RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM Dissertation Diagnostik von Niederdruckplasmen zur kontrollierten Systhese von Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen Martin Schulze Bochum 2007 Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktor-Ingenieurs der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der Ruhr-Universität Bochum Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis i Bilderverzeichnis iii 1 Einleitung 1.1 Anwendungspotentiale von Nanoteilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen 2.1 Experimenteller Aufbau . . . . . . . . . . 2.2 Versuchsablauf . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Entstehung von Protopartikeln . . . . . . . 2.4 Teilchenagglomeration . . . . . . . . . . . 2.5 Weiteres Wachstum und Wachstumszyklen 2.6 Unterbrechung des Teilchenwachstums . . 1 1 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 8 9 14 19 19 3 Ausbildung von Plasmainstabilitäten 3.1 Dynamik der Staubteilchen . . . . . . . . . . . 3.1.1 Orbitallimitiertes Teilchenstrommodell 3.1.2 Kräftebilanz . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Void-Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Void-Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 21 21 23 25 26 . . . . . . 4 Charakterisierung der Teilchen 4.1 Physikalische und chemische Eigenschaften plasmasynthetisierter Kohlenwasserstoff-Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Ex-situ Charakterisierung durch Mikroskopie . . . . . . . . . . . 4.3 In-situ Charakterisierung mit direkten Methoden . . . . . . . . 4.3.1 Lichtstreuung an Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Weitere direkte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 In-situ Charakterisierung mit indirekten Methoden . . . . . . . 4.4.1 Teilchenvermessung mittels der Void-Instabilität . . . . . 4.4.2 Messungen der Plasmaimpedanz . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Weitere Plasmainstabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 30 31 32 32 33 33 36 36 5 Plasmadiagnostik 5.1 Langmuir-Sondenmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Statistisches Modell der Messung . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Phyikalisches Modell des Sondenstroms . . . . . . . . . . 5.1.3 Ionenstromkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Nichtparametrische Regression mittels lokaler Polynome 5.1.5 Varianzschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 37 37 38 39 42 45 i 29 ii Inhaltsverzeichnis 5.2 5.1.6 Bestimmung des optimalen Bandbreiteprofils . . . . . . . . . . . . . . 5.1.7 Bestimmung der Plasmaparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.8 Ablauf der Auswertung der Sondenkennlinien . . . . . . . . . . . . . Optische Emissionsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Bestimmung von Neutralgastemperaturen . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Bestimmung parametrisierter Elektronenenergieverteilungsfunktionen 6 Untersuchung der Void-Rotation 6.1 Charakterisierung der stationären Entladung . . . 6.2 Charakterisierung der Void-Rotation . . . . . . . 6.2.1 Zeitliches Verhalten und Abhängigkeit vom 6.2.2 Optische Emissionsspektroskopie . . . . . 6.2.3 Langmuirsondenmessungen . . . . . . . . . 6.3 Physikalisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 48 51 52 52 53 63 63 66 66 67 70 75 Zusammenfassung 79 A Verzeichnis wichtiger Formelzeichen 81 Literaturverzeichnis 90 Bilderverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 Schematische Zeichnung des experimentellen Aufbaus . . . . . . . . . . . Ablauf des Experiments und Zeitverlauf der Plasmaemission. . . . . . . . Modell des Teilchenwachstums im Plasma. . . . . . . . . . . . . . . . . . Massenspektrum der negativen Ionen in einer gepulsten C2 H2 -Entladung. Massenspektrum der Neutralteilchen 3 s nach Zünden der Entladung. . . Zeitliche Entwicklung der Zählraten von Makromolekülen. . . . . . . . . Höhenprofil von 2 nm großen Teilchen auf einer Siliziumprobe. . . . . . . Zeitverlauf der Größe und Dichte von agglomierenden Staubteilchen. . . . Zeitverlauf von Größe und Dichte plasmasynthetisierter Staubteilchen. . . Zusammenhang zwischen Agglomeration und mittlerem Ladungszustand. . . . . . . . . . . 6 8 9 10 11 11 13 17 18 20 3.1 Teilchentrajektorie auf ein Staubteilchen im orbitallimitierten Modell. . . . . 21 4.1 4.2 SEM-Bilder extrahierter Teilchen bei Variation der Injektionsdauer von C2 H2 . 34 Zusammenhang zwischen Teilchengröße und Periodendauer der Plasmaoszillationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.1 5.2 5.3 Ortsaufgelöste Einkoppeleffizient in die Glasfaser. . . . . . . . . . . . . . . . Termschema der 3p5 4s und 3p5 4p Zustände von Argon. . . . . . . . . . . . . Sichtlinienintegrierte Zustandsdichten der Argon-3p5 4s-Niveaus bei Druckvariation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtlinienintegrierte Zustandsdichten der Argon-3p5 4s-Niveaus aus [HM00]. Vergleich von gemessenen und berechneten Linienintensitäten. . . . . . . . . Vergleich der mit OES und Langmuirsonde gemessenen EEDF bei Druckvariation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 57 Ortsprofil der Elektronendichte mit und ohne statisches Magnetfelds. . . . . Ortsaufgelöste Emissionsprofile bei Variation des statischen Magnetfelds. . . EEDF bei Variation des statischen Magnetfelds. . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsprofil der Elektronendichte mit und ohne Staubteilchen. . . . . . . . . . Zeitliche Entwicklung und Magnetfeldabhängigkeit der Void-Umlaufzeit. . . . Phasenabhängigkeit der Ne–585 Linienemission während der Plasmaoszillationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsprofile der Ne–585 Linienemission zu verschiedenen Phasenlagen. . . . . Ortsprofile der Linienemission des Plasmoiden bei Variation des Magnetfelds. Schematische Darstellung der Sondenmessung im Bezugssystem des rotierenden Plasmoiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasenaufgelöste Langmuirsondenmessung während der Plasmaoszillationen. Orts- und phasenaufgelöste Elektronendichte während der Plasmaoszillationen. Konturplot der Elektronendichte im Bezugssystem des Plasmoiden. . . . . . Konturplot des Plasmapotentials im Bezugssystem des Plasmoiden. . . . . . Schematische Darstellung der Teilchendynamik im induktiven Plasma. . . . . 63 64 65 66 67 5.4 5.5 5.6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 iii . . . . . . . . . . 57 58 60 61 68 69 69 70 71 72 73 74 76 iv Bilderverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Anwendungspotentiale von Nanoteilchen Nanoteilchen werden heutzutage für viele Anwendungen favorisiert. Einsatz finden solche Teilchen unter anderem in Cremes, Klebern, und Lacken, Nahrungsmitteln, Katalysatoren, bildgebenden Verfahren der Medizin und Biologie und als Therapeutikum. Das vielfältige Anwendungsspektrum beruht auf den einzigartigen Eigenschaften, die Materialien in Form kleinster Partikel besitzen. Dazu zählen eine hohe Löslichkeit in Flüssigkeiten, eine hohe chemische Reaktivität und Photoluminiszenz. Den meisten etablierten Anwendungen ist gemein, dass sie auf der Verwendung von Teilchen mit einem Durchmesser im Bereich mehrerer zehn bis hundert Nanometer basieren. Solche Teilchen sind relativ leicht herzustellen und die Anforderungen an die Reinheit und Größenverteilung sind in der Regel nicht besonders restriktiv. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, große Mengen an Teilchen kostengünstig herzustellen. Eine sinnvollere Klassifzierung der Teilchen wird dementsprechend auch durch die alternative Bezeichnung sub-Mikrometer-Teilchen erzielt. Daneben gibt es ein hohes Anwendungspotential für kleinere Teilchen, die sich durch eine Größe von wenigen Nanometern bis zu einigen zehn Nanometern auszeichnen. Die Bezeichnung Nanoteilchen wird in dieser Arbeit daher auch konsequent auf diesen Größenbereich angewandt. Die möglichen Anwendungen konzentrieren sich auf die überragenden elektrischen und optischen Eigenschaften von Nanoteilchen: Man stellt fest, dass sich im gleichen Materialsystem die Bandlücke von Nanoteilchen erheblich von der Bandlücke des Festkörpers unterscheidet und unmittelbar mit der Größe der Teilchen korreliert ist. Dies eröffnet beispielsweise die Möglichkeit, Silizium als Photonen emittierendes Material zu verwenden. Im undotierten Siliziumfestkörper gibt es keinen optoelektrischen Effekt, da Silizium eine indirekte Bandlücke aufweist. Dies behindert nachdrücklich die Revolutionierung des Halbleitersektors durch integrierte optische Übertragungswege in mikroelektronischen Schaltkreisen. Bei der Einbettung von Silizium-Nanokristalliten im Siliziumfestkörper zur Überwindung dieses Problems wurden bereits wesentliche Fortschritte erzielt [IFS00]. Insbesondere kennt man die Photoluminiszenz-Eigenschaften von Silizium-Nanokristalliten in Abhängigkeit der Teilchengröße. Eine weitere grundsätzliche Möglichkeit, die Eigenschaften bestehender photonischer Systeme zu verbessern, ist die Einbettung von Nanoteilchen unterschiedlicher Größe oder unterschiedlicher Materialien. Das Verbundsystem weist dann Luminiszenz bei verschiedenen Wellenlängen gleichzeitig auf und es lassen sich hocheffiziente LEDs realisieren. Insbesondere kann die Verwendung von Phosphoren, die in herkömmlichen LEDs, die blaues Licht emittieren, zum Einsatz kommen, vermieden werden. Dies wurde durch die Einbettung von CdSe/ZnS Nanokristalliten in eine GaN-Matrix demonstriert [MPA+ 05]. Mit oberflächenaktivierten CdSe-Nanokristalliten wurde darüber hinaus ein kontinuierliches Emissionsspektrum im sichtbaren Bereich erzielt [BMR06], was eine ideale Voraussetzung für die Herstellung hocheffizienter LEDs darstellt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten finden sich im Bereich von Bauelementen für nichtflüchtigen Speicher. Diese basieren auf dem Prinzip der Speicherung elektrischer Ladung in einer 1 2 Kapitel 1 Einleitung entsprechend präparierten Schicht. Die Aufladung und Entladung geschieht über Feldeffekttransistoren. Die Ladungsspeichernde Schicht muss in diesen Systemen von einer Isolationsschicht abgeschirmt werden. Die Anforderungen an diese Isolationsschicht lassen sich mit Halbleiterprozessen, die Strukturbreiten von unter 65 nm verwenden, nicht mehr erfüllen. Die Alternative ist die Verwendung von Nanoteilchen als Träger gespeicherter Ladung. Die Potentialdifferenzen, die bei solchen Systemen im Bauteil auftreten sind deutlich niedriger als beim herkömmlichen Design und entsprechend können deutlich dünnere Isolationsschichten verwendet werden [Blau02]. Ein letztes vielversprechendes Anwendungsgebiet, das hier Erwähnung finden soll, ist die Einbettung von Silizium-Nanokristalliten in eine amorphe Matrix bei der Herstellung von Solarzellen. Solche Solarzellen zeichnen sich durch einen deutlich verminderten Photodegradationseffekt aus [iCiMP02]. Der technologische Einsatz wird im Prinzip nur dadurch verhindert, dass die so hergestellten Solarzellen bislang nicht den Wirkungsgrad von a-Si:H Solarzellen erreichen können. Hier wurden jedoch in letzter Zeit erhebliche Verbesserungen erzielt [iCCKT04]. Daneben gibt es Untersuchungen zur Einbettung von Nanokristalliten in PbSe-Solarzellen, durch die eine starke Absorption im nahen Infrarotbereich erzielt werden konnte [CXZ+ 06]. All diesen Einsatzmöglichkeiten für kleinste Nanoteilchen ist es gemein, dass man Teilchen vorgegebener Größe benötigt, oft in monodisperser Form. Zur kontrollierten Synthese solcher Teilchen gibt es nur in wenigen Fällen Herstellungsverfahren, die allen Anforderungen genügen. Eine Synthese aus der Gasphase durch die Anwendung von Plasmatechnologie stellt ein Möglichkeit dar, diese Lücke zu schließen. Plasmaverfahren finden insbesondere in der Mikroelektronik verbreitet Anwerdung, so dass bei den dort gelagerten Anwendungsfeldern eine direkte Integration in bestehende Prozesse möglich ist. Viele Plasmaprozesse neigen inherent zur Bildung von Partikeln. Die Erfoschung von Partikelbildung in beschichtenden Plasmen entstand historisch gesehen auch aus dem Problem der Kontamination der empfindlichen Mikrostrukturen auf Prozessgut für elektronische Anwendungen. Im Hinblick auf künftige Anwendungen für Nanoteilchen kehrt sich dieser Fokus nun um. Das größte Problem bei der Plasmasysthese ist die Kontrolle der Teilchengröße während des Teilchenwachstums. Hierzu existieren anwendungsreife Verfahren für Teilchengrößen ab 25 nm Radius, die nach dem Prinzip der Ellipsometrie arbeiten. Kleinere Teilchen sind hingegen für Methoden, die auf Lichtstreuung beruhen, nicht zugänglich. Die kontrollierte Erzeugung von Nanoteilchen im Sinne von Teilchen mit wenigen Nanometern bis einigen zehn Nanometern Durchmessern erfordert aber inherent ein Verfahren zur Bestimmung der Teilchengröße. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. 1.2 Aufbau der Arbeit Ziel der voliegenden Arbeit ist es also, eine in-situ Diagnostik für Nanoteilchen im Plasma zu entwickeln und den Wachstumsprozess der Teilchen zu kontrollieren. Die Arbeit lässt sich grob in zwei Teile gliedern. Im ersten Teil wird zunächst der experimentelle Aufbau vorgestellt und die Experimentführung zur Erzeugung der Nanoteilchen erläutert (Kapitel 2). Um ein Verständnis über den Wachstumsprozess der Teilchen zu erlangen, wird das Wachstumsmodell nach Stand der gegenwärtigen Forschung dargestellt und mit Simulationen und experimentellen Ergebnissen für das vorliegende Experiment bestätigt. In Kapitel 2.6 wird ein Weg aufgezeigt, um das Teilchenwachstum zu stoppen, ohne dabei die Entladung zu unterbrechen, so dass die Teilchen im Plasmavolumen gefangen bleiben. Im anschließenden Kapitel wird die Dynamik der sich im Plasma befindlichen Staubteilchen diskutiert (Kapitel 3). Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis für die Vorgänge zu schaffen, die zur Ausbildung von Plasmainstabilitäten 1.2 Aufbau der Arbeit 3 in der staubigen Entladung führen können. Dabei wird besonderes Augenmerk auf eine im Experiment beobachtete Void-Instabilität gerichtet (Kapitel 3.3). Kapitel 4 befasst sich schließlich mit der Charakterisierung von Nanoteilchen mittels ex-situ und in-situ Diagnostiken. Die wesentliche Erkenntnisse über die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen werden kurz dargestellt und die in dieser Arbeit eingesetzten Methoden der Mikroskopie erläutert. Abschließend werden die in der Literatur vorgeschlagenen in-situ Verfahren vorgestellt, mit denen man auf die Größe von Nanoteilchen zurückschließen kann. In Kapitel 4.4.1 wird gezeigt, dass sich die im diesem Experiment beobachtete Plasmainstabilität zur Messung von Teilchengrößen eignet. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Diagnostik der Entladung selbst. In Kapitel 5 werden die Methoden eingeführt, mit denen das stationäre Plasma und die Void-Instabilität diagnostiziert werden sollen. Dabei wird ausführlich auf ein neuartiges Auswertungsverfahren von Sondenkennlinien eingegangen, das die Angabe des statistischen Fehlers bei der Bestimmung von Plasmakenngrößen ermöglicht. Anschließend wird die optische Emissionsspektroskopie vorgestellt. Dabei wird ein neues Verfahren entwickelt, um die Dichten metastabil und resonant angeregter Atomzustände selbstkonsistent und unabhängig von der Elektronenenergieverteilungsfunktion aus Linienverhältnissen zu bestimmen. Diese dienen als Eingangsgrößen für ein Stoß-Strahlungsmodell zur Schätzung einer parametrisierten Elektronenenergieverteilungsfunktionsfunktion. In Kapitel 6 werden schließlich die stationäre Entladung und die im Experiment beobachtete Plasmainstabilität charakterisiert. Ein qualitatives Modell zur Aufklärung der beobachteten Phänomene bildet den Schluss der Arbeit. 4 Kapitel 1 Einleitung 2. Plasmasynthese von Nanoteilchen Aus der Halbleiterindustrie ist bekannt, dass Plasmen, die zur Schichtabscheidung in PVDProzessen eingesetzt werden, zur Teilchenbildung neigen. Als Prekursoren für das Schichtwachstum werden in diesen Prozessen Molekülgase in das Plasma eingeleitet und dort fragmentiert, oder es werden Atome und Cluster von sogenannten Targets abgelöst. Die Reaktionsprodukte lagern sich auf den Oberflächen des Reaktors und dem zu beschichtenden Gut ab. Gleichzeitig finden allerdings auch in der Gasphase Anlagerungsreaktionen statt, die zur Bildung von Partikeln Durchmessern von bis zu meherenen Mikrometern. In Beschichtungsprozessen können diese Teilchen das zu beschichtende Gut gefährden. Bei der Prozessierung von Wafern können sie z.B. zum Ausfall von Schaltkreisen führen. Andererseits kann der Prozess der Teilchenbildung im Plasma gezielt ausgenutzt werden und als Quelle für Nanoteilchen dienen. Allerdings ist das Teilchenwachstum im Plasma kein gleichförmig ablaufender Prozess sondern läuft zeitlich nichtlinear in mehreren Phasen ab. Dies führt einerseits zu einzigartigen Eigenschaften der Teilchen erschwert aber andererseits maßgeblich die Kontrolle über den Wachstumsprozess. Die grundlegenden Prozesse, die das Teilchenwachtum dominieren sind inzwischen gut erforscht. Im Detail unterscheidet sich das Teilchenwachstum allerdings je nach Materialsystem erheblich. Am besten bekannt sind die Vorgänge in Silanplasmen, die zur Entstehung von Siliziumwasserstoff-Teilchen führen [Bouc99]. In dieser Arbeit werden Experimente in Acetylen (C2 H2 ) Plasmen durchgeführt, in denen Kohlenwasserstoff-Teilchen entstehen. Im Folgenden wird der experimentelle Aufbau erläutert und die Modellvorstellung für das Teilchenwachstum im Plasma dargestellt. 2.1 Experimenteller Aufbau Abbildung 2.1 zeigt den experimentellen Aufbau, der zur Erzeugung und in-situ Diagnostik der Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen verwendet wird (vgl. [SvKA06b, SvKA06a]). Die Geometrie der Reaktorkammer entspricht im Wesentlichen der durch die Gaseous Electronics Conference festgelegten Referenzkammer (GEC-Zelle) und unterscheidet sich durch einen vergrößerten Elektrodenabstand (6 cm). Für die Heizung des Plasmas stehen eine kapazitive Elektrode und eine induktive Spule zur Verfügung, die von oben bzw. von unten in die Reaktorkammer heineinragen. Die Spule ist in einen hutförmigen Quartzzylinder eingebettet, der die gleichen Abmessungen besitzt, wie die geerdete Elektrode der GEC-Zelle. Die beiden Elektroden werden unabhängig voneinander aus zwei synchronisierten Hochfrequenz(HF-) Generatoren gespeist, die bei 13,56 MHz arbeiten. Das Prozessgas wird mit maximal vier Massenflussreglern präpariert und durch eine Ringdusche, die die kapazitive Elektrode umschließt, in die Kammer eingelassen. Das Pumpsystem besteht aus einer Turbomolekularpumpe (Pfeiffer Vaccuum, TMU 261 P) und einer Membranvorpumpe (Pfeiffer Vaccuum, MVP 055-3). Der Ausgangdruck im Ruhezustand beträgt ca. 10−4 Pa, der maximale Durchfluss an Gas beträgt ca. 200 sccm. Eine Druckregelung ist über ein verstellbares ButterflyVentil (VAT, Reihe 611) in Verbindung mit einem kapazitiven Druckaufnehmer (Baratron) realisiert. Für die Extraktion der präparierten Partikel stehen zwei Systeme zur Verfügung: In die 5 6 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen tunable wavelength filter ICCD-camera pulse delay generator Helmholtzcoil photodiode ∅ 14 cm 6 cm plasma Langmuirsonde fiber ICP - coil y camera view: quartz spectrograph (ocean optics) ∅ 25 cm vessel · · · · · fiber · CF-160 port · · · · · · · · · · · · · · · ·0 · B· ·field· · · · · quartz · · · · 7· cm· · · · · · · 12.5 · cm · x CF-160 port · Bild 2.1: Schematische Zeichnung des experimentellen Aufbaus. Das Design entspricht einer GECZelle mit vergrößertem Elektrodenabstand und induktiver Einkopplung. Als Plasmadiagnostiken sind eine Photodiode, ein Massenspektrometer und eine Langmuirsonde vorhanden. Massenspektrometer und ICCD-Kamera ist nur während eines Teils der Messungen installiert. Das Helmholtz-Spulenpaar erzeugt ein schwaches statisches Magnetfeld. Im der unteren Zeichnung ist das Koordinatensystem in Draufsicht definiert, auf das bei räumlich aufgelösten Messungen Bezug genommen wird. 2.1 Experimenteller Aufbau 7 kapazitive Elektrode ist ein Transferschlitten eingebettet, der Subtratplättchen der Größe 25×25 mm2 aufnehmen kann. Der Transferschlitten kann im Vakuum durch eine Transportvorrichtung in eine Schleusenkammer, die ein eigenes Pumpsystem besitzt, gezogen und nach Belüftung dort beladen werden. Auf diese Weise können Teilchen gesammelt werden, die sich während des Prozesses und nach Abschalten des Plasmas auf den Reaktorwänden niederschlagen. Die extrahierten Teilchen werden mittels Rasterkraft- und Rasterelektronenmikroskopie ex-situ untersucht (vgl. Kapitel 4.2). Für die Experimentreihen zur Untersuchung der Teilchenagglomeration wird die Transfervorrichtung für den Schlitten entfernt und ein elektrostatischer Extraktor installiert. Dieser besteht aus zwei Elektroden: Eine Edelstahlelektrode mit 1 mm großen Durchtrittslöchern für die präparierten Teilchen, die direkten Kontakt zum Plasma hat und gegenüber Systemmasse mit bis zu 100 V vorgespannt werden kann. Eine nachgelagerte Elektrode kann mit einer Beschleunigungsspannung von bis zu 10 kV beaufschlagt werden. In die Beschleunigungselektrode ist eine Spannvorrichtung eingebettet, die Substratplättchen mit einer Größe von bis zu 10 × 10 mm2 aufnehmen kann und zur Be- und Entladung mit der Transferstange in die Schleuse zurückgezogen werden kann. Während der Experimente wird das Volumen hinter der Extraktionselektrode durch das Pumpsystem der Schleuse differentiell gepumpt. Dadurch wird die freie Weglänge der extrahierten Teilchen vergrößert und ein Funkenüberschlag zwischen den Elektroden bei hohen Beschleunigungsspannungen verhindert. Zur Teilchenextraktion während der Experimente können durch die Experimentsteuerung rechteckförmige Spannungspulse mit einer Zeitauflösung von 10 ms auf die Extraktorelektrode gegeben werden. Negativ geladene Teilchen werden dann zur Elektrode hingezogen und treten durch die Löcher hindurch. Die meisten Elektronen treffen durch ihre ungerichtete, thermische Bewegung auf die Wände der Durchtrittslöcher und werden dadurch zu einem großen Teil von den zu extrahierenden Partikeln gefiltert. Dies ist notwendig, um den elektrischen Strom auf die Beschleunigungselektrode zu begrenzen und die Entstehung von parasitärer Röntgenstrahlung zu vermeiden. Für die in-situ Diagnostik des Plasmas bzw. der Nanoteilchen stehen ein Massenspektrometer, eine Langmuirsonde (vgl. Kapitel 5.1), ein optisches Spektrometer (vgl. Kapitel 5.2), eine Fotodiode sowie eine intensivierte Charge-Coupled-Device (ICCD) Kamera zur Verfügung Das Massenspektometer ist an dem rückwärtigen DIN CF-160 Flansch mit dem Reaktors verbunden und wird doppelt differentiell gepumpt. Es dient zur quantativen Bestimmung von Neutralteilchendichten im Massenbereich 1–1000 amu. Bei Einsatz der Langmuirsonde wird das Frontfenster mit einem Adapter zum Anschluss der Sondenmimik ersetzt. Die Sonde dient zur räumlich und zeitlich aufgelösten Diagnostik der Elektronenenergieverteilungsfunktion (EEDF) und kann dazu mit einem Riemenantrieb entlang der Horizontalen durch die Reaktormitte positioniert werden. Das Spektrometer wird mit der Plasmastrahlung beaufschlagt, die aus dem Frontfenster tritt und in eine Glasfaser eingekoppelt wird. Die Glasfaser ist auf einer optischen Bank installiert und lässt sich in einer Ebene parallel zum Frontfenster des Reaktors positionieren. Eine Lochblende begrenzt den Raumwinkel, aus dem die Plasmastrahlung erfasst wird. Mit Hilfe des Spektrometers wird die über die Sichtlinie gemittelte, parametrisierte EEDF zeitlich aufgelöst gemessen. Dies ist wichtig, wenn die Sondenmessungen durch ein statisches externes Magnetfeld gestört werden. Ferner können die Dichten der metastabil und resonant angeregten Argonatome im Plasma gemessen werden (vgl. Kapitel 5.2.2). Ein spezielles Gitter ermöglicht die Diagnose der Neutralgastemperatur (vgl. Kapitel 5.2.1). Für die Untersuchungen mit der ICCD-Kamera wird die obere, kapazitive Elektrode durch einen zweiten Quarzhut ersetzt und die Kamera kopfüber im Abstand von 55 cm vom Quarzhut installiert. Dies erlaubt eine zweidimensional räumlich aufgelöste Diagnostik der Plasmaemission. Die Kamera ist mit einem Flüssigkristall-Wellenlängenfilter ausgestattet, so dass die Plasmasstrahlung mit einer spektralen Auflösung von ∆λ = ±5 nm gemessen und damit isolierte Spektrallinien erfasst werden können. Die ICCD-Kamera wird zur Diagnostik von voids (vgl. Kapitel 3.2) und von Plasmainstabilitäten im partikelhaltigen Plasma (vgl. 8 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen Kapitel 6) eingesetzt. 2.2 Versuchsablauf Der Versuchsablauf ist in Abbildung 2.2 a schematisch dargestellt. Abbildung 2.2 b zeigt einen typischen Zeitverlauf des Signal der Photodiode während eines solchen Versuchs. Zur Präperation der Nanoteilchen wird ein kapazitives Plasma in einem Gasgemisch aus Acetylen und Edelgasen (Argon und Neon oder Argon und Helium) gezündet. Das Hintergrundgas dient zur Diagnostik von Plasmaparametern und zur Manipulation der EEDF. Insbesondere wird durch die Beimischung von Argon (Ar), das unter den Edelgasen eine hohe Masse (m = 40 u) und eine niedrige Ionisierungsschwelle besitzt (Eion = 15,8 eV), eine hohe Elektronendichte erreicht und durch die Ergänzung mit Helium (He) oder Neon (Ne) (m = 4 u, Eion = 24,6 eV bzw. m = 20 u, Eion = 21,6 eV) eine gegenüber reinem Argon erhöhte Elektronentemperatur erzielt. Linienstrahlung von zwei Hintergrundgasen mit verschiede- (a) i ii iii iv+v vi vii Zeit (t) Ar+Ne Fluss ∆ tC H 2 2 C2H2 Fluss ICP ∆ tCCP ∆ tICP i ii+ iii iv ICP vi vii v Emission (a.u.) (b) CCP 12,5 Hz 12,5 Hz 0 20 40 60 80 100 120 Zeit / s Bild 2.2: (a) Ablauf des Experiments. Während der Phasen (ii–iii) brennt eine kapazitive Entladung, während der Phasen (iv–v) und (vii) wird mittels der Spule induktiv Leistung eingekoppelt. (b) Zeitverlauf der Gesamtintensität der Plasmaemission im sichtbaren Bereich, wie von der Photodiode erfasst. 2.3 Entstehung von Protopartikeln 9 ner Ionisationsschwelle ermöglichen den Einsatz der optischen Emissionsspektroskopie zur Diagnostik der parametrisierten EEDF (vgl. Kapitel 5.2.2). In den Experimenten, in denen die kapazitive Elektrode zur Verfügung steht, wird diese zur Einkopplung der Leistung PCCP verwendet. Bei installierter ICCD-Kamera wird die Spule bei niedriger Leistung mit HF beaufschlagt. Auf Grund der parasitären Kapazität der Spule zündet dann ebenfalls ein kapazitives Plasma. Während dieser Experimentphase (Phasen (i–ii) in Abbildung 2.2) entstehen Nanoteilchen. Die Acetylenzufuhr wird dabei nach einer vorgegebenen Zeit ∆tC2 H2 gestoppt. Zur Untersuchung von Plasmainstabilitäten im partikelhaltigen Plasma wird die Entladung nach einer Zeit ∆tCCP in den induktiven Modus umgeschaltet (Phase (iii) in Abbildung 2.2). Dazu wird die die Spule bei hoher Leistung PICP betrieben und die kapazitive Elektrode abgeschaltet. Im induktiven Modus beobachtet man die Entstehung eines voids und Oszillationen der Plasmaemission (vgl. Kapitel 3.3). Die Nanoteilchen bleiben während dieser Zeit in der Entladung gefangen, da sie negative Ladung tragen und durch das elektrostatische Feld des Plasmas an einem Abtransport zu den Wänden oder zur Pumpe gehindert werden (vgl. Kapitel 3.1.2). Bei Unterbrechung des Plasmas strömen die Teilchen hingegen ab (Phase (iv) in Abbildung 2.2), was man daran erkennt, dass ein Plasma, welches bei gleichen externen Parametern wie in Phase (iv) im Anschluss gezündet wird, stabil brennt (Phase (v) in Abbildung 2.2). 2.3 Entstehung von Protopartikeln Als Quellgas wird in dieser Arbeit C2 H2 verwendet, das einer Hintergrundgasmischung aus Argon und weiteren Edelgasen beigemengt wird. In einem solchen Plasma beobachtet man die Entstehung von Kohlenwasserstoff-Teilchen [DAM+ 99]. Diese Teilchen können Größen von mehreren Mikrometern erreichen. Ihr Streulicht kann man dann mit dem bloßen Auge vor dem Plasmahintergrund sehen und man spricht deshalb auch von Staub bzw. Staubteilchen oder Staubpartikeln. Eine Plasmaentladung, die Staubpartikel enthält nennt man dementsprechend ein staubiges Plasma. Diese Bezeichnungen werden in dieser Arbeit unabhängig von der Größe der Teilchen verwendet. Staubteilchen entstehen durch Synthese aus dem Quellgas. Das Wachstum erfolgt nicht gleichförmig, sondern in Schüben ab. Dies ist in Abbildung 2.3 schematisch dargestellt. Kurz zusammengefasst kommt es in der frühen Wachstumsphase zur Nukleation von sogenannten Protopartikeln, die sich anschließend zu größeren Partikeln zusammenlagern. Nach dem Abschluss dieser Prozesse wachsen können die Partikel langsam durch Anlagerung von Radikalen bis zu einer Größe von mehreren Mikrometern Durchmesser weiter anwachsen. Zur Untersuchung der frühen Phase des Teilchenwachstums eignet sich v.a. die Massenspektrometrie Molecule 0.1 nm Macro-molecule Nanoparticle Agglomerate Powder 1 nm 10 nm 100 nm 1 µm Bild 2.3: Modell des Teilchenwachstums im Plasma. Zunächst findet die Nukleation von Protopartikel statt, die sich anschließend zu größeren Partikeln zusammenlagern und schließlich durch Anlagerung von Radikalen langsam auf eine Größe von mehreren Mikrometern Durchmesser anwachsen [Bouc99]. 10 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen [BS05]. In der Literatur findet man nur wenige Ergebnisse massenspektrometrischer Untersuchungen an staubbildenden C2 H2 -Plasmen [HSH+ 96, DAM+ 99, Desc02, HBW03, DTF+ 05]. Daneben existieren Ansätze, die Chemie eines C2 H2 -Plasmas mit Hilfe von globalen und mit hydrodynamischen Plasmamodellen zu simulieren [SEK01, BBG06b, BBG06a, Blee06]. An dem hier beschriebenen Experiment können mit einem doppelt diffentiell gepumpten Massenspektrometer Neutralteilchenspektren während der Phasen (ii–iii) gemessen werden. Eine detaillierte Beschreibung der entsprechenden Untersuchungen findet man bei Consoli [Cons06, CBSvKed]. Die wesentlichen Ergebnisse sollen hier kurz diskutiert werden. Abbildung 2.4 ist eine Reproduktion von Abbildung 6 aus der Arbeit Deschenaux [DAM+ 99] und zeigt das negative Ionenspektrum einer gepulsten, kapazitiven Entladung in reinem Acetylen (PCCP = 40 W, φC2 H2 = 8, p = 10 Pa), aufgenommen im Zeitraum 30–150 s nach dem Zünden des Plasmas, Abbildung 2.5 zeigt eine Momentaufnahme des Massenspektrums der Neutralteilchen in diesem Experiment während der Experimentphase (iii) (∆tC2 H2 = 2 s, PCCP = 80 W, φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm, p (t = 0) = 5. 6 Pa). In beiden Graphiken erkennt man neben den Peaks bei Massen, die mit den Molekülfragmenten von C2 H2 identifiziert werden, auch Peaks bei höheren Massen. Dabei handelt es sich um die Fragmentierungsmuster von Makromolekülen und Ringen, die aus C2 H2 und dessen Molekülfragmenten gebildet werden müssen. Das Staubteilchenwachstum beginnt also mit der Zusammenlagerung von leichten Kohlenwasserstoffen in der Gasphase. An Hand der Schwellenergien, die für die zahlreichen physikalisch möglichen Reaktionen überwunden werden müssen, lassen sich zwei Wachstumspfade identifizieren, die zur Bildung der Makromoleküle führen, wie sie in den Spektren gefunden werden. Am ersten Wachstumspfad sind ausschließlich neutrale Spezies beteiligt. Der Prekursor für die entsprechende Reaktionskette ist das C2 H-Radikal, das durch Elektronenstoßdissoziation aus C2 H2 hervorgeht. Durch die sukzessive Anlagerung von C2 H-Radikalen enstehen dann aus 10 m/z 6 b Counts/s 10 10 10 10 5 4 3 2 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 m/z Bild 2.4: Massenspektrum der negativen Ionen in einer gepulsten, kapazitiven Entladung in reinem C2 H2 aufgenommen im Zeitraum 30–150 s nach dem Zünden des Plasmas. In der Notation dieser Arbeit sind die externen Parameter PCCP = 40 W, φC2 H2 = 8 sccm bei einem konstanten Druck von p = 10 Pa. Die Graphik ist der Arbeit von Deschenaux et. al entnommen (vgl. Abbildung 6 b in [DAM+ 99]). 2.3 Entstehung von Protopartikeln 11 7 10 + He 2 6 10 + C2H2 Ar 50 5 10 28 -1 Zählrate [s ] t=3s + 37 74 4 10 C3H6O 3 10 + 61 64 98 78 102 2 10 126 128 152 1 10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 Masse [amu] Bild 2.5: Massenspektrum der Neutralteilchen in diesem Experiment 3 s nach dem Zünden der kapazitiven Entladung (vgl. Abbildung 2.2). Die Abbildung stammt aus der Arbeit von Consoli (vgl. Abbildung 3.3 b in [Cons06]). Die Dauer der Quellgaszufuhr ist ∆tC2 H2 = 2 s, die Generatorleistung PCCP = 80 W und die Gasflussraten φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm bei einem Ausgangsdruck von p = 5. 6 Pa. 1.2 2.7s 3s 50 amu 74 amu 98 amu 3.4s normierte Zählrate 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 Plasma an 0.0 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 5.5 6.0 Zeit [s] Bild 2.6: Zeitliche Entwicklung der Zählraten der Molekülmassen von C4 H2 (50), C6 H2 (74) und C8 H2 (98). Die Zählraten durchlaufen nacheinander ein Maximum. Die Abbildung ist der Arbeit von Consoli entnommen (vgl. Abbildung 3.6 b in [Cons06]). 12 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen dem Quellgas C2 H2 Molekülketten: C2 H2 + e− −→ C2 H + H + e− , C2n H2 + C2 H −→ C2n+2 H2 + H, n = 1, 2, . . . . (2.1) (2.2) Unklar ist, wie schnell diese Reaktionen erfolgen, d.h. wie groß die mittlere Zeit ist, die zur Bildung eines bestimmten Makromoleküls benötigt wird. Aus zeitaufgelösten Messungen ergibt sich, dass bei konstant gehaltener Pumpleistung die Zählraten der Molekülpeaks der C2n H2 innerhalb weniger Millisekunden anwachsen und dann zeitversetzt ein Maximum durchlaufen (vgl. Abbildung 2.6). Die Höhe der Maxima ist dabei umso kleiner, je größer das Makromolekül ist. Der Zeitversatz zwischen den Maxima zweier aufeinanderfolgender C2n H2 liegt Bereich mehrerer 100 ms liegt. Das Absinken der Zählraten einige Zeit nach dem Zünden der Entladung erklärt sich aus der Verarmung des C2 H2 im Reaktorvolumen durch die Plasmachemie. Betrachtet man nur die Reaktionskette (2.1–2.2) und unterstellt eine exponentiell abklingende Quellgasdichte, müsste der Zeitversatz zwischen den Maxima der Zählraten ein Maß für die mittlere Reaktionsdauer darstellen. Extraktionsversuche zeigen allerdings, dass innerhalb weniger 100 ms Nanoteilchen mit Größen über 10 nm gebildet werden. Dies setzt voraus, dass in diesem Zeitraum eine kritische Dichte von Protopartikeln nukleiert wird (vgl. Kapitel 2.4) und weist daher auf eine deutlich schnellere Reaktionskinetik hin. Dies wird von Simulationen von Stoykov unterstützt, in denen bei konstanter Quellgasdichte die Dichten der Makromoleküle innerhalb weniger ms ihren stationären Zustand erreichen [SEK01]. Der zweite Wachstumspfad wird durch negative Ionen induziert. Negative Ionen sind in der Plasmaentladung gefangen, da im Plasma stets ein auf die Wand gerichtetes elektrostatisches Feld vorherrscht, das für negative Teilchen als als Potentialbarierre wirkt. Die mittlere Lebensdauer der negativen Ionen wird daher durch die mittlere Rekombinationszeit mit positiven Ionen bestimmt. Die Reaktionsketten zur Bildung der Makromoleküle durch negative Ionen beginnen mit der dissoziativen Elektronenanlagerung an C2 H2 oder an ein Makromolekül und verlaufen desweiteren durch sukzessive Anlagerung von C2 H2 : C2m H2 + e− −→ C2m H− + H, m = 1, 2, . . . , C2n H− + C2 H2 −→ C2n+2 H− + H2 , n = 1, 2, . . . . (2.3) (2.4) Der experimentelle Nachweis negativer Ionen mittels Massenspektrometrie lässt sich nur mit einer entsprechend positiv vorgespannten Blende zur Ionenextraktion und einer Ionenoptik zur Fokusierung des Ionenstrahls auf den Elektronenvervielfacher des Massenspektrometers durchführen. An diesem Experiment ist diese Ausrüstung nicht vorhanden und entsprechend liegen keine experimentellen Ergebnisse vor. In den negativen Ionenspektren, die von Deschenaux in einer reinen C2 H2 -Entladung gemessen wurden, erkennt man, dass im Gegensatz zu den Neutralenspektren die maximale Konzentration bei größeren Spezies auftritt (vgl. Abbildung 2.4). Dies kann durch eine höhere Rate für die Anlagerungsreaktion nach Gleichung 2.3 für größere Neutrale erklärt werden [SEK01]. Theoretisch ließen sich die Wachtumsketten der Makromoleküle beliebig fortsetzten und könnten so die Enstehung von Staubpartikeln erklären. Für die Modellierung der Generation der jeweiligen Spezies in der Kette kann man ab einer bestimmten Größe konstante Reaktionsraten annehmen (vgl. z.B. [BBG06b]), für die Modellierung der Verluste ist die Folgereaktion und der Verlust zur Reaktorwand anzusetzen. Im stationären Zustand eines solchen einfachen Modells ergibt sich eine logarithmische Verteilung der Speziesdichten [Bouc99]. Die größte auftretende Masse wird durch die Prekursordichte bestimmt. Dies steht in Widerspruch zu den experimentellen Befunden dieser Arbeit: Sammelt man zu verschiedenen Zeitpunkten die in der Entladung enstehenden Staubteilchen, beispielweise durch Extraktion mit elektrischen Feldern, stellt man fest, dass es ein Zeitfenster gibt, 2.3 Entstehung von Protopartikeln 13 z / nm 2 1 0 0 0.2 1 0.4 x / µm 0.8 0.6 0.4 0.8 1 0.2 0.6 y / µm 0 Bild 2.7: Höhenprofil von 2 nm großen Kohlenwasserstoff-Teilchen auf einer Siliziumprobe. Die Teilchen wurden wie in Kapitel 2.2 beschrieben bei PCCP = 40 W, φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm und p (t = 0) = 5,6 Pa präpariert und im Zeitraum 250–500 ms nach dem Zünden der Entladung mit dem Extraktor aus dem Plasma extrahiert. während dem man ausschließlich monodisperse Teilchen mit etwa 2 nm Durchmesser findet. Offensichtlich ist die Größe dieser Teilchen für einen gewissen Zeitraum stabil, denn man findet zunächst keine größeren Teilchen. Da man auch keine kleineren Teilchen findet, muss die Dichte der 2 nm Teilchen im Plasma wesentlich höher als die Dichte der kleineren Spezies sein. Frühere Experimente in Acetylen- und Methanplasmen deuten indirekt auf die Existenz solcher Teilchen hin [HBW03]. Für silanhaltige Plasmen finden sich in der Literatur ähnliche Ergebnisse [BB93, VMB+ 02]. Dort beobachtet man ebenfalls, dass sich zunächst Teilchen mit 2 nm Größe ansammeln, bevor es zum Wachstum größerer Teilchen kommt. Für diese 2 nm großen Teilchen hat sich die Bezeichnung Protopartikel oder primäre Cluster eingebürgert, da sie als Prekursoren für die nachfolgenden Wachtumsprozesse dienen. In Abbildung 2.7 ist ein dreidimensionales Höhenprofil von Kohlenwasserstoff-Protopartikeln auf einer Siliziumprobe dargestellt, die wie in Kapitel 2.2 beschrieben bei einer Generatorleistung von PCCP = 40 W, den Gasflussraten φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm und einem Ausgangsdruck von p = 5,6 Pa präpariert und im Zeitraum 250–500 ms nach dem Zünden der Entladung mit dem Extraktor aus dem Plasma extrahiert wurden. Welche Prozesse im Detail einerseits zum Abbruch der Wachtumsketten und andererseits zur Ansammlung einer erhöhten Dichte an primären Clustern führen, ist nicht bekannt. Aus elementaren Betrachtungen wurden allerdings folgende qualitative Erkenntnisse gewonnen: Eine Abschätzung der Rekombinationszeiten von negativen und positiven Ionen bzw. der Wachtumszeit der primären Cluster in Silan-Plasmen zeigt, dass beide in derselben Größenordnung liegen. Durch Rekombination werden die heranwachsenden negativ geladenen Makromoleküle neutral und die durch negative Ionen induzierte Wachstumskette bricht ab [FBH+ 96]. Die geschätzte mittlere freie Weglänge neutraler primärer Cluster bzgl. Elektronenanlagerung ist kleiner als die typische Dimension von Niederdruckplasmaanlagen, d.h. primäre Cluster werden zumeist negativ geladen, bevor sie die Gefäßwand erreichen können. Negativ geladene Cluster sind durch das auf die Wand gerichtete elektrische Feld des Plasmas in der Entladung gefangen. Kleinere neutrale Makromoleküle haben hingegen einen niedrigen Querschnitt für Elekronenanlagerung und können daher zu den Wänden diffundieren. Man spricht in diesem Zusammenhand von selektivem Einschluss der Protopartikel [FBH+ 96]. Freie Bindungen an der Oberfläche der heranwachsenden Teilchen sind umso schwächer lokalisiert, je größer die Teilchen werden. Die Oberflächenreaktionsraten für primäre Cluster entsprechen denen ausgedehnter Oberflächen und sind damit wesentlich kleiner als die Wachtumsraten der Makromoleküle. 14 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen Primäre Cluster haben also einerseits deutlich reduzierte Wachstumsraten, andererseits sind sie im Plasma gefangen. Solange die Molekülgaszufuhr aufrecht erhalten wird, steigt die Dichte von Protopartikeln immer weiter an. Die Größenverteilung der primären Cluster ist monodispers. 2.4 Teilchenagglomeration Negativ geladene Teilchen stoßen einander ab. Eine Zusammenlagerung kann nur geschehen, wenn die kinetische Energie der Teilchen groß genug ist, um die elektrische Potentialbarriere zu überwinden. Aus thermischer Bewegung können bei typischen Termperaturen im Bereich einiger hundert Grad Celsius nur wenige Teilchen hervorgehen, die diese Bedingung erfüllen. Allerdings ist der Ladungszustand der primären Cluster nicht konstant sondern stochastischer Natur, da verschiedene Stoßprozesse zu positiver oder negativer Aufladung bzw. Neutralisierung führen. Neutrale Cluster bzw. solche mit Ladungszuständen entgegengesetzten Vorzeichens können sich zu größeren Partikeln zusammenlagern. Tritt dieser Vorgang mit großer Häufigkeit auf, spricht man von Teilchenagglomeration. Bei geringer Clusterdichte sind allerdings die Stoßhäufigkeiten für Agglomeration kleiner als die Verlustraten zu den Reaktorwänden. Größere Teilchen diffundieren zu den Reaktorwänden und gehen dort verloren. Agglomeration findet also nicht statt. Tatsächlich beobachtet man im Experiment, dass es eine kritische Dichte an primären Clustern gibt, bei der Agglomeration einsetzt. Dieses Phänomen gibt es auch in der Gaskondensation. Dort skalieren Agglomerationsraten und thermische Dissoziationsraten mit unterschiedlichen Potenzen der Teilchendichte und oberhalb eines Schwellwerts kommt es netto zu einer Agglomeration. Im Unterschied dazu spielt im Niedertemperaturplasma die thermische Dissoziation von Teilchen keine Rolle und entscheidend ist allein die Nichtlinearität der Agglomerationsrate in Abhängigkeit der Teilchendichte und des mittleren Ladungszustands der Teilchen. Der kritische Punkt ist dann erreicht, wenn die Agglomerationsrate die Verlustrate größerer Teilchen zu den Reaktorwänden übersteigt. Die Agglomerationsrate Rtotal bei einer Teilchengröße vd ergibt sich aus der Summierung der Raten Rk aller möglichen k-Teilchenstöße [FBH+ 96]: Rk = Xn (vd ,vd ) (Xn (vd ,vd ) τ nd )k−2 k! · n2d X 1 2 Rtotal = Rk (vd ) ≈ Xn (vd ,vd ) nd 1 + , k /n ) ln (n d cr k (2.5) (2.6) wobei Xn (vd ,vd ) der Ratenkoeffizient für binäre Stöße bei der Teilchengröße vd ist, nd die Teilchendichte, τ die Aufenthaltsdauer der Teilchen im Reaktor und nkcr die kritische Dichte für Veilteilchenagglomeration. Für nd . nkcr steigt die Agglomerationsrate Rtotal stark an. Über die kritische Dichte ncr , die sich aus dieser Betrachtung ergibt herrscht in der Literatur Uneinigkeit: Fridman gibt in seinem Paper als Größenordnung 1011 an [FBH+ 96], was im Bereich typischer Ionendichten in Niedertemperaturplasmen liegt. Laut Kortshagen spielt die Vielteilchenagglomeration keine Rolle und Agglomeration findet auch bei rein binären Stößen von neutralen Teilchen schon für deutlich kleinere Dichten statt [KB99]. In jedem Fall sind die Agglomerationsraten stark reduziert, wenn sich die Partikel negativ aufladen. Eine kritische Dichte für den Einsatz von Agglomeration kann aber erreicht werden, wenn sich die Plasmabedingungen so ändern, dass der mittlere Ladungszustand der Teilchen abgesenkt wird und dadurch eine größere Anzahl an Teilchen neutral oder positiv geladen wird [KB99]. Der mittlere Ladungszustand Qd und die Breite der Ladungsverteilung σQd eines Staubteilchens mit dem Radius a lassen sich mit einfachen analytischen Ausdrücken abschätzen, wenn davon ausgegangen wird, dass die Elektronenströme bzw. Ionenströme auf 2.4 Teilchenagglomeration 15 die Staubteilchenoberfläche im Mittel gleich groß sind (vgl. Kapitel 3.1.1 und [Bouc99]): ! r ne mi Te (2.7) Qd ≈ −eBβe−1 ln ni me Ti 2 σQ d ≈ βe−1 1− 1− Te Ti Te β Qd Ti e e βe Qed − , 1 (2.8) wobei ne , me und Te bzw. ni , mi und Ti die Elektronendichte, Elektronenmasse und Elektronentemperatur bzw. Ionendichte, Ionenmasse und Ionentemperatur sind. βe = e2 /4π0 akB Te ist ein Normierungsfaktor und B ein plasmaspezifischer Parameter, der schwach mit den Vehältnissen Te /Ti und me /mi variiert. Man erkennt, dass die negative mittlere Ladung Qd im Betrag abgesenkt wird, wenn das Verhältnis von Elektronendichte zu Ionendichte ne /ni sehr viel kleiner als 1 ist. Dies ist der Fall, wenn ein Großteil der Plasmaelektronen an Staubteilchen gebunden ist. Mit dem Ladungsmodell (2.7) tritt dies ein, wenn die Protopartikeldichte die Größenordnung der positiven Ionendichte erreicht. Eine detailliertere Behandlung der Aufladungsprozesse unter Berücksichtigung von Elektronenablösung durch resonante UV-Strahlung und hochenergetische Elektronen zeigt, dass der mittlere Ladungszustand nach Gleichung (2.7) zu hoch geschätzt wird [KB99]. Gleiches gilt, wenn man berücksichtigt, dass der Elektronenanlagerungkoeffizient für kleine Teilchen deutlich kleiner ist als eins. Koppelt man ein solches Ladungsmodell selbstkonsistent an ein globales Plasmamodell stellt man jedoch fest, dass sich je nach berücksichtigten Aufladungsprozessen zwar die Plasmabedingungen stark unterscheiden, die Ladungsverteilung aber kaum beeinflusst wird [KB99]. Der mittlere Ladungszustand wird daher von Gleichung (2.7) ausreichend genau wiedergegeben. Die kritische Dichte für den Einsatz der Agglomeration, die sich somit ergibt, liegt in der Größenordnung der positiven Ionendichte. Sobald eine kritische Dichte überschritten wird, führt die Agglomeration zu einer Nettoproduktion größerer Teilchen. Die Anlagerungsraten primärer Cluster an diese Agglomerate steigen wiederum mit der Größe der Teilchen, so dass der Prozess an Dynamik gewinnt. Einmal angestoßen, läuft die Agglomeration daher unumkehrbar ab, bis sämtliche primären Cluster verbraucht sind und alle Teilchen negativ geladen sind. Die Agglomerationsratenkoeffizienten verschieden großer Teilchen sind aus der Aerosolchemie bekannt [KB99]: r 8kB Td Xn (vd ,vd0 ) = α (vd ,vd0 ) (2.9) πmd XX α (vd ,vd0 ) = Fk (vd ) Fk0 (vd0 ) σ (k,k 0 ,vd ,vd0 ) (2.10) 0 k k exp − kk0 e2 · a2 π, kk 0 > 0 4π0 akB Td σ (k,k 0 ,vd ,vd0 ) = 1 − kk0 e2 · a2 π, kk 0 ≤ 0. 4π0 akB Td (2.11) Dabei sind vd und vd0 die Teilchenvolumina der Stoßpartner, α (vd ,vd0 ) der über die Ladungsverteilungen Fk (vd ) und Fk0 (vd0 ) gemittelte inelastische Coulombstoßquerschnitt σ (k,k 0 ,vd ,vd0 ), −1 0−1 −1 kB Td die thermische Energie der Staubteilchenbewegung und + v m = ρ v die efd d d d 1/3 01/3 fektive Masse, bzw. a = (3/4π)1/3 vd + vd der Radius des Harte-Kugel-Stoßquerschnitts. Mit dem einfachen Modell eines normalverteilten Ladungszustands nach Gleichungen (2.7)– (2.8) gilt: 1 e (k + 0. 5) − Qd e (k − 0. 5) − Qd √ √ Fk = erf − erf . (2.12) 2 2σ 2σ Bei logarithmischer Diskretisierung der Teilchengröße vd in N Zellen lässt sich ein diskretes 16 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen Modell für die Agglomeration ableiten [GTS80]: N i N X dVk X X + − = νi,j,k Vi Vj − Vk νi,k Vi dt i=1 j=1 i=1 1 1 + νi,j,k = Zvj Zvi vi0 vj =vj0 ,vj ≤vi ,vk0 ≤vi +vj ≤vk1 1 − νi,j = Zvi (2.13) Xn (vi ,vj ) (vi + vj ) dvi dvj (vi1 − vi0 ) vj1 − vj0 vi vj (2.14) 1 Zvj vi0 vj =vj0 ,vj ≤vi (vi1 Xn (vi ,vj ) vi dv dv i j, 0 1 0 − vi ) vj − vj vi vj (2.15) − + bzw. νi,j die wobei Vk die gesamte Volumendichte der Teilchen in Zelle k ist und νi,j,k Agglomerationsfrequenzen für Volumentransfer in die Zelle k bei Agglomeration von Teilchen der Zellen i und j bzw. aus der Zelle k bei Agglomeration mit Teilchen der Zelle i darstellen. Die Gleichungen (2.14) und (2.15) sind für den Fall abgeleitet, dass die Volumendichte innerhalb einer Zelle konstant ist. Die zeitliche Entwicklung der Agglomeration ergibt sich aus Gleichung (2.13). Diese wird mit einem expliziten Zeitschrittverfahren gelöst. Durch den Bezug der Teilchengröße auf das Volumen ist (2.13) konservativ bzgl. des gesamten Teilchenvolums. Um die Größenverteilung bzgl. des Teilchenradius zu erhalten, ordnet man jeder Zelle auf dem Volumengitter einen mittleren Radius zu: 1 vk+1 + vk 1/3 1/3 ak = . (2.16) − vk v 2 vk+1 − vk k+1 Als Ergebnis erhält man für die Größenverteilung eine logarithmische Normalverteilung, die sich mit der Zeit zu größeren Radien verschiebt. Dies ist beispielhaft in Abbildung 2.8 dargestellt. Der obere Teil der Abbildung zeigt den Zeitverlauf des mittleren Radius und der Dichte der agglomerierenden Teilchen. Die Simulation startet mit einer Teilchendichte von nd = ni = ne = 1016 m−3 und mit einem mittleren Teilchenradius von ca. 0. 4 nm. Alle Teilchen befinden sich zu Beginn in der ersten Gitterzelle Vk . Der untere Teil der Abbildung stellt die Volumendichteverteilung der Teilchen zu verschiedenen Zeitpunkten dar. Wie bei Gaskondensationsprozessen kann man die Größenverteilung zu allen Zeitpunkten in guter Näherung mit einer logarithmischen Normalverteilung beschreiben. Die Breite dieser Verteilung ist jedoch bei der Agglomeration im Plasma deutlich kleiner als bei vergleichbaren Gaskondensationsprozessen, zum einen auf Grund der Größenabhängigkeit des mittleren Ladungszustands der Teilchen (kleine Teilchen sind mit größerer Wahrscheinlichkeit neutral oder positiv geladen und agglomerieren bevorzugt), zum anderen weil keine thermische Dissoziation der Agglomerate auftritt. Für die realistische Simulation der Agglomeration ist es von elementarer Bedeutung, die Wechselwirkung der heranwachsenden Teilchen mit dem Plasma zu erfassen. Im Fall der Protopartikel ist unklar, wie groß der Anteil der negativ geladenen Teilchen ist: Direkte Elektronenanlagerung findet nur für langsame Elektronen statt, da die kinetische Energie der Elektronen nicht abgebaut werden kann. Der Elektronenanlagerungskoeffizient liegt in diesem Fall zwei Größenordnungen unter der Ionenrekombinationsrate [FBH+ 96]. Allerdings kann ein dritter Stoßpartner, z.B. ein Neutralteilchen, die kinetische Energie des Elektrons aufnehmen. Der Elektronenanlagerungskoeffizient ist dann druckabhängig. Eine von Perrin durchgeführte ab-initio Berechnung ergibt, dass der Anlagerungskoeffizient ke für p = 13 Pa und Te ≤ 5 eV bereits für Clustergrößen ab 50 Atomen größer als 0. 5 ist [Bouc99]. Eine Simulationsstudie von Kortshagen zeigt hingegen eine bessere Übereinstimmung mit experimentell während der Agglomeration in Silanplasmen ermittelten Plasmaparametern, 2.4 Teilchenagglomeration (a) 17 1015 2. 4 mittlerer Radius Teilchendichte 2. 2 2 1014 nd / m−3 a / nm 1. 8 1. 6 1. 4 1013 1. 2 1 0. 8 0. 6 10−4 10−3 10−2 1012 10−1 t/s (b) 2 1. 8 1. 6 t=0 -4 t = 10 s t=1s t=0 t = 10−4 s t=1s V (a) / 10−12 1. 4 1. 2 1 0. 8 0. 6 0. 4 0. 2 0 0. 1 1 10 100 a / nm Bild 2.8: (a) Zeitliche Entwicklung des mittleren Radius und der Teilchendichte von Staubteilchen aus einer Simulation der Agglomerationsphase. Die Rechnung beginnt zum Zeitpunkt t = 0 mit einer Teilchendichte von nd = ni = ne = 1016 m−3 und mit einem mittleren Teilchenradius von ca. 0. 4 nm. (b) Größenverteilung der Teilchen zu verschiedenen Zeitpunkten. Auf der Ordinate ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Volumendichte der Teilchen aufgetragen. 18 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen wenn nur mit direkter Elektronenanlagerung gerechnet wird [KB99]. In diesem Fall ist die Ladungsträgerbilanz von den Protopartikeln praktisch unbeeinflusst und der Beginn der Agglomeration erfolgt identisch zu neutralen Aerosolen. Spätestens ab einem mittleren Teilchenradius von 5 nm ist der Elektronenanlagerungskoeffizient ke ≈ 1, so dass ausgehend von typischen Protopartikeldichten und bei typischen Plasmadichten ein Großteil der Plasmaelektronen auf der Teilchenoberfläche gebunden ist. Dadurch ist das Verhältnis von Elektronendichte zu Ionendichte ne /ni sehr viel kleiner als 1 und der mittlere Ladungszustand der Partikel wird begrenzt (vgl. (2.7)). Nach außen sichtbar wird diese Situation durch einen drastischen Wechsel der Entladungscharakteristik (in der Literatur als α–γ 0 -Modenwechsel bezeichnet [Bouc99]). Im weiteren Verlauf der Agglomeration sinkt die Gesamtoberfläche der Teilchen und damit auch der Anteil der an die Teilchen gebundenen Elektronen. Entsprechend steigen ne /ni und in Folge die mittlere Ladung der Teilchen |Qd |. Die Agglomeration verlangsamt sich und kommt schließlich zum Erliegen. In der Simulation wird dieses Verhalten erfasst, indem man ne /ni vor jedem Zeitschritt der Agglomeration mittels eines Plasmamodell aktualisiert. Für eine qualitative Betrachtung kann man dabei von einer konstanten Ionendichte ausgehen und die Elektronendichte aus der Quasineutralitätsbedingung berechnen: 0 = eni − ene − Qd nd ne Qd nd =1− . ni eni (2.17) (2.18) Die untenstehende Abbildung zeigt den mittleren Teilchenradius und die Teilchendichte während des Verlauf der Agglomeration gemäß Gleichung (2.13). Als Startbedingung wurden monodisperse Protopartikel mit 1 nm Radius mit nd = 1. 0 · 1012 m− 3 und für die Plasmabedingungen ni = 1. 0 · 1016 m− 3, Te = 3 eV und Ti = 26 meV gewählt. Solange ein nennenswerter Anteil der Teilchen neutral oder positiv geladen ist, sind die Agglomerationsraten hoch die Partikeldichte sinkt mit der −6/5 Potenz der Zeit. Da im Modell angenommen wird, dass während der Agglomeration keine neuen primären Cluster gebildet werden ist das Gesamtvolumen aller Teilchen konstant und für den mittleren Teilchenradius 120 100 40 80 30 mittlerer Durchmesser ~ t 2/5 60 Teilchendichte ~ t -6/5 20 40 10 Teilchendichte / µm−2 mittlerer Teilchendurchmesser / nm 50 20 Clusterbildung Agglomeration 0 0 0 5 10 15 20 25 30 35 Extraktionszeitpunkt / s Bild 2.9: Zeitliche Entwicklung der Größe und der Dichte von auf Siliziumproben gesammelten Staubteilchen. Die Teilchen wurden wie in Kapitel 2.2 beschrieben bei PCCP = 70 W, φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm und p (t = 0) = 5,6 Pa bei Variation von ∆tCCP = ∆tC2 H2 präpariert und mit dem Abschalten des Plasmas nach ∆tICP = 120 s auf den Proben gesammelt. Größe und Dichte der Teilchen skalieren mit den für Agglomeration typischen Potenzen der Zeit. 2.5 Weiteres Wachstum und Wachstumszyklen 19 folgt: a ∼ t2/5 . Der Verlauf des Teilchenwachstums wird im Experiment durch ex-situ Messungen an extrahierten Teilchen bestätigt. Abbildung 2.9 zeigt den gemessen Zeitverlauf der mittleren Größe und der Dichte von Teilchen auf der Oberfläche von Siliziumwaferstücken, die wie in Kapitel 2.2 beschrieben bei PCCP = 70 W, φAr : φHe : φC2 H2 = 4 : 15 : 4 sccm und p (t = 0) = 5,6 Pa präpariert wurden. Auf der Abszisse ist die Zeit ∆tCCP = ∆tC2 H2 bis zum Umschalten in den ICP-Modus aufgetragen. Die Teilchen wurden mit dem Abschalten des Plasmas nach ∆tICP = 120 s auf den Proben gesammelt. Im Rahmen der statistischen Fehler skalieren Größe und Dichte der auf den Proben gefundenen Teilchen mit den aus dem Modell vorhergesagten Potenzen der Zeit. 2.5 Weiteres Wachstum und Wachstumszyklen Je nach Anfangszustand der Agglomerationsphase sind ab einer bestimmten Teilchengrößen kaum noch neutrale oder positiv geladene Teilchen vorhanden und Agglomeration findet praktisch nicht mehr statt. Wird weiter Prekursorgas zugeführt, wachsen die Teilchen jedoch durch Anlagerung von Makromolekülen und neu gebildeten Protopartikeln langsam weiter an. Auf diese Weise können Teilchen mit Durchmessern von mehreren Mikrometern entstehen. Schließlich ist die Schwerkraft so groß, dass die Teilchen die elektrische Potentialbarierre überwinden und auf den Gefäßboden fallen. Nun kann sich wieder eine kritische Dichte an Protopartikeln aufbauen und die Prozesse des Teilchenwachstums wiederholen sich. Eine vergleichbare Situation ensteht, wenn es zur Bildung einer teilchenfreien Region, also eines sogenannten voids, kommt (vgl. Kapitel 3.2). U.u. können sich innerhalb des voids neue Protopartikel ansammeln und es kann ebenfalls eine neue Teilchengeneration heranwachsen. Wiederum wiederholen sich alle Vorgänge zyklisch. Die Zykluszeiten liegen in beiden Fällen typischerweise im Bereich mehrerer Minuten [HBW03]. 2.6 Unterbrechung des Teilchenwachstums Aus den vorherigen Abschnitten ist klar, dass das Teilchenwachstum in Schüben erfolgt: Die einzelnen Teilchen wachsen zunächst sehr schnell zu Protopartikeln heran, haben dann einige Zeit eine nahezu konstante Größe und werden schließlich in Agglomerate eingebaut. Die Möglichkeiten, auf den Wachstumsprozess Einfluss zu nehmen sind begrenzt. Die entscheidenen Prozessparameter während der Nukleation der Protopartikel sind die Dichte des Prekursorgases, die zugeführte Leistung, die Elektonendichte, die Gastemperatur. Die ersten drei Parameter bestimmen im Wesentlichen die Prekursorendichte für die Makromolülwachstumsketten und damit die Nukleationsgeschwindigkeit der Protopartikel. Eine erhöhte Gastempertur führt zu einer deutlich Reduktion der Nukleationsraten [BHB+ 94]. Die Ursachen für dieses Verhalten wurden in der Literatur für Silanplasmen z.T. kontrovers diskutiert [FBH+ 96, Bouc99, BKG03]. Den größten Einfluss hat offenbar die Temperaturabhängigkeit der Prekursorgasdichte bei konstant gehaltenem Druck sowie die Temperaturabhängigkeit der Diffusionskoeffizienten von Makromolekülen und Partikeln [BKG03]. Die Größe der Protopartikel lässt sich kaum beeinflussen, da allein die atomaren Eigenschaften die Schwelle festlegen, an der der Übergang von Makromolekül zu Oberfläche statt 20 Kapitel 2 Plasmasynthese von Nanoteilchen findet und das Wachstum stoppt. Über die Größe des Entladungsgefäßes könnte man die Untergrenze der Größenverteilung einstellen, ab der selektiver Einschluss einsetzt: Ein großes Entladungsgefäß begünstigt den Enschluss kleinerer Teilchen. Da man keinen Einfluss auf die Obergrenze nehmen kann würde man jedoch letztlich nur die Teilchengrößenverteilung verbreitern. Der mittlere Ladungszustand der Teilchen bestimmt die maximale Teilchengröße, bei der noch ein nennenswerter Anteil der Teilchen neutral oder positiv geladen ist und legt damit die Größe fest, bis zu der die Teilchen agglomerierten. Dies ist schematisch in Abbildung 2.10 dargestellt. Die Abbildung zeigt die normierte mittlere Ladung der Teilchen in Abhängigkeit der Teilchengröße und dem Verhältnis von Staubteilchendichte zur Dichte der positiven Ionen nd /ni , wobei für alle Teilchengrößen von einem Elektronenanlagerungskoeffizienten ke = 1 gemäß der Rechnung von Perrin ausgegangen [Bouc99] wird. Gemäß dieser Vorstellung setzt die Agglomeration ein, sobald sich eine Protopartikeldichte von der Größenordnung der positiven Ionendichte angesammelt hat. Die Entladungsbedingungen ändern sich dann derart, dass die Elektronendichte stark absinkt und sich in Folge dessen der mittlere Ladungszustand der Teilchen verringert. Agglomeration findet statt, solange die Bedingung Qd nd ≈ eni erfüllt ist. Kann man den Ladungszustand beeinflussen, hat man somit eine Zugriffsmöglichkeit auf den Moment, an dem die Agglomeration anhält. Den wichtigsten Einflussgrößen auf den Ladungszustand sind nun die Elektronentemperatur und das Verhältnis von Elektronendichte zu Ionendichte (vgl. (2.7)). Letzteres ist während der Agglomeration in einer kapazitiven Entladung auf Grund der Quasineutralität und Qd nd ≈ eni typischerweise deutlich kleiner als eins. Ein Wechsel in den induktiven Modus kann das Verhältnis jedoch drastisch erhöhen. Dadurch erhöht sich der mittleren Ladungszustand der Staubteilchen, die Anzahl an neutralen und positiv geladenen Staubteilchen sinkt und die Agglomeration stoppt! Dies ist in Abbildung 2.10 durch einen Pfeil veranschaulicht. neutrale + negativ + positiv geladene Teilchen TeilchenDurchmesser 100 nm 10 nm nur negativ geladene Teilchen Ag glo me rat ion ICP ← CCP eln Nukleation von Protopatik 1 nm Bild 2.10: Globaler Zusammenhang zwischen Agglomeration und mittlerem Ladungszustand. Agglomeration setzt ein und hält an, solange die auf den Protopartikeln gebundene Ladung in derselben Größenordnung liegt, wie die positive Ionendichte. Ein Wechsel vom kapazitiven in den induktiven Modus kann die Ladungsträgerbilanz ändern und die Agglomeration anhalten. Die zugrundliegende Abbildung ist dem Buch von Bouchoule entnommen [Bouc99]. 3. Ausbildung von Plasmainstabilitäten In diesem Kapitel werden die Vorgänge in einer partikelhaltigen Entladung diskutiert, die zur Ausbildung von Instabilitäten führen können. Dazu wird zunächst die Dynamik von Staubteilchen im Plasma betrachtet und anschließend auf die Entstehung von staubfreien Regionen im Plasma eingegangen. 3.1 3.1.1 Dynamik der Staubteilchen Orbitallimitiertes Teilchenstrommodell Entscheidend für die Kräfte, die im Plasma auf ein Staubteilchen wirken, ist dessen Ladungszustand. Im zeitlichen Mittel stellt sich dieser so ein, dass sich die positiven und negativen Ströme auf die Staubteilchenoberfläche kompensieren. In diesem Fall besitzt das Staubteilchen gegenüber dem Plasma ein wohldefiniertes Potential, aus dem man mit Hilfe eines Kondensatormodell seine Ladung berechnen kann. In Niederdruckplasmen kann man die Randschicht um das Staubteilchen als stoßfrei betrachten. Die Potentialverteilung um das Staubteilchen wird dann in guter Näherung durch ein abgeschirmtes Coulombpotential, dem sogenannten Debye-Hückel- bzw. Yukawa-Potential beschrieben [Bouc99]: a r−a Φ (r) = exp − , (3.1) Φd r λD,eff wobei a der Radius des Staubteilchens, r der Abstand von seinem Mittelpunkt Φd das elektrische Potential auf seiner Oberfläche gegenüber dem ungestörten Plasma und λD,eff die Abschirmlänge ist. Für den Fall einer dicken Randschicht (a λD,eff ) fällt dieses Potential in der Umgebung des Staubteilchens flacher ab, als r−2 . Die Ladungsträngerströme auf das Staubteilchen sind dann orbitallimitiert (OML-Fall) [DPKG92] und für einen einzelnen Ladungsträger, der sich an der Schichtkante s befindet, kann man mit Hilfe der Energie- und Drehimpulserhaltungssätze entscheiden, ob er die Oberfläche des Staubteilchens erreicht, Schichtkante Ion / Elektron (qk, mk) Plasma (Upl, fe, fi) Staubteilchen (Qd, md) Schicht (U(r)) a rs vp,r vs,r vp,t vs,t Bild 3.1: Trajektorie eines Elektrons oder Ions in der Nähe eines Staubteilchens im orbitallimitierten Modell. Die Geschwindigkeit an der Schichtkante entscheidet darüber, ob das Elektron bzw. Ion auf das Staubteilchen trifft oder es verfehlt. 21 22 Kapitel 3 Ausbildung von Plasmainstabilitäten oder das Staubteilchen verfehlt (vgl. Abbildung 3.1): ( 0, qΦd ≤ 0 vs,r ≥ vs,r,min = q 2eΦd , qΦd > 0 m s 2qΦd 2 vs,t ≤ vs,t,max = ρ vr,s − , m (3.2) (3.3) wobei q und m Ladung bzw. die Masse des Ladungsträger sind, vs,r und vs,t seine radiale bzw. tangentiale Geschwindigkeitskomponente in der durch den Geschwindigkeitsvektor und den Staubteilchenmittelpunkt definierten Ebene, Φd das Potential des Staubteilchens gegenüber dem umgebenden Plasma und ρ eine Hilfsgröße, die durch ρ= a2 rs2 − a2 (3.4) mit dem Staubteilchenradius a und dem Radius des Randschicht rs gegeben ist. Der Strom einer Ladungsträgersorte auf das Staubteilchen ergibt sich aus der Integration ihrer Geschwindigkeitsverteilungsfunktion an der Schichtkante über den Geschwindigkeitsraum und die Oberfläche der Schichtkante. Für ein Plasma, das aus Elektronen mit Maxwell’scher Geschwindigkeitsverteilung und einer Ionensorte mit driftender Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung besteht, ergeben sich unter der Annahme rs a folgende Teilchenströme [KIZM05, Bouc99]: eΦd 2 Γe = πa ne ve,th exp (3.5) kB Te r 2 √ u 2eΦd π ui −1 2 2 Γi = 2πa ni vTi ui 1 + ui − erf √ + ui exp − i (3.6) 2 kB Ti 2 2 a Φd . (3.7) Qd = 4π0 a 1 + λD,eff Γe und Γi sind der Elektronen- bzw. Ionenstrom auf die Oberfläche des Staubteilchens, ne und ni die Dichten der Elektronen bzw. Ionen p im ungestörten Plasma und Te bzw. Ti die Elektronen- bzw. Ionentemperatur. ve,th =p 8kB Te /πme ist die thermische Geschwindigkeit der Elektronen und ui = vi /vTi mit vTi = kB Ti /mi die Machzahl der Ionen. Die Beziehung (3.7) verknüpft die Ladung des Staubteilchens Qd < 0 mit seinem Oberflächenpotential unter der Annahme, dass die Potentialverteilung um das Staubteilchen dem Debye-HückelPotential gemäß Gleichung 3.1 entspricht. Für die effektive Abschirmlänge λD,eff dieses Potentials gilt in guter Näherung [KIZM05]: −2 2 −1 λ−2 + λ−2 (3.8) D,e D,eff = λD,i 1 + ui r 0 kB Ti (3.9) λD,i = e2 ni r 0 kB Te , (3.10) λD,e = e2 ne wobei λD,i bzw. λD,e die Ionen- bzw. Elektronendebyelängen bezeichnen. Durch numerische Lösung des Gleichungssystems (3.5–3.7) kann man die Ladung des Staubteilchens bestimmen. In guter Näherung kann man den Ladungszustand auch mit einer semiempirisch abgeleiteten Formel abschätzen [MR95]: ! r 4π0 akB Te ne mi Ti Qd ≈ −eB ln , (3.11) e2 ni me Te 3.1 Dynamik der Staubteilchen 23 wobei B eine schwach variierende Funktion von Te /Ti und me /mi ist. Man sieht, dass die mittlere Ladung eines Staubteilchens linear mit seinem Radius a und mit der Elektronentemperatur Te skaliert. Die Plasmadichte wirkt sich nicht auf die Ladung aus, solange die Quasineutralität ne ≈ ni erfüllt ist. Ist jedoch ein erheblicher Teil der Elektronen an Staubteilchen gebunden, so wird ne /ni 1 und die zeitlich gemittelte Ladung des einzelnen Staubteilchens ist gegenüber dem Fall der Quasineutralität deutlich reduziert. Dadurch kann sich der Anteil an neutralen und positiv geladenen Staubteilchen im Plasma erhöhen und Agglomeration wird begünstigt. 3.1.2 Kräftebilanz Im stationären Zustand der staubigen Entladung wird die Gleichgewichtsposition der Staubteilchen durch ihre Kräftebilanz beschrieben. Die maßgeblichen Kräfte sind die elektrostatische Kraft, der Ionenwind und ggf. thermophoretische Kräfte sowie Gravitation. Die elektrostatische Kraft lässt sich in guter Näherung durch F el = Qd E (3.12) beschreiben [Bouc99], wobei E das statische elektrische Feld des Plasmas ist. Das statische elektrische Feld des Plasmas ist in der Regel auf die Wände des Entladungsgefäßes gerichtet, so dass die Kraft F el zur Mitte des Reaktors zeigt und die Staubteilchen von den Wänden fernhält. Der Ionenwind beinhaltet zwei Komponenten: Die Kraftwirkung durch den Impulsübertrag der auf die Staubteilchen treffenden Ionen und die Coulombwechselwirkung der vorbeiströmenden Ionen mit dem negativ geladenen Staub. Allgemein ergeben sich die beiden Komponenten durch der Faltung der Ionenverteilungsfunktion mit den Wirkungsquerschnitten für Ioneneinfang σc bzw. Coulombwechselwirkung σs [KIMT02]: 2ρ0 2 σc (v) = πa 1 + (3.13) a ρZmax ρdρ = 4πρ20 Γ (3.14) σs (v) = 4π 1 + (ρ/ρ0 )2 ρ Z min F i,c = mi vfi (v) vσc (v) dv (3.15) Z F i,s = mi vfi (v) vσs (v) dv. (3.16) ρ0 = −eΦd a/mi v 2 ist der Coulomb- bzw. Landau-Radius. Der modifizierte Coulomb-Logarithmus β+1 Γ = ln (3.17) β + (a/λD,eff ) mit dem mittleren normierten Stoßparameter β=− a eΦd kB Ti (1 + u2i ) λD,eff (3.18) ergibt sich aus der Wahl der Integrationsgrenzen in (3.14). Als untere Grenze wird der maximale Stoßparameter für den Aufprall eines Ions der Geschwindigkeit v auf das Staubteilchen verwendet, was naturgemäß dem minimalen Stoßparameter für Coulombstreuung entspricht: r 2eΦd ρmin (v) = a 1 − . (3.19) mi v 2 24 Kapitel 3 Ausbildung von Plasmainstabilitäten Die obere Grenze wird so gewählt, dass alle Ionen mit einbezogen werden, deren Bahnen sich bis auf λD,eff an das Staubteilchen annähern [KIMT02]: s 2eΦd a ρmax (v) = λD,eff 1 − . (3.20) mi v 2 λD,eff (3.20) ist eine phänomenologische Wahl, die zu einem genaueren Ergebnis führt, als der klassische Ausdruck für Coulombstreuung (ρmax = λD,eff ). Die Ionenwindkraft, die sich im klassischen Fall ergibt, ist bei typischen Plasmabedingungen um mindestens den Faktor fünf zu niedrig, um etwa die Enstehung von Voids zu erklären [AG01]. Im Fall einer driftenden Maxwellverteilung ! 3/2 1 mi (v − v i )2 fi (v) = exp − (3.21) kB Ti kB Ti ergibt sich für die Ionenwindkraft [KIZM05]: r √ 2eΦd ui π −2 2 2 F i,c = 2πa ni mi vTi 1 + ui + 1 − ui 1− erf √ + 2 kB Ti 2 2 2eΦd u −1 2 + ui 1− + ui exp − i kB Ti 2 r 2 2 2 √ u π −2 ui 4e Φd −1 2 F i,s = 2πa ni mi vTi − Γ. + ui exp − i ui erf √ 2 2 kB2 Ti2 2 (3.22) (3.23) Für typische Plasmaparameter im Bereich β . 5 stimmen (3.22) und (3.23) sehr gut mit den Ergebnissen von Monte-Carlo-Simulationen der Ionenströmung um ein negativ geladenes Testteilchen überein [Hutc05]. Die Abweichung in diesem Bereich beträgt maximal 20 %. Für β > 5 führt (3.14) trotz Verwendung der effektiven Debye-Länge (3.8) zu großen Fehlern. Größere Abweichungen können sich auch ergeben, wenn die mittlere freie Weglänge der Ionen im Plasma kleiner wird als die effektive Debye-Länge [IZKM05]. Für β 1 und subthermische Ionen (ui 1) dominiert die Kraftwirkung durch Coulombstreuung. Der entsprechende Ausdruck (3.23) kann in diesem Fall in guter Näherung stark vereinfacht werden [KIMT02]: 2√ e2 Φ2 (3.24) F i ≈ F i,s ≈ 2πa2 ni mi vT2 i ui 2 d2 Γ. 3 kB Ti Thermophorese wird durch einen Temperaturgradienten induziert und ergibt sich aus einer inhomogen über die Oberfläche verteilten Stoßrate mit Neutralgasteilchen. In guter Nährung wird die thermophoretische Kraft durch folgene Beziehung wiedergegeben [GTR01]: 16 πa2 F th = − √ κT ∇Tn , (3.25) 15 2π vn,th p wobei κT die thermische Leitfähigkeit des Gases, vn,th = kB Tn /mn die thermische Geschwindigkeit der Neutralteilchen und Tn die (ortsbhängige) Neutralgastemperatur ist. Bei einer Elektronendichte von ne ≈ 1017 m−3 , wie sie in ICP-Entladungen typischerweise vorherrscht, ist ein hoher Temperaturgradient erforderlich, damit die thermophoretische Kraft in derselben Größenordnung wie die Ionenwindkraft liegt. Ein solcher Temperaturgradient stellt sich normalerweise nur ein, wenn eine Elektrode des Reaktors geheizt oder gekühlt wird. Dies ist im Experiment, wie es in 2.2 beschrieben wird, nicht der Fall. Thermophorese wird daher in den nachfolgenden Betrachtungen vernachlässigt. Die Gravitationskraft 4 F g = md g = πa3 ρd g (3.26) 3 3.2 Void-Entstehung 25 erzielt diese Größenordnung erst bei Teilchenradien von einigem Mikrometern. Bei Teilchengrößen von einigen zehn Nanometern spielt die Gravitationskraft keine Rolle und wird daher nachfolgend ebenfalls nicht beachtet. Im Fall bewegter Staubteilchen wirkt die Reibung gegen den Neutralgashintergrund der Bewegungsrichtung entgegen. Die Reibungskraft wird in guter Näherung durch die EpsteinBeziehung widergegeben [Epst24, BWA65, GTR01]: " 2 F n = −2πa2 mn nn vn,th # √ r 8 π Td,sf v d − v n √ + (1 − p ) √ , 3 Tn 3 π 2vn,th (3.27) wobei v d die Strömungsgeschwindigkeit der Staubteilchen, v n die Strömungsgeschwindigkeit des Neutralgases und Td,sf die Temperatur an der Oberfläche des Staubteilchen ist. Dieselbe Beziehung beschreibt den Effekt einer Gasströmung um ein ruhendes Staubteilchen. Die Kraft auf Nanoteilchen durch die Gasströmung in der GEC-Zelle bleibt bei typischen Flussraten allerdings deutlich unterhalb der Größenordnung der Ionenwindkraft. Die dominierenden Kräfte auf die Nanoteilchen im Experiment sind also die elektrostatische Kraft und die Kraft des Ionenwinds. Die elektrostatische Kraft beschreibt die Wirkung des gesamten elektrischen Feldes im Plasma auf die Staubteilchen, also auch die Coulombwechselwirkung der Staubteilchen untereinander. Tatsächlich stellt sich im stationären Fall das elektrische Potential des staubigen Plasmas so ein, dass der Ionenwind an jedem Ort der Staubteilchenwolke gerade durch die elektrostatische Kraft kompensiert wird. 3.2 Void-Entstehung In bestimmten Bereichen des Parameterraums bilden sich im staubigen Plasma spontan eine ohne mehrere staubteilchenfreie Regionen, sogenannte Voids. Die Entstehung wird durch statistischen Fluktuationen der Staubteilchendichte initiiert. In Bereichen geringer Staubteilchendichte ist die Plasmateilchendichte lokal erhöht, da die Ladungsträgerverluste an der Oberfläche der Staubteilchen niedriger sind. Kann in dieser Situation der erhöhte Ionenwind nicht mehr durch die elektrostatische Kraft kompensiert werden, so führt dies in einem sich selbst verstärkenden Prozess zu einer Entmischung von Plasma und Staub [SG99, AG01, DPS+ 02, TVM04]. Der wahrscheinlichste Ort für die Enstehung eines Voids liegt in der Nähe der Reaktormitte, da die Plasmadichte dort am größten ist. Die Voraussetzung für die Entstehung eines Voids lautet allgemein: Fi > 1. (3.28) F el Die Ionendrift nahe dem Zentrum der Entladung ist subthermisch, d.h. ui 1. In diesem Fall ist das statische elektrische Feld über die Beweglichkeit µi mit der Ionendriftgeschwindigkeit verknüpft: v i = µi E µi = e , mi nn Xin (3.29) (3.30) wobei nn die Neutralteilchendichte und Xin der Ratenkoeffizient für elastische Stöße zwischen Ionen und Neutralteilchen ist. Damit gilt für die elektrostatische Kraft auf die Staubteilchen: a 4π0 eΦd v i mi nn Xin , (3.31) F el = Qd E = 2 a 1 + e λD,eff 26 Kapitel 3 Ausbildung von Plasmainstabilitäten und die Bedingung für die Enstehung eines Voids lässt sich ohne eine explizite Abhängigkeit vom elektrostatischen Feld ausdrücken: Fi ni eΦd e2 1 a √ = √ Γ > 1, F el 3 2π0 nn mi kB Ti Xin kB Ti (3.32) wobei für die Ionenwindkraft der vereinfachte Ausdruck 3.24 angesetzt wird. Bei fester Ionentemperatur ist das Verhältnis F i /F el direkt proportional zum Staubteilchenradius a und zum Ionisationsgrad ni /nn . Der Einfluss von anderen Plasmaparametern über das Oberflächenpotential der Staubteilchen Φd und den Coulomb-Logarithmus Γ ist dagegen nur schwach ausgeprägt. Damit kann für einen vorgegebenen Ionisationsgrad die kritische Staubteilchengröße ermittelt werden, ab der es zur Entstehung eines Voids kommt. Für Ionisationsgrade, wie sie für kapazitive Entladungen typisch sind, liegt der kritische Radius deutlich über 100 nm [SG99]. In induktiven Entladungen ist der Ionisationsgrad ni /nn dagagen typischerweise ein bis zwei Größenordnungen höher. Für eine Argon-Entladung bei einem Druck von p = 4 Pa, einer Ionendichte von ni ' 1017 m−3 , einer thermischen Ionenenergie kB Ti ' 26 meV, einem Stoßratenkoeffizient Xin ' 5. 9 · 10−16 m3 s−1 [EPM+ 76] und einem Overflächenpotential eΦd ' 6 eV [Bouc99] liegt der minimale Staubteilchenradius, für den die Bedingung 3.32 erfüllt ist, unter 1 nm! Ein Void setzt sich gegenüber dem umgebenden, staubigen Plasma durch eine erhöhte Strahlungsintensität ab. Dies liegt daran, dass die Elektronendichte im staubigen Plasma durch die Rekombination von Elektronen an den Staubteilchenoberflächen je nach Staubteilchendichte um ein bis zwei Größenordnungen gegenüber der Elektronendichte im Void reduziert ist [AG03, DOYA06]. In kapazitiven Entladungen kann dieser Effekt dadurch teilweise kompensiert werden, dass die Elektronentemperatur im staubigen Plasma gegenüber dem Void erhöht ist. Dies liegt daran, dass die lokale Stärke des elektrischen Wechselfelds umgekehrt proportional zur lokalen Elektronendichte ist und damit der Leistungseintrag im staubigen Plasma wesentlich größer ist, als im Void. Im Gegensatz dazu hängt in der induktiven Entladung die Stärke des elektrischen Wechselfelds in erster Linie von der volumengemittelten Elektronendichte ab [DOYA06]. Durch eine verminderte Elektronendichte erhöht sich eher die Eindringtiefe der elektromagnetischen Welle [LL05] und man erwartet im Void tendenziell eine höhere Elektronentemperatur als im staubigen Plasma. Dies wird durch die Langmuirsonden-Messungen im Experiment bestätigt (vgl. Kapitel 6.1). Auf Grund der erhöhten Emission im sichtbaren Bereich wird das Void im Folgenden phänomenologisch auch als Plasmoid bezeichnet. 3.3 Void-Instabilität Führt man das Experiment wie in Kapitel 2.2 beschrieben durch, beobachtet man nach dem Umschalten des Plasmas vom kapazitiven Modus in den induktiven Modus (Phasen (iv–v) in Abbildung 2.2) erwartungsgemäß einen Plasmoiden. Allerdings ist die Plasmaemission nicht stabil. Dies ist in Abbildung 2.2 b anhand des Signals der Fotodiode für einen Versuch mit ∆tC2 H2 = ∆tCCP = 4 s, PCCP = 70 W und PICP = 100 W dargestellt: Während der kapazitiven Phase (ii–iii) ist die Lichtemission des Plasmas auf Grund einer geringen Elektronendichte niedrig im Vergleich zur induktiven Phase (iv–v). Zu Beginn der induktiven Phase (iv) bzw. nach dem Stopp der Acetylenzufuhr unterliegt die Lichtemission starken chaotischen Schwankungen. Offenbar brennt die Entladung in dieser Phase noch nicht durchgehend induktiv sondern wechselt zwischen kapazitiven und induktiven Modus hin und her. Nach einigen Sekunden brennt das Plasma rein induktiv und allmählich kristallisiert sich eine gleichmäßige Oszillation heraus (Phase (v)). Den Wechsel zur rein induktiven Entladung erkennt man daran, dass die Strahlungsintensität durchgehend höher ist, als im kapazitiven 3.3 Void-Instabilität 27 Plasma. Sporadisch kommt es in Phase (v) zu heftigeren Schwankungen der Plasmaemissionen (z.B. im Bereich 85–95 s in Abbildung 2.2 b). Die Entladung bleibt dabei aber wiederum im induktiven Modus. Nach einer Unterbrechung des Plasmas für einige Sekunden (Phase (vi)) brennt die Entladung stabil und induktiv (Phase (vii)). Die Zusammensetzung des Plasmas unterscheidet sich zwischen den einzelnen Phasen wie folgt: Im kapazitiven Modus handelt es sich um ein Edelgas-Acetylen-Plasma, in dem Staubteilchen heranwachsen. Nach dem Abschalten der Acetylenzufuhr, d.h. im Laufe von Phase (vi), wird zunächst der Prekursorgasvorrat verbraucht. Die Zeitkonstante hierfür liegt in der Größenordnung der mittleren Aufenthaltsdauer für Neutralteilchen. Bei einem Plasmavolumen von 5 l und einem Druck von 4 Pa beträgt diese etwa 0,5 s. Während der ersten Sekunden von Phase (vi) befindet sich also noch Molukülgas im Plasma. Die Schwelle zwischen kapazitivem und induktivem Modus liegt in diesem Fall in der Nähe der Generatorleistung PICP = 100 W. Oszillationen zwischen den beiden Betriebsmodi sind in diesem Fall typisch und erklären sich aus dem Zusammenspiel von Plasmaimpedanz, der Hysterese in der Leistungsbilanz des Plasmas und dem Anpassnetzwerk, das sich zwischen Generator und Spule befindet (vgl. [LL05]). Ist das Quellgas verbraucht, liegt eine reine Edelgasentladung vor, in der die Staubteilchen, die in der kapazitiven Phase (ii–iii) erzeugt werden, gefangen sind. Die Schwelle zwischen den Betriebsmodi liegt dann deutlich unterhalb der Generatorleistung PICP = 100 W und das Plasma brennt durchgehend induktiv. Die Plasmaoszillationen, die in dann beobachtet werden, werden allein durch die Anwesenheit der Staubteilchen verursacht. Als Mechanismen, durch die anwesender Staub Plasmaoszillationen verursachen kann, wurden in früheren Untersuchungen Ladungsinstabilitäten und Transportinstabilitäten betrachtet [vKB04]. Der Frequenzbereich der beobachteten Instabilitäten liegt zwischen 10 und 100 Hz und liefert damit einen Anhaltspunkt über die Natur der Oszillationen: Ladungsinstabilitäten sind charakteristisch für elektronegative Plasmen. Dabei unterliegt der Ladungszustand der beteiligten Spezies periodischen Schwankungen. In einer Argon–SF6 Entladung durchlaufen beispielsweise SF6 Moleküle einen Zyklus von Elektronenanlagerung (Neutralteilchen → negatives Ion), Ion-Ion-Rekombination (negatives Ion → Neutralteilchen), Ionisation (Neutralteilchen → positives Ion) und Wandrekombination (positives Ion → Neutralteilchen). Die begrenzende Zeitdauer für diese Instabilität ist die Ion-Ion-Rekombinationszeit, die in der Größenordnung 1 ms liegt [LL05]. Im Fall agglomerierter Teilchen ist die begrenzende Zeitdauer für Ladungsschwankungen die Aufladungszeit. Diese liegt im Bereich einiger 10 µs [Bouc99] und damit deutlich unterhalb der Periodendauer der beobachteten Plasmaoszillationen. Ladungsinstabilitäten müssten zu Oszillationen mit deutlich höheren Frequenzen führen und können damit nicht als Erklärung für die beobachteten Phänomenen dienen. Für eine Betrachtung von Teilchentransportphänomenen geht man von driftenden Staubteilchen aus, für die Ionenwindkraft und Neutralgasreibungskraft im Gleichgewicht stehen. Aus Gleichungen (3.24) und (3.27) folgt für die Driftgeschwindigkeit: √ ni e2 Φ2d pi v d = √ v Ti ui Γ. (3.33) nn kB2 Ti2 8 2 Als typische Transportzeit ergibt sich für ein Staubteilchen mit Radius a = 25 nm bei ui = 0,1 und den Plasmaparametern aus 3.2 H/v d ≈ 10 ms. Die Periodendauer der Plasmaoszillationen liegt also im Bereich typischer Transportzeiten für die Staubteilchen im Reaktor. Transportinstabilitäten können also die beobachteten Plasmaoszillationen im induktiven Modus erklären. Da die Partikel in diesem Experiment so klein sind, dass sie nicht mit Lichtstreuung lokalisiert werden können, ist es leider nicht möglich, die Trajektorien der einzelnen Partikel zu verfolgen. Allerdings werden ähnliche Plasmainstabilitäten in kapazitiven Entladungen beobachtet [PG96, SG99]. Dort entstehen Voids nur in Staubplasmen mit deutlich größeren 28 Kapitel 3 Ausbildung von Plasmainstabilitäten Partikel als im induktiven Fall (vgl. Kapitel 3.2) und entsprechend werden auch die Instabilitäten nur für deutlich größere Partikel beobachtet. In [SG99] werden entsprechende Beobachtungen für Partikel mit a ≈ 65 nm diskutiert. Die Partikelwolke wird dabei von einem Laser in einer Ebene ausgeleuchtet und das Streulicht der Teilchen in dieser Ebene von einer ICCD-Kamera erfasst. In Analogie zu den anfänglich chaotischen Oszillationen in der rein induktiven Phase dieses Experiments (Phase (iii)) beobachtet man im kapazitiven Plasma bei heranwachsenden Teilchen ein unregelmäßiges Erscheinen und Verschwinden mehrerer Voids (in [SG99] als Filamentmodus bezeichnet) und damit verbunden ein chaotisches Flackern des Plasmaemission. Nach einiger Zeit verschmelzen diese Voids zu einem einzigen, das um das Zentrum des Reaktors rotiert, oder im Zentrum liegt und pulsiert. Durch die Bewegung oder die Pulsierung des Plasmoids kommt es zu periodischen Oszillationen der Plasmaemission, wie sie von einer Fotodiode erfasst werden können. Die Frequenzen der Instabilitäten liegen unter dem Bereich, der im ICP für kleinere Teilchen beobachtet wird. Aus den Aufnahmen der ICCD-Kamera, die zeitlich und räumlich aufgelöst die Plasmaemission aus eine Ebene parallel zu den Elektroden erfassen, lässt sich schließen, dass in diesem Experiment ähnlich wie im Fall der kapazitiven Entladung in [SG99] ein Plasmoid bzw. Void um das Zentrum der Entladung rotiert (vgl. Kapitel 6). Mit der Bewegung des Plasmoids bzw. Voids ist ein Transport von Staubteilchen weg von der Void-Grenze, die sich in Rotationsrichtung vorne befindet, verbunden. Die Diskussion über die Ursache für die Rotation des Voids im CCP kommt in den zitierten Arbeiten zu keinem schlüssigen Ergebnis. Auch die Skalierung der Umlauffrequenz mit wichtigen Plasmaparametern wird nicht genauer ausgeführt. Für das vorliegende Experiment wird die Skalierung der Umlauffrequenz mit der Größe der Partikel in Kapitel 4.4.1 betrachtet. Kapitel 6 charakterisiert die Void-Rotation mit Hilfe von plasmadiagnostischen Werkzeugen und zeichnet ein Bild der physikalischem Ursachen für die Void-Rotation. 4. Charakterisierung der Teilchen In den folgenden Abschnitten werden wichtige Ergebnisse bzgl. der Eigenschaften im Plasma synthetisierter Kohlenwasserstoff-Teilchen diskutiert und Methoden zur ex-situ und in-situ Charaketerisierung von Nanoteilchen vorgestellt. Die Kenntniss der chemischen und physikalischen Eigenschaften der Teilchen sind wichtig, um auf den möglichen Einsatz in technischen Anwendungen schließen zu können. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, Teilchen mit vorgegebener Größe zu erzeugen. Dazu werden die etablierten ex-situ und die in der Literatur vorgeschlagenen in-situ Methoden zur Vermessung von Teilchen kurz vorgestellt und auf ihre Anwendbarkeit hin bewertet. Schließlich wird eine neue Methode basierend auf der in Kapitel 3.3 erläuterten Plasmainstabilität vorgeschlagen und durch Vergleich mit ex-situ Messungen kalibriert. 4.1 Physikalische und chemische Eigenschaften plasmasynthetisierter Kohlenwasserstoff-Teilchen Die Erzeugung von Kohlenwasserstoff-Teilchen im Plasma erfolgt aus einem KohlenwasserstoffMolekülgas. Als Quellgase werden kommen dabei z.B. Methan (CH4 ), Ethin bzw. Acetylen (C2 H2 ), Ethen (C2 H4 ) [DAM+ 99] und Propen (C3 H6 ) [DTF+ 05] zum Einsatz. Die geläufigsten Gase sind dabei Methan und Acetylen. Die Teilchen die dabei im Plasma entstehen, unterscheiden sich in ihrer Morphologie, ihrer Härte und ihrer chemischen Zusammensetzung. Zumeist findet man monodisperse, kugelförmige Teilchen, die unter hoher Auflösung betrachtet eine blumenkohlartige Struktur aufweisen [SKB+ 05]. Die blumenkohlartige Struktur rührt aus dem Agglomerationsvorgang: Bei der Zusammenlagerung von Protopartikeln kommt es zu einer unvollständigen Verschmelzung der Stoßpartner. Da es für die Anlagerung von Prekursoren an die heranwachsenden Teilchen im Normalfall keine Vorzugsrichtung gibt, bleiben die Teilchen dabei kugelförmig. Dies entspricht auch dem energetisch günstigsten und chemisch stabilsten Zustand. Durch die Zusammenlagerung von Teilchen mit Durchmessern in derselben Größenordnung sind die heranwachsenden Staubteilchen allerdings nicht perfekt symmetrisch. In elektrostatischen Feldgradienten kann es dann durch Polarisation zu einer parallelen Ausrichtung der unsymmetrischen Teilchen kommen. Solche Feldgradienten findet man in Plasmarandschichten vor. In der Folge kommt es zum Wachstum von elongierte Staubteilchen, wie sie von Hong im Experiment beobachtet wurden [HRW06]. Neben diesen Morphologien konnte in anderen Materialsystemen, wie z.B. Siliziumwasserstoff, die Bildung von einkristallinen, würfelförmigen Nanoteilchen erzielt werden [BAP+ 04]. Dazu muss durch die entsprechende Wahl der Entladungsbedingungen eine hohe innere Temperatur der Staubteilchen erzielt werden. Durch Untersuchungen mit hochauflösenden Rastertunnelmikroskopen (TEM) liegen Hinweise vor, dass Protopartikel auch bei gewöhnlichen Entladungsbedingungen größere kristalline Zonen aufweisen [VMB+ 02]. Bezüglich der chemischen Struktur von Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen gibt es Ergebnisse 29 30 Kapitel 4 Charakterisierung der Teilchen aus Raman- und Fourier-Transformations-Infrarot-Sprektroskopie, aus denen man schließt, dass die Eigenschaften denen aus dem Plasma abgeschiedener amorpher Kohlenwassertoffschichten (a-C:H) entsprechen: Die Teilchen bestehen aus einem Netzwerk von sp2 und sp3 Verbindungen, wobei die sp2 Phase in Molekül-Clustern, -Ringen und -Ketten auftritt [HW05]. Insbesondere beträgt die sogenannte nanokristalline Größe der Teilchen ca. 0,55– 0,85 nm, was Verbünden aus zwei bis vier Graphitringen entspricht, wie man sie auch in a-C:H Schichten findet. Der Wasserstoffanteil liegt ebenfalls im für a-C:H Schichten Bereich und beträgt typischischer Weise ca. 30 %. Ellipsometrische Untersuchungen zeigen dabei, dass das Material bei großen Teilchen nicht homogen ist, sondern die Teilchen aus einem harten Kern mit einem Radius von bis zu 65 nm bestehen, der sich durch einen hohen Brechungsindex auszeichnet (m ≈ 2,0−1,0i) und der von einer weicheren Schicht eingeschlossen ist, die entsprechend einen niedrigeren Brechungsindex aufweist (m ≈ 1,96 − 0,125i für das Quellgas C2 H2 bzw. m ≈ 1,85 − 0,23i für CH4 ) [HRW06]. Grundsätzlich ist das Material weicher, wenn es in einer wasserstoffreichen Atmosphäre erzeugt wird. Die elektronischen und optischen Eigenschaften von Nanoteilchen werden in besonderer Weise durch ihre Größe bestimmt: Ab einer Größe von einigen zehn Atomen kann man die physikalischen Eigenschaften quantenmechanisch wie in einem Festkörper beschreiben. Insbesondere existiert dann eine Bandstruktur, bei der die Bänder zunächst im Vergleich zum Festkörpermaterial zu größeren Energien hin verschoben sind, und die mit steigender Teilchengröße im Bereich einiger Nanometer in die Bandstruktur des Festkörpermaterials übergeht. Bei Siliziumteilchen wurde die Verschiebung der Bänder experimentell ermittelt [vBDC+ 98]. Die Bandlücke von 2 nm großen Teilchen wurde dort mit etwa 1,8 eV angegeben, genenüber 1,17 eV im Festkörper. Die Tatsache, dass die Bandlücke von Nanoteilchen eine Funktion ihrer Größe ist, stellt eine wichtige Motivation für die Herstellung von Teilchen vorgegebener Größe dar. 4.2 Ex-situ Charakterisierung durch Mikroskopie Die wichtigste Methode zur Vermessung der Teilchen ist die Mikroskopie, da sie eine direkte Angabe der Größe ermöglicht. Dabei erreichen zwei verbreitete Verfahren die notwendige Auflösung im Nanometerbereich: Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Rasterkraftmikroskopie. Beide Verfahren werden in dieser Arbeit verwendet, um die Größe von Teilchen ex-situ zu bestimmen. Bei der Rasterelektronenmikroskopie wird die Probe mit einem Strahl hochenergetischer Elektronen beschossen. Dabei kommt es zu verschiedenen Wechselwirkungen mit der Probe: Teilweise werden die Elektronen elastisch und inelastisch gestreut, teilweise treten sie durch die Probe hindurch und teilweise werden Sekundärelektronen und Augerelektronen aus dem Material ausgelöst, wobei durch letzteren Prozess Röntgenstrahlung entsteht. Durch die Detektion der Wechselwirkungsprodukte ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, um Informationen über den Aufbau der Probe zu erhalten. Eine Abbildung der Oberflächentopologie wird durch die Erfassung der Sekundärelektronen bei einer Abrasterung der Probe mit dem Elektronenstrahl ermöglicht. Es können nur solche Sekundärelektronen die Probe verlassen und zum Detektor gelangen, die in den obersten Schichten abgelöst werden [Joy00]. Die laterale Auflösung wird dabei durch die Ausdehnung des Elektronenstrahls an der Probenoberfläche und die Beschussenergie festgelegt. Das Gerät, das für diese Arbeit zur Verfügung steht, erreicht bei der niedrigsten Beschussenergie von 5 keV eine Auflösung von etwa 2 nm [Neus06]. Damit lassen sich Teilchen ab einem Durchmesser von etwa 15 nm detektieren und vermessen. Kleinere Teilchen werden durch den Elektronenbeschuss so stark beschädigt, dass sie sich nicht abbilden lassen. Die Vermessung der Teilchen wird durch einen Algorithmus automatisiert: In den REM- 4.3 In-situ Charakterisierung mit direkten Methoden 31 Bildern ist der Rand der zweidimensionalen Projektion eines Teilchen als heller Saum erkennbar. Durch ein Schwellwertverfahren werden solche Ränder in geschlossene Linienzüge umgewandelt. Anschließend werden Bildpixelanzahlen der zusammenhängenden Bereiche ermittelt. Die Pixelanzahl P eines solchen Bereichs ist proportional zur Querschnittsfläche eines Teilchens, so dass sich der Teilchenradius auf einfache Weise berechnen lässt: √ a = f · P. (4.1) Der Kalibrierfaktor f ergibt sich dabei aus dem Maßstab der Aufnahme. Die Teilchendichte auf der Probe ergibt sich aus dem Verhältnis der detektierten Teilchenanzahl und der abgebildeten Fläche. Teilchen, die kleiner sind als 15 nm, lassen sich mit dieser Methode nicht vermessen. Proben, auf denen man solche Teilchen vermutet, werden daher mittels Rasterkraftmikroskopie vermessen. Bei der Rasterkraftmikroskopie wird die Probe mittels eines Piezokristalls lateral unter einem Tastkopf hergeführt. Der Tastkopf wird mit einer Tastspitze beladen, die an ihrem Ende einem Durchmesser von wenigen Nanometern besitzt. Die Oberseite der Spitze wird von einem Laserstrahl beleuchtet und das reflektierte Licht von einem geteilten Photodetektor erfasst. Das Differenzsignal der beiden Teile des Photodetektors ist ein Maß für die Verbiegung der Spitze. Zur Abrasterung der Oberflächentopologie einer Probe wird die Verbiegung durch Nachführen der vertikalen Position des Probentellers auf einen Sollwert geregelt. Bei entsprechend feiner Tastspitze kann mit diesem Verfahren eine nahezu atomare Auflösung erreicht werden. Der Nachteil des Verfahren ist, dass die Tastspitze in direktem Kontakt zur Probe steht. Es zeigt sich, dass die Bindung der Nanoteilchen auf der Probenoberfläche so schwach ist, dass die Teilchen an der Tastspitze hängenbleiben. Eine Vermessung der Teilchengröße ist auf diese Weise nicht möglich. Als Ausweg wird das Rasterkraftmikroskop im sogenannten nichtkontaktierenden Modus betrieben. Dabei wird als Regelgröße für die vertikale Probenposition die Amplitude einer in Resonsanz schwingenden Tastspitze verwendet. Schwingungsamplitude wird dabei wieder über den reflektierten Laserstrahl erfasst. Die freie Schwingungsamplitude beträgt dabei typischerweise einige 10 nm. Durch van-der-Waals-Wechselwirkung verringert sich die Resonanzfrequenz der Tastspitze bei Annäherung an die Probe und in Folge sinkt die Amplitude. Die dabei auf die Probe wirkende Kraft ist wesentlich kleiner als im kontaktierenden Modus und auf der Probe befindliche Nanoteilchen können auf diese Weise problemlos detektiert werden. Der zugängliche Größenbereich der Teilchen liegt zwischen 0,5 und 20 nm. Die Untergrenze ergibt sich auf dem Signal-Rausch-Verhältnis des Detektors. Die Obergenze wird durch die endliche Regelgeschwindigkeit der Probenposition bestimmt: An Stufen, die Größer sind als 20 nm kommt es auch bei langsamen Abtastgeschwindigkeit zu einem Kontakt der Spitze mit der Probe. Dabei kann die Spitze irreversiblen Schaden nehmen. Die weitere Verbeitung der AFM-Bilder erfolgt in Analogie zu den SEM-Aufnahmen. Da in den Bildern z.T. Stufen auftreten, wird ein semi-automatischer Algorithmus verwendet, bei dem der Benutzer die Teilchen auf den Bildern markiert. In der Umgebung der Teilchen wird dann jeweils der Median das Maximum des Höhensignals berechnet. Die Differenz entspricht dem Durchmesser des Teilchens. 4.3 In-situ Charakterisierung mit direkten Methoden Für eine zuverlässige Prozesssteuerung bei der Plasmasynthese von Nanoteilchen benötigt man inherent eine in-situ Methode zur Bestimmung der Größe der im Plasma gefangenen Teilchen. Idealerweise würde man die Größe während des laufenden Prozesses erfassen und 32 Kapitel 4 Charakterisierung der Teilchen das Wachstum der Teilchen bei der vorgegebenen Zielgröße unterbrechen. Im Folgenden werden die existierenden Ansätze zur in-situ Bestimmung von Teilchengrößen kurz vorgestellt und ihre Einsatzfähigkeit bewertet. 4.3.1 Lichtstreuung an Teilchen Eine Klasse von Verfahren beruht auf der Lichtsteuung an Teilchen. Dabei wird ein Teil des Plasmavolumens von einer externen Lichtquelle ausgeleuchtet und das Streulicht der Teilchen von einem Detektor erfasst. In der Regel wird als Lichtquelle ein linear polarisierter Laserstrahl mit einer Wellenlänge λ im sichtbaren Bereich verwendet und das Streulicht unter einem oder mehreren verschiedenen Winkeln erfasst. Die Lichtstreuung an den Teilchen wird durch dabei die Rayleigh-Mie-Theorie beschreiben. Rayleigh-Streuung gilt für Teilchen, deren Durchmesser sehr viel kleiner ist als die Wellenlänge des Lasers. Die Intensität des Streulichts von einem Teilchen mit dem Brechungsindex n unter einem Winkel θ im Abstand R senrecht bzw. parallel zur Polarisationsrichtung ist dann: 2 16π 4 a6 n2 − 1 I⊥ = I0 4 2 , (4.2) λR n2 + 2 2 16π 4 a6 n2 − 1 cos2 θ. (4.3) Ik = I0 4 2 2 λR n +2 Das gesamte vom Detektor erfasste Streulicht ist dann proportional zur Staubteilchendichte und zu a−6 . Rayleigh-Streuung kann z.B. verwendet werden, um die frühe Phase des Teilchwachstums zu charakterisieren: Unterbricht man das Teilchenwachstum zu verschiedenen Zeitpunkten durch Abschalten des Plasmas und bestimmt mit ex-situ Methoden die Teilchengröße, kann man auf die Dichte der Teilchen in der Entladung zurückschließen [BB93]. Allein durch Rayleigh-Streuung kann man die die Größe der Teilchen allerdings nicht in-situ bestimmen! Ab einem Teilchendurchmesser von etwa 5% der Wellenlänge des Laserlichts setzt allmählich Mie-Streuung ein. Durch Mie-Streuung wird der Polarisationszustand des reflektierten Lichts geändert. Mit ellipsometrischen Verfahren kann man diese Änderung des Polarisationszustands erfassen und auf die Größe und den Brechungsindex der Streuzentren zurückschließen. Einfache Verfahren erfassen das Streulicht unter verschiedenen Winkeln senkrecht und/oder in der Polarisationsebene und berechnen aus den Verhältnissen der Signale die gesuchten Größen [BB93, ?]. Intelligentere Verfahren bestimmen mit einem Ellipsometer explizit die ellipsometrischen Winkel Ψ und ∆. Durch Anpassung der Parameter eines entsprechenden Modells für die Mie-Streuung findet man wiederum die gesuchten Größen [HW06]. Die Methode funktioniert zuverlässig für Teilchen mit einem Radius größer als 25 nm. Für kleinere Teilchen ist die Interpretation der Daten schwierig und führt z.T. zu widersprüchlichen Ergebnissen. Für Größen im Bereich weniger Nanometer ist Mie-Streuung zur Vermessung der Teilchengröße nicht geeignet. 4.3.2 Weitere direkte Verfahren Als weitere direkte Verfahren zur Vermessung von Teilchen kommen Massenspektrometrie, laserindzuierte Elektronenablösung und Teilchenverdampfung in Frage. Massenspektrometrie ist dabei auf etwa 1000–2000 Atommassen begrenzt, was einem Teilchendurchmesser von unter 1 nm entspricht. Bei der laserinduzierten Elektronenablösung werden Laserpulse mit typischen Energien von einigen 10 mJ in das Plasmavolumen geschossen und die transiente, lokale Erhöhung der Elektronendichte gemessen [SSKdH96]. Da die Menge der von den Teilchen abgelösten Elektronen von vielen unbekannten Parametern, u.a. der Teilchendichte abhängt, kann man mit dieser Methode die Teilchengröße nicht bestimmen. Ähnliches 4.4 In-situ Charakterisierung mit indirekten Methoden 33 gilt für die laserinduzierte Verdampfung von Teilchen [BB94]. Bei dieser Methode werden mittels energiereicher ns-Laserpulse im UV-Bereich Teilchen verdampft. Die dabei auftretende Bremsstrahlung im UV- und sichtbaren Bereich wird mit einem Spektrometer mit ns-Zeitauflösung erfasst und über das Spektrum integriert. Das Signal-Rausch-Verhältnis dieser Methode ist für kleine Teilchen deutlich größer als bei der Rayleigh-Streumethode. Auch hier sind jedoch Teilchendichte und Teilchengröße inherent verknüpft. Außerdem ist ein hoher experimenteller Aufwand nötig. Noch kaum erforscht ist die Möglichkeit, mit Terahertz-Spektroskopie Rückschlüsse auf die Teilchengröße zu ziehen. Es besteht die Möglichkeit, dass dielektrische Nanoteilchen Eigenmoden im Terahertz-Frequenzbereich aufweisen. Die Diagnostik dieser Moden mittels Terahartz-Spektroskopie wird gegenwärtig erfoscht [ESS+ 06]. 4.4 In-situ Charakterisierung mit indirekten Methoden Für direkte Verfahren zur in-situ Bestimmung von Teilchengrößen ist der Größenbereich unterhalb eines Teilchenradius von 25 nm damit nicht zugänglich. Die einzige Alternative ist es, indirekte Methoden zu verwenden, um auf die Teilchengröße rückschließen zu können. Indirekte Verfahren zur Teilchencharakterisierung beruhen auf der Wechselwirkung der Teilchen mit dem Plasma. Die Plasmaparameter können empfindlich auf die Anwesenheit von Teilchen reagieren, da die Ladungsbilanz des Plasmas erheblich beeinflusst wird. Insbesondere können sich Instabilitäten ausbilden, die man mit einfachen Mitteln beobachten kann. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, wie durch die in Kapitel 3.3 beschriebene Plasmainstabilität Nanoteilchen im Plasma in-situ vermessen werden können. Anschließend werden alternative Methoden erläutert, die in der Literatur vorgeschlagen wurden. 4.4.1 Teilchenvermessung mittels der Void-Instabilität Führt man das in Kapitel 2.2 beschriebene Experiment für verschiedene Injektionszeiten von Acetylen ∆tC2 H2 durch, stellt man fest, dass die Periodendauer der Plasmaoszillationen und damit die Umlaufzeit des rotierenden Voids (vgl. Kapitel 6) in etwa linear mit ∆tC2 H2 skaliert. Für eine genauere Analyse werden die Teilchen durch Abschalten des Plasmas am Ende des jeweiligen Versuchs auf Siliziumplättchen gesammelt. Die Proben werden anschließend aus dem Reaktor geschleust und der ex-situ Analyse mittels Rasterelektronenmikroskopie zugeführt (vgl. Kapitel 4.2). Die Ergebnisse sind in Abbildung 4.1 und Tabelle 4.1 zusammengestellt. Man erkennt, dass der mittlere Teilchendurchmesser mit steigender Injektionszeit zunimmt, während die Dichte der Teilchen auf den Proben sinkt. Größe und Oszillations∆tCCP (s) periode (ms) 2 42 2 36 4 62 8 80 101 16 32 124 mittlerer Teilchendurchmesser (nm) 17.4 20.6 23.2 28.1 35.6 44.2 Tabelle 4.1: Gemessene Oszillationsperioden und mittlere Teilchendurchmesser bei einer Variation der Dauer der kapazitiven Phase bzw. der Injektionsdauer von C2 H2 ∆tCCP = ∆tC2 H2 . 34 Kapitel 4 Charakterisierung der Teilchen (a) 200 nm (b) 200 nm (c) 200 nm 〈d〉 = 23 nm N = 95 µm-2 ∆ tCCP = 4 s 〈d〉 = 28 nm N = 58 µm-2 ∆ tCCP = 8 s 〈d〉 = 44 nm N = 11 µm-2 ∆ tCCP = 32 s Bild 4.1: SEM-Aufnahmen der auf Silizium-Proben gesammelten Teilchen bei einer Variation der Dauer der kapazitiven Phase bzw. der Injektionsdauer von C2 H2 ∆tCCP = ∆tC2 H2 . 4.4 In-situ Charakterisierung mit indirekten Methoden 35 mittlerer Teilchendurchmesser / nm 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 0 20 40 60 80 100 120 140 Periodendauer / ms Bild 4.2: Graphische Darstellung der Korrelation zwischen der mittleren Teilchengröße und der Periodendauer der Plasmaoszillationen. Die Fehlerbalken geben die Schwankung der Periodendauer bzw. die Standardabweichung der gemessenen Größenverteilung an. Wie durch die durchgezogene Linie veranschaulicht, wird der Zusammenhang in guter Näherung durch eine lineare Verknüpfung wiedergegeben. Dichte der Teilchen skalieren dabei wie in Kapitel 2.4 beschrieben mit den für Aggleromationsprozesse typischen Potenzen der Zeit (vgl. Abbildung 2.9). Die Korrelation der Umlaufzeit des Voids mit der Teilchengröße ist in Abbildung 4.2 dargestellt. Man erkennt, dass die Umlaufzeit eine Funktion der Teilchengröße ist. Im Rahmen der in Abbildung 4.2 dargestellten Messfehler lässt sich die Abhängigkeit der Umlaufzeit von der Teilchengröße durch eine lineare Verknüpfung darstellen. Die Ursache für diesen Zusammenhang konnte dabei im zeitlichen Rahmen dieser Arbeit nicht endgültig geklärt werden: In Kapitel 6 wird anhand experimenteller Daten der physikalische Mechanismus, der zu den Oszillationen führt, aufgeklärt. Dabei wird man feststellen, dass eine quantitative Modellierung der Phänomene mit dem gegenwärtig verfügbaren Wissen über Plasmamodellierung extrem aufwändig ist. Ein einfaches analytisches Modell zur Beschreibung der Zusammenhänge konnte nicht gefunden werden. Dennoch kann man die skizzierte Korrelation zwischen Umlaufzeit und Teilchengröße ausnutzen, um die Teilchengröße in einem Prozess zur Nanoteilchenerzeugung zu kontrollieren: Die Teilchengröße ergibt sich aus dem Wachstumsprozess während der kapazitiven Phase des Experiments (vgl. Kapitel 2). Durch externe Parameter, wie z.B. die Injektionsdauer des Acetylen oder der Umschaltzeitpunkt in den induktiven Modus, dann der Wachtumsprozess justiert werden, so dass Nanoteilchen der gewünschten Größe entstehen. Die Plasmaoszillationen im induktiven Modus können dann dazu verwendet werden, um die Teilchengröße zu messen. Dazu muss einmal eine Kalibrierkurve mittels ex-situ Vermessung der Teilchen erzeugt werden. Danach kann die Diagnose der Teilchengröße in-situ erfolgen und der Herstellungsprozess kann ohne weitere ex-situ Kalibrierungen optimiert werden. Anschließend kann die Korrelation routinemäßig verwendet werden, um die Größe der Nanoteilchen, die aus dem Herstellungsprozess hervorgehen, zu kontrollieren und die Parameter des Prozesses ggf. nachzuregeln. 36 4.4.2 Kapitel 4 Charakterisierung der Teilchen Messungen der Plasmaimpedanz Eine alternative Methode ist die Bestimmung der Teilchengröße durch die direkte oder indirekte zeitaufgelöste Messung der Plasmaimpedanz. Dabei wird eine Strom-Spannungssonde zwischen dem Anpassnetzwerk und der getriebenen Elektrode eingebracht und das Fourierspektrum der gemessenen Spannung bzw. des gemessenen Stroms analysiert [SHW04]. In acetylenhaltigen Plasmen beobachtet man beim Einsetzen der Agglomeration einen Sprung in der Plasmaresistivität, gefolgt von einer Relaxation mit einer Zeitdauer im Bereich mehrerer Sekunden. Für eine Diagnostik der heranwachsenden Teilchen genügt es, die Signaländerungen einer einzelnen Harmonischen der gemessenen Spannung zu verfolgen. In der Literatur findet man derartige Messungen an kohlenwasserstoffhaltigen Plasmen [SHW04] und silanhaltigen Plasmen [BGH+ 01]. Das größte Problem dieser Diagnostik ist die starke Abhängigkeit der Plasmaimpedanz von externen Parametern. Abgesehen von den internen Plasmaparametern hat z.B. der Zustand der Kammerwände einen entscheidenden Einfluss. Eine Kalibrierung dieses Verfahren ist daher nur schwer durchzuführen. 4.4.3 Weitere Plasmainstabilitäten In Kapitel 3.3 wurde dikutiert, dass in elektronegativen Entladungen Anlagerungsinstabilitäten auftreten können, bei denen eine Modulation der Plasmaparameter im Frequenzenbereich einiger kHz statt findet. Tatsächlich ist in Silanhaltigen Plasmen eine solche Instabilität gefunden worden, die eben genau dann einsetzt, wenn die kritische Protopartikeldichte für Agglomeration erreicht wird [CJR+ 06, CMPB06]. Die Modulation der Plasmaparameter wurde dabei mittels einer Strom-Spannungssonde erfasst, die zwischen dem Anpassnetzwerk und der getriebenen Elektrode eingebracht wird. Die Instabilität endet zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Agglomeration. Die Teilchen haben dann einen mittleren Radius von etwa 6 nm [CMPB06]. Zusammen mit der zeitlichen Entwicklung der Frequenz der Instabilität kann man mit dieser Methode im Prinzip die Agglomeration direkt bei der gewünschten Teilchengröße durch Abschalten der Entladung unterbrechen. Der für eine solche Messung zugängliche Größenbereich von 2 bis 6 nm Teilchenradius ist für viele Anwendungen interessant. Das größte Problem dieser Methode ist die starke Abhängigkeit der Frequenz der Instabilität von externen Parametern, wie z.B. der Prekursorgasdichte. Daher ist unklar, wie häufig das Verfahren mit aufwändigen ex-situ Messungen rekalibriert werden muss. Zu prüfen ist ferner, ob sich das Verfahren auf andere Materialsysteme übertragen lässt. Zuletzt soll ein exotisches Verfahren zur Bestimmung der Teilchengröße Erwähnung finden, das von Korshagen vorgeschlagen wurde [Kort97]. Kortshagen stellt fest, dass die Dispersionsbeziehung der Staub-Akustischen Plasma-Welle von der Teilchenmasse abhängt. Regt man eine solche Welle mit einer intrusiven Methode an, müsste ein Empfänger, der die Welle in einigen Millimeter Entfernung vom Sender aufnimmt, eine Phasendifferenz messen, die eine eineindeutige Abhängigkeit vom Teilchradius aufweist. Der Größenbereich, der für diese Methode zugänglich ist, ist durch die Dämpfung der Welle begrenzt, die mit dem Teilchenradius zunimmt. Experimentell konnte diese Überlegung bisher nicht bestätigt werden. 5. Plasmadiagnostik 5.1 Langmuir-Sondenmessungen Mit einer Langumuir-Sondenmessung kann die EEDF direkt gemessen werden. Dazu wird eine elektrisch leitende Sonde in das Plasma eingebracht, mit einer Spannung beaufschlagt und der Strom, der gegenüber der Systemmasse fließt, gemessen. Messungen bei verschiedenen Spannungen werden zu einer Strom-Spannungs-Charakteristik, der sog. Kennlinie zusammengesetzt. Der Sondenstrom Ip , der bei Sondenspannung gegenüber dem Plasma Up über die Sonde zur Systemmasse fließt, lässt sich bei gegebenen Plasmaparametern im Fall stoßfreier Randschichten und unter Vernachlässigung von Sekundärelektronenemission mit Hilfe der OML Theorie beschreiben (vgl. Kapitel 3.1.1). In dieser Arbeit wird mit einer Sonde in zylindrischer Geometrie gearbeitet. Wie im Anschluss erläutert wird, führt das OML-Modell in diesem Fall auf die Druyvestein-Beziehung, eine analytische Formel, die die zweite Ableitung des Elektronenstroms auf die Sonde explizit mit der EEDF des umgebenden Plasmas verknüpft. Aus den Momenten der EEDF kann man u.a. die Elektronendichte und die mittlere Elektronenenergie am Ort der Messung bestimmen. In der Praxis sind die gemessenen Kennlinien mit Rauschen behaftet und die berechneten Parameter sind als Schätzwerte für die tatsächlichen Plasmaparameter aufzufassen. Insbesondere wird die zweite Ableitung des Elektronenstroms nicht explizit gemessen, sondern muss aus der verrauschten Kennlinie geschätzt werden. Eine weit verbreitete Methode hierfür ist eine lineare Filterung der Kennlinie und anschließendes zweimaliges numerisches Differenzieren. Die meisten Filter arbeiten dabei mit fester Bandbreite. Dies wird der Dynamik der Kennlinie nicht gerecht und kann zu erheblichen systematischen Fehlern führen [Gä06]. Darüber hinaus bieten die in der Literatur beschriebenen Filterverfahren keine statistische Behandlung der ausgewerteten Größen. Im Rahmen der Arbeiten von Gaelger [Gä06], Wenig [Weni06], und der vorliegenden Arbeit wurde ein Verfahren entwickelt, das ein adaptives Filter auf die Auswertung der gemessenen Sondenkennlinien anwendet und Schätzwerte für die statistischen Fehler der Ergebnisse angibt. Dieses Verfahren wird im Folgenden vorgestellt. 5.1.1 Statistisches Modell der Messung Statistisch gesehen besteht das Filterproblem darin, aus einer endlichen Anzahl mit Rauschen behafteter Datenpunkten einen Schätzer für die den Daten zugrundeliegende, wahre Funktion zu finden. Als Funktion wird in diesem Zusammenhang der unverrauschte Strom auf die Sonde in Abhängigkeit des Sondenpotentials gegenüber Systemmasse angesehen. Da aus dem Sondenstrom bzw. seiner zweiten Ableitung später die nicht parametrisierte EEDF berechnet werden soll, wird für diese Funktion kein parametrisches Modell vorgegeben. Mathematisch gesehen entspricht die Filterung daher einer sogenannten nichtparametrischen Regression. Für die Messdaten wird das folgende statistische Modell formuliert: Ii (Ui ) = m (Ui ) + M essf ehler, 37 (5.1) 38 Kapitel 5 Plasmadiagnostik wobei die Ii den Messwerte zu den Sondenpotentialen gegenüber Systemmasse Ui entsprechen und die Funktion m (u) das Sondenpotential auf den unverrauschten Sondenstrom abbildet. Man beachte, dass das im physikalischen Modell das Sondenpotential Up gegenüber dem Plasmapotential Upl gewählt wird, während bei der Messung das Sondenpotential U dem Aufbau der Messapperatur entsprechend stets auf die Systemmasse bezogen ist. Für den Messfehler wird angenommen, dass er aus einem zeitkontinuierlichen, unkorreliertem stochastischen Prozess entsteht. Zusammen mit der impliziten Annahme, dass sich Messfehler mit dem wahren Funktionswert zum Gesamtsignal addiert, wird ein solcher Prozess in der Signalverarbeitung als additives, weißes Rauschen bezeichnet. In der Praxis setzt sich der Messfehler aus vielen verschiedenen Rauschprozessen zusammen. Diese Prozesse können teilweise korreliert sein, also von der Historie der Messung abhängen. Dies im Nachfolgenden vernachlässigt. Statistisch gesehen, entsprechen die Messdaten (Ui , Ii ) der Stichprobe einer zweidimensionalen, unabhängigen Zufallsgröße (U, I). Die wahre Funktion m (u) bzw. der unverrauschte Sondenstrom entspricht dem bedingten Erwartungswert von I bei gegebenem Sondenpotential U = u, m (u) = E [I|U = u] , (5.2) mit der bedingten Varianz σ 2 (u) = Var [I|U = u] . (5.3) Die Varianz ist ein Maß für das Rauschen bzw. die Messfehler. Diese ist nicht bekannt, sondern muss aus den Daten geschätzt werden. In der Regel ist die Varianz von der abhängig vom eingestellten Sondenpotential, da es Rauschprozesse gibt, deren Standardabweichung z.B. linear mit dem Messwert skaliert. Man spricht dann von einem heteroskedastischen Modell. Um die Ableitung des Filters einfach zu halten, wird im Folgenden aber von gleichförmigen Rauschen ausgegangen, dessen Varianz vom Sondenpotential unabhängig ist, also σ 2 (u) = σ 2 . Dies entspricht dem sog. homoskedastischen Fall. Die Schätzer der Funktion m (u) und ihrer Ableitungen m(ν) (u) werden im Folgenden mit m̂ (u) und m̂(ν) (u) bezeichnet. Die Wahl der Filtermethode hängt von den Anforderungen ab, die sich aus der Form des Signals, den Rauschprozessen und den zu bestimmenden Daten ergeben. Bevor auf die Filterung eingegangen wird, wird im folgenden ein physikalisches Modell für den Sondenstrom m (u) entwickelt und die Zusammenhänge mit den zu bestimmenden Plasmaparametern erläutert. 5.1.2 Phyikalisches Modell des Sondenstroms In Niederdruckplasmen lassen sich die Plasmateilchenströme auf eine Langmuirsonde in guter Näherung aus der OML-Theorie ableiten, die auch für die Berechnung der Ströme auf ein Staubteilchen angewandt wird (vgl. Kapitel 3.1.1). In Zylindergeometrie trifft man zusätzlich die Annhame, dass die Länge der Sonde Lp sehr viel größer als ihr Radius Rp ist. Die Geschwindigkeit eines Ladungsträgers an der Schichtkante wird dann in zylindrische Koordinaten vs,r , vs,t und vs,z zerlegt. Für Ladungsträger, die die Sonde erreichen gelten dann die Einschränkungen (3.2) und (3.3). Für den Teilchenstrom einer Ladungsträgersorte k mit der Ladung qk und der Masse mk auf die Sonde unterscheidet man entsprechend Gleichung (3.2) zwischen einem anziehenden bzw. abstoßenden Sondenpotential und spricht entsprechend von Anlaufstrom bzw. Sättungsstrom. Integration einer homogenen Geschwindigkeitsverteilung fv ,k über den Geschwindigkeitsraum und die Oberfläche der Schichtkante ergibt: Z∞ vs,t,max Z Z∞ Ip,k = −qk As vs,r =vs,r,min vs,t =−vs,t,max vs,z =−∞ vs,r fv ,k (vs,r ,vs,t ,vs,z ) dvs,z dvs,t dvs,r (5.4) 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 39 wobei As = 2πrs Lp die Mantelfläche eines Kreiszylinders mit dem Radius der Randschicht rs ist. Für den Fall einer isotropen Geschwindigkeitsverteilung und einer dicken Randschicht (rs Rp ) lässt sich der Ausdruck wie folgt auf einfache Integrale reduzieren: R∞ 2qk Up 2 −qk Ap πv v − mk fv,k dv, −qk Up ≤ 0 v=vs,r,min Ip,k = R∞ 2 q 2qk Up 2qk Up −q A − 2v + v − arcsin r v2q U fv,k dv, −qk Up > 0, mk vmk k p v=0 v2 − k p mk (5.5) wobei Ap = 2πRp Lp die Mantelfläche der Zylindersonde ist. Für den Fall einer MaxwellBoltzmann-Verteilung gilt: q −qk Ap nk kB Tk exp −qk Up , −qk Up ≤ 0 q 2πmk qkB Tk q Ip,k = . −qk Up −qk Up −qk Up −qk Ap nk kB Tk √2 + exp erfc , −q U > 0, k p 2πmk kB Tk kB Tk kB Tk π (5.6) Gleichung (5.5) kann genutzt werden, um die sogenannte Druyvesteyn-Beziehung zur Bestimmung der Energieverteilungsfunktion (EDF) abzuleiten [Druy30]: √ 8mk E d2 Ip,k fk (E) = , E ≥ 0. (5.7) Ap e3 dUp2 U =E/q p k Die Ladungsträgerdichte und die mittlere Energie ergeben sich aus den Momenten der EDF: Z∞ µl = E l fk (E) dE (5.8) 0 n k = µ0 µ1 hEk i = . µ0 (5.9) (5.10) Einsetzen der Druyvesteyn-Beziehung und Bezug des Potentials auf Systemmasse ergibt: ZUpl l+1/2 (Upl − U ) φl (Upl ) = √ µl = e dU (5.11) p =U −Upl ±∞ l d2 Ip,k dUp2 U −8mk qk φl (Upl ) , Ap e2 (5.12) wobei das Plus-Zeichen in der unteren Integrationsgrenze für positive und das Minus-Zeichen für negative Ladungsträger einzusetzen ist. 5.1.3 Ionenstromkorrektur In der Regel genügen die Ladungsträger im Plasma keiner Maxwell-Boltzmann-Verteilung. Daher kann man kein allgemeingültiges parametrisches Modell für die gesamte Sondenkennlinie aufstellen. Nach dem nichtparametrischen Modell (5.5) hingegen überlagern sich Ströme beliebiger Form zum gesamten Sondenstrom. Entsprechend kann man die Stromanteile der verschiedenen Spezies zunächst nicht voneinander trennen. Auf Grund des Masseunterschieds von Elektronen und Ionen ist aber bei gleichen Ladungsträgerdichten der Elektronenstrom auf die Sonde wesentlich größer, als der Ionenstrom. Über einen großen Bereich 40 Kapitel 5 Plasmadiagnostik der Sondenkennlinie entspricht der Elektronenstrom also in guter Näherung dem gesamten Sondenstrom. Diese Näherung wird um so schlechter, je stärker die Sonde gegenüber dem Plasma negativ vorgespannt ist, da der Elektronenstrom dann exponentiell abnimmt. In ausreichendem Abstand vom Plasmapotential wird der Sondenstrom in guter Näherung allein von Ionen getragen. Dieser Bereich der Sondenkennlinie heißt Ionensättigungsstrombereich. In der Praxis nutzt man die Daten in diesem Bereich für eine sogenannte Ionenstromkorrektur: Man geht von einer einfachen, parametrischen Näherungsformel für den Ionenstrom aus, schätzt die Parameter anhand der Daten im Ionensättigungsstrombereich, zieht das Ergebnis für den gesamten Spannungsbereich von den Messdaten ab und erhält zur weiteren Bearbeitung den Elektronenstrom. Der systematische Fehler wird dann von der Qualität des Modells für den Ionenstrom bestimmt. Es zeigt sich, dass Gleichung (5.6) eine schlechte Näherung des Ionenstroms darstellt. Dies liegt daran, dass man für die Beschreibung des Ionenstroms auf die Sonde auch in Niederdruckplasmen Stöße mit Neutralteilchen in der Randschicht um die Sonde nicht vernachlässigen kann. Weitere Gründe sind z.B. die Anisotropie der Ionengeschwindigkeitsverteilung durch die Beschleunigung in der Vorschicht auf die Bohmgeschwindigkeit. Daher existiert keine allgemeingültige Parametrisierung des Ionenstroms. Um den Preis, dass der Bezug zu physikalischen Größen teilweise verloren geht, hat sich die Beschreibung des Ionenstroms mittels einer allgemeinen Potenzfunktion durchgesetzt. In dieser Arbeit wurde dazu folgende Darstellung gewählt: ( exp (b0 ) (−Up )b1 , Up < 0 (5.13) Ii (Up ) = 0, Up ≥ 0, wobei b0 und b1 freie Parameter sind, die aus dem Ionensättigungsstrombereich mit der Methode kleinste Quadrate aus den ersten nion Datenpunkten geschätzt werden: nion X Ii − exp (b0 ) (− (Ui − Upl ))b1 → min!, (5.14) i=1 Die Werte Ui sind die vom Messsystem vorgegebenen Spannungswerte, die wie oben erläutert auf Systemmasse bezogen sind. Zur Auswertung von (5.14) benötigt man das Plasmapotential. Dieses ist zunächst nicht bekannt und muss aus den Daten geschätzt werden. Die Bestimmung des Schätzers erfolgt durch die nichtparametrische Regression und wird in Kapitel 5.1.4 erläutert. Bei (5.14) handelt es sich um ein nichtlineares kleinste Quadrate Problem. Die Lösung lässt sich nicht analytisch darstellen und wird daher numerisch mittels des Gauß-NewtonVerfahrens durchgeführt. Für die Implementierung ist es hilfreich, (5.14) in Matrix-VektorNotation darzustellen: |I ion − η (b)|2 → min!, (5.15) mit dem Vektor der Strommesswerte I ion = (I1 , . . . , Ini )T , dem Koeffizientenvektor b = (b0 , b1 )T und dem Vektor der Stromwerte nach Gleichung (5.13) η (b) = (Ii (U1 − Upl ) , . . . , Ii (Uni − Upl Ausgehend von Startwerten b0 konstruiert das Gauß-Newton-Verfahren nun aus dem linearisierten kleinste Quadrate Problem eine Folge von Koeffizienten bi , die für gut gewählte Startwerte gegen die Lösung b̂ des nichtlinearen Problems konvergiert: |I ion − η (bi ) − V (bi ) δ i |2 → min!, (5.16) wobei V (bi ) = (∂/∂b) η (bi ) die Jakobi-Matrix von η (b) und δ i = bi+1 − bi der zu bestimmende Korrekturterm für den Koeffizientenvektor ist. Die Lösung des linearen kleinste Quadrate Problems (5.16) lautet: −1 T δi = V TV V I ion . (5.17) 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 41 In der Implementierung wird die QR-Zerlegung der Jakobi-Matrix V = QR bestimmt. Q ist eine orthogonale Matrix, R ist eine obere Dreiecksmatrix und damit die Lösung des linearisierten kleinste Quadrate Problems. Zur Bestimmung der Startwerte b0 wird das kleinste Quadrate Problem für die logarithmierten Stromwerte aufgestellt: |ln (−I ion ) − ln (−η (a0 ))|2 → min!. (5.18) Die logarithmierten Stromwerte sind lineare Funktionen der Sondenspannung, d.h. die JakobiMatrix ist unabhängig von den Koeffizienten b0 und die Lösung des Problems ist durch eine einfache QR-Zerlegung gegeben. Man beachte, dass die Koeffizienten b0 nicht als Schätzwerte für das Ionenstrommodell verwendet werden können, da durch die Logarithmierung der Fehlerterm des statistischen Modells falsch behandelt wird. D.h. die Lösung, die die Fehlerquadrate des logarithmierten Problems minimiert, entspricht nicht dem MaximumLikelihood Schätzer b̂ des ursprünglichen, nichtlinearen Problems. Die Werte b0 liegen aber in aller Regel genügend Nahe an b̂, so dass das Gauß-Newton-Verfahren konvergiert. Für die statistische Auswertung benötigt man das Verteilungsergebnis der Schätzer b̂. Da b̂ iterativ bestimmt wird, gibt es keine analytischen Ausdrücke für Erwarungswert und Standardabweichung. Man kann aber zeigen, dass die Schätzer b̂ asymptotisch erwartungstreu und normalverteilt sind. Je größer die Anzahl an Datenpunkten nion , desto näher kommt die tatsächliche Verteilung der Schätzer dem asymptotischen Ergebnis. Für die VarianzKovarianz-Matrix der asymptotischen Verteilung gilt in guter Näherung: h i −1 Var b̂ = σ 2 V T V (5.19) und für eine beliebige Funktion der Schätzer g(b̂): i ∂g(b̂) Var g(b̂) = σ 2 ∂ b̂ h !T V TV −1 ∂g(b̂) ∂ b̂ . (5.20) Die Varianz der Messfehler σ 2 ist in der Praxis nicht bekannt und muss aus den Daten geschätzt werden. Der Algorithmus zur Varianzschätzung verwendet Ergebnisse der nichtparametrischen Regression und wird daher in Kapitel 5.1.5 vorgestellt. Für die Herleitung von Gleichungen (5.19) und (5.20) wird die lineare Näherung des Modells η (b) in der Umgebung der Schätzer b̂ verwendet. η (b) kann man geometrisch als Hyperebene auffassen. Die lineare Näherung ist umso besser, je kleiner die Krümmung dieser Ebene im Punkt b̂ ist. Diese Krümmung kann man mit der Parametrisierung des Problems beeinflussen. Aus dieser Tatsache ist die exponentielle Darstellung des Vorfaktors exp (b0 ) motiviert, die zur kleinstmöglichen Krümmung der Hyperebene bzgl. des Parameters b0 führt. Der Schätzer für den Ionenstrom kann nun vom gesamten Sondenstrom abgezogen werden, um den reinen (verrauschten) Elektronenstrom zu erhalten. Bei dieser Vorgehensweise addieren sich allerdings die Messfehler und die Fehler des Ionenstromschätzers. Dies führt zu dem Problem, dass die Fehler der einzelnen Messpunkte dann nicht mehr stochastisch unabhängig sind, was eine nichtparametrische Regression des Elektronenstroms erheblich erschwert. Ähnliche Probleme entstehen, wenn man eine nichtparametrische Regression des gesamten Sondenstroms durchführt und die Schätzer des Ionenstrom bzw. seine Ableitungen von den Schätzern des Gesamtstroms bzw. dessen Ableitungen abzieht. Während man dann für die EEDF an jeder Auswertestelle die Standardabweichungen der Schätzer addieren kann, muss man zur Bestimmung der Fehler für die Schätzer der Momente die Varianz-Kovarianzmatrix der gesamten zweiten Ableitung berechnen. Eine einfachere Lösung ist die Bestimmung der 42 Kapitel 5 Plasmadiagnostik Momente aus der zweiten Ableitung des gesamten Sondenstroms bei anschließender Subtraktion der Momente der zweiten Ableitung des Ionenstroms. Letztere kann man mittels Gleichung (5.13) analytisch bestimmen: ZUpl ∆φ̂l (Upl ) = − b̂1 b̂1 − 1 exp b̂0 (Upl − U )b1 −2+l+1/2 dU −∞ b̂1 = (5.21) b̂1 − 1 exp b̂0 h b̂1 − 1 + l + 1/2 (Upl − U )b1 −1+l+1/2 iUpl −∞ , b1 + 1/2 6= l − 1. Die Varianz kann man schließlich mit Gleichung (5.20) berechnen. Leider ist der Ausdruck (5.21) für b̂1 −1+l+1/2 ≤ 0 nicht bestimmt. Insbesondere lässt sich für den Fall der stoßfreien Randschicht (b = 0,5) und maxwell-boltzmannverteilter Ionen die Ionenstromkorrektur des nullten Moments ∆φ̂0 nicht berechnen. Das Problem rührt von der Nichtdifferenzierbarkeit von Gleichung (5.13) bei U = Upl her. Die Knickstelle der Gleichung ist allerdings unphysikalisch. Der tatsächliche Ionenstrom ist in jedem Fall beliebig oft stetig-differenzierbar. In der Umgebung des Plasmapotentials ist das Modell also eine schlechte Näherung des Ionenstroms. Eine einfache Lösung besteht darin, bei der Ionenstromkorrektur die Integration nicht bis zum Plasmapotential durchzuführen. Die optimale“ Integrationsgrenze, die zu ei” nem minimalen systematischen Fehler führt, ist nicht bekannt. Für die Implementierung in dieser Arbeit wird daher willkürlich der Wert 0,9 · Upl gewählt. 5.1.4 Nichtparametrische Regression mittels lokaler Polynome Zur Auswertung von Gleichung (5.7) benötigt man nun die zweite Ableitung des Sondenstroms. Zusätzlich muss das Plasmapotential bekannt sein. Für die Angabe der Standardabweichungen der Schätzer benötigt man schließlich noch einen Schätzer für die Varianz der Messfehler. Im Folgenden wird ein lineares Filterverfahren vorgestellt, das auf einem endlichen Definitionsbereich die Bestimmung von Schätzern für eine beliebige Funktion zusammen mit ihren Ableitungen unter Angabe des statistischen Fehlers ermöglicht, wobei die Eigenschaften des Filters lokal und adaptiv angepasst werden. Hierbei handelt es sich um das Verfahren der lokalen Polynome. Zur Bestimmung eines lokalen Polynoms passt man mit der kleinsten Quadrate Methode in der Umgebung einer Auswertestelle u0 ein Polynom m̂u0 (u) vom Grad p an die Daten an. Die Koeffizienten âν dieses Polynoms sind Schätzer für die Koeffizienten der Taylor-Entwicklung der Funktion um die Auswertestelle, mu0 (u) = m (u0 ) + m(1) (u − u0 ) + . . . + m(p) (u − u0 )p p! m (u) ≈ mu0 (u) (5.22) (5.23) Die Anpassung lässt sich wie folgt darstellen: n X 2 Kh (Ui − u0 ) [Ii − a0 − a1 (Ui − u0 ) − . . . − ap (Ui − u0 )p ] → min!. (5.24) i=1 Dabei ist Kh (u) eine Gewichtsfunktion, die die quadrierten Residuen in der Umgebung der Auswertestelle stärker gewichtet als solche, die von der Auswertestelle weit entfernt liegen. Kh (u) wird auch als Kernfunktion oder Kern bezeichnet. Der Index h bezeichnet die Bandbreite des Kerns, mit der sich Kh (u) auf einen normierten Kern zurückführen lässt: Kh (u) = h−1 K (u/h) . (5.25) 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 43 Die Schätzer für den Funktionswert und seine Ableitungen an der Auswertestelle u0 ergeben sich aus der Lösung des kleineste Quadrate Problems wie folgt: m̂(ν) (u0 ) = ν!âν . (5.26) Das Verfahren der lokalen Polynome konstruiert nun kontinuierliche oder diskrete Schätzer für die den Messdaten zugrunde liegende wahre Funktion und ihre Ableitungen aus den Koeffizienten der lokalen Polynome an allen Auswertestelle auf dem Definitionsbereich der Funktion. Man kann zeigen, dass die Form des normierten Kerns auf die Qualität der Schätzer eine untergeordnete Rolle hat [Load99]. In dieser Arbeit wird durchgehend der sogenannte trikubische Kern benutzt: ( 3 70 1 − |u|3 , |u| ≤ 1 81 K (u) = (5.27) 0, |u| > 1. Die Wahl der Bandbreite ist dagegen entscheidend für das Ergebnis, da sie die Breite des Bereichs vorgibt, aus dem Daten für die Anpassung eines lokalen Polynoms verwerdet werden. Die Bandbreite kann mit Hilfe eines entsprechenden Algorithmus adaptiv und lokal an die Dynamik der Daten angepasst werden. In dieser Arbeit wird die lokale Bandbreite anhand das sogenannte CP-Kriterium bestimmt (vgl. Kapitel 5.1.6). Das Verfahren des lokalen Polynome gehört zu der großen Klasse der linearen Filterverfahren. Zur Bestimmung der Varianz der Schätzer benötigt man eine Darstellung in Matrix-VektorNotation. Mit der Matrix der Kerngewichte, W = diag [Kh (Ui − u0 )] , (5.28) dem Vektor der Strommesswerte I = (I1 , . . . , In )T , dem Vektor der Polynomkoeffizienten a = (a0 , . . . , ap )T und der sogenannten Designmatrix 1 (U1 − u0 ) . . . (U1 − u0 )p .. .. (5.29) X = ... . . p 1 (Un − u0 ) . . . (Un − u0 ) nimmt das gewichtete kleinste Quadrate Problem folgende Form an: 2 1/2 W (I − Xa) → min!. (5.30) Dies Lösung diese Problems ergibt sich zu: â = X T W X −1 X T W I, (5.31) −1 M T b, (5.32) oder äquivalent dazu: â = M T M mit M = W 1/2 X und b = W 1/2 I. In der Implementierung wird die QR-Zerlegung M = QR bestimmt. Die obere Dreiecksmatrix R ist die Lösung des kleinsten Quadrate Problems. Die QR-Zerlegung wird desweiteren dazu verwendet, um die Linearkoeffizienten des Filters und wichtige Größen für die Varianzschätzung und die Auswertung des CP-Kriteriums zu berechnen (vgl. Kapitel 5.1.5 und 5.1.6). Für die Schätzer der Funktion und ihre Ableitungen gilt: m̂(ν) (u0 ) = ν!eν+1 T â. (5.33) 44 Kapitel 5 Plasmadiagnostik −1 T Mit der Definition lν (u0 )T = ν!eν+1 T X T W X X W erhält man die Linearkoeffizienten der Abbildung der Strommesswerte auf die Schätzer: m̂(ν) (u0 ) = lν (u0 )T I. (5.34) Da die Messfehler nach den Voraussetzungen stochastisch unabhängig sind, kann man sofort die Varianz der Schätzers berechnen: Var m̂(ν) (u0 ) = |lν (u0 )|2 σ 2 . (5.35) Die Faktoren |lν (u0 )|2 heißen Varianzreduktionsfaktoren, da sie angeben, in welchem Maß die Varianz der Schätzer im Vergleich zu der Varianz der ungefilterten Messdaten reduziert wird. Fasst man die Schätzer an allen Auswertestellen zu den Vektoren I (ν) und die Vektoren lν für alle Auswertestellen zu den Matrizen Lν zusammen, so erhält man: I (ν) = Lν I. (5.36) Die Matrizen Lν benötigt man für die statistische Auswertung der Plasmaparameter (vgl. Kapitel 5.1.7). Eine wichtige Eigenschaft des Verfahrens der lokalen Polynome liegt in seiner Linearität begründet: Im Fall einer großen Anzahl von Messpunkten n → ∞ und asymptotisch gleichverteilter Dichte der Messpunkte auf der Spannungsachse f (u) → (Un − U1 )−1 verhält sich das Verfahren der lokalen Polynome wie ein Kernglätter, d.h. die Lösung des kleinste Quadrate Problems ist deterministisch und die Linearkoeffizienten lν ergeben sich aus den so∗ genannten äquivalenten Kernen Kν,p . Dabei unterscheidet man zwischen dem Volumenkern und den Randkernen. Der Volumenkern gilt für alle Auswertestellen u0 , für die das Intervall [u0 − h (u0 ) , u0 + h (u0 )] die Ränder des Datenbereichs [U1 , Un ] nicht überdeckt. Für Auswertestellen außerhalb dieses Intervalls hängt der äquivalente Kern von der Auswertestelle ab. Da die äquivalenten Kerne zur Berechnung der Varianzen der Schätzer für das Floatingund das Plasmapotential benötigt werden, wird das Ergebnis hier angegeben: ∗ Kν,p (u) = eν+1 T (S)−1 (1, . . . , up )T K (u) , (5.37) wobei die Einträge sij der Matrix S durch die Momente der ursprünglichen Kernfunktion gegeben sind: cZmax sij = (u − u0 )i+j Kh (u − u0 ) du, (5.38) −cmin mit den auf die lokale Bandbreite normierten Abständen der Auswertestelle zu den Rändern cmin = (u0 − U1 ) /h (u0 ) bzw. cmax = (Un − u0 ) /h (u0 ). Mit Hilfe der äquivalenten Kerne erhält man asymptotische Ergebnisse für die systematische Abweichung und die Varianz des lokalen Polynomsschätzers. Diese lassen sich nicht direkt berechnen, da sie ihrerseits von unbekannten Größen abhängen. Ein wichtiges Ergebnis ist allerdings die Skalierung mit dem Polynomgrad: Man kann zeigen, dass der systematische Fehler beim Übergang von p = 2q auf p = 2q + 1 mit derselben Ordnung von n−1 skaliert, während sich die Ordnung beim Übergang auf p = 2q +2 verschlechtert. Analoges gilt für die asymptotische Varianz beim Übergang von geradem p−ν = 2q auf ungerades p−ν = 2q +1. Für gerades ν, also insbesondere für die Bestimmung der wahren Funktion und ihrer zweiten Ableitung, wird entsprechend ein ungerader Polynomgrad bevorzugt. In dieser Arbeit wird daher der Polynomgrad p = 3 verwendet. 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 5.1.5 45 Varianzschätzung Zur Bestimmung der Varianz der Schätzer für die nichtparametrische Regression gemäß Gleichungen (5.19) und (5.39) und für die Auswertung des Kriteriums zur Wahl der optimalen Bandbreite (vgl. Kapitel 5.1.6) benötigt man die Varianz der Messfehler σ 2 . Diese ist nicht bekannt und muss daher aus den Daten geschätzt werden. Dazu betrachtet man den Erwartungswert der Summe der quadrierten Residuen der lokalen Polynome an den Messpunkten und wendet den Satz von Steiner an: " # 2 h i X h i2 X X E Ii − Iˆi = Var Ii − Iˆi + E m (Ui ) − Iˆi . (5.39) i i i Der zweite Term entspricht der Summe der quadrierten systematischen Abweichungen. Der erste Term lässt sich unter Verwendung der Varianz-Kovarianz-Matrix wie folgt umformen: h i X Var Ii − Iˆi = Spur [Var [(E n − L0 ) I]] i (5.40) h i = Spur (E n − L0 )T (E n − L0 ) Var [I] = σ 2 n − 2Spur [L0 ] + Spur L0 T L0 . Für die Varianzschätzung wählt man nun eine kleine Bandbreite, so dass die systematischen Fehler klein sind und man den zweiten Term in Gleichung (5.39) in guter Näherung vernachlässigen kann. Gleichung (5.39) kann dann nach der Varianzder Daten aufgelöst werden und mit den Definitionen v0 = Spur [L0 ] und v2 = Spur L0 T L0 ergibt sich: (0) 2 E I − Î 2 σ ≈ . (5.41) n − 2v0 + v2 Einen Schätzer für diesen Ausdruck erhält man, indem man den Erwartungswert der Summe der quadrierten Residuen durch den Wert ersetzt, den man bei einer Anwendung des Filters mit kleiner Bandbreite auf die Daten erhält: (0) 2 I − Î σ̂ 2 = . (5.42) n − 2v0 + v2 Analog kann man einen Schätzer für eine lokal variierende Varianz finden. Dazu betrachtet man den Erwartungswert der gewichteten Summe der quadrierten Residuen eines einzelnen lokalen Polynoms m̂u0 (u) an allen Auswertestellen: " # X X X Kh (Ui − u0 ) Var [Ii − m̂u0 (Ui )]+ E [m (Ui ) − m̂u0 (Ui )]2 . E Kh (Ui − u0 ) (Ii − m̂u0 (Ui ))2 = i i i (5.43) Das lokale Polynom ist der Schätzer der Taylorentwicklung um die Auswertestelle u0 gemäß Gleichung (5.22). Der zweite Term in Gleichung (5.43) besteht daher aus der Summe der quadrierten Fehler der Taylor-Entwicklung um die Auswertestelle selbst und der quadrierten systematischen Abweichungen des lokalen Polynoms von der Taylor-Entwicklung. Der erste Term lässt sich durch Einsetzen der Lösung des kleinste Quadrate Problems umformen: h h X −1 T 1/2 ii M W I Kh (Ui − u0 ) Var [Ii − m̂u0 (Ui )] = Spur Var E n − M T M i h i −1 T = σ 2 (u0 ) Spur [W ] − σ 2 (u0 ) Spur M T M M WM X = Kh (Ui − u0 ) σ 2 (u0 ) − Var [m̂u0 (Ui )] . i (5.44) 46 Kapitel 5 Plasmadiagnostik Wählt man nun wieder die Bandbreite klein genug, so dass man den Fehlerterm vernachlässi- i h −1 T T gen kann, und verwendet die Definitionen t0 = Spur [W ] und t2 = Spur M M M WM so ergibt sich für die lokale Varianz: P σ 2 (u0 ) ≈ Kh (Ui − u0 ) E (Ii − m̂u0 (Ui ))2 i , t0 − t2 (5.45) bzw. für ihren Schätzer: P σ̂ 2 (u0 ) = Kh (Ui − u0 ) (Ii − m̂u0 (Ui ))2 i t0 − t2 . (5.46) In dieser Arbeit wird nur der Fall gleichverteilter Messfehler betrachtet und daher der homoskedastische Varianzschätzer gemäß Gleichung (5.42) verwendet. Der heteroskedastische Varianzschätzer wird im folgenden Abschnitt für die adaptive Wahl der Bandbreite benutzt. Die zur Auswertung von Gleichung (5.42) benötigten Größen werden aus der Anapssung der lokalen Polynome an die Sondenkennlinie mit einer konstanten Bandbreite von 1 V berechnet. 5.1.6 Bestimmung des optimalen Bandbreiteprofils Für die eigentliche Filterung arbeitet man mit einer lokalen, problemangepassten Bandbreite. Gesucht ist ein Algorithmus, der Bandbreite die an jeder Auswertestelle die optima” le“ Bandbreite bestimmt. Optimal“ soll in diesem Zusammenhang heißen, dass einerseits ” der systematische Fehler der Schätzer klein ist, andererseits die Varianzreduktionsfaktoren möglichst groß werden. Grundsätzlich wirken diese beiden Kriterien entgegengesetzt: Eine kleine Bandbreite führt zu einem kleinen systematischen Fehler, aber einer großen Varianz der Schätzer und umgekehrt. Ein Verfahren zur Wahl der Bandbreite muss also einen guten Kompromiss zwischen den beiden Kriterien finden. Das Verfahren, dass in dieser Arbeit verwendet wird, ist das lokale Mallows’sche CP-Kriterium. Dieses bewertet die Güte der Anpassung eines lokalen Polynoms anhand der gewichteten Summe der quadratischen Abweichung des Polynoms von den wahren Funktonswerten bezogen auf die Rauschleistung σ2: P Kh (Ui − u0 ) (m̂u0 (Ui ) − m (Ui ))2 P Ru0 (h) = i . (5.47) σ 2 Kh (Ui − u0 ) i Es zeigt sich, dass Ru0 (h) stets ein lokales Minimum bei einer Bandbreite hopt verschieden von Null gefolgt von einem steilen Anstieg besitzt. Diese Bandbreite wird als optimale“ ” Bandbreite am Ort u0 verwendet. Zur Auswertung von Ru0 (h) werden die wahren Funktionswerte m (Ui ) an den Messpunkten benötigt. Diese sind nicht bekannt und hopt lässt sich entsprechend nicht direkt bestimmen. Man betrachtet daher den Erwartungswert von Ru0 (h): P E [Ru0 (h)] = i Kh (Ui − u0 ) E [m̂u0 (Ui ) − m (Ui )]2 + Var [m̂u0 (Ui )] P , σ 2 Kh (Ui − u0 ) (5.48) i Der erste Summand im Zähler lässt sich unter Verwendung der Umformungen (5.43) und 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 47 (5.44) eliminieren: 1 X 2 2 K (U − u ) E [ m̂ (U ) − I ] + 2Var [ m̂ (U )] − σ h i 0 u i i u i 0 0 σ 2 t0 i ! X 1 2 σ −2 Kh (Ui − u0 ) E [m̂u0 (Ui ) − Ii ] + 2t2 − t0 . = t0 i E [Ru0 (h)] = (5.49) Die verallgemeinerte, lokale CP-Kurve ist wie folgt definiert: 1 LCPu0 (h) = t0 ! σ −2 X Kh (Ui − u0 ) (m̂u0 (Ui ) − Ii )2 + αt2 − t0 . (5.50) i Für α = 2 ist LCPu0 (h) ein erwartungstreuer Schätzer der Abweichung des lokalen Polynoms Ru0 . Mit α 6= 2 kann man das Gewicht des Varianzterm, also der Streuung des lokalen Polynoms verändern. Insbesondere führt α > 2 dazu, dass sich das Minimum des CP-Werts zu einer größeren Bandbreite verschiebt und damit stärker geglättet wird. Da der lokale CP-Wert eine Zufallsgröße ist, kann es in der Praxis vorkommen, dass kein lokales Minimum gefunden werden kann. Dieser Fall kann insbesondere dann auftreten, wenn die Streuung der Messwerte gegenüber der homoskedastischen Varianz der Messfehler lokal erhöht ist. Das CP-Kriterium wird robuster, wenn man anstelle des lokalen CP-Werts gemäß Gleichung (5.51) das Maximum von LCPu0 für den homoskedastischen Varianzschätzer und für den heteroskedastischen Varianzschätzer verwendet. Dann erhält man das von Loader implementierte und auch in dieser Arbeit verwendete Ergebnis: ! ! X 1 2 −2 LCPu0 (h) = max σ̂ Kh (Ui − u0 ) (m̂u0 (Ui ) − Ii ) , t0 − t2 + αt2 − t0 . t0 i (5.51) Zur Bestimmung der optimalen Bandbreite hopt muss man nun das lokale Minimum der CP-Kurve vor dem steilen Anstieg finden. Dazu wird der folgende heuristische Algorithmus verwendet: Ausgehend von Null wird die Bandbreite in Schritten von 0,4 V erhöht. Wird ein lokales Minimum gefunden, wird mit den nächsten Schritten, die mittlere Steigung des CP-Werts bestimmt. Werden weitere lokale Minima gefunden, werden die zuvor detektierten Werte überschrieben. Die Schleife endet, wenn der lokale CP-Wert den Wert 5,0 oder das zehnfache des gemerkten lokalen Minimums überschreitet. Durch die zweite Abbruchbedingung wird vemieden, dass lokale Minima, die innerhalb des steilen Anstiegs der CP-Kurve auftreten, berücksichtigt werden. Wird kein Minimum gefunden, schlägt der Algorithmus fehl. Ansonsten wird nun ausgehend von der Bandbreite mit dem doppelten CP-Wert des Minimums (oder dem ersten Wert größer 5,0) die Bandbreite in Schritten von 0,1 V verringert, bis die Steigung kleiner als ein zehntel der gemerkten mittleren Steigung ist. Dann wird die Bandbreite in Schritten von 0,05 V vergrößert oder verkleinert, bis man das lokale Minimum hopt überschreitet. Für die Auswertung der Sondenkennlinien wird mit diesem Verfahren zunächst die optimale Bandbreite bei einer vorgegebene Anzahl von Auswertestellen bestimmt. Schlägt der Algortihmus an einer Auswertestelle fehl, wird das Verfahren statt dessen an einer benachbarten Auswertestelle angewandt. Zusätzlich werden Auswertestellen in unmittelbarer Umgebung eines ersten Schätzers für das Plasmapotential bearbeitet, um diesen Bereich möglichst gut zu charakterisieren. Der komplette Bandbreiteverlauf hopt (u) nach dem CP-Kriterium wird durch Interpolation der optimalen Bandbreiten konstruiert. Für die Interpolation werden wiederum lokale Polynome verwendet, wobei für die hierfür verwendete Bandbreite der mittlere Abstand der ausgewählten Auswertestellen verwendet wird. Es zeigt sich, dass das so konstruierte Bandbreiteprofil in der Regel am Plasmapotential ein Minimum aufweist und 48 Kapitel 5 Plasmadiagnostik links davon monoton ansteigt. Simulationsstudien zeigen, dass durch das CP-Kriterium in einiger Entfernung vom Plasmapotential die Bandbreite unnötig groß gewählt wird, so dass das Ergebnis zwar sehr rauscharm ist, aber einen nicht vernachlässigbaren systematischen Fehler aufweist. Die Situation lässt sich dadurch verbessern, D E dass man die Bandbreite auf den Wert begrenzt, den man in der Entfernung von 2 Êe /e vom geschätzten PlasmapoD E tential Ûpl findet, wobei Êe ein vorläufiger Schätzer der mittleren Elektronenenergie ist. D E Dazu wird der linke Teil des Bandbreiteprofil bis zu einem Abstand von 2 Êe /3e vom Plasmapotential durch eine glatte Funktion ersetzt: D E D E 2 Êe 2 2 D E m Êe + 1 − , (5.52) hopt 3e 3e 1 + exp −b u − Û + 2 Ê pl 3e e D E D E wobei m die mittlere Steigung von hopt (u) zwischen Ûpl − 2 Êe /e und Ûpl − 2 Êe /3e ist D E und der Parameter b so berechnet wird, dass die Steigung der Funktion bei Ûpl − 2 Êe /3e D E gleich m ist. Die vorläufigen Schätzer für Ûpl und Êe werden im ersten Durchlauf der nichtparametrischen Regression mit konstanter Bandbreite bestimmt. 5.1.7 Bestimmung der Plasmaparameter Aus der rekonstruierten Kennlinie bzw. ihrer zweiten Ableitung werden nun Schätzer für die Plasmaparameter Floatingpotential, Plasmapotential, Elektronendichte und Elektronenenergie bestimmt. Das Floatingpotential liegt per Definition in der Nullstelle der Sondenkennlinie. Am Plasmapotential besitzt das Modells für den Sondenstrom einen Krümmungswechsel und entsprechend wird als Schätzer die Nullstelle der zweiten Ableitung verwendet. Weist die geglättete Kennlinie mehrere Nullstellen auf, so wird diejenige Nullstelle verwendet, die am nächsten am absoluten Maximum der ersten Ableitung liegt. Wird keine Nullstelle gefunden, wird das absolute Maximum der ersten Ableitung verwendet. Gesucht sind nun die statistischen Eigenschaften dieser Schätzer. Nutzt man aus, dass sich das Verfahren der lokalen Polynome für eine große Anzahl an Messpunkten wie ein Kernglätter verhält, kann man das asymptotische Ergebnis für eine Nullstelle des Schätzers der ν-ten Ableitung ζ̂ν von Müller verwenden [Mü85]. Müller zeigt, dass eine solche Nullstelle asymptotisch normalverteilt sind, mit der systematischen Abweichung bzw. der Varianz h i E m̂(ν) (ζν ) E ζ̂ν − ζν = − (ν+1) , (5.53) m (ζν ) ∗ h i σ 2 (ν!)2 νν,p,0 Var ζ̂ν = (5.54) 2. nh2ν+1 f (ζν ) (m(ν+1) (ζν )) Dabei ist f (ζν ) die Dichte der Messpunkte auf der Spannungsachse am Ort der Nullstelle ∗ und νν,p,0 das Nullte Moment des quadrierten äquivalenten Kerns gemäß ∗ νν,p,j Z∞ = uj (K ∗ ν (u))2 du. (5.55) −∞ Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Formeln ist eine ausreichend große Dichte von Auswertestellen, so dass die Schätzer durch die äquivalente Kerne in guter Näherung beschrieben werden. In der Praxis werden typischerweise etwa 1000 Messpunkte in einem 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 49 Spannungsintervall von bis zu 50 V verwendet. Simulationen zeigen, dass in diesem Fall mit den äquivalenten Kernen gearbeitet werden kann. Die systematische Abweichung kann in der Praxis allerdings nicht bestimmt werden, da Gleichung (5.53) nur unbekannte Größen enthält. Für die Varianzen von Floating- bzw. Plasmapotential erhält man hingegen folgende Schätzer: σ̂U2 fl ∗ σ̂ 2 ν0,p,0 = 2 , nhfˆ Uˆfl m̂(1) Uˆfl σ̂U2 pl = ∗ 4σ̂ 2 ν2,p,0 2 , 5 (3) ˆ ˆ nh f Upl m̂ Uˆpl (5.56) (5.57) wobei die Dichte der Messpunkte in guter Näherung durch den Parzen-Rosenblatt-Schätzer bestimmt ist: X Kh (Ui − u0 ) (5.58) fˆu0 = n−1 i Ein diskreter Schätzer für die EEDF wird durch die Druyvesteyn-Beziehung berechnet, wobei zu beachten ist, dass die zweite Ableitung des gesamten Sondenstroms eingesetzt und der Beitrag des Ionenstroms zur zweiten Ableitung des Sondenstroms nachträglich abgezogen wird: √ 8me Ei (2) ˆ ˆ m̂ U − E /e − . . . . (5.59) fe (Ei ) = pl i Ap e3 Die Auswertestellen Ei werden so gewählt werden, dass die Uˆpl − Ei /e mit den Auswertestellen von m̂(ν) zusammenfallen. Für alle Auswertestellen, für die Uˆpl − Ei /e nicht im Bereich des Ionensättigungsstroms liegt, sind die Schätzer der zweiten Ableitungen von Sondenstrom bzw. Ionenstrom stochastisch unabhängig und die Varianz des Schätzers der EEDF ergibt sich aus Gleichungen (5.39) und (5.20): 2 8me Ei ˆ 2 2 σfˆe (Ei ) = σ (5.60) lν Upl − Ei /e + . . . . A2p e6 In der Praxis ist der Schätzer der zweiten Ableitung im Bereich des Ionensättigungsstroms schlecht bestimmt, da die zweite Ableitung mit zunehmender Entfernung vom Plasmapotential exponentiell abfällt. Der Schätzer der EEDF wird daher nur außerhalb dieses Bereichs bestimmt und für größere Energien auf Null gesetzt. Für die Schätzer der Elektronendichte und der mittleren Elektronenenergie benötigt man die Momente der EEDF. Diese erhält man durch numerische Integration des diskreten Schätzer der EEDF. In dieser Arbeit wird dazu die Trapezregel benutzt. Verallgemeinert auf ein beliebiges lineares Integrationsverfahren kann man die numerische Berechnung der Hilfsgrößen φl gemäß Gleichung (5.11) in Matrix-Vektor-Notation darstellen und zusammen mit der Ionenstromkorrektur gemäß Gleichung (5.21) gilt für die Schätzer der Momente der EEDF: (2) φ̂l (Upl ) = wl (Upl )T Î = λl (Upl )T I, √ el 8me e µ̂l (Upl ) = φ̂l (Upl ) − ∆φ̂l , Ap e2 (5.61) (5.62) wobei wl (Upl ) der Vektor der Integrationsgewichte ist und λl (Upl )T = L2 T wl (Upl ) der Vektor der Linearkoeffizienten zur Berechnung der Momente aus den Strommesswerten Ii . Da die Messfehler nach Voraussetzung stochastisch unabhängig sein sollen, berechnen sich ˆ l zu: die Varianzen der Schätzer phi h i Var φ̂l |Upl = |λl (Upl )|2 σ 2 . (5.63) 50 Kapitel 5 Plasmadiagnostik Zu beachten ist, dass es sich um bedingte Varianzen handelt, da die obere Grenze der Integration gemäß (5.11) der Schätzer des Plasmapotentials ist und auch die Matrix vom Plasmapotential abhängt und mithin eine Zufallsgröße ist. Zur Berechnung der totalen Vaˆ l bzw. µ̂l benutzt man daher das Gesetz der totalen Varianz: rianzen von phi h i h h ii h h ii Var φ̂l = E Var φ̂l |Upl + Var E φ̂l |Upl (5.64) h i i h 8me e2l ˆ l , (5.65) Var [µ̂l ] = 2 3 Var φ̂l + Var ∆phi Ap e h h i i ˆ l |Upl = phi ˆ l (Upl ) ist und die Berechnung der des Erwartungswerts von Var phi ˆ l |Upl wobei E phi ˆ l (Upl ) durch die Faltung mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung des bzw. der Varianz von phi oben definierten Schätzers des Plasmapotentials erfolgt: h h E Var φ̂l |Upl ii Z∞ i Var φ̂l |Upl fÛpl (Upl ) dUpl = h h ii Var E φ̂l |Upl = h −∞ Z∞ (5.66) 2 φ̂l (Upl ) − φ̂l Ûpl fÛpl (Upl ) dUpl (5.67) −∞ fÛpl (Upl ) = √ 1 Upl − Ûpl exp − 2σÛ2 2πσÛpl pl 2 . (5.68) Zu beachten ist, dass die Ergebnisse nur dann exakt gelten, wenn der Schätzer der Plasmapotentials keinen systematischen Fehler aufweist. Dies ist allenfalls näherungsweise erfüllt. Simulationsstudien zeigen aber, dass die Varianzen der Schätzer mu ˆ l durch Gleichungen (5.63–5.68) gut wiedergegeben werden. Der Schätzer der Elektronendichte ist nun durch das nullte Moment der EEDF gegeben: n̂e = µ̂0 , σn̂2 e = Var [µ̂l ] . (5.69) (5.70) Die mittlere Elektronenenergie berechnet sich mittles Division des zweiten und des nullten Moments. Die Varianz des zugehörigen Schätzers kann nur über Umwege bestimmt werden: Nach dem Gesetz der großen Zahlen wird die Verteilung der Momente in guter Näherung durch eine Gauß-Verteilung beschrieben. Die allgemeine Verteilung des Verhältnisses zweier gaußverteilter Zufallsgrößen hat eine komplizierte Struktur [HAG75]. Man kann aber mit der Geary-Hinkley-Transformation eine neue Zufallsgröße konstruieren: E [µ̂0 |Upl ] (µ2 /µ0 ) − E [µ̂2 |Upl ] χ= q , (5.71) 2 Var [µ̂0 |Upl ] (µ2 /µ0 ) − 2Cov [µ̂2 , µ̂0 |Upl ] (µ2 /µ0 ) + Var [µ̂2 |Upl ] wobei für die bedingte Kovarianz gilt: h i T 8me e2l T Cov [µ̂2 , µ̂0 |Upl ] = 2 3 Cov λ2 I, λ0 I|Upl + Cov ∆φ̂2 , ∆φ̂0 Ap e (5.72) h i 8me e2l T 2 = 2 3 λ2 (Upl ) λ0 (Upl ) σ + Cov ∆φ̂2 , ∆φ̂0 , Ap e h i und die Kovarianz der Ionenstromkorrekturterme Cov ∆φ̂2 , ∆φ̂0 durch Gleichung (5.20) gegeben ist. Für den Fall, dass der Divisor mit großer Wahrscheinlichkeit positiv ist, ist 5.1 Langmuir-Sondenmessungen 51 χ in guter Näherung standard-normalverteilt. In diesem Fall ist der Divisor der Schätzer für die Elektronendichte. Solange die Varianz des nullten Moments keine zu großen Werte annimmt, haben negative Werte für diesen Schätzer eine verschwindende Wahrscheinlichkeit. Erwartungswert und Varianz des Schätzers für die mittlere Elektronenenergie erhält man durch Rücktransformation von χ und Integration über die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Upl nach dem Satz von Bayes. Bei dem Messsystem APS3, das in dieser Arbeit verwendet wird, ist nun noch zu beachten, dass das Sondenpotential gegenüber Systemmasse durch die Reihenschaltung von zwei Spannungsquellen eingestellt wird, und zwar der Rampenspannungsquelle und der Floatingspannungsquelle. Die Spannung der Floatingspannungsquelle weist eine Drift von bis zu 0,1 V s−1 auf und wird daher vor jeder Kennlinienmessung auf den jeweiligen Sollwert eingestellt. Die tatsächliche Spannung wird von einem 12-Bit Analog-Digital-Wandler mit einem Spannungsmessbereich von etwa 0 V bis 350 V gemessen. In der Praxis muss inbesondere bei getriggerten Messungen darauf geachtet werden, dass die Drift der Floatingspannungsquelle während der Messung vernachlässigbar klein bleibt. Für die Auswertung der Kennlinien ergeben sich die Spannungswerte Ui aus der Summe der eingestellten Rampenspannung und des gemessenen Werts der Floatingspannungsquelle. Der Messwert der Floatingspannungsquelle weist nun ein Rauschen σUflq auf, das die Varianz der Floating- bzw. Plasmapotentialschätzer um ein Vielfaches übersteigen kann. Bei der Bestimmung der Momente der EEDF stellt dies kein Problem dar: Es gehen nur Spannungsdifferenzen Ui − Upl in die Auswertung ein und diese sind unabhängig vom Rauschen der Floatingspannungsquelle. Die Varianzen der geschätzten Werte für Floating- und Plasmapotential gegenüber Systemmasse ergeben sich jedoch aus den Summen der Varianzen der Schätzer und der Varianz des Messwerts der Floatingspannungsquelle: 2 2 σ̂U∗ fl = σ̂Ufl + σ̂U2 flq , ∗2 2 σ̂Upl = σ̂Upl + σ̂U2 flq . 5.1.8 (5.73) (5.74) Ablauf der Auswertung der Sondenkennlinien Die nichtparametrische Regression nach dem Verfahren der lokalen Polynome läuft nun in mehreren Schritten ab. Zunächst wird eine vorläufige Anpassung an die Sondenkennlinie bei Verwendung einer konstanten Bandbreite von 1 V durchgeführt. Die dadurch bestimmten Lν -Matrizen werden verwendet, um die Größen v0 und v2 für den homoskedastischen Varianzschätzschätzer zu berechnen. Danach wird mit dem in Kapitel 5.1.6 erläuterten Verfahren das optimale Bandbreiteprofil hopt (u) bestimmt. Anschließend wird die Glättung der Sondenkennlinie mit diesem Bandbreiteprofil wiederholt. Aus dem Ergebnis werden wie nachfolgend beschrieben vorläufige Schätzer der Plasmaparameter bestimmt. Das Bandbreiteprofil, das sich wie in Kapitel 5.1.6 beschrieben durch Interpolation an wenigen Stützstellen ergibt, wird in der Umgebung des geschätzten Plasmapotentials verfeinert und im Bereich links vom Plasmapotential wie zuvor beschrieben nach oben beschränkt. Die vorläufigen Schätzer für das Plasmapotential und die mittlere Elektronenenergie werden verwendet, um den Bereich des Ionensättigungsstroms zu erraten. Eine erneute Glättung mit dem so erhalteten Bandbreiteprofil wird verwendet, um die endgültigen Schätzer für den Sondenstrom und seine Ableitungen sowie Floating- und Plasmapotential inklusive der Varianzen zu berechnen. Mit den Daten im Ionensättigungsstrombereich wird das parametrische Modell für den Ionenstrom angepasst und die zweite Ableitung sowie die Korrekturterme für die Momente der EEDF zusammen mit den Varianzen ermittelt. Zuletzt werden aus der zweiten Ableitung des Sondenstroms unter Berücksichtigung der Ionenstromkorrektur die Schätzer für die EEDF sowie die Plasmaparameter Elektronendichte und mittlere Elektronentemperatur zusammen mit den Varianzen berechnet. 52 5.2 Kapitel 5 Plasmadiagnostik Optische Emissionsspektroskopie Mittels optischer Emissionsspektroskopie (OES) lassen sich Rückschlüsse auf viele wichtige Plasmaparameter ziehen. Mit Hilfe von Modellen für die Intensitäten und die Formen von Spektrallinien kann man u.a. Elektronentemperaturen, Elektronendichten, Dichten angeregter atomarer Niveaus und Neutralgastemperaturen berechnen. Obwohl es sich bei der OES um eine weit verbreitete Diagnostik der Plasmaphysik handelt, gibt es keine standardisierten Verfahren zur Interpretation der Daten. Dies liegt daran, dass es sich um eine indirekte Methode handelt und sowohl beim Aufbau der Messapperatur als auch bei der Wahl der Modelle zur Analyse der Daten große Freiheitsgrade bestehen. Die Modelle enthalten zumeist starke Vereinfachungen, die auf die jeweilige Situation mehr oder weniger gut anwendbar sind. Dementsprechend muss eine quantitative Auswertung von Daten, die mit OES gewonnen werden, sehr sorgfältig durchgeführt werden. Die folgenden Abschnitte stellen die Verfahren zur Messung von Neutralgastemperaturen und Elektronenenergieverteilungsfunktionen (EEDF) vor, die in dieser Arbeit angewandt werden. Als Spektrometer werden ein Ocean Optics OceanHR2000 bzw. ein OpticsUSB2000 verwendet. Ersteres besitzt ein Gitter der Strichdichte 2400 mm−1 , wodurch eine spektrale Auflösung von 0,05 nm volle Halbwertsbreite im spektralen Bereich 600–656 nm erreicht wird. Das USB2000 ist mit einem Gitter der Strichdichte 600 mm−1 ausgestattet und hat eine spektrale Auflösung von etwa 1,5 nm volle Halbwertsbreite bei 700 nm. Die Lichteinkopplung erfolgt jeweils über eine Glasfaser mit 0,5 mm2 Durchmesser, die im Abstand von 32,4 cm vor dem Frontfenster der Reaktorkammer angebracht ist. Eine Blende beschränkt den Sichtbereich der Glasfaser auf einen Kegel. Für die quantative Analyse von Daten, die mittels OES gewonnen werden, wird zu jedem Punkt im Plasmavolumen der Teil des Raumwinkels benötigt, aus dem bei dieser Anordnung Licht in die Glasfaser eingekoppelt. Das Ergebnis einer entsprechenden Berechnung aus geomtrischen Überlegungen ist in Abbildung 5.1 dargestellt. 5.2.1 Bestimmung von Neutralgastemperaturen r / mm Durch die Beimischung eines Molekülgases zu Niederdruckentladungen entsteht die Möglichkeit, mittels OES die Neutralgastemperatur zu bestimmen. Insbesondere findet man in Spektren von molekularem Wasserstoff sogenannte Rotationsbanden, die durch StrahlungsRelaxation von elektronisch und vibratorisch bzw. rotatorisch angeregten Molekülen entstehen. Wenn die Lebensdauer des elektronisch angeregten Zustands deutlich kleiner ist als die Relaxationszeit der rotatorischen Niveaus und die Bevölkerungsrate des angeregten Zustands durch Kaskadenprozesse vernachlässigbar klein ist, sind die Verhältnisse der Zustandsdichten der rotatorischen Niveaus im elektronisch angeregten Zustand identisch zu denen im Grundzustand (n = 0). Die Verhältnisse der Linienintensitäten im Spektrum der Entladung sind dann ein Maß für die Verhältnisse der Zustandsdichten der rotatorisch angeregten Niveaus 20 4 · 10−7 10 3 · 10−7 0 2 · 10−7 −10 1 · 10−7 −20 0 · 10−7 −100 −50 0 50 100 z / mm Bild 5.1: Ortsaufgelöste Einkoppeleffizient in die Glasfaser. 5.2 Optische Emissionsspektroskopie 53 [GvdGD01]. In [ARGvdGD05] wird gezeigt, dass in induktiv gekoppelten Niederdruckplasmen diese Voraussetzungen auf den sogenannten Q-Zweig der diagonalen Fulcher-α Banden im zweiten vibratorisch angeregten Niveau (ν = 2) des Wasserstoffmoleküls zutreffen. Dieser enthält die Linien, bei denen sich der rotatorische und der vibratorische Energiezustand beim elektronischen Übergang nicht ändern (∆N = ∆ν = 0). Wenn sich die rotatorisch angeregten Niveaus für ν = 2 und n = 0 im thermischen Gleichgewicht befinden, kann man mittels eines Boltzmannplots der Zustandsdichten die Temperatur der Wasserstoffmoleküle im Grundzustand bestimmen. Bei Neutralgasdrücken von einigen Pascal ist dies in guter Näherung gegeben und die Stoßfrequenzen der Neutralgasteilchen sind so, groß dass die verschiedenen Spezies im Grundzustand die gleichen Temperatur besitzen. Abdel-Rahman zeigt durch den Vergleich RF-phasenaufgelöst gemessener Temperaturen mit Simulationen, dass der gemessene Mittelwert von der tatsächlichen Neutralgastemperatur um weniger als 20 K nach oben abweicht [ARGvdGD05]. Die Neutralgastemperatur in diesem Experiment kann damit durch die OES bei Zugabe einer geringen Menge an Wasserstoff zur Gasmischung gemessen werden. Die Messungen erfolgen mittels des HR2000 Spektrometers, welches eine genügend große spektrale Auflösung besitzt, um die Rotationsbanden des Wasserstoffs zu zu unterscheiden. Bei einer Beimischung von φH2 = 2 sccm Wasserstoff kann man nur die drei intensivsten Linien der Fulcher-α-Banden mit ∆N = ∆ν = 0 von der Hintergrundstrahlung unterscheiden (622,48 nm, 623,03 nm und 623,84 nm). Die Genauigkeit der Messung reicht jedoch aus, um die Gastemperatur auf etwa ±20 K genau zu bestimmen. Die Berechnung der Temperatur aus den Messwerten erfolgt dabei durch die Anpassung einer Exponentialfunktion an die Messwerte nach dem in Kapitel 5.1.3 vorgestellten Methode der nichtlinearen kleinsten Quadrate. Im Gegensatz zur Langmuirsondenmessung stehen in diesem Fall nur wenige Messpunkte zur Verfügung. Eine konsistente statistische Behandlung des Problem wird entsprechend dadurch verhindert, dass das asymptotische Verteilungsergebnis für die zu schätzenden Parameter nicht gilt. Die asymptotischen Standardabweichungen der Schätzer werden dennoch als Maß für den statistischen Fehler der Auswertung verwendet. 5.2.2 Bestimmung parametrisierter Elektronenenergieverteilungsfunktionen Vereinfachtes Stoß-Strahlungsmodell Das Verfahren zur Bestimmung von parametrisierten EEDFs basiert auf einem vereinfachten, stationären Stoß-Strahlungsmodell von Boffard [BLD04]. Das Modell geht von einem Gleichgewicht der Elektronenstoßanregung aus dem Grundzustand und aus den metastabil und resonant angeregten Niveaus mit spontaner Emission aus (in der Literatur als Koronamodell bezeichnet): X dni (r) =0= nk (r) dt k Z∞ r σki (E) fe (r,E) 0 X 2E dE − Ail ni (r) . me l<i (5.75) Dabei sind ni (r) die Besetzungsdichte des atomaren Zustands i, nk (r) die Besetzungsdichten des Grundzustands bzw. der metastabil und resonant angeregten Niveaus, σki die Wirkungsquerschnitte für Elektronenstoßanregung des Zustands i aus den Zuständen k und Ail die Einsteinkoeffizienten für die strahlenden Übergänge aus dem Zustand k in die Zustände l. Gegenüber einem vollständigen, stationären Stoß-Strahlungsmodell sind im Koronamodell die Anregung der atomaren Niveaus durch Strahlungsübergänge aus höheren Niveaus (im Folgenden als Stoßkaskaden bezeichnet) und durch Photonenanregung aus tiefer liegenden Niveaus sowie Stoßabregung vernachlässigt. Dadurch enthält dieses Modell nur lokale Größen 54 Kapitel 5 Plasmadiagnostik und die Anzahl der Variablen und Eingabeparameter ist begrenzt. Andererseits haben Stoßkaskaden und Photonreabsorption in Niederdruckplasmen einen nennenswerten Anteil an der Population der strahlenden Niveaus. Um diese Prozesse zu erfassen, wird das Koronamodell daher wie folgt erweitert: Anstelle der Wirkungsquerschnitte für die direkte Elektronenstoßanregung werden druckabhängige, optisch gemesse Wirkungsquerschnitte verwendet, die die Beiträge der Anregung durch Stoßkaskaden berücksichtigen. Für die Beschreibung der spontanen Emission werden effektive Einsteinkoeffizienten verwendet, wodurch die Reabsorption von Strahlung erfasst wird. Das modifizierte Modell lautet damit: 0= X k Z∞ nk (r) App σki (E) fe (r,E) r 0 X 2E dE − γil Ail ni (r) , me l<i (5.76) App wobei σki die optisch gemessenen Wirkungsquerschnitte und γil Ail die effektiven Einsteinkoeffizienten sind. Zur Bestimmung der γil geht man einer homogenen Photonendichte im Plasmavolumen aus. Die γil ergegben sich dann aus den mit ni gewichteten, volumengemittelten Escapewahrscheinlichkeiten θil (r) und werden in der Literatur daher als Escapefaktoren bezeichnet [Hols47, Iron78]: Z −1 Z γij = (5.77) ni (r) ni (r) θij (r) . V V Die Photonenrate φij (r) für einen optisch erlaubten Übergang i → j am Ort r, die auf einen Photonendetektor außerhalb des Plasmas trifft, hängt von der Besetzungsdichte des strahlenden Niveaus ni (r), dem Einsteinkoeffizienten Aij , der Escapewahrscheinlichkeit θij (r) und dem für den Detektor sichtbaren Teil des Raumwinkels c (r) wie folgt ab: φij (r) = c (r) θij (r) Aij ni (r) . (5.78) Der gesamte Photonenfluss ΦObs ij , der auf den Detektor trifft, ergibt sich aus der Integration von Gleichung (5.78) über das für den Detektor sichtbare Plasmavolumen V Obs : Z Obs Φij = c (r) θij (r) Aij ni (r) . (5.79) V Obs Mit einer modfizierten Definition des Escapefaktors, γij = cni −1 cni θij , (5.80) ΦObs = V Obs cni γij Aij , ij (5.81) ergibt sich: R Obs wobei . = 1/V .dV für die Mittelung über das sichtbare Plasmavolumen steht. V Obs Ersetzt man ni (r) mit Hilfe von Gleichung 5. 76 und verwendet man volumengemittelte Größen für die Besetzungsdichten nk und die gewichtete EEDF cfe , so erhält man: ∞ ΦObs ij Z γij Aij X App Obs P =V nk σki (E) cfe (E) l<i γil Ail k r 2E dE. me (5.82) 0 Mit Hilfe von Gleichung (5.82) kann ein implizites Gleichungssystem für die unbekannte EEDF aufgestellt werden. Dazu parametrisiert man die EEDF und betrachtet die Photonenflüsse mehrerer strahlender Übergänge auf ein optisches Spektrometer gemäß Gleichung (5.82). Die Lösung eines solchen Gleichungssystem erfolgt numerisch, z.B. durch ein 5.2 Optische Emissionsspektroskopie 55 Gauß-Newton-Verfahren. Voraussetzung ist die Kenntnis aller Eingabeparameter, also der App Wirkungsquerschnitte (σki ), der Besetzungsdichten des Grundzustands und der resonant und metastabil angeregten Niveaus (nk ), der Einsteinkoeffizienten (Aij ) und der Escapefaktoren (γij ). Die Einsteinkoeffizienten sind bei Edelgasen für die meisten Übergänge im sichtbaren Spektralbereich bekannt (vgl. [NIS06]). Für die Wirkungsquerschnitte gibt es gute Messwerte für die Anregung vieler wichtiger atomarer Niveaus (vgl. [BLD04]). Für die Escapefaktoren gibt es analytische Näherungsformeln, die eine Näherung in ausreichender Genauigkeit liefern, die allerdings wiederum von den Besetzungsdichten der metastabil und resonant angeregten Nivaus abhängen (vgl. [Iron78]). Während man die Dichte des Grundzustands mit der Gasgleichung aus dem eingestellten Druck berechnen kann, sind die Besetzungsdichten der resonant und metastabil angeregten Niveaus nicht bekannt. Prinzipiell können diese Besetzungsdichten selbstkonsistent aus dem mit (5.82) konstruierten Gleichungssystems geschätzt werden. Allerdings erhöht sich dadurch zum einen die Anzahl der Unbekannten, zum anderen zeigt sich, dass die Ergebnisse auf Grund der Ungenauigkeiten der in der Literatur verfügbaren Wirkungsquerschnitte inkonsistent sind. Im Rahmen dieser Arbeit wurde daher ein einfaches Verfahren entwickelt, mit dem eine robuste Schätzung der gesuchten Besetzungsdichten anhang der gemessenen Spektren möglich ist. Dieses wird im folgenden Abschnitt vorgestellt. Bestimmung der Dichten von metastabil und resonant angeregten atomaren Niveaus Ausgangspunkt ist der von einem Detektor erfasste Photonenfluss eines Übergangs gemäß Gleichung (5.81). Setzt man die Photonenflüsse von zwei Übergängen i → j und i → k, die von einem gemeinsamen oberen Niveau i ausgehen, ins Verhältnis, so erhält man formal: Φij γij Aij = . Φik γik Aik (5.83) Auf Gleichung (5.83) gründet sich folgende diagnostische Idee: Betrachtet man nur das strahlende Niveau i und die tieferliegenden atomaren Niveaus, ist die gesamte Strahlungsemission des Plasmas aus dem Niveau i unabhängig von der Photonreabsorption, da sich die Besetzung des Niveaus ni in dem Maße erhöht, in dem sich der Photonenfluss aus dem Plasma verringert. Da sich aber die Escapewahrscheinlichkeiten θij und damit die Escapefaktoren γij für die verschiedenen Strahlungsübergänge je nach Besetzungsdichte der unteren Niveaus unterscheiden, verändern sich die effektiven Verzweigungsverhältnisse für die Strahlung aus dem Niveau i gemäß Gleichung (5.83). Die Abhängigkeit der Verzweigungsverhältnisse von den Besetzungsdichten der unteren Niveaus kann nun dazu ausgenutzt werden, um aus den Verhältnissen gemessener Photonenflüsse auf die Besetzungsdichten zurückzuschließen. Grundsätzlich können die Escapefaktoren exakt berechnet werden. Eine entsprechende Analyse erfordert allerdings die Kenntnis der räumlichen Profile sowohl des strahlenden, als auch der tiefer liegenden Niveaus. Da diese nicht bekannt sind, wird eine globale Näherung verwendet. In der Literatur stehen dazu verschiedene, analytische Ausdrücke zur Verfügung [Iron78]. Konsistente Ergebnisse bei der Analyse der metastabil und resonant angeregten Niveaus wurden mit der Formel von Mewe [Mewe70] erzielt: γij ≈ 2 − exp (−10−3 κij (∆ν = 0) l) , 1 + κij (∆ν = 0) l (5.84) wobei l die Tiefe des sichtbaren Plasmavolumens ist und die sogenannten Absorptionskoeffizienten κij wie folgt definiert sind: κij (∆ν) = λ2ij gi Pij (∆ν) nj Aij , 8π gj (5.85) 56 Kapitel 5 Plasmadiagnostik mit der Wellenlänge des strahlenden Übergangs λij , den statistischen Gewichten des oberen bzw. unteren Niveaus gi und gj , der volumengemittelten Besetzungsdichte des unteren Niveaus nj und der Frequenzverteilungsdichte des Linienprofiles Pij (∆ν). Für die hier betrachtete Situation ist die Dopplerverbreiterung der dominante Mechanismus, der das Linienprofil festlegt, und es gilt [TLJ99]: r m m 2 2 Pij (∆ν) = λij exp −λij ∆ν . (5.86) 2πkB T 2kB T Zur Bestimmung der mittleren Besetzungsdichten nk wird nun mit Hilfe von (5.83) ein implizites Gleichungssystem aufgestellt, das mehrere Linienverhältnisse mit einem jeweils gleichem strahlenden Niveau kombiniert. Mit Hilfe eines Gauß-Newton-Verfahren wird das Gleichungssystems nach den Unbekannten nk gelöst. Man beachte, dass durch die Verwendung von Linienverhältnissen mit jeweils gleichem oberen Nivau das Gleichungssystem nicht von den Besetzungsdichten dieser Niveaus abhängt. Im Gegensatz zu anderen Methoden werden für die Analyse keine Wirkungsquerschnitte benötigt und es werden keine Annahmen bzgl. der EEDF getroffen. Die einzigen atomaren Daten, die in die Analyse eingehen sind die Einsteinkoeffizienten, für die genaue Messwerte existieren [NIS06]. Das Verfahren funktioniert auch dann, wenn die Besetzungsdichten der metastabil und resonant angeregten Niveaus in der selben Größenordnung liegen. Diese Eigenschaft ist insbesondere bei Methoden, die auf dem Vergleich den Linienintensitäten mit schwacher und starker Photonenreabsorption beruhen, nicht gegeben [JT75, GGPS06]. Man beachte, dass in einem Gleichungssystem, das linear von den Verhältnissen der Besetzungsdichten abhängt, nur relative Werte für diese Dichten berechnet werden können. Nur durch die Nichtlinearität von Gleichung (5.84) können mit diesem Verfahren absolute Werte der nk berechnet werden. Im Experiment wird das Verfahren auf das Argon-System angewendet, um die gemittelten Besetungsdichten der beiden metastabilen Niveaus n1s3 und n1s5 sowie der resonanten Niveaus n1s2 und n1s4 zu bestimmen. Das sichtbare Volumen ergibt sich aus der experimentellen Anordnung des Spektrometers. Wie in Kapitel 5.2 erläutert, erfolgt die Einkopplung durch eine Glasfaser, die vor dem Frontfenster des Reaktors angebracht ist, wobei der Einkopplungsbereich durch eine Blende auf einen kegelförmiges Volumen begrenzt ist. Der Kegel durchschneidet die gesamte Plasmaentladung in horizontaler Richtung, so dass für l der Durchmesser des Plasmas verwendet wird. Für den Durchmesser der Plasmaentladung wird l = 25 cm angenommen, was dem Durchmesser der GEC-Zelle entspricht. Man beachte, dass die Ergebnisse für die über die Sichtlinie integrierten Besetzungsdichten nd · l von der Wahl der Länge l unabhängig sind. In Tabelle 5.1 ist eine Auswahl von Argon-Linien im sichtbaren Bereich zusammmen mit den Anregungsenergien und den natürlichen Lebensdauern der oberen Nivaus sowie den Einsteinkoeffizienten für die Übergänge zusammengestellt. Die verschiedenen Übergänge sind in Abbildung 5.2 veranschaulicht. Die oberen Niveaus der line Ar-826 Ar-727 Ar-696 Ar-840 Ar-738 Ar-706 Ar-852 Ar-794 wavelength 826. 45 nm 727. 29 nm 696. 54 nm 840. 82 nm 738. 40 nm 706. 72 nm 852. 14 nm 794. 82 nm transition 2p2 → 1s2 2p2 → 1s4 2p2 → 1s5 2p3 → 1s2 2p3 → 1s4 2p3 → 1s5 2p4 → 1s2 2p4 → 1s3 Eth 13. 33 13. 33 13. 33 13. 30 13. 30 13. 30 13. 28 13. 28 eV eV eV eV eV eV eV eV Aij 1. 53 · 107 s−1 1. 83 · 106 s−1 6. 39 · 106 s−1 2. 23 · 107 s−1 8. 47 · 106 s−1 3. 80 · 106 s−1 1. 39 · 107 s−1 1. 86 · 107 s−1 lifetime 28. 4 ns 28. 4 ns 28. 4 ns 28. 9 ns 28. 9 ns 28. 9 ns 24. 9 ns 24. 9 ns Tabelle 5.1: Atomic data of argon lines used for the calculation of the densities of metastable and resonant levels [NIS06]. 5.2 Optische Emissionsspektroskopie 57 14 Energie / eV 13. 5 2p2 n2p2 2p3 n2p3 2p4 n2p5 13 12. 5 12 1s4 n1s4 1s5 n1s5 11. 5 1s2 n1s2 1s3 n1s3 11 Bild 5.2: Termschema der 3p5 4s und 3p5 4p Zustände von Argon. Die Energieniveaus sind in Paschennotation angegeben. Die Pfeile stellen die optisch erlaubten Übergänge dar, die in Tabelle 5.1 aufgelistet sind. Übergänge liegen im 3p5 4s Orbital, also im zweiten elektronisch angeregten Zustand. Die Spektralabstand zu benachbarten Linien und die Strahlungsintensitäten dieser Linien sind über einen weiten Bereich des Parameterraums von argonhaltigen Entladungen so groß, dass sich die Linienintensitäten problemlos auch mit einem Spektrometer mit schlechter spektraler Auflösung messen lassen. Das Spektrometer muss mindestens relativ kalibriert sein, so dass die Verhältnisse der gemessenen Intensitäten den Verhältnissen der Photonenflüsse entsprechen. Die wurde für das verwendete Ocean OpticsSpektrometer sichergestellt. Aus den Linien von Tabelle 5.1 werden nun fünf unabhängige Verhältnisse mit jeweils gemeinsamen oberen Niveau gebildet, nämlich 2p2 → 1s5 : 2p2 → 1s2 , 2p2 → 1s4 : 2p2 → 1s2 , 2p3 → 1s5 : 2p3 → 1s2 , 2p3 → 1s4 : 2p3 → 1s2 und 2p4 → 1s3 : 2p4 → 1s2 . Durch die Verwendung von mehr Linienverhältnissen als Unbekannte im Gleichungssystem vorhanden sind wird die Robustheit des Schätzers verbessert und der Einfluss des Rauschens der Messwerte auf das Ergebnis verringert. 1017 n · l / m−2 1016 1015 ne nAr1s2 nAr1s3 nAr1s4 nAr1s5 1014 0 1 2 3 4 5 6 7 p / Pa Bild 5.3: Variation der sichtlinienintegrierten Zustandsdichten der Argon-3p5 4s-Niveaus mit dem Entladungsdruck. 58 Kapitel 5 Plasmadiagnostik Zur Verifikation des Verfahrens wird eine Druckvariation in einer Argon-Entladung durchgeführt und die Ergebnisse für die Besetzungsdichten mit Literaturwerten verglichen. Abbildung 5.3 zeigt die über die Sichtlinie integrierten Besetzungsdichten im Druckbereich p = 1 . . . 6 Pa bei einer Generatorleistung Pf = 100 W. Als Referenz ist die von der Langmuirsonde gemessene Elektronendichte eingezeichnet. Man erkennt dass die Dichten der resonanten Niveaus mit dem Druck zunehmen. Dieser Trend lässt sich mit verlängerten effektiven Lebensdauern der resonanten Niveaus auf Grund verstärkter Photonenreabsorption für die strahlenden Übergänge in den Grundzustand bei steigendem Druck erklären [BGV98]. Die Dichten der metastabilen Zustände sind nahezu konstant sind, wobei die Dichte des 1s5 metastabilen Zustands bei einem Druck von p = 1 Pa etwa um den Faktor 6,5 höher als die die Dichte des 1s3 Zustands und dieser Faktor mit steigendem Druck auf etwa 4,7 bei p = 6 Pa abnimmt. Auf Grund des Verhältnisses der statistischen Gewichte der beiden Zustände würde man einen Unterschied um den Faktor 5 erwarten. Die Abweichungen davon kann man etwa wie folgt erklären: Von Untersuchungen anhand detaillierter Stoß-Strahlungsmodelle weiß man, dass die wichtigesten Depopulationsmechanismen der metastabilen Zustände Penning-Ionisation und Elektronenstoßanregung in höhere Zustände sind [BGV98]. Diese Prozesse sind für die beiden metastabilen Zustände verschieden effizient und je nach Elektronendichte verschieben sich die Anteile der einzelnen Prozesse an der Depopuplation. Die Elektronendichte ist wiederum eine druckabhängige Größe (vgl. Abbildung 5.3). Abbildung 5.4 ist eine Reproduktion von Abbildung 16 in einer Publikation von Hebner [HM00] und enthält analog zu Abbildung 5.3 eine Druckvariation der Besetzungsdichten der metastabilen und resonanten Zustände bei einer Argon-Entladung in einer induktiven GEC-Zelle. Es fällt auf, dass die Ergbnisse der beiden Graphiken bis auf die absoluten Zahlen hervorragend übereinstimmen, obwohl die Ergebnisse von Hebner mit einer grundlegend verschiedenen Messmethode gewonnen wurden, nämlich der Laserabsorptionsspektroskopie. Mit dieser Methode erhält man direkt die über das Volumen eines Laserstrahls integrierten Besetzungsdichten, ohne eine Annahme über die räumlichen Profile treffen zu müssen. Die Tatsache, dass die Ergbenisse sehr gut übereinstimmen rechtfertigt im Nachhinein die Näherungen, die durch die Verwendung des globalen Escapefaktors nach Gleichung (5.84) gemacht wurden, insbesondere die Annahme einer homogenen Photonendichte im Plasma. Die Absolutwerte zwischen den beiden Messreihen unterscheiden sich maximal um den Faktor 2, was auf Grund der verschiedenen Messmethoden und der verschiedenen Entladungsgeometrien und Spulengeometrien als gute Übereinstimmung zu werten ist. Ein grundlegender Bild 5.4: Variation der sichtlinienintegrierten Zustandsdichten der Argon-3p5 4s-Niveaus mit dem Entladungsdruck. Die Abbildung ist einer Publikation von Hebner entnommen (vgl. Abbildung 16 in [HM00]). 5.2 Optische Emissionsspektroskopie 59 Unterschied besteht z.B. im Elektrodenabstand, der in diesem Experiment 6 cm beträgt, wohingegen Hebner den im GEC-Design vorgesehenen Abstand von 3,8 cm verwendet. Parametrisierung der EEDF und Auswahl von Spektrallinien für das Stoß-Strahlungsmodell Die Besetzungsdichten der metastabil und resonant angeregten Niveaus und die Escapefaktoren können also mit dem soeben beschriebenen Verfahren berechnet werden. Um das Stoß-Strahlungsmodell gemäß Gleichung (5.82) anwenden zu können, muss noch eine sinnvolle Parametrisierung der EEDF gefunden und Linien indentifiziert werden, für die alle notwendigen Wirkungsquerschnitte mit ausreichender Genauigkeit bekannt sind. Aus Langmuirsondenmessungen, die in Kapitel 6.1 vorgestellt werden, ist bekannt, dass die lokale EEDF einer Zwei-Temperaturverteilung ähnelt. Eine solche Verteilung kann etwa wie folgt dargestellt werden: ne a exp − E E ≤ kB Te,pos kB Te,1 fe = . (5.87) ne ab exp − E E > k T B e,pos kB Te,2 s ! s ! √ √ T π T T π e,pos e,pos e,pos 3/2 3/2 −1 a = (kB Te,1 ) − exp − + (kB Te,2 ) b erf 1 − erf 2 Te,1 Te,1 Te,1 2 (5.88) Te,1 − Te,2 b = exp Te,pos (5.89) Te,1 Te,2 Die Verteilung besitzt vier Parameter, nämlich die beiden Temperaturen Te,1 und Te,2 für den niederenergetischen bzw. den hochenergetischen Abschnitt, eine Schwellenergie kB Te,pos , die die beiden Bereiche voneinander trennt und die Elektronendichte ne . Die über das sichtbare Volumen des Detektors gemittelte EEDF hat eine ähnliche Form, wobei die Knickstelle unschärfer“ ist. Die Parametrisierung erfolgt daher auf gleiche Weise, allerdings wird eine ” Überblendfunktion zwischen den beiden Temperaturen verwendet. Für die Auswahl von Spektrallinien wird die von der Langmuirsonde gemessene, volumengemittelte EEDF in Gleichung (5.82) eingesetzt und die berechneten Linienintensitäten mit der Messung durch das Spektrometer verglichen. Die Messungen werden in einer ArgonNeon-Entladung durchgeführt und die Ne-585 Linie wird zur Analyse hinzugefügt. Im Falle des Neon liegen keine Daten für die metastabil und resonant angeregten Niveaus zu Verfügung. Allerdings sind die Anregungsquerschnitte aus den drei Niveaus, die mit dem oberen Niveau der Ne-585 Linie nicht optisch verbunden sind, niedrig und das einzig relevante 1s2 Niveau, in das die Ne-585 Linie strahlt, hat die niedrigste Besetzungsdichte. Als Wirkungsquerschnitte werden die optisch gemessenen Querschnitte von Lin [CBSL98, Lin04] verwendet. Diese beinhalten einen kompletten Datensatz für die Elektronenstoßanregung der 3p5 4s Niveaus aus dem Grundzustand und aus den metastabil angeregten Niveaus. Für die Anregung aus den resonanten Niveaus stehen keine Wirkungsquerschnitte zur Verfügung. Da das Spektrometer nicht absolut kalibriert ist, werden die Spektren so skaliert, dass der gemessene Photonenfluss der Ne-585 Linie bei 1 Pa mit dem Ergebnis von Gleichung (5.82) übereinstimmt. In Abbildung 5.5 ist das Ergebnis einer Messung bei eine Druckvariation im Bereich p = 1 . . . 6 Pa und einer konstanten Generatorleistung Pf = 100 W zusammen mit den berechneten Photonenflüssen dargestellt. Man erkennt eine gute Übereinstimmung der Werte für die Linien Ne-585 und Ar-750. Dies ist leicht zu verstehen, da die oberen Zustände dieser Nivaus optisch nur mit dem 1s2 Niveau von Neon bzw. Argon verbunden sind, die die niedristen Besetzungsdichten aufweisen. Daher spielt die Photonenreabsorption bei diesen Linien eine untergeordnete Rolle und die Elektronenstoßanregung erfolgt zum überwiegenden Teil aus s Te,pos Te,2 ! 60 Kapitel 5 Plasmadiagnostik amplitude (a. u.) 1011 Ar-750 (theoretical) Ne-585 (theoretical) Ar-696 (theoretical) Are-706 (theoretical) Ar-794 (theoretical) Are-811 (theoretical) 1010 109 108 0 1 2 3 4 5 6 7 p / Pa Bild 5.5: Vergleich von gemessenen und berechneten Intensitäten der Spektrallinien von Argon aus Tabelle 5.1. Die Berechnung erfolgt nach Gleichung 5.82 mit den Besetzungsdichten der metastabilen angeregten Niveaus und der EEDF aus OES- bzw. Langmuirsondenmessungen. dem Grundzustand. Für die Linien Ar-696 und Ar-706 stimmen die berechneten Werte nicht gut mit den gemessenen überein. Die berechneten Intensitäten sind dabei zu niedrig und die Abweichung steigt mit zunehmenden Druck. Dies kann man damit erklären, dass auf Grund der fehlenden Wirkungsquerschnitte die Elektronenstoßanregung aus den resonant angeregten Niveaus, inbesondere dem stark besetzten 1s4 Niveau nicht berücksichtigt werden kann. Die Besetzungsdichte der resonanten Niveaus steigt mit zunehmenden Druck, wie in Abbildung 5.3 zu sehen ist. Die Intensität der Linie Ar-811 wird vom Modell zu hoch geschätzt. Dies könnte z.B. daran liegen, dass der Wirkungsquerschnitt für Elektronenstoßanregung aus dem metastabilen 1s5 Niveau zu hoch ist. Als Spektrallinien für die Auswerung des Stoß-Strahlungsmodells kommen also die Linien Ne-585 und Ar-750 in Frage. Bei vier unbekannten Parametern der parametrisierten EEDF hat man damit mehr Unbekannte als Gleichungen. Die Situation verbessert sich, wenn man den Anregungsquerschnitt für Elektronenstoßanregung des 2p9 Niveaus aus dem metastabilen 1s5 Niveau willkürlich so anpasst, dass das Modell die Messwerte aus Abbildung 5.5 wiedergibt. Um die Unbestimmtheit vollständig aufzuheben, kann man einen Parameter der EEDF vorgeben. Dazu kann man aus Sondenmessungen die Schwellenergie bestimmen, die die beiden Temperaturbereiche der EEDF voneinander trennt. Diese Schwellenergie wird im Wesentlich durch die Anregungsenergien der Gase bestimmt, so dass bei gleichem Gasgemisch keine Änderung der Schwellenergie bei einer Parametervariation zu erwarten ist. Vergleich mit Langmuir-Sondenmessungen Zur Validierung des Verfahrens wird die volumengemittelte EEDF aus Langmuirsondenmessungen mit der wie im vorangegangen Abschnitt beschriebenen Methode bestimmten parametrisierten EEDF verglichen. Die Versuche werden wieder in einem Argon-Neon-Plasma durchgeführt. Abbildung 5.6 zeigt das Ergebnis bei drei verschiedenen Drücken. Man findet eine gute Übereinstimmung der Messergebnisse im dargestellten Druckbereich. Die Messung der EEDF mittels OES kann damit insbesondere dann angewendet werden, wenn sich die Kennlinien der Langmuirsondenmessungen nicht durch die OML-Theorie beschreiben lassen, wie z.B. im teilweise magnetisierten Plasma. 5.2 Optische Emissionsspektroskopie 61 1016 1.0 2.0 4.0 6.0 fe / m−3 eV−3/2 1015 Pa Pa Pa Pa 1014 1013 1012 1011 0 5 10 15 20 25 E / eV Bild 5.6: Vergleich der mit OES und Langmuirsonde gemessenen EEDF bei einer Variation der Entladungsdrucks. 62 Kapitel 5 Plasmadiagnostik 6. Untersuchung der Void-Rotation In Kapitel 4.4.1 wurde die Möglichkeit diskutiert, mit Hilfe der gemessenen Umlaufzeit einer sich selbst einstellenden Void-Rotation auf die Größe der im Plasma gefangenen Nanoteilchen Rückschlüsse zu ziehen. Die Void-Rotation tritt allerding nur auf, wenn ein externes statisches Magnetfeld vorhanden ist. Die physikalischen Ursachen, die zur Entstehung der Void-Rotation führen, sollen nun im Detail untersucht werden. Dazu werden die im vorangegangen Kapitel vorgestellten plasmadiagnostischen Werkzeuge eingesetzt, um die Void-Rotation anhand zeitlich und räumlich aufgelöster Plasmaparameter zu charakterisieren. Abschließend wird ein physikalisches Bild entwickelt, das die Void-Rotation qualitativ schlüssig beschreibt. 6.1 Charakterisierung der stationären Entladung Zunächst wird die stationäre Plasmaentladung untersucht. Abbildung 6.1 zeigt die Abhängigkeit der Plasmaparameter vom statischen externen Magnetfeld für B ≤ 0,9 mT in der Argon-Neon-Entladung. Man erkennt, dass sich auf Grund des Magnetfeldeinflusses das Elektronendichteprofil zusammenzieht: Die Elektronendichte ist bei eingeschaltetem Magnetfeld zwischen den beiden Elektroden höher und außerhalb der Elektroden niedriger als ohne Magnetfeld. Analog dazu erhöht sich die mittlere Elektronenenergie zwischen den beiden Elektroden und verringert sich außerhalb der Elektroden. Diesen Trend findet man bestätigt, wenn man die mit der ICCD-Kamera räumlich aufgelösten Emissionsprofile zweier Linien betrachtet (vgl. Abbildung 6.2): Das Plasma emittiert bei eingeschaltetem Magnetfeld die Ar-696 Linie zwischen den Elektronen stärker und au12 8 0 mT 0,7 mT 10 7 8 5 6 4 3 4 hEe i / eV ne / 1016 m−3 6 2 2 1 0 0 0. 05 0. 1 0. 15 0 0. 2 x/m Bild 6.1: Ortsprofile der Elektronendichte und der mittleren Elektronenenergie entlang der Sichtlinie des Spektrometers mit und ohne externes statisches Magnetfeld. Auf der Abszisse ist der Abstand von der Reaktormitte angetragen. 63 64 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation intensity (normalized to B = 0 mT) Ar-696 Ne-585 0.7 mT 1 0 mT 1.5 mT 0. 1 −120 −80 −40 0 40 80 120 x / mm Bild 6.2: Ortsaufgelöste Emissionsprofile der Linien Ar–696 und Ne–585 bei Variation des statischen Magnetfelds aus Messungen mit der ICCD-Kamera. Die Intensitäten steigen zunächst an und sinken für B > 0,7 mT wieder ab. ßerhalb der Elektroden schwächer als bei ausgeschaltetem Magnetfeld. Diese Modulation ist bei der Ne-585 Linie deutlich stärker ausgeprägt. Da das oberes Niveau der Neon Linie eine höhere Ionisierungsschwelle besitzt, als das der Argon Linie, deckt sich die Beobachtung mit dem von der Langmuirsonde gemessenen Trend der mittleren Elektronenenergie. Das Zusammenziehen des Elektronendichteprofils kann mit einem reduzierten radialen Elektronentransport auf Grund des magnetischen Einschlusses erklärt werden: Die Elektronen mit typischen Energie zwischen 0,1 eV und 10 eV gyrieren mit Radien zwischen 0,75 mm und 75 mm um die magnetischen Feldlinien. Der radiale Transport durch Diffusion nach außen ist dann stark reduziert. Dies betrifft insbesondere Elektronen, die im Bereich der Absorption der Spulenleistung Energie aufnehmen. Dadurch ist die mittlere Elektronenenergie zwischen den Elektronen höher und man kann anhand der ICCD Bilder der Ne-585 Emissionslinie den torusförmigen Bereich hoher induktiver Kopplung klar erkennen. Bei höherem statischen Magnetfeld lassen sich die mit der Sonde gemessenen Kennlinien im Rahmen der hier verwendeten Theorie nicht mehr auswerten. Um das Verhalten des Plasmas charaketerisieren zu können, werden daher Messungen mit optischer Emissionsspektroskopie durchgeführt und die volumengemittelte, parametrisierte EEDF berechnet (vgl. Kapitel 5.2.2). Das Ergebnis ist in Abbildung 6.3 dargestellt, wobei für die magnetischen Flussdichtewerte 0 mT und 0,7 mT als Referenz die volumengemittelte EEDF, die mit der Langmuirsonde gemessen wurde, mit eingezeichnet ist. Man erkennt, dass die volumengemittelte Elektronentemperatur bis zu einer magnetischen Flussdichte von 0,7 mT sinkt, während sie danach wieder zunimmt. Die Elektronendichte verhält sich umgekehrt, was im Sinne einer globalen Leistungsbilanz charakteristisch für eine konstant gehaltene Generatorleistung ist. Die mittlere Elektronenenergie ergibt sich in Niederdruck-Edelgasplasmen grundsätzlich aus dem Gleichgewicht der Wandverluste und der Volumengeneration [LL05]. In diesem Sinne lässt sich das Absinken der Elektronentemperatur mit dem verbesserten radialen Einschluss der Elektronen erklären. Bei höherer magnetischer Flussdichte werden die Verluste durch 6.1 Charakterisierung der stationären Entladung 65 1016 0 mT 0.7 mT 1.5 mT fe / m−3 eV−3/2 1015 1014 0 mT 10 <Ee> = 5.85 eV, ne = 1.81·1016 m-3 13 <Ee> = 5.67 eV, 0.7 mT 16 -3 ne = 2.44·10 m 1012 <Ee> = 6.14 eV, 1.5 mT 16 -3 ne = 1.25·10 m 1011 0 5 10 15 20 25 E / eV Bild 6.3: EEDF bei Variation des statischen Magnetfelds. Die durchgezogenen Linien sind die Ergebnisse von OES-Messungen, die gestrichelten Linien die Ergebnisse von Langmuirsondenmessungen für B ≤ 0,7 mT. Zunächst sinkt die mittlere Elektronenenergie bei steigender Elektronendichte. Für B > 0,7 mT kehrt sich der Trend um. axialen Transport wichtig. Diese werden dadurch verstärkt, dass kinetische Energie, die im magnetisierten Plasma dem Elektronengas zugeführt wird, tendenziell in die Richtung parallel zu den magnetischen Feldlinien, in diesem Experiment also in axiale Richtung umgelenkt wird. Die Wandverluste an den Elektroden und am Deckel bzw. Boden des Reaktors werden daher mit steigender magnetischer Flussdichte verstärkt und die mittlere Elektronenenergie steigt, um die Verluste durch stärkere Ionisation auszugleichen. Wichtig ist, dass die Lokalität der EEDF durch das statische Magnetfeld erhöht wird. Abbildung 6.4 zeigt schließlich den Einfluss von Nanoteilchen auf die Parameter der Plasmaentladung exemplarisch für ein Argon-Helium-Gemisch bei p = 2 Pa und Pf = 130 W. Das Plasma brennt bei diesen Parametern stabil mit einem Void in Reaktormitte. Die Nanoteilchen wurden in einer CCP-Phase bei 45 sccm Acetylenfluss, ∆tC2 H2 = ∆tCCP = 10 s und PCCP = W erzeugt, was gemäß der in Abbildung 4.2 dargestellten Kalibrierkurve einem Teilchendurchmesser von etwa 30 nm entspricht. Die Elektronendichte im Void ist offensichtlich deutlich höher als in der teilchenfreien Entladung, während die Elektronendichte im Bereich des staubigen Plasmas um über eine Größenordnung niederiger ist. Dies entspricht den Beobachtungen in der Literatur [AG03, DOYA06], und erklärt sich durch die Rekombination von Elektronen auf der Oberfläche der Nanoteilchen im Bereich des staubigen Plasmas. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Simulationen in [AG03] wird in diesem Experiment auch eine größere Elektronentemperatur im Void gemessen. Dies erklärt sich dadurch, dass das Plasma auf die stärkeren Elektronenverluste mit einer erhöhten Ionisierung im Void reagiert, wo in diesem Fall die elektromagnetischen Leistung durch induktive Kopplung absorbiert wird. Dieses Verhalten unterscheidet sich von kapazitiven Entladungen, wo der lokale Leistungseintrag in das Elektronengas umgekehrt proportional zur Elektronendichte ist [DOYA06]. 66 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation 25 with dust ne / 1016 m−3 20 15 10 without dust 5 0 0 20 40 60 80 100 120 140 x / mm Bild 6.4: Ortsprofil der Elektronendichte und der mittleren Elektronenenergie entlang der Sichtlinie des Spektrometers mit und ohne Staubteilchen in der Entladung. 6.2 6.2.1 Charakterisierung der Void-Rotation Zeitliches Verhalten und Abhängigkeit vom Magnetfeld Für die nachfolgend beschriebenen Experimente werden die Plasmaparameter so gewählt, dass sich eine Rotation des Voids im staubigen Plasma einstellt. Zunächst wird die zeitliche Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit des Voids bei fest eingestelltem Magnetfeld untersucht. Das Experiment wird wie in Kapitel 2.2 beschrieben mit PCCP = 40 W, ∆tC2 H2 = ∆tCCP = 5 s und pargon : pneon : pacetylen = 1 : 3,2 : 1,6 Pa durchgeführt. Die Plasmaoszillationen setzen bei einer Periodendauer von T = 29 ms ein. Wechselt man dann von einem Argon-Neon-Gasfluss zu einem Argon-Helium-Gasfluss ändert sich die Periodendauer bei sonst gleichen Bedingungen auf T = ms, was nach der in Kapitel 4.4.1 entwickelten Kalibrierkurve einer Nanoteilchengröße von a = 20 nm entspricht. Abbildung 6.5 a zeigt die zeitliche Entwicklung der Periodendauer in Argon-Neon während der ersten 25 Minuten von Phase (iv). Man erkennt, dass die Periodendauer mit der Zeit langsam zunimmt, bis das System nach etwa 6 Minuten eine chaotische Phase durchläuft und anschließend in einen langsameren Modus wechselt. Danach nimmt die Periodendauer weiter zu, bis die Oszillationen schließlich enden und das Plasma stabil brennt. Dieser Trend ist mit der Größe des Voids korreliert, das mit der Zeit langsam wächst. Solange die VoidGröße unterhalb einer kritischen Grenze bleibt, oszilliert die Plasmaemission bei steigender Periodendauer im schnellen Modus. Nach dem Wechsel in den langsamen Modus wächst das Void ebenso wie die Periodendauer der Oszillation weiter an. Abbildung 6.5 b zeigt die Abhängigkeit der Periodendauer von der magnetischen Flussdichte des statischen Magnetfelds im Bereich 0 bis 2 mT. Grundsätzlich ist diese Abhängigkeit nicht zeitlich konstant. Die dargestellte Kurve zeigt die Situation 4 min nach Beginn des Experiments. Man beobachtet Plasmaoszillationen im schnellen Modus für magnetische Flussdichten zwischen 0,3 und 0,9 mT und solche im langsamen Modus zwischen 0,9 und 1,7 mT. Im schnellen Modus variiert die Periodendauer zwischen 39 ms und 43 ms wobei die Kurve das Minimum bei etwa 0,7 mT durchläuft. Im langsamen Modus nimmt die Periodendauer von 134 ms auf 239 ms etwa linear mit der magnetischen Flussdichte zu. Unterhalb von 0,3 mT und oberhalb von 1,7 mT brennt die Entladung stabil. Nimmt man die Abhängigkeit zu 6.2 Charakterisierung der Void-Rotation (a) 67 (b) 160 250 i ii iii iv v 140 200 120 fast mode 80 150 slow mode fast mode τ / ms τ / ms 100 slow mode 100 60 40 50 20 B = 0.4 mT 0 0 5 10 15 20 t = 4 min 0 25 t / min 0 0. 4 0. 8 1. 2 1. 6 2 B / mT Bild 6.5: (a) Zeitliche Entwicklung der Periodendauer der Plasmaoszillationen bei konstanter magnetischer Flussdichte. (b) Magnetfeldabhängigkeit der Periodendauer 4 min nach der Zünden der Entladung. einem späteren Zeitpunkt auf, verschiebt sich die Schwelle, die den schnellen und langsamen Modus voneinander trennt, zu kleineren Flussdichten. Etwa 7 min nach Beginn des Experiments oszilliert das System für alle Flussdichten im Bereich 0,3 bis 1,7 mT im langsamen Modus. Qualitativ ist das Verhalten, das in Abbildungen 6.5 a und b dargestellt ist für alle Hintergrundgase und Nanoteilchengrößen identisch. Bei konstanter magnetischer Flussdichte wächst die Periodendauer im Laufe der Zeit und wechselt zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem schnellen in einen langsamen Modus. Im schnellen Modus gibt es ein lokales Minimum der Oszillationsfrequenz in Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte, im langsamen Modus nimmt die Oszillationsfrequenz mit der magnetischen Flussdichte zu. Die zeitlichen Veränderungen der Vorgänge auf der Zeitskala von Minuten erklären sich durch das Wachstum des Voids. Dieses lässt sich einfach erklären: Im Prinzip sind die Nanoteilchen auf Grund ihrer negativen Ladung im staubigen Plasma, welches das Void umgibt, gefangen. Allerdings können durch die Dynamik des Systems immer einige Teilchen neutral werden, insbesondere in der Nähe der Randschicht, wo die mittlere Ladung der Teilchen am niedrigsten ist [AG01]. Dadurch und durch Stoßübertrag von kinetischer Energie an negativ geladene Teilchen können Teilchen die Potentialbarriere durch die Randschichtspannung überwinden und aus der Entladung entkommen. Das System verliert im Laufe der Zeit also allmählich Nanoteilchen. Da sich die Void-Größe aus der Gesamtanzahl von Nanoteilchen und der Dichte der Nanoteilchen im staubigen Plasma ergibt, wird das Void im Laufe der Zeit größer. 6.2.2 Optische Emissionsspektroskopie Mit Hilfe der ICCD-Kamera kann die Plasmaemission während der Plasmaoszillationen ortsund phasenaufgelöst gemessen werden. Dazu wird der Photenenverstärker der über Kopf installierten Kamera mit Hilfe des Signals der Photodiode und einer Verzögerungsschaltung 68 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation getriggert. Die Belichtungszeit der Kamera wird konstant auf 2 s gesetzt. Je nach Periodendauer wird eine unterschiedliche Anzahl von Triggerpulsen von einem Kamerabild erfasst. Durch die Wahl der Verzögerungszeit wird die Phasenlage der Triggerpulse innerhalb der Oszillationsperiode eingestellt. Die Länge der Triggerpulse ist konstant auf 10 ms eingestellt. Abbildung 6.6 zeigt eine Bildsequenz für die Ne-585 Linie, die im schnellen Modus der Oszillation aufgenommen wurde. Die Bilder stellen einen Auschnitt des Reaktors der Fläche 6 × 6 cm dar, der den größten Teil der Deckelflächen der Quarzzylinder mit Durchmesser 7,2 cm erfasst. Die Bildbereiche in den Ecken der Bilder, die außerhalb der Quarz-Elektroden liegen, sind schwarz eingefärbt, da die Emission in diesen Bildbereichen durch die Kante bzw. die Mantelfäche des oberen Quarzzylinders verzerrt ist. In den Bildern erkennt man den Plasmoiden, der entegegen dem Uhrzeigersinn zwischen den Quarzzylindern rotiert. Nimmt eine entsprechende Bildsequenz auf, während das System im langsamen Modus oszilliert, stellt man fest, dass der Plasmoid bzw. das Void in entgegengesetzter Richtung, also im Uhrzeigersinn rotiert! Das Verhalten kehrt sich um, wenn man den Strom durch die Helmholtzspule und damit die Richtung des statischen Magnetfelds umkehrt. Das Void rotiert dann im Uhrzeigersystem, wenn sich das System im schnellen Modus, und ändert seine Umlaufrichtung im langsamen Modus entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Struktur des Plasmoiden kann man mit Hilfe der Konturlinien beschreiben, die in der Bildsequenz in Abbildung 6.6 eingezeichnet sind. Man erkennt, dass der Plasmoid bzgl. der Gratlinie, die die Flächenschwerpunkte der Konturlinien verbindet, in erster Näherung symmetrisch ist. Während des kompletten Umlaufs ist das Maximum der Plasmaemission im Zentrum der Entladung, unabhängig von der Auslenkung des Voids. Die Auslenkung des Voids erkennt man an der Verzerrung der aufeinanderfolgenden Konturlinien bzw. an der Verschiebung ihres Flächenschwerpunkts gegenüber dem Reaktorzentrum. Auf der der Reaktormitte zugewandten Seite ist der Gradient der Emission deutlich größer, als auf der der Reaktormitte abgewandten Seite. Die Emission im Void ist also nicht rotationssymmetrisch. Dies wird auch anhand der Emissionsprofile entlang der Gratlinie deutlich. Diese Profiτ=0 60 Ne-585 40 y / mm y / mm 30000 20 0 35000 40 40 20 20 0 35000 30000 25000 −40 20000 15000 −60 10000 −60 −40 −20 0 20 40 −20 −20 25000 20000 15000 10000 −40 −60 T=70 ms (fast mode) −60 −40 −20 0 20 40 60 x / mm 60 60 τ=0.15 y / mm 60 60 20 20 0 40000 −20 35000 30000 25000 20000 15000 30000 25000 20000 15000 −40 −60 60 −60 −40 −20 15000 35000 20 40 60 40 60 τ=0.75 20 0 −40 0 35000 30000 25000 20000 15000 10000 −20 30000 25000 20000 −40 10000 −60 20 0 x / mm 40 −20 −60 x / mm 35000 −20 y / mm 40 y / mm y / mm 40 0 0 60 τ=0.60 10000 −60 −40 −20 10000 x / mm τ=0.45 −40 τ=0.30 40 60 −60 −60 −40 −20 0 x / mm 20 40 60 −60 −40 −20 0 20 x / mm Bild 6.6: Von der ICCD-Kamera aufgezeichnete Bildsequenz der Ne–585 Linienemission zu äquidistanten Phasen während der Plasmaoszillationen. Der Plasmoid rotiert im schnellen Modus gegen den Uhrzeiger um das Zentrum der Entladung. 6.2 Charakterisierung der Void-Rotation (a) 69 (b) 1 0. 4 mT 0. 7 mT 1. 1 mT 0. 9 1 0. 4 mT 0. 7 mT 1. 1 mT Ne-585 slow mode 0. 8 Ar-696 0. 8 0. 6 fast mode 0. 5 0. 4 intensity (a. u.) intensity (a. u.) 0. 7 0. 6 0. 4 0. 3 0. 2 0. 2 0. 1 quartz dome 0 quartz dome 0 −80 −60 −40 −20 0 20 40 60 80 −80 −60 −40 −20 0 r / mm 20 40 60 80 r / mm Bild 6.7: Ortsprofile der Ne–585 Linienemission entlang der Gratlinien der in Abbildung 6.6 dargestellten ICCD-Kamerabilder zu verschiedenen Phasenlagen der Plasmaoszillation. le sind für drei verschiedene Phasenlagen der Void-Rotation in Abbildung 6.7 dargestellt. Man erkennt, dass die Struktur während der Rotation stabil ist. Die maximale Emission in der Mitte der Entladung unterscheidet sich dabei leicht für die einzelnen Phasenlagen. In normierter Darstellung sind die Profile praktisch deckungsgleich Die linke Seite entspricht für die einzelnen Profile jeweils der der Reaktormitte zugewandten Seite. Der Gradient ist dort deutlich größer, als auf der rechten, der Reaktormitte abgewandten Seite. Dort erkennt man bei etwa 3 cm eine Knickstelle in den Profilen, wobei der Gradient rechts von dieser Knickstelle größer ist. Man kann den Plasmoiden also nicht als eigenständige Entladung auffassen, deren Begrenzung das staubige Plasma ist. Vielmehr setzt der Staub die Plasmadichte gegenüber der teilchenfreien Situation lokal herab, während das Dichteprofil in einem Abstand der Größenordnung einer Energierelaxationslänge von der Void-Grenze praktisch unbeeinflusst ist. Abbildung 6.8 zeigt die Emissionsprofile der Ne-585 Linie (a) und der Ar-696 Linie (b) entlang der Gratlinien für drei Flussdichtewerte des statischen Magnetfelds. Bei der niedrigsten Flussdichte (0,4 mT) rotierte das System im schnellen Modus, bei den beiden anderen Flussdichten (0,7 mT und 1,1 mT) im langsamen Modus. Man erkennt, dass die Emissionsprofile (b) 40000 τ Ne-585 0 0. 3 slow0. 6 mode 35000 intensity (a. u.) 30000 25000 fast mode 20000 15000 40000 30000 25000 20000 15000 10000 10000 5000 5000 quartz dome 0 τ Ar-696 0 0. 15 0. 3 0. 45 0. 6 0. 75 35000 intensity (a. u.) (a) quartz dome 0 −80 −60 −40 −20 0 20 40 60 80 r / mm −80 −60 −40 −20 0 20 40 60 80 r / mm Bild 6.8: Ortsprofile der Ne–585- (a) bzw. Ar–696 Linienemission (b) entlang der Gratlinien in den ICCD-Kamerabildern bei Variation des Magnetfelds zur Phasenlage τ = 0. 70 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation mit steigender magnetischer Flussdichte breiter werden, was einer Vergrößerung des Plasmoiden bzw. des Voids entspricht. Die Verbreiterung der Profile ist im Fall der Ne-585 Linie deutlich stärker ausgeprägt als im Fall der Ar-696 Linie. Bei unveränderter Besetzungsdichte der metastabilen Niveaus ist das Emissionsverhältnis Ne-585 : Ar-696 eine monotone Funktion der Elektronentemperatur. Das mit der Flussdichte steigende Emissionsverhältnis im Bereich 4 bis 6 cm kann daher durch eine lokal erhöhte Elektronentemperatur bei Anwesenheit des statischen Magnetfelds erklärt werden. Eine lokal verminderte Besetzungsdichte der metastabilen Niveaus würde das Emissionsverhältnis Ne-585 : Ar-696 ebenfalls erhöhen. 6.2.3 Langmuirsondenmessungen Die Aufnahmen mit der ICCD-Kamera charakterisieren den Bereich der Void-Rotation zwischen den beiden Elektroden. Der größte Teil des staubigen Plasmas liegt außerhalb des Bildbereichs und kann daher nicht erfasst werden. Das unvollständige Bild kann allerdings mit Hilfe von Langmuirsondenmessungen wie folgt dargelegt ergänzt werden: Eine an einem festen Ort im Reaktor installierte Sonde nimmt zeitaufgelöst die Plasmaparameter ne und Te innerhalb einer Oszillationsperiode auf. Abbildung 6.9 stellt die Situation schematisch für eine Void-Ratation entgegen dem Uhrzeigersinn dar, wie sie im schnellen Modus bei nach oben gerichteten Magnetfeldlinien auftritt. Im Bezugssystem des rotierenden Systems Void / Staubplasma folgt die Sonde einer Trajektorie im Uhrzeigersinn! Eine zeitaufgelöste Messreihe enthält damit die ortsaufgelösten Plasmaparameter entlang dieser Trajektorie und kann dementsprechend auf eine Kreisbahn abgebildet werden. Abbildung 6.10 zeigt phasenaufgelöst die Plasmaparameter, die mit der Sonde in 6 cm Abstand zur Reaktormitte gemessen wurden. Die Messung erfolgte während Plasmaoszillationen im schnellen Modus mit Periodendauer 65 ms in einem Argon-Helium-Gasgemisch bei p = 2 Pa und Pf = 100 W. Die Nanoteilchen wurden unter Beimischung von Φacetylene = 45 sccm bei PCCP = 45 sccm mit ∆tC2 H2 = ∆tCCP = 10 s präpariert und haben gemäß der Kalibrierkurve von Abbildung 4.2 einen Durchmesser von etwa 30 nm. Bis auf das Hintergrundgas entspricht die Situation damit in guter Näherung der während der Kamera-Messungen, wobei der Ort der Messung am Rand der Quarzelektroden erfolgt. Die in der Abbildung 6.10 hervorgehobenen Zeitpunkte entsprechen den im Schema 6.9 eingetragenen Ortspunkten: Zum Zeitpunkt 1 tritt die Sonde in das staubige Plasma ein. Die Elektronendichte sinkt 3 2 x 4 plasma 1 particles Bild 6.9: Schematische Darstellung der Sondenmessung im Bezugssystem des rotierenden Plasmoiden. 6.2 Charakterisierung der Void-Rotation 71 1018 7.5 7 1017 6 5.5 5 1016 hEe i / eV ne / 1016 m−3 6.5 4.5 4 1015 3.5 0π 0.5π 1π 1.5π 2π τ Bild 6.10: Phasenaufgelöste Messung der Elektronendichte und der mittleren Elektronenenergie im Abstand von 6 cm von der Mitte der Reaktorkammer. Die Periodendauer der Plasmaoszillation beträgt 65 ms. Die Ziffern entsprechen den im Schema 6.9 gekennzeichneten Phasenlagen. Die durchgezogenen Linien sind willkürlich eingezeichnet. 72 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation entsprechend und erreicht zum Zeitpunkt 2 ihr Minimum. Zum Zeitpunkt 3 überstreicht die Void-Grenze die Sonde. Entsprechend steigt die Elektronendichte und erreicht zum Zeitpunkt 4, wo sich die Sonde inmitten des Voids befindet, ihr Maximum. Man erkennt dass die Flanke zur rechten Seite des Minimums in der Elektronendichte einen deutlich größeren Gradienten aufweist, als die Flanke zur linken Seite. Auf das Ortsbild übertragen bedeutet dies eine Asymmetrie des Voids bzgl. der in Kapitel 6.2.2 definierten Gratlinie. Abbildung 6.11 fasst die Zeitverläufe der Elektronendichte zusammen, die bei verschiedenen Abständen der Sonde zur Reaktormitte gemessen wurden. Die Kurven sind gegen die Phase der Oszillationsperiode aufgetragen. Man erkennt, dass die Elektronendichte im zeitlichen Mittel mit zunehmenden Abstand der Sonde zur Reaktormitte sinkt, wie man es für ein diffusionsbestimmtes Elektronendichteprofil erwartet. Alle Kurven weisen eine starke Modulation auf, wobei der Phasenbereich, während dem die Elektronendichte in der Nähe ihres jeweiligen Maximums liegt, mit zunehmenden Abstand von der Reaktormitte deutlich sinkt: Am innersten Messpunkt (4 cm von der Reaktormitte entfernt) sind es etwa 75 % der Periode, an der äußersten Messposition (14 cm Abstand zur Reaktormitte) nur etwa 10 %. Die Flankensteilheiten weisen mit zunehmenden Abstand zur Reaktormitte einen entgegengesetzten Trend auf: Der Anstieg der Elektronendichte am Punkt 3 im Schema 6.9 wird steiler, der Abfall um den Punkt 1 deutlich flacher. Während das Elektronendichteprofil entlang des innersten Kreises beinahe symmetrisch ist, ist das Profil entlang des äußersten Kreises also stark verzerrt. Nach den Erkenntnissen aus Kapitel 6.2.2 und der Intensität der Modulation muss der innerste Kreis vollständig im Bereich des Voids liegen während die Sonde sich an den weiter außen liegenden Messpunkten wechselweise im Void und im staubigen Plasma 1018 ne / m−3 1017 1016 4 cm 5 cm 6 cm 10 cm 14 cm 1015 0π 0. 5π 1π 1. 5π 2π τ Bild 6.11: Orts- und phasenaufgelöste Messung der Elektronendichte während der Plasmaoszillationen. Die Periodendauer der Plasmaoszillation beträgt 65 ms. Die durchgezogenen Linien sind willkürlich eingezeichnet. 6.2 Charakterisierung der Void-Rotation 73 befindet. Die Asymmetrie der Plasmadichteprofile müssen demnach in einer Asymmetrie der Staubteilchendichte begründet sein. Da die Zeitverläufe der Plasmaparameter als ortsaufgelöste Messungen entlang kreisförmiger Trajektorien im System Void / Staubplasma aufgefasst werden können, kann man die Daten von Abbildung 6.11 in einen zweidimensionalen Konturplot transformieren. Das Ergebnis der Transformation ist in Abbildung 6.12 dargestellt. Die Dichte innerhalb des gestrichelten Kreises bei 4 cm Abstand zur Reaktormitte sind verzerrt, da in diesem Bereich keine Messung durchgeführt werden kann, ohne die Void-Rotation zu stören: Bringt man die Sonde näher an das Zentrum heran, stoppt die Oszillation und das Plasma brennt solange stabil, bis die Sonde weiter herausgezogen wird. Die geschätzte Ausdehung des Voids bzw. des Plasmoiden ist mit einer durchgezogenen Linie angedeutet und deckt sich gut mit den gemessenen Emissionsprofilen, die in Kapitel 6.2.2 diskutiert wurden. Die steilen Flanken auf den Kreisbahnen um das Reaktorzentrum sind in Abbildung 6.12 auf der dem Plasmoiden gegenüberliegenden Seite als Bereich mit starkem azimutalen Gradienten der Elektronendichte erkennbar. Die Konturen sind in diesem Bereich stark verzerrt. Evtl. gibt es dort eine Zone mit erhöhter Staubteilchendichte, die von einem teilchenärmeren Bereich “angeschoben´´ wird. Abbildung 6.13 zeigt den Konturplot des Plasmapotentials, der auf die gleiche Weise erstellt wird, wie der Konturplot der Elektronendichte. Man erkennt dass das Plasmapotential eine monoton fallende Funktion des Abstand von der Reaktormitte ist. Das elektrostatische, dust cloud plasmoid 4 cm 7.2 cm 14 cm Bild 6.12: Konturplot der Elektronendichte im Bezugssystem des Plasmoiden, der durch die Transformation der Orts- und Phasenaufgelösten Langmuirsondenmessung gemäß Abbildung 6.11 entsteht. Die gestrichelte Linie ist die innerste der Messung zugängliche Position. Die durchgezogenen Linien sind die geschätzten Maße des Voids und einer Region erhöhter Staubteilchendichte. 74 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation Vp / V 10 28 26 dust cloud 24 5 22 y / cm plasmoid 20 0 18 4 cm 16 7.2 cm −5 14 −10 12 14 cm 10 −10 −5 0 x / cm 5 10 Bild 6.13: Konturplot des Plasmapotentials im Bezugssystem des Plasmoiden, der durch die Transformation der Orts- und Phasenaufgelösten Langmuirsondenmessung entsteht. Die Bedeutung der eingezeichneten Linien ist analog zu Abbildung 6.12 6.3 Physikalisches Bild 75 ambipolare Feld des Plasmas weist also erwartungsgemäß in Richtung der Reaktorwand. Allerdings ist auch der Gradient des Plasmapotential in einem Bereich erhöht. Eine Abschätzung ergibt für den größten Bereich von Abbildung 6.13 einen Potentialgradienten bzw. eine Feldstärke von etwa ' 1,3 V cm−1 . Im Bereich des starken Gradienten in der Elektronendichte ist die Feldstärke deutlich größer (' 10 V cm−1 ). 6.3 Physikalisches Bild Auf der Basis der in den vorherigen Abschnitte vorgestellten experimentellen Ergebnisse wird nachfolgend ein physikalisches Bild der Void-Rotation entwickelt. Zunächst werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst, die ein solches Bild wiedergeben muss: Im staubigen, induktiven Plasma entsteht ein Void für Teilchengrößen im Bereich weniger Nanomemter. Ein schwaches, statisches Magnetfeld in vertikaler Richtung verursacht eine Rotation eines gegenüber der Reaktormitte verschobenen Voids. Die Rotationsrichtung des Voids kehrt sich um, wenn die Richtung des Magnetfelds umgekehrt wird. Abhängig von der Größe des voids gibt es zwei Modi der Void-Rotation, die sich sowohl in der Rotationsrichtung, als auch in der Umlaufzeit unterscheiden: Ein kleines Void rotiert bei noch oben weisenden magnetischen Feldlinien schnell und entgegen dem Uhrzeigersinn, ein großes Void deutlich langsamer und mit dem Uhrzeigersinn. Im Prinzip müsste ein numerisches, dreidimensionales Modell, das die kinetischen oder hydrodynamischen Plasmagleichungen selbstkonstistent an die Bewegungsgleichungen der Nanoteilchen koppelt, in der Lage sein, das beobachtete Verhalten des Systems zu beschreiben. Ein solches dreidimensionales Modell einer staubigen Entladung, das alle Aspekte von Teilchenaufladung, Teilchenbewegung, Elektronenkinetik, etc. gleichzeitig und selbstkonsisten behandelt ist derzeit nicht existent und übersteigt die Rechenkapazität handelsüblicher Computer. Daher wird an dieser Stelle eine qualitatives Modell entwickelt. Der Schlüssel zum Verständnis des Plasmaverhaltens ist die Vorstellung, dass sich in einem dynamischen System ein Void immer zur der Seite bewegt, wo die Teilchen vor der Void-Grenze durch die wirkenden Kräfte am leichtesten abströmen können. Dies wird in Abbildung 6.14 schematisch veranschaulicht: Situation ohne Magnetfeld In Abbildung 6.14 a ist ein Void in einer staubigen Entladung eingezeichnet, wie es sich ohne statisches Magnetfeld einstellt. Die Nanoteilchen im Bereich des staubigen Plasmas sind negativ geladen. Ihre Gleichgewichtsposition ergibt sich aus der Bilanz der dominanten Kräfte, also elektrostatischer und Ionenwindkraft. Auf Grund der Symmetrie ist die Konfiguration minimaler potentieller Energie ein im Reaktor zentriertes Void. Diese Situation wird in vielen StaubplasmaExperimenten vorgefunden, insbesondere in Experimenten mit Plasmakristallen, wie sie bei Verwendung mikrometer großer Teilchen entstehen. In diesem Experiment ist die Reaktorsymmetrie u.a. durch die Flansche des GEC-Designs gestört. Dadurch wird das elektrostatische Potential verzerrt, was einen entscheidenden Einfluss auf die Gleichgewichtsposition der Nanoteilchen in der Entladung hat: Als energieminimierende, stabile Situtation stellt sich im Experiment ein Void ein, das in Richtung einer der großen Flansche verschoben ist. Eine geringe Störung kann dazu führen, dass das Void sich zu dem gegenüberliegenden Flansch hin bewegt oder zwischen den 76 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation a) b) E force E force E force · · · · · · E force · · · · · · · · · fast · · n artic op · le tr·aje · · · cto r · slow · i · es · na void rotation · · · · · · · · · · · · · void · · · · x x · · E force ion wind reactor center void B field B = 0 mT dusty plasma E force E force c) · · er · · · · · · · · · · · · · · E force E force · ion wind (ambipolar transport + Lorentz force) eϕ dusty plasma · d) · · · · · · · · · · · · fast rotation couterclockwise · · · · · · · · · · E force · E force E force · dusty plasma B field · · · · · · · · E force · · small void · · · · · · · · · · · · · · · · · · · bottleneck outwards · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·inwards· · · · · · · x x · · E force E force · · · · dusty plasma · B field · · slow rotation · · · · E force · clockwise big void · x x · · · · · · · · · · Bild 6.14: Schematische Darstellung der Teilchendynamik im induktiven Plasma. (a) Die radiale Gleichgewichtsposition der Teilchen wird durch die elektrostatische Kraft und den Ionenwind bestimmt. (b) Bei Anwesenheit eines statischen Magnetfelds wird durch den Ionenwind eine tangentiale Kraft auf die Nanoteilchen im staubigen Plasma übertragen. Die Teilchen rotieren um das Void und abhängig von der Void-Größe rotiert dieses entgegen (c) oder mit (d) dem Uhrzeigersinn durch den Reaktor. 6.3 Physikalisches Bild 77 beiden Flanschen oszilliert. Diese Oszillation ohne statisches Magnetfeld ist empfindlich gegenüber Störungen von außen und schlecht reproduzierbar. Bei symmetrischer Reaktorgeomtrie wird erwartet, dass sich das Void stabil im Zentrum befindet. Die Void-Rotation stellt sich hingegen nur ein, wenn ein Magnetfeld vorhanden ist. Kraftbilanz der Nanoteilchen mit statischem Magnetfeld Wenn ein statische Magnetfeld vorhanden ist, ist der Ionenfluss, der die aus dem Void in das staubige Plasma strömenden Ionen beschreibt, nicht mehr senkrecht auf die Void-Grenze bzw. radial nach außen gerichtet: Durch den Einfluss der Lorentz-Kraft und durch den ambipolaren Transport entlang der E × B-Driftbewegung der Elektronen entsteht eine tangentiale Komponente des Ionenflusses auf die Void-Grenze, die eine Kraftkomponente auf die Nanoteilchen überträgt, die im Uhrzeigersinn gerichtet ist (bei nach oben weisenden magnetischen Feldlinien). Eine einfache Abschätzung ergibt, dass die trangentiale Geschwindigkeitskompente in der Größenordnung der thermischen Geschwindigkeit liegt. In Folge dessen rotieren Staubteilchen im Uhrzeigersinn um das Void. Diese Situation ist in Abbildung 6.14 b dargestellt. Die Umlaufgeschwindigkeit der Staubteilchen wird durch die Reibung gegen den Neutralgashintergrund begrenzt. Situation bei kleinem Magnetfeld bzw. kleinem Void In Abbildung 6.14 c ist die Situation in diesem Experiment für ein kleines Void dargestellt. Das Void ist im Bild bewusst gegenüber der Reaktormitte dezentriert eingezeichnet, da dies der stabilsten Situation entspricht, wie im Folgenden erläutert wird: Die tangential Komponente des Ionenwinds, die aus dem Void in das staubige Plasma tritt, erzwingt für Nanoteilchen, die sich im Bild oberhalb des Voids befinden, eine Bewegung weg vom Zentrum des Reaktors, und für Nanoteilchen, die sich unterhalb des Voids befinden, eine Bewegung in Richtung der Reaktormitte. Da nun auf Grund der ambipolaren Diffusion das Strömungsfeld der Ionen trotz Magnetfeld insgesamt nach außen weist, erfolgt der Teilchentransport in dieser Richtung effizienter als in Richtung Reaktormitte. Nanoteilchen oberhalb des Voids werden also effizient abtransportiert, während Nanoteilchen unterhalb des Voids entgegen dem ambiporen Strömungsfeld anlaufen. Das Void rotiert in dieser Situation entgegen dem Uhrzeigersinn im Reaktor, wobei eine eindeutige Auslenkung des Voids existiert, die die gesamte Bewegungsenergie des Systems minimiert. Void, das sich im Zentrum der Entladung befindet, kann durch eine kleine Störung auf diese stabile Bahn gezwungen werden. Diese Erklärung erfolgt in Analogie zum sog. Magnuseffekt, der durch das Gesetz von Bernoulli beschrieben wird. Situation bei stärkerem Magnetfeld bzw. großem Void Wird das Void in seiner Dimension so groß, dass sein Durchmesser mit dem Durchmesser des Reaktors vergleichbar wird, ergibt sich eine andere Situation. Wie in Abbildung 6.14 d dargestellt wird der Bereich zwischen dem Void und der Reaktorwand sehr klein. Dieser Bereich kann dann zu einem Flaschenhals für die um das Void strömenden Nanoteilchen werden. In diesem Fall wird der Teilchentransport oberhalb des Voids behindert und insgesamt werden die Nanoteilchen unterhalb des Void durch die tangentiale Komponente der Ionenwindkraft effizienter abtransportiert. Die Bewegung des Voids erfolgt dann entsprechend im Uhrzeigersinn. Je größer das Void wird, umso stärker wird der Teilchentransport zu der Engstelle vor der Reaktorwand behindert. Insgesamt wird steigt die Reibung und die Teilchenbewegung bzw. die Void-Rotation werden in Übereinstimmung mit der experimentellen Beobachtung verlangsamt. Überraschender Weise hat die magnetische Feldstärke bzw. die Größe des Voids nur einen sehr schwachen Einfluss auf die Umlaufzeit des Voids, solange sich das System im schnellen Modus befindet. Die Oszillationsperiode der Plasmaemission kann daher wie in Kapitel 6.14 78 Kapitel 6 Untersuchung der Void-Rotation beschrieben gemessen werden und die Kalibrierkurve 6.14 zur Detektion der Teilchengröße benutzt werden. Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit untersucht das Verhalten einer Niederdruckentladung, die zur Erzeugung von Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen verwendet wird. Für die Herstellung von Kleinstteilchen gibt es derzeit kein etabliertes Verfahren, das unabhängig vom Materialsystem Teilchen mit vorgegebener Größe im Bereich weniger Nanometer erzeugen kann. Da solche Teilchen ein hohes Anwendungspotential z.B. in der Elektronik und der Photonik besitzen, sind neue Herstellungsverfahren Gegenstand aktueller Forschung. Die meisten möglichen Anwendungen erfordern geringe Mengen an qualitativ hochwertigen Teilchen. Nanoteilchen, die in Niederdruckplasmen aus Molekülgasen synthetisiert werden, zeichnen sich durch eine enge Größenverteilung aus und werden diesen Anforderung deshalb gerecht. Ein ungelöstes Problem ist allerdings die Kontrolle der Größenverteilung während des Wachstumgsprozesses. In der vorliegenden Arbeit wird zunächst das Wachstum von Kohlenwasserstoff-Nanoteilchen in einer acetylenhaltigen, kapazitiven Entladung charakterisiert. Dabei wird insbesondere auf die Entstehung von Protopartikeln und auf die Agglomeration dieser Partikel zu größeren Teilchen eingegangen. Protopartikel entstehen durch Kettenpolymerisation, Ringbildung und durch die Zusammenlagerung solcher Makromeleküle zu Clustern. Der Einsatz der Agglomeration wird durch das Erreichen einer kritischen Dichte an Protopartikeln induziert. Die Dynamik der Agglomeration und die zeitliche Entwicklung der Größenverteilung der heranwachsenden Teilchen werden anhand eines einfachen diskretisierten Modells numerisch untersucht und die Ergebnisse mit experimentellen Daten belegt. Als ein Schlüssel zur kontrollierten Erzeugung von Nanoteilchen wird die Tatsache entdeckt, dass bei einem Wechsel vom kapazitiven in den induktiven Modus der Entladung die Agglomeration unterbrochen wird. Dies wird durch eine globale Betrachtung der Ladungsträgerbilanz im Plasma aufgeklärt. Die Teilchen bleiben beim Wechsel in den induktiven Modus in der Entladung gefangen. Kern der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung einer Plasmainstabilität, die während der induktiven Phase des Experiments beobachtet wird und die durch die Anwesenheit von Nanoteilchen induziert wird. Man stellt fest, dass die Oszillationsfrequenz dieser Instabilität direkt mit der Größe der im Plasma befindlichen Teilchen verknüpft ist. Um ein Verständnis über die der Instabilität zugrundeliegenden Ursachen zu erlangen, werden Methoden der Plasmadiagnostik angewandt, die zeit- und ortsaufgelöste Messungen von wichtigen Plasmaparametern ermöglichen. Im einzelnen kommen Massenspektrometrie, Langmuirsonden und optische Emissionsspektroskopie (OES) zum Einsatz. Im Rahmen dieser Arbeit werden dabei die bestehenden Methodiken zur Gewinnung quantitativer Parameter wesentlich verbessert. Besonderes Augenmerk wird auf die Langmuirsondenmessungen gerichtet. Es wird ein neues Filterverfahren auf Basis der lokalen Polynome etabliert, das eine statistische Bewertung der Schätzer für das Plasmapotential und der Elektronenenergieverteilungsfunktion (EEDF) zusammen mit ihren Momenten Elektronendichte und mittlere Elektronenenerige erlaubt. Die statistischen Fehler werden dabei selbstkonsistent aus den Messfehlern berechnet und mittels Monte-Carlo-Simulationen anhand einer Modellkennlinie verifiziert. Neben den Sondenmessungen wird die optische Emissionsspektroskopie eingesetzt, um aus einem erweiterten Koronamodell einen parametrisierten Schät79 80 Zusammenfassung zer für die EEDF zu erhalten. Zur Unterstützung dieser Methode wird ein allgemeines Verfahren entwickelt, mit dem man die Dichten der metastabil und resonant angeregten Niveaus des Argonatoms aus den Emissionsverhältnissen von Spektrallinien berechnen kann und das als einzige Hilfsgrößen die Einsteinkoeffizienten und Informationen über den dominanten Linienverbreiterungsmechanismus benötigt und insbesondere unabhängig von der Form der EEDF zu korrekten Ergebnissen führt. Im Ergebnis findet man durch die Anwendung der Plasmadiagnostiken, dass die beobachtete Plasmainstabilität durch die Rotation eines Voids in der partikelhaltigen Entladung entsteht. Diese Rotation wird durch ein schwaches statisches Magnetfeld erzeugt, wie es z.B. von einem Kaltkathoden-Druckmessgerät erzeugt wird. In der Folge wird die Abhängigkeit dieser Rotation von der Magnetfeldstärke und anderen externen Parametern systematisch untersucht. Man stellt fest, dass es zwei Modi gibt, die sich durch ihre Rotationsrichtung unterscheiden und die durch konkurrierende Transporteffekte verursacht werden. Der erste Effekt ist der Magnuseffekt, durch den Staubteilchen, die sich bei ihrer Rotation um das Void mit dem Ionenfluss bewegen, effektiver transportiert werden als solche, die sich entgegen dem Ionenfluss bewegen. Bei nach oben weisenden Magnetfeldlinien wird dadurch eine Rotation entgegen dem Uhrzeigersinn induziert. Der zweite Effekt entsteht durch eine Engstelle zwischen dem Void und der Reaktorwand, die den Transport von Nanoteilchen zur Reaktorwand behindert. Ab einer bestimmten Void-Größe wird dieser Effekt dominant und führt zu einem Richtungswechsel der Bewegung des Voids. Das Void bewegt sich dann im Uhrzeigersinn um die Reaktormitte. Zusammenfassend kann man festhalten, dass indirekte Methoden zur in-situ Diagnostik von Nanoteilchen im Plasma die vielversprechendsten Ansätze bieten. Die in dieser Arbeit untersuchte Void-Rotation besitzt eine Umlaufzeit, die im schnellen Modus linear mit der Größe der sich im Plasma befindlichen Teilchen verknüpft ist. Die weiteren Einflussgrößen lassen sich im Wesentlichen auf die Void-Größe zurückführen. Diese lässt sich optisch erfassen und z.B. durch die Generatorleistung kontrolliert einstellen. Im Vergleich zu Verfahren, die auf der Rückwirkung von Staubteilchen auf die elektrischen Eigenschaften des Plasmas beruhen, handelt es sich also um ein robustes Verfahren zur in-situ Diagnostik der Partikelgröße anhand einer einmalig mit ex-situ Verfahren gewonnen Kalibrierkurve. A. Verzeichnis wichtiger Formelzeichen H R PCCP PICP ∆tC2 H2 ∆tCCP ∆tICP φ p nd ncr vd Xn Rk Rtotal a Qd σQd ne ni Te Ti me mi kB Td ρd md Φd ke λD,e λD,i λD,eff vs,r vs,t rs fe fi nn Tn ve,th vi Elektrodenabstand (Höhe der Entladung) Radius der Entladung Generatorleistung im kapazitiven Modus Generatorleistung im induktiven Modus Zeitdauer des Prekursorgaseinlasses Zeitdauer der kapazitiven Experimentphase Zeitdauer der induktiven Experimentphase Gasflussrate Neutralgasdruck Staubteilchendichte kritische Staubteilchendichte für den Einsatz der Agglomeration Staubteilchenvolumen Ratenkoeffizient für inelastische Staubteilchen-Staubreilchen-Stöße Agglomerationsrate für k-Teilchenstöße gesamte Agglomerationsrate für alle möglichen k-Teilchenstöße Staubteilchenradius Ladung eines Staubteilchens (zeitlicher Mittelwert) Standardabweichung für ein gaußverteilte Staubteilchenladung Elektronendichte Ionendichte Elektronentemperatur Ionentemperatur Elektronenmasse Ionenmasse thermische Energie der ungerichteten Staubteilchenbewegung Massendichte der Staubteilchen Staubteilchenmasse Oberflächenpotential eines Staubteilchens (zeitlicher Mittelwert) Elektronenanlagerungskoeffizient Elektronendebyelänge Ionendebyelänge effektive Debyelänge für das abgeschirmte Potential eines Staubteilchens Radiale Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens an der Schichtkante Tangentiale Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens an der Schichtkante Radius der Randschicht Elektrongeschwindigkeitsverteilung Ionengeschwindigkeitsverteilung Neutralteilchendichte Neutralgastemperatur thermische Geschwindigkeit der Elektronen (Drift-) Geschwindigkeit der Ionen 81 82 v Ti ui vn vn,th vd mn Γe Γi Γi,th E F el ρ0 β σc σs Γ Fi κT F th Fg Fn Td,sf µi Xin Up Ufl Uflq Upl Ip Lp Rp m (u) m(ν) (u) m̂ (u) m̂(ν) (u) σ σ̂ vs,z vs,r,min vs,t,max fv As Ap µl φl hEk i Ii nion ∆φl mu0 (u) m̂u0 (u) Anhang A Verzeichnis wichtiger Formelzeichen Ionenschallgeschwindigkeit Machzahl eines Ions Driftgeschwindigkeit des Neutralgases thermische Geschwindigkeit des Neutralgases Driftgeschwindigkeit der Staubteilchen Neutralteilchenmasse Elektronenfluss auf ein Staubteilchen Ionenfluss auf ein Staubteilchen (monoenergetische Ionen) Ionenfluss auf ein Staubteilchen (subthermische Ionen) statisches elektrisches Feld elektrostatische Kraft Coulomb- (Landau-)Radius mittlerer normierter Stoßparameter für die Ionenstreuung an einem Staubteilchen Wirkungsquerschnitt für den Einfang von Ionen (Coulombradius) Wirkungsquerschnitt für die Coulombstreuung von Ionen modifizierter Coulomb-Logarithmus Kraft durch den Ionenwind Wärmeleitfähigkeit des Neutralgases Thermophoretische Kraft Gewichtskraft Kraft durch Neutralteilchenstrom bzw. Reibungskraft Oberflächentemperatur der Staubteilchen Ionenbeweglichkeit Ratenkoeffizient von elastische Ionen-Neutralteilchen-Stöße Sondenpotential gegenüber dem Plasma Floatingpotential Wert der Floatingspannungsquelle Plasmapotential Sondenstrom Länge einer zylindrischen Sonde Radius der Sonde unverrauschte Sondenkennlinie ν-te Ableitung der unverrauschten Sondenkennlinie Schätzer der Sondenkennlinie Schätzer der ν-ten Ableitung der Sondenkennlinie (homoskedastische) Standardabweichung der Messfehler Schätzer der (homoskedastischen) Standardabweichung der Messfehler Azimuthale Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens an der Schichtkante Minimale radiale Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens an der Schichtkante Maximale tangentiale Geschwindigkeitskomponente eines Teilchens an der Schichtkante Geschwindigkeitsverteilungsfunktion einer Ladungsträgersorte Mantelfläche einer zylindrischen Randschicht Mantelfläche einer Zylindersonde l-tes Moment der EDF einer Ladungsträgersorte Hilfgröße zur Bestimmung des l-tes Moments der EDF mittlere Energie einer Ladungsträgersorte k Ionenstrom auf eine Sonde Anzahl der Datenpunkte für die Anpassung des Ionenstrommodells Ionenstromkorrektur für die Bestimmung des l-tes Moments der EEDF Taylorentwicklung der Kennlinie um die Auswertestelle u0 lokales Polynom an der Auswertestelle u0 83 h K (u) Kh (u) lν ∗ Kν,p ∗ νν,p,j LCPu0 (h) hopt (u) ζν ζ̂ν Ûfl Ûpl n̂e E D Êe Bandbreite des Glättungsverfahrens in V Gewichtsfunktion bzw. Kern skalierte Gewichtsfunktion bzw. skalierter Kern Linearkoeffizienten an einer Auswertestelle für die ν-te Ableitung äquivalenter Kern für die ν-te Ableitung im Fall lokaler Polynome vom Grad p ∗ j-tes Moment des quadrierten äquivalenten Kerns Kν,p CP-Kurve eines lokalen Polynoms an der Auswertestelle u0 optimales Bandbreiteprofil gemäß dem lokalen CP-Kriterium Nullstelle der ν-ten Ableitung einer Kennlinie Nullstelle des Schätzers der ν-ten Ableitung einer Kennlinie Schätzer des Floatingpotentials Schätzer des Plasmapotentials Schätzer der Elektronendichte Schätzer der mittleren Elektronenenergie 84 Anhang A Verzeichnis wichtiger Formelzeichen Literaturverzeichnis [AG01] M. R. Akdim, W. J. Goedheer: “Modeling of voids in colloidal plasmas”. Phys. Rev. E 65, 2001, S. 015401. [AG03] M. R. Akdim, W. J. Goedheer: “Modeling of dust in a silane/hydrogen plasma”. J. Appl. Phys. 94, 2003, S. 104–109. [ARGvdGD05] M. Abdel-Rahman, T. Gans, V. S. von der Gathen, H. F. 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