird dieses Angebot nur sehr zögernd nachgefragt. O In diesem Jahr werden mit etwa 20 „Kinder stark machen“ - Lehrgängen bayern weit Übungsleiter geschult, wie sie Kinder so stark machen können, damit diese „Nein“ sagen, zu Drogen, Alkohol, aber auch zu sexueller Belästigung und Übergriffen. O Seit 2008 ist die Ächtung der Gewalt und im Speziellen die Ächtung der sexuellen Gewalt in der BLSV-Jugendordnung festgeschrieben. Die BSJ zeigt keinerlei Toleranz und wird das Thema weiter offensiv angehen. O Wir haben eine Muster-Verpflichtungserklärung für ehren- oder hauptamtlich in der sportlichen Jugendarbeit tätige Mitarbeiter in Sportvereinen entwickelt (zum Downloaden unter www.bsj.org/Projekte/sexuelle Gewalt/). Damit sollen sich Übungsleiter und Betreuer, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind, verpflichten, präventiv tätig zu sein und Kinder und Jugendliche zu schützen. O bayernsport: Wie werden denn diese Angebote bisher angenommen ? Ballester: Bisher mussten wir z.B. die Tagesseminare leider oft wie Sauerbier anbieten, die wenigen Anmeldungen waren schon frustrierend. Es handelt sich eben noch immer um ein Tabuthema und viele Sportvereine sind der Meinung: „Bei uns gibt es so was nicht!“. Die durchweg sehr positive Rückmeldung der Teilnehmer aber aus den wenigen Seminaren, die stattfanden, zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Gut angenommen werden die „Kinder stark machen“ – Lehrgänge. Ich glaube auch, dass nach den Vorfällen der letzten Wochen ein Umdenken stattfinden wird. Die Zunahme der telefonischen Nachfragen in den letzten Tagen deuten dies an. Zudem ist die Verbreitung des Präventionsgedankens zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs in die Sportvereine und –Verbände hinein langfristig angelegt und wird die sportliche Jugendarbeit dauerhaft begleiten. Hier müssen wir noch mehr Werbung für unsere Angebote machen, so dass die Verpflichtungserklärung für Sportvereine genau so gut nachgefragt wird, wie das Merkblatt für Freizeiten. bayernsport: Was raten Sie Sportvereinen, die in diesen Tagen unter dem Eindruck der Ereignisse bei Ihnen anrufen ? Koller: Die Sportvereine haben jetzt die Chance, das Thema auch im Sinne eines Qualitätsmanagements für den Verein aufzugreifen und ihre Übungsleiter und auch die verantwortlichen Abteilungsleiter anzusprechen. Man darf es sicher nicht überziehen, gewisse Standards sollte man auf jeden Fall anbieten und da bietet der BLSV ja die angesprochenen Instrumente wie etwa kompetente Experten unserer Kooperationspartner sowie die „Verpflichtungserklärung für Übungsleiter“ als Hilfestellung an... Wolfgang Ballester Tipps zur Einführung eines Verhaltenskodexes im Sportverein werden ebenfalls angeboten. O Das Merkblatt zur PsG für Kinder- und Jugendfreizeiten unseres Partners BJR wird in unseren Übungsleiter-Ausbildungen und Lehrgängen verteilt. O Im bayernsport und auf der BSJ-Homepage wird das Tabuthema seit 2006 immer wieder und unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgegriffen. Laufende Information und Aufklärung der Sportvereine sind ein wichtiger Baustein O Derzeit wird diskutiert, eine Ansprechstelle im Verband zu schaffen, die beraten und gegebenenfalls Betroffene an Fachstellen weiter leiten kann. O Ballester: ...die im Übrigen derzeit nur auf freiwilliger Basis eingesetzt werden kann, aber es wäre sicher ein guter Ansatz, so eine Erklärung verpflichtend einzuführen. Info Weitere Informationen zum Thema im Internet unter: @ @ @ @ www.blsv.de www.bsj.org www.bjr.de www.praetect.de Nr. 36 · bayernsport · 1. September 2009 7 04