Hochhaus 1 Der Imagewechsel für Freiburg-Weingarten ist eingeleitet: Die erste Sanierung zum Passivhochhaus sorgt bundesweit für große Aufmerksamkeit. 2 Die wichtigste energetische Maßnahme war der Aufbau der neuen thermischen Hülle. (Fotos: Johannes Vogt/Sto AG) Zum Passivhaus saniert Sanierung statt Abriss. In Freiburg steht das erste in Deutschland zum Passivhaus sanierte Hochhaus. Die gedämmte Fassade erstellte der örtliche Stuckateurbetrieb Emter. Nach dem Umbau wird nun genau Buch geführt, ob sich die Erwartungen an die Energieeinsparung auch erfüllen. Als unattraktiv und unrentabel hätte man das Wohnhochhaus in der Bugginger Straße 50 in Freiburg beschreiben können. Für den Betonklotz aus dem Jahr 1968 schien es eigentlich nur eine Zukunft zu geben: den Abriss. Doch die Eigentümerin des 16-geschossigen Gebäudes, die Freiburger Stadtbau (FSB), entschloss sich zu einem einzigartigen Projekt: die Sanierung eines ganzen Wohnhochhauses nach Passivhausstandard. 13,6 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. Nicht gerade ein Schnäppchen und ohne die üppigen Fördermittel von Kommune, Bund und Land hätte die »Green City« Freiburg heute wohl ein ökologisches Wahrzeichen weniger. Der FSB-Geschäftsführer Ralf Klausmann merkt allerdings an, dass ein Ab- riss ebenfalls mehrere Millionen Euro gekostet hätte. Und entgegen manch anderem Vorzeigebauwerk hielt das »Buggi 50« sowohl seinen Kosten- als auch seinen Zeitplan ein. Der Aufwand hat sich gelohnt Ausgangspunkt für die Sanierung war zunächst der Rückbau des Gebäudes bis auf das Rohbau-Niveau. Danach wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen: Die Planer von Adrian und Partner, Freiburg, sowie Roland Rombach, Kirchzarten, statteten das Hochhaus mit neuer Technik aus. Auf dem Dach gibt es eine Solarstromanlage mit 25 Kilowatt Spitzenleistung, im Dachgeschoss drehen sich große Industrieventilatoren. Sie saugen Frischluft an, die im Wärmetauscher durch Abluft erwärmt wird. Außerdem musste die Gebäudehülle energieeffizient werden. Dach, Fassade und Kellerdecke wurden deshalb mit einer 20 Zentimeter dicken Dämmung (teilweise mit Natursteinoberfläche) versehen und die neuen Fenster dreifach verglast. Der Aufwand scheint sich gelohnt zu haben: Heute ist der Heizwärmebedarf von jährlich 68 auf 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter gesunken. Die Bewohner benötigen 80 Prozent weniger Heizenergie. Durch neue Grundrisse ist die Wohnfläche zudem insgesamt um fast 1000 Quadratmeter gestiegen. 49 zusätzliche Wohneinheiten entstanden so für den überhitzten Freiburger Mietmarkt – ohne zusätzliche Baugrundstücke zu benötigen. Der Trick dabei: Die bestehenden Loggien integrierten a u s b a u + fa s s a d e Sonderheft Energetisches Bauen | 2014 19 Projekte + Technik Details und Ausführung vom Fachunternehmen Der Gipser- und Stuckateurbetrieb Hermann Emter GmbH in Freiburg war bei der umfangreichen Hochhaussanierung als Fachunternehmer gefragter Partner von Planung und Bauherr und erstellte die Fassade inklusive der Natursteinbeläge im Sockelbereich. Zum Einsatz kam ein WDVS auf Basis von 20 cm dicken Lamellen (WLG 40). »Die Dämmarbeiten waren recht unspektakulär«, so Christian Benz, Prokurist im Unternehmen und berichtet: »Während der Dämmarbeiten waren in der Regel drei Kolonnen, also sechs Mitarbeiter an der Baustelle. Beim Verputzen dagegen musste nass in nass gearbeitet werden. Dann waren 20 bis 25 Leute auf dem Gerüst.« Ursprünglich war ein Dämmstoff mit besseren Leistungswerten (WLG 40) vorgesehen. Der Vorteil der Lamelle war, dass weniger Dübel notwendig waren und damit auch weniger Wärmebrücken entstanden. Geklebt und armiert wurde mit mineralischem Mörtel. Nur an den Fensterrahmen, die 7 cm überdämmt wurden, kam ein Dispersionskleber zum Einsatz. Der mineralisch eingefärbte Edelputz wurde als Sackware geliefert, im Zwangsmischer angemacht und mit dem Fassadenaufzug nach oben befördert. Der Passivhaus-Standard und die große Gebäudehöhe unterstreichen die Bedeutung der Details und deren Ausführung, wie zum Beispiel der Schlagregenschutz an den Leibungen. »Die Dichtbänder müssen richtig sitzen und unsere Mitarbeiter mussten exakt arbeiten«, so Benz. Aber nicht nur bei der Ausführung war die Kompetenz des Stuckateurunternehmens gefragt. »Wir entwickelten und zeichneten auch viele Details«, erinnert sich Geschäftsführer Werner Emter. »Wir hatten knifflige Aufgaben zu lösen.« Von den Details wurden zunächst Muster erstellt und mit Bauherren und Planung besprochen und verabschiedet. Dazu gehören unter anderem die Befestigungen der neuen Balkone, die die alten abgetrennten Balkone ersetzten. Hier wurde die Planer in die Wohnungen und setzten stattdessen neue Balkone vor die vom Freiburger Stuckateurunternehmen Hermann Emter in Zusammenarbeit mit Sto-Design gestaltete Fassade, auf der eine Oberfläche mit Lotus-Effekt-Technologie für lange Renovierungsintervalle sorgt. peratur und den geringen Heizbedarf bekommen«, resümiert FSB-Chef Klausmann. Er weiß allerdings auch, dass eine neue Technik allein keine Garantie für Energieeinsparung und zufriedene Mieter ist. »Natürlich kommt es auch auf das individuelle Heizverhalten der Bewohner an.« Damit diese mit dem sparsamen Gebäude nicht allein klarkommen müssen, hat sich die FSB etwas einfallen lassen: Im ganzen Haus stehen Energieberater – oftmals selbst Bewohner – mit Rat und Tat zur Seite. Sie geben Tipps, wie sich Energie sparen lässt und wie Mieter mit dem für sie ungewohnten Passivhausstandard umgehen sollten. Der bedeutet Fraunhofer-Forscher überwachen das Projekt Nach der Fertigstellung 2010 haben die Bewohner die ersten Winter im Passivhochhaus verbracht. Offenbar verliefen diese zu ihrer Zufriedenheit. »Über den Winter haben wir viele positive Rückmeldungen in Bezug auf die Raumtem- 20 ganz innovativ mit Aerogel-Dämmmaterial gearbeitet. Die Emter GmbH beschäftigt rund 90 Mitarbeiter und arbeitet schon seit über 50 Jahren für die Freiburger Stadtbau (FSB), für die das Hochhaus ein Vorzeigeprojekt mit internationaler Strahlkraft geworden ist. »Die gute Zusammenarbeit und das Vertrauen in unser Know-how und Leistungsfähigkeit waren einige der Kriterien, wieso wir mit dem Auftrag betraut wurden«, erklärt Werner Emter. Aber auch bei einem Referenzobjekt muss die Kalkulation stimmen und die Gebäudehöhe als Kostenfaktor mit eingerechnet werden. pd @ www.emter.de 3 Werner Emter (l.) und Christian Benz von der Hermann Emter GmbH. a u s b a u + fa s s a d e Sonderheft Energetisches Bauen | 2014 (Foto: Dolt) nämlich nicht, wie von vielen angenommen, dass sie die Fenster überhaupt nicht mehr öffnen dürfen. Doch nicht nur die Bewohner interessieren sich für den Energieverbrauch. Auch die Experten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE aus Freiburg führen Buch. Auf drei Geschossen, in insgesamt 29 Wohnungen, erfassen sie den realen Energieverbrauch. Florian Kagerer, der das Projekt für Fraunhofer begleitet, erwartet, dass sich das Konzept aus energetischer Sicht weitestgehend bestätigt. »Eine hohe Qualität der Bauausführung ist eine wichtige Voraussetzung, die wir hier durch eine sehr gute Bauleitung auch Hochhaus Die beste Dämmung für Ihr Haus! 4 Bis zu 26 Mitarbeiter waren während der Putzarbeiten auf dem Gerüst. Appliziert wurde ein mineralisch eingefärbter Edelputz. 5 Bei der Gebäudehöhe kommt es besonders auf die Details an. Bei den Fenstern muss die Schlagregendichtigkeit auch im 16. Stock gewährleistet sein. * NanoporTop − dauerhaft schöne Fassade durch Selbstreinigung mit den Kräften der Natur! (Fotos: Emter) erreicht haben«, sagt er und nennt ein Beispiel: »Die Luftdichtigkeitsmessung ergab einen Wert von 0,22/h, was für ein Sanierungsprojekt ausgesprochen gut ist. Im alltäglichen Betrieb wird aber der Nutzer entscheiden, wie gut sich das Konzept bewährt.« Sollten sich die bislang erfassten Ergebnisse für das »Buggi 50« bestätigen, dürfte Ralf Klausmann Recht behalten, wenn er sagt, dass das Wohnhochhaus in der Bugginger Straße »vielen Kommunen und Wohnungsgesellschaften national und international als BestPractice-Beispiel dient«. Längst haben auch Experten aus Skandinavien, Asien und den USA in Freiburg vorbeigeschaut. Baumit SuperDämmfassade Bestehend aus den 3 Innovationen: KlebeAnker StarTrack, open FassadenPlatte und NanoporTop*, bzw. NanoporColor für eine wärmebrückenfreie, diffusionsoffene und dauerhaft schöne Fassade.