3. Projektmanagement 315 3. Projektmanagement 3.1. Szenario Die

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3. Projektmanagement
3.
Projektmanagement
3.1.
Szenario
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Die derzeit zu beobachtende nahezu exponentiell steigende Dynamik der Unternehmensumwelten stellen zunehmend steigende Anforderungen an Managementkonzepte von Unternehmungen. Dieses dokumentiert sich evident in Phänomenen wie kürzer werdenden Produktlebenszyklen, des technologischen Fortschritts oder der Internationalisierung von
Märkten. Innovationsdruck, zunehmende Komplexität und Interdisziplinarität von Aufgaben
und Projekten lassen computerbasierte Organisationsinstrumente zu einem zentralen Kristallisationspunkt in der strategisch ausgerichteten Unternehmensführung werden.
Hierbei bilden innovative Werkzeuge im Bereich der Projektarbeit in immer stärkerem
Ausmaß den erfolgsdeterminierenden Faktor in Unternehmen. Management komplexer Projekte betrifft dabei die Planung, Steuerung und Überwachung der Prozesse fachübergreifender, temporärer Zusammenarbeit von heterogenen Arbeitsteams unterschiedlich spezialisierter Fachleute. Anforderungen an quantitativ wie qualitativ hochwertige Leistungen trotz
Zeit-, Kosten- und Kapazitätsrestriktionen verlangen eine dynamische Anpassung traditioneller Managementtechniken an innovative Verfahren und instrumentelle Unterstützungssysteme. Die optimale Durchführung von Projekten jeder Größenordnung macht eine gesamtheitliche Betrachtung und Entwicklung der Verfahren, der Instrumente sowie einer interdisziplinären, partnerschaftlichen Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten notwendig.
Projekte beherrschen zunehmend stärker unser Arbeitsleben. Für viele Branchen wie etwa
die Bauindustrie oder Consultingunternehmen, ist Projektmanagement integraler Bestandteil
ihrer Geschäftsprozesse. Große und langfristige Projekte, wie z.B. die internationale Vermarktung neuer Leistungen, der Auf- und Ausbau von Infrastruktur oder die Entwicklung
eines neuen Verkehrsmittels mit Projektkosten in Milliardenhöhe spiegeln die Dimensionen,
Potentiale und Notwendigkeiten eines erfolgreichen Ressourcen- und Kostencontrollings im
Rahmen des Projektmanagements wider. Derzeit diskutierte Schlagworte, wie time-tomarket, concurrent oder simultaneous engineering sind Indikatoren für die aktuelle Dominanz effektiver und wirksamer Zeitmanagementkonzepte der Ablauforganisation bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten in schnellebigen Märkten. Trend dieser Entwicklungen
ist, daß Wertschöpfung bzw. Leistungserbringung in Form von Projektorganisation einen
quantitativ ansteigenden Bestandteil der Arbeitsprozesse von Unternehmen bildet. Äquivalent hierzu nimmt die strategische Bedeutung dieser Organisationsform und entsprechend die
Notwendigkeit qualitativ erfolgreichen Projektmanagements zu.
In diesem Beitrag werden Softwaretechnologien für Projektmanagement vorgestellt. Dabei
werden zwei zentrale Ansätze vorgestellt und diskutiert. Zum einen ist dieses ein innovativer
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Teil B
Kapitel 2
Ansatz auf der Basis von Groupware. Groupware unterstützt alle teamorientierten Kommunikations- und Informationsprozesse in Projektgruppen. Diesen Systemen liegen fundamental neue Architekturmodelle und Paradigmen des Informationsmanagements zugrunde.
Eine zweite, schon fast klassische Kategorie von Anwendungssystemen sind computergestützte Werkzeugumgebungen für Netzplantechnik mit integriertem Termin-, Ressourcenund Kostenmanagement.
3.2.
Projektmanagement mit Groupware
Projektmanagement kann als eines der Kernanwendungsgebiete von Groupware bzw. Workgroup Computing charakterisiert werden. Groupware unterstützt dabei die teamorientierten
Informationsprozesse von Arbeitsgruppen. Distribution von Projektaufgaben, überwiegend
kommunikationsorientierte Informationsverarbeitung an geographisch verteilten Standorten,
zeitlich asynchrone Kommunikationsbeziehungen, Sitzungs- und Terminkoordination sind
integraler Bestandteil von Projektarbeit und nur einige Beispiele für die Produktivitätspotentiale beim Einsatz computerunterstützter Gruppenarbeit.
Was kann derzeit verfügbare Groupware nun konkret für die Informationsverarbeitung im
Projektmanagement leisten? Hierzu sollen im folgenden einige wichtige Merkmale von
Groupware Produkten diskutiert und in das spezifische Anforderungsprofil des Projektmanagements gestellt werden. Die Darstellung orientiert sich dabei an einer Klassifikation der
Groupware-Merkmale von Nastansky [Nastansky, 1992].
(1) Verteilte Datenbankarchitektur
Entscheidendes Architekturmerkmal von groupware-basierten Systemen ist ein verteiltes
Datenbanksystem. Über replizierbare, in LAN-, WAN- und mobilen Umgebungen verteilte
Datenbanken wird die Verfügbarkeit der Information und Dezentralität der Informationsverarbeitung entscheidend verbessert, wenn nicht gar erst ermöglicht. In Abgrenzung zu relationalen Systemen existieren hier grundsätzlich andere Konsistenzbedingungen. Intelligente
Replikationsmechanismen und organisatorische Regelungen der Informationsverarbeitung
lassen dabei die Organisation der Informationsallokation gegenüber der Konsistenzsicherung
in den Vordergrund treten.
(2) Integriertes Electronic Mail
Elektronische Post ermöglicht Gruppenmitgliedern die effiziente formalisierte oder ausnahmegetriebene Kommunikation. Leistungsfähige E-Mail-Systeme bieten in diesem Bereich
leistungsstarke Funktionalitäten, wie etwa die Verwendung von unternehmensweit verfügbaren Namens- und Adreßbüchern, Empfangsbestätigung, elektronische Unterschrift, Verschlüsselung, Einkapselung beliebiger Datenobjekte unterschiedlicher Medialität (Vektor-
3. Projektmanagement
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und Rastergraphiken, Daten- und Programm-Files, Links, etc.). Insbesondere in der Projektabwicklungsphase sind elektronische Mailsysteme essentieller Erfolgsfaktor wie beispielsweise bei der Bewältigung von Problemen und Ressourcenengpässen.
(3) Verarbeitung von Daten unterschiedlicher Medialität
Die Notwendigkeit, multimediale Informationsobjekte zu verwalten und im Gruppenkontext
zu verarbeiten, zeigt sich gerade im Projektmanagement. Die Integrationsfähigkeit hinsichtlich der Möglichkeit, beliebige Medien innerhalb einer gemeinsamen Plattform zu verwalten, ist deshalb essentieller Erfolgsfaktor im projektspezifischen Informationsmanagement.
Dokumente, wie Bauteilunterlagen, Sprachannotationen für Sitzungsprotokolle, Konstruktionszeichnungen, NC-Programme, Musterverträge, Checklisten oder Mitschnitte von Videokonferenzen sind nur einige Beispiele für diese Datentypen. Ein breiter Kanal für die Verwaltung und Kommunikation des gesamten Spektrums der Medialität von Informationsobjekten ermöglicht darüberhinaus die stärkere Integration sogenannter weicher, natürlicher
Datentypen, die sich einer formalisierten mathematischen Auswertung weitgehend entziehen. Daß diese insbesondere im Projektmanagement eine zentrale Bedeutung haben belegen
u.a. Studien von Dworatschek [Dworatschek, 1992].
(4) Leistungsstarke Entwicklungsumgebung
Ein bedeutendes Charakteristikum von Groupware im Projektmanagement ist, daß diese
Software eine breite, stark heterogene Zielgruppe unterstützt. Das Spektrum reicht von Mitarbeitern in operativen Funktionsbereichen bis hin zur Leitungsebene von Organisationen.
Applikationen für die computergestützte Gruppenarbeit bieten daher innovative Architekturkonzepte in Hinblick auf Datenmodelle oder die Entwicklung von Be- und Verarbeitungsfunktionalitäten. Derzeit verfügbaren Applikationssystemen liegen dabei Template-Architekturen zugrunde. Templates integrieren Datenhaltung und Verarbeitungsfunktionalitäten
innerhalb eines Systems, erlauben die effiziente Individualisierung von Informationsbe- und
verarbeitung und unterstützen bedarfsspezifische und endbenutzergerechte Manipulation von
Datenaggregations- und Selektionsfunktionalitäten. Sie unterstützen die produktive und flexible Generierung zielgruppenspezifischer Funktionen z.B. durch Bereitstellung eigener Makrosprachen oder Rapid Prototyping.
(5) Professionelle Sicherheits- und Zugangsmechanismen
Computergestützte Gruppenarbeit bedarf eines differenzierten Systems von Zugriffs- und
Sicherheitsmechanismen. Diese müssen Projektmitarbeitern den Zugriff auf die für sie relevante Teilmenge der Informationen ermöglichen. Darüberhinaus wird ein abgestufter Zugriff
auf Informationsobjekte für den persönlichen Arbeitsbereich oder für Teilarbeitsgruppen im
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Kapitel 2
Rahmen einer skalierbaren Zugriffskontrolle ermöglicht. Hierfür existieren in Groupware
dedizierte Security-Mechanismen, wie Namensverzeichnisse hierarchisch abgestufter Zugriffskontrollen oder Verschlüsselung.
(6) Integration in heterogene Applikationslandschaften
Groupware ist grundsätzlich nicht als technologisch-monolithische Insellösung, sondern als
integraler Bestandteil derzeit aktueller Applikationslandschaften zu interpretieren. Auf der
Betriebssystemseite verbindet sie daher differenzierte Hard- und Softwareplattformen wie
UNIX, OS2, DOS/ Windows, Macintosh. Auf der Applikationsseite verfügt sie über offene,
standardisierte Schnittstellen zum Datenaustausch und der Kommunikation mit externen
Applikationssystemen. Darüberhinaus ist sie in differenzierte technologische Umgebungen
wie externe Kommunikationsmärkte, Telekommunikation oder Fax integriert.
3.3.
Netzplantechnik im Projektmanagement
3.3.1.
Grundlagen und Architekturmerkmale
Netzplan-Applikationen unterstützen insbesondere das Vorgangsmanagement. Hierzu wird
die logische Reihenfolgestruktur der Vorgänge definiert und die Ablaufplanung durch Berechnung des Netzplans realisiert. Dabei werden aus Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen sowie der Dauer konkrete Anfangs- und Endzeitpunkte von Vorgängen berechnet sowie
die Pufferzeiten für die Vorgänge ermittelt, die nicht zeitkritisch sind [Rinza 1985].
Der Markt für Netzplan-Anwendungen ist durch ein außerordentlich großes Produktspektrum gekennzeichnet. Weit verbreitete Beispiele für konkrete Anwendungen sind Artemis,
CA SuperProject, MS Project oder On Target. Ursprünglich überwiegend im Host- und
Mainframebereich eingesetzte Produkte finden sich heute auf den breiten Massenmärkten
der Workstation- und PC-Hersteller. Die damit einhergehende größere Verfügbarkeit dieser
Produkte führte zu einer steigenden Verbreitung und höheren Einsatzfrequenz. Wurden in
den 70er Jahren nur Großprojekte mit Unterstützung von Software für Netzplantechnik geplant, gehören diese Anwendungen heute zu den klassischen und weit verbreiteten Endbenutzerwerkzeugen für die dedizierte Planung von Projekten aller Größenordnungen.
(1) Datentypen und Einsatzprofile
Im Zentrum der Einsatzdomäne von Netzplan-Anwendungen steht die Verarbeitung formatierter Datentypen. Die Applikationen sind dabei vornehmlich für die Erfassung, die Kalkulation und graphische Präsentation von Zahl- und Zeitenwerten konzipiert.
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Neben der Planung von Anfangs-, End- und Pufferzeiten mit Hilfe der Netzplantechnik diversifizierten sich diese Produkte zunehmend stärker und integrieren Funktionalitäten wie
beispielsweise Ressourcen- oder Kostenplanung. Dabei können für das Ressourcenmanagement projekt- und ressourcenspezifische Kalender mit entsprechenden Verfügbarkeitszeiten
angelegt und in die Planung integriert werden. Ressourcen werden mit differenzierten Attributen wie beispielsweise fixen und variablen Kosten, Stunden- oder Materialkostensätzen
spezifiziert. Aus diesen Daten werden beispielsweise Kostensummen und -verläufe für die
einzelnen Ressourcen, die Vorgänge oder ganze Projektphasen ermittelt.
(2) DB-Architekturen, Daten- und Funktionenmodelle
Grundlegende Datenbankarchitekturen dieser Werkzeuge basieren regelmäßig auf relationalen Systemen. Diese sind insbesondere für die Kalkulation formatierter, sogenannter harter
Datentypen geeignet. Vergleichbare Systemarchitekturen finden sich beispielsweise bei
Software für Tabellenkalkulation. Durch die Normalisierung der Relationen und die Vergabe
eindeutiger Schlüssel wird eine redundanzarme Speicherung und effiziente Verarbeitung der
Projektdaten ermöglicht.
Die den Applikationen zugrundeliegenden Datenmodelle orientieren sich an Strukturen vordefinierter Modellwelten mit harten Konsistenzbedingungen. Das bedeutet, daß Entitäten
und Attribute in der Regel nicht an spezifische Erfordernisse von Unternehmen adaptierbar
sind. Größere Flexibilität bietet die Individualisierbarkeit der Verarbeitungsfunktionalitäten.
So können benutzerdefinierte, automatisch berechnete Felder definiert oder komplexe Kalkulationsschemata entwickelt werden. Auf diese Weise werden Projektdaten zueinander in
Beziehung gesetzt wie beispielsweise bei Soll-/ Ist-Vergleichen.
(3) Bedienungskonzepte und Benutzerschnittstellen
Derzeit aktuelle Applikationen für Netzplantechnik unterstützen regelmäßig graphische Benutzeroberflächen. Diese standardisierten, intuitiv zu bedienenden Oberflächen ermöglichen
eine schnelle Einarbeitung und höhere Akzeptanz, insbesondere für die spezifische Zielgruppe, das Management. Oberflächenkomponenten wie beispielsweise Menübefehle oder
Dialogfenster für Benutzerinteraktion können bedarfsspezifisch individualisiert werden.
(4) Einbindung in heterogene Applikationslandschaften
Für den Datenaustausch mit externen Applikationen verfügen Netzplan-Werkzeuge über
standardisierte Schnittstellen und Datenformate. Dieses ist besonders für die Anbindung an
leistungsfähige Datenbankumgebungen ein wichtiges Charakteristikum. Leistungsfähige
Applikationen bieten darüberhinaus die Möglichkeit, als Mehrplatzversion in lokalen Netzen
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Teil B
Kapitel 2
genutzt zu werden. Mehrere Nutzer können dabei auf die zentral verwalteten Planungsdaten
zugreifen.
3.3.2.
Projektplanung und -kontrolle
Anhand konkreter Werkzeugumgebungen wird das computergestützte Management eines realen Projektszenarios skizziert. Netzplan-Anwendungen unterstützen das Projektmanagement, indem sie dezidierte Planungshilfen bieten. Nachfolgend wird diese Planungshilfe für
die Bereiche Vorgangsstrukturplanung, Ablauf-, Ressourcen- und Kostenmanagement erläutert.
(1) Projektstrukturplanung
In der Planungsphase wird ein Projekt in seine einzelnen Teilvorgänge zerlegt und die Aufbaustruktur des Projektes definiert. In einem Top-Down-Entwurf erfolgt die Erstellung eines
hierarchischen Projektstrukturplanes. Dabei werden zunächst Projektphasen spezifiziert, die
dann beliebig auszudifferenzieren sind.
Abb. B2-3/1: Graphischer Projektstrukturplan
Die Abbildung 1 zeigt einen Projektstrukturplan, der graphisch erstellt und beliebig zu verfeinern ist. Die Projektstruktur kann dabei beliebig reorganisiert werden.
Im nächsten Schritt erfolgt die Spezifikation der Teilvorgänge. Hierfür werden für alle Vorgänge die beschreibenden Attribute erfaßt. Diese sind beispielsweise die Beschreibung, die
Dauer, das Muß-Anfangs- und End-Datum.
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Abb. B2-3/2: Detaillierte Vorgangsdaten
(2) Vorgangsmanagement und Ablauforganisation
Für die Planung der Ablauforganisation werden die Vorgänge in eine Reihenfolgestruktur
aus Vorgängern und Nachfolgern gebracht. Diese Reihenfolge dokumentiert die logischen
Abhängigkeiten der Vorgangsstruktur. Aus den Anordnungsbeziehungen errechnet die Applikation den Netzplan. Dieser wird graphisch dargestellt und macht damit die teilweise
komplexen Ablaufbeziehungen zwischen den einzelnen Vorgängen transparent.
Abb. B2-3/3: PERT-Netzplan
Aus den Anordnungsbeziehungen und der Dauer wird darüberhinaus die konkrete Terminierung von Vorgängen errechnet. Ferner werden die Pufferzeiten der einzelnen Aktivitäten,
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Kapitel 2
früheste und späteste Anfangs- und Endzeitpunkte sowie der kritische Weg, der sich aus
zeitkritischen Vorgängen zusammensetzt, kalkuliert.
Der Projektmanager generiert so ein Planungsmodell der Ablaufstruktur, welches Aufschluß
über die Gesamtdauer des Projekts gibt. Die Applikation übernimmt die Berechnung der
konkreten Terminierung der einzelnen Projektaktivitäten.
(3) Ressourcenplanung
Für die Ressourcenplanung verfügen leistungsfähige Netzplan-Werkzeuge über die Möglichkeit, Arbeitskalender für Projekte und einzelne Ressourcen zu erfassen. In die Kalender
werden die Arbeitszeiten und Verfügbarkeitsstunden der Projektmitglieder eingetragen. So
werden die Vorgänge bei ressourcengesteuerter Planung in Abhängigkeit von den Verfügbarkeiten der Einsatzmittel terminiert.
Abb. B2-3/4: Ressourcenkalender
(4) Kostenplanung
Für die Kostenplanung verfügen diese Applikationen über differenzierte Kalkulationschemata. Ressourcen werden Kostenstellen zugewiesen. Gesamtkosten können dann für einen Ressourceneinsatz, vorgangs- oder kostenstellenspezifsich in Tabellenform oder graphisch visualisiert dargestellt werden.
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Abb. B2-3/5: Histogramm
(5) Überwachung und Controlling
Neben der Verarbeitung von Plandaten werden in der Projektabwicklungsphase Ist-Werte
erfaßt. Das sind z.B. Fertigstellungsgrade, Anfangstermine, Endtermine oder Arbeitsstunden.
Damit hat das Projektmanagement die Möglichkeit, den Projektverlauf zu überwachen und
gegebenenfalls steuernd in die Prozesse einzugreifen. Hierfür können Soll-Ist-Abweichungsanalysen durchgeführt oder Projektkennzahlen (z.B. Earned-value, Meilensteintrendanalysen) kalkuliert werden.
Ein zentrale Funktionalität ist insbesondere die graphische Projektverfolgung. Die folgende
Abbildung 6 zeigt den Projektablaufplan als Balkendarstellung (GANTT-Chart), der in der
Praxis eine der wichtigsten Projektgraphiken darstellt. Die schwarzen Markierungen in den
Vorgangsbalken symbolisieren den Fertigstellungsgrad der einzelnen Aktivitäten. Der Projektmanager erkennt in dieser übersichtlichen Darstellung Terminverzüge und deren Auswirkungen auf die nachfolgenden Projektphasen.
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Kapitel 2
Abb. B2-3/6: GANTT-Chart
3.3.3.
Nutzenprofil und Bewertung
Netzplan-Applikationen mit integriertem Ressourcen- und Kostenmanagement sind traditionelle Endbenutzerwerkzeuge im Projektmanagement. Sie unterstützten die dezidierte Planung harter Projektdaten anhand fester Zeitmodelle und Kalkulationsschemata und bieten
ausgefeilte Funktionalitäten für die Visualisierung der Projektdaten. Konkrete Aktivitäten
für die Abwicklung und Projektdurchführung z.B. die Distribution von Arbeitspaketen oder
die dezentrale Erfassung operativer Ist-Daten, wird regelmäßig nicht oder nur unzureichend
unterstützt. In der Unternehmenspraxis sind diese Applikationen deshalb häufiger als Planungswerkzeuge in Stabsabteilungen zu finden als in Linienfunktionen oder operativen Bereichen. Die Ist-Datenerfassung und -pflege stellt dabei ein zentrales Problem dar. Diese
Systeme bedürfen deshalb der Integration in operative verteilte Datenbankumgebungen, um
im Bereich der Projektabwicklung eingesetzt zu werden.
3. Projektmanagement
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3.4.
GroupProject: Integriertes Framework für verteiltes Projektmanagement
3.4.1.
Architekturmodell
GroupProject bietet ein Applikations-Framework für die Integration der beiden vorgestellten
Softwaretechnologien. Das technologische Entwicklungsziel des Systems liegt nicht in der
eindimensionalen Optimierung der Funktionaliäten der Standardapplikationen. Vielmehr ist
das zentrale Charakteristikum dieses Systems in der Integration von leistungsfähigen, spezialisierten high-end-Werkzeugumgebungen zu einem synergetischen Framework zu sehen.
Damit werden unterschiedliche Nutzerkreise mit ihren differenzierten Anforderungsprofilen
an die Informationsbereitstellung, Be- und Verarbeitungsfunktionalitäten unterstützt.
Über dem verteilten Datenbank-System Lotus Notes liegen dabei leistungsfähige Frontends,
die Endbenutzern eine individuelle und bedarfsspezifische Manipulation projektspezifischer
Basisdaten ermöglichen. Die Abbildung 7 zeigt das GroupProject zugrundeliegende Architekturmodell. Die gundlegenden Aufbauelemente von GroupProject sind die Lotus Notesbasierten Datenbankanwendungen für das operative Projektmanagement sowie RepositoryDatenbanken, das graphische Modellierungswerkzeug ProjectBuilder und der Kommunikationsagent Connex, welcher den integrierten Einsatz mit externen ProjektmanagementApplikationen steuert.
ProjectBuilder
External
PM-Tools
Project planing
and controlling
Connex
Repositories: content,
structure, enactment
Operativ
PM-Templates
Lotus Notes Distributed Project Management Platform
Project
realisation
Abb. B2-3/7: GroupProject - Architekturmodell
Auf der unteren Ebene liegt die verteilte Datenbank und Entwicklungsplattform Lotus Notes.
Diese bietet die breite Basis zur Haltung und replikationsgesteuerten Verteilung multimedialer Datenobjekte der Projektinformationen. Alle in der Projektabwicklung anfallenden Informationen und Aktivitäten werden dezentral erfaßt, bearbeitet und können räumlich und
zeitlich verteilt arbeitenden Gruppen zur Verfügung gestellt werden.
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Auf dieser Plattform sind zwei unterschiedliche Arten von Datenbankanwendungen entwikkelt worden. Zum einen sind dies Applikationen für das Management und die operative Bearbeitung und Dokumentation der Projektaktivitäten. Zum anderen Repository-Datenbanken,
die als Struktur-, Inhalts- und Funktionalitätsablagen standardisierte oder historische Projektbausteine beinhalten.
Die Modellierung der Projektaufbaustruktur wird mit ProjectBuilder realisiert, einer Software mit intuitiver graphischer Benutzerschnittstelle zur produktiven Generierung und flexiblen Organisation der Vorgangsstrukturen.
Ferner unterstützt GroupProject für die operative Ablaufsteuerung das dezidierte Termin-,
Zeit-, Ressourcen- und Kostenmanagment den integrierten Einsatz mit externen Projektmanagement-Anwendungen. Über ein gemeinsames Datenmodell synchronisiert der Kommunikationsagent CONNEX Dateninhalte und Datenstrukturen zwischen den Lotus Notes-Datenbankanwendungen und den externen Projektmanagement-Werkzeugen.
3.4.2.
Groupware-basierte Datenbankanwendungen
Sämtliche Geschäftsvorfälle, die im Projektverlauf anfallen, werden in der Datenbankanwendung Project aufgezeichnet. Der Applikation liegt ein flexibles Datenmodell zugrunde,
das für das integrierte Vorgangsmanagement im Verbund mit den Notes externen Modulen
konzipiert ist. Standardisierte Dokumente für die Unterstützung der im Projektverlauf anfallenden Reporting-, Kommunikations- und Diskussionsaktivitäten sind integraler Bestandteil
dieser Anwendung, sind aber grundsätzlich unternehmens- und bedarfsspezifisch individualisierbar.
(1) Operatives Ablaufmanagement
Für das Vorgangsmanagement werden in Notes hierarchisch strukturierte Arbeitspakete angelegt. Ein Arbeitspaket ist dabei ein Datenobjekt, welches drei Kategorien von Informationen enthalten kann. Zum einen sind dies die "harten" Daten wie Aktivitätsbezeichner,
Strukturcodes, Zeiten, Status, Budgets oder Ressourcen. Diese Attribute sind insbesondere
für die Einbettung in die operative Ablaufstruktur und die allgemeine Spezifikation des
"Wer macht was wann und wo" von Bedeutung. Sie bilden die Schnittstelle für den integrierten Nutzungsverbund mit den externen Projektmanagement-Werkzeugen der relationalen
Welt. Darüberhinaus beinhaltet jedes Arbeitspaket zwei Datencontainer (Richtext-Felder) für
die Spezifikation einer detaillierten Beschreibung und der Dokumentation des Arbeitsergebnisses. In diesen Datentypen können beliebige umfangreiche Informationen unterschiedlicher Medialität sowie Bearbeitungsfunktionalitäten abgelegt werden.
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(2) Verteiltes Reporting, Kommunikation und Diskussion
Für die Projektverfolgung werden zu den Vorgangsdokumenten regelmäßig Statusberichte
erfaßt. Die Projektmitglieder verzeichnen in diesen Dokumenten den Projektfortschritt,
Probleme oder Hinweise für die weitere Bearbeitung im Kontext der Abwicklungsaktivitäten
der Vorgangsbearbeitung. Neben dem operativen Ablaufmanagement unterstützt die ProjectAnwendung die Erstellung strukturierter Reports. Hier können Arbeitsteams die im Projektverlauf anfallenden differenzierten Dokumentenarten von einfachen Notizen bis zu umfangreichen Berichten in standardisierten Strukturen im Gruppenkontext erstellen und bearbeiten.
Zur Unterstützung der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und die produktive
Lösung und Abwicklung von Problemen, die im Kontext der Abwicklung des Projektes anfallen, verfügt die Project-Anwendung über Diskussionsforen, in denen Themen mit Antworten erfaßt werden. Für die Selektion und Distribution beinhalten alle Dokumente spezifische
Deskriptoren wie z.B. Kategorisierungs- oder Workflowattribute. Views selektieren und
organisieren die Dokumente in hierarchisch strukturierten Übersichten und ermöglichen den
Projektmitgliedern jeweils die Einsicht in die für sie relevante Teilmenge der Dokumente.
3.4.3.
ProjectBuilder
Das GroupProject-Modul ProjectBuilder stellt dem Projektmanagement ein graphisches Modellierungswerkzeug für die Definition und intuitive Organisation der Arbeitspakete sowie
deren Spezifikation zur Verfügung.
Abb. B2-3/8: ProjectBuilder Projektstrukturplanung
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Teil B
Kapitel 2
Als reine Frontend-Komponente liest ProjectBuilder die Vorgangsstruktur aus Notes und
stellt sie in einer übersichtlichen Baumstruktur dar. Neue Arbeitspakete können angelegt,
spezifiziert und in das Projekt integriert werden. Subprojekte sind als Teilbäume beliebig
restrukturierbar. Die Attribute der Arbeitspakete können im Dialog erfaßt und modifiziert
werden. Darüberhinaus ermöglicht ProjectBuilder eine intelligente, regelgebundene Attributspezifikation der Vorgänge. Teilprojekten oder über benutzerdefinierte Regeln selektierten
Vorgängen können mit dieser Funktion neue Attribute zugewiesen werden. Damit kann auf
umfangreiche Änderungen der Projektplanung z.B. bei Änderung oder Substitution von Einsatzmitteln, Budgetkürzungen oder Zeitverschiebungen flexibel reagiert werden.
Abb. B2-3/9: ProjectBuilder mit Repository [Flügel, Schneider 1993]
Für die Projektplanung kann in ProjectBuilder auf Vorgangsbausteine aus RepositoryDatenbanken zugegriffen werden. Diese Repositories sind standardisierte Bausteindatenbanken, die historische Projektpläne oder Projekt- bzw. Vorgangsmuster enthalten. Ferner können sie Musterprozesse bis hin zu komplexen Vorgehensmodellen, Phasenkonzepten, Methoden oder komplette Organisationshandbücher bereitstellen. Entscheidend ist, daß auch sie
Notes-basiert sind und damit im verteilten Umfeld in LAN-, WAN- und mobilen Umgebungen generiert, verteilt und genutzt werden können. Sie repräsentieren damit Unternehmensstandards in der Projektplanung und -abwicklung und stellen dem Projektmanagement Wissen aus bereits durchgeführten Projekten zur Verfügung.
3. Projektmanagement
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Projekte in den Repositories werden in einer Outliner-Struktur dargestellt. Die Übernahme
von Vorgängen aus diesen Datenbanken in ein zu planendes Projekt wird über Drag&DropMechanismen realisiert. Die Datenstrukturen der Repositories sind mit denen der operativen
Datenbankanwendungen isomorph. Das bedeutet, daß Datenobjekte bzw. Vorgänge aus den
Repositories beim Transfer in ein zu planendes Projekt sowohl die harten Daten als auch
Informationen für Inhalte und Ergebnisse mitnehmen können. Welche dieser Attributswerte
übernommen werden, ist dabei beliebig konfigurierbar.
3.4.4.
GroupProject Connex
Der Kommunikationsagent CONNEX erlaubt die integrierte Nutzung der Notes-basierten
Project-Datenbankanwendung im Verbund mit externen Projektmanagement-Applikationen
der relationalen Welt. Ein erster Prototyp wurde für die Nutzung mit CA Superproject entwickelt. Sämtliche im Projekt anfallenden Daten werden in Notes gehalten. Dies ist von entscheidender Bedeutung, weil über diese Plattform die effektive Verteilung der Projektdaten
ermöglicht wird.
(1) Planungsszenario
Die Projektplanung erfolgt entweder mit ProjectBuilder oder direkt in der externen PMApplikation. Der Projektmanager plant hier die Vorgänge mit allen Attributen wie Dauer,
Terminierungen oder Ressourcenzuweisungen. Nach der Planung generiert das Transfermodul für alle neu hinzugekommenen Vorgänge Arbeitspaketdokumente in der Notes Datenbankanwendung. Bereits existierende Arbeitspakete werden aktualisiert. Der Projektplan
liegt jetzt im operativen Umfeld und wird replikationsgetrieben an die Projektmitarbeiter
verteilt. Die zugewiesenen Teammitglieder selektieren ihre Aufgaben, bearbeiten diese und
dokumentieren den Arbeitsfortschritt als Ist-Daten in den Arbeitspaketdokumenten.
Datenmodell
Abb. B2-3/10: Einbindung externer Projektmanagement-Tools
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Teil B
Kapitel 2
Darüberhinaus erfolgt das vollständige Berichts- und Dokumentationswesen, Diskussion und
Kommunikation während der Projektabwicklungsaktivitäten innerhalb der Notes-Datenbankanwendung. Die Planungszyklen werden regelmäßig mit Unterstützung der externen Werkzeuge gefahren. Der Kommunikationsagent synchronisiert dabei alle in operativen Bearbeitungsprozessen aktualisierten Ist-Daten und ermöglicht dem Projektmanager dadurch die
Fortschrittsverfolgung.
(2) Integriertes Datenmodell
Das gemeinsame Datenmodell bildet die konstituierende Basis für die Integrationslösung.
Entscheidender Punkt hierbei ist die Konsistenzsicherung zwischen den verteilten Applikationen. Diese ist insbesondere deshalb schwierig, weil zwei grundsätzlich unterschiedliche
Datenbanktechnologien hinter den Applikationen stehen. Auf der einen Seite das dokumentenbasierte, verteilte System mit replizierbaren Datenbanken. Auf der anderen Seite ein relationales System mit rigiden Konsistenzbedingungen.
Das grundlegende Modell basiert auf drei Teilmengen von Daten. Diese werden grundsätzlich vollständig über die Datenbankplattform verteilt, sind aber in Hinblick auf die Konsistenzsicherung nur eingeschränkt in den unterschiedlichen Frontends manipulierbar.
Abb. B2-3/11: Integriertes Datenmodell
Zunächst haben beide Applikationssysteme eine eigene Datenmenge, die nur innerhalb ihrer
speziellen Umgebungen verändert werden darf. In der Abbildung 11 ist diese für das externe
PM-Tool das extended data subset und für Lotus Notes die als Notes Data gekennzeichnete
Untermenge. Darüberhinaus existiert eine Schnittmenge von Informationen, die in beiden
Frontends manipuliert werden darf. Die temporäre Inkonsistenz bei der Veränderung dieser
Daten wird durch regelmäßige Planungszyklen und den damit einhergehenden Synchronisa-
3. Projektmanagement
331
tionsprozeß der Datenbestände sichergestellt. Neben dem reinen Datentransfer hat der
Kommunikationsagent deshalb den intelligenten Informationsabgleich zwischen den beiden
Applikationen zu steuern.
3.4.5.
Zusammenfassung
GroupProject unterstützt die kooperative Projektarbeit, indem es eine einheitliche Datenbankplattform für das verteilte Informationsmanagement bietet. Darüberhinaus können sich
unterschiedliche Benutzerebenen vom Management bis zur operativen Ebene funktional differenzierter Frontends bedienen, um einen möglichst hohen Grad der Unterstützung ihrer
Projektaufgaben zu realisieren.
3.5.
Referenzen - Literatur
Dworatschek, Sebastian; Hayek, Assad: Marktspiegel Projektmanagement-Software,
Köln 1992 [Dworatschek/ Hayek 1992]
Flügel Josef; Schneider, Ulf: Entwicklung eines Datenmodells zur gemeinsamen Bestandsverwaltung der Daten unterschiedlicher Projektmanagementtools in LotusNotes, Internes Paper, Universität Paderborn, 06, 1993 [Flügel, Schneider 1993]
Nastansky, Ludwig: Nach 20 Jahren CSCW-Forschung: Durchbruch in der Praxis bei
Groupware-Anwendungen in Client-Server Architekturen. In: Workgroup Computing, S+W Steuer und Wirtschaftsverlag, Hamburg, 1993, pp. 1-20 [Nastansky 1993]
Rinza, Peter: Projektmanagement: Planung, Überwachung und Steuerung von technischen und nichttechnischen Vorhaben. Düsseldorf 1985 [Rinza 1985]
Zugehörige Unterlagen
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