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04.2012
Das Fachmagazin für die Wohnungswirtschaft
In Zukunft Stadt
o-ton Die Wohnungswirtschaft ist nicht sexy . fallbeispiel
Wo Phönix aus der Asche steigt . gestaltung Die Wirkung
von Putz und Glasmosaik . immobilienporträts Bestand
und Neubau: Aufzeigen, was möglich ist . weltweit
Geplant: eine Stadt nur für Frauen
gestaltung
putz und klinker
putz und putz
putz und stuck
putz und glasmosaik
Differenzierung durch Materialakzente
Die optische Anmutung von Gebäuden und Wohnensembles wird durch
energetische Sanierungsmaßnahmen geprägt beziehungsweise verändert
und führt in der Fachpresse zu Diskussionen hinsichtlich ihrer ästhetischen
Qualität. Hochwertige Ergebnisse entstehen zum Beispiel durch den
Einsatz unterschiedlicher Materialien und Oberflächen. Im Rahmen einer
vierteiligen Serie zeigen wir am Beispiel von schematisierten Fassaden,
welch positive ästhetische Wirkung Materialwechsel auf WärmedämmVerbundsystemen entfalten können. In Teil 4 geht es um Bekleidungen
mit Putz und Glasmosaik.
Variante 1: Geschoss-Geste
Kräftige Material-, Farb- und Helligkeitskontraste gliedern
und prägen Gebäude und Ensembles neu und führen
ästhetisch wie auch funktional zu neuen Qualitäten. Die
mit Glasmosaik bekleideten, vorgehängten Elementpaneele
heben die Wertigkeit der Fassade. Das Gebäude wird im
Umfeld neu positioniert.
Variante 2: Bewegung
Eine Neugliederung mit rhythmisch wiederkehrenden
gläsernen Akzentflächen formuliert die gegebene Gebäudestruktur neu. Die Intensität der Kontraste wird durch
die Wahl der Materialien und Helligkeiten definiert.
Die unkonventionelle Formgebung korrespondiert mit
traditionellen Materialien, prägt Ort und Umfeld mit
neuen Qualitäten.
Variante 3: Lineatur zu Fläche
Einfache, aber präzise gesetzte Farb- und Materialwechsel
führen zu neuen ornamentalen Wirkungen.
Rauer, horizontal gescheibter Rillenputz in dunkler Farbigkeit steht im Kontrast zur kühlen Materialität des Glasmosaiks. Rote Akzente unterstützen die ornamentale
Wirkung.
Variante 4: Rhythmus
Zeitgenössisches Öffnungsthema mit asymmetrischer Betonung einzelner Fenster. Die „davorgehängten“, modern
interpretierten Gesimse verbinden Fenster und die schräg
gestellten Glasmosaikflächen zu neuen Formaten. Die
gläserne Fläche wird durch den Kontrast zum rauen Putz
in ihrer Besonderheit verstärkt.
Diese Methode erzeugt mit sparsamen Mitteln eine vollständig neue Fassadenanmutung.
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gestaltung
Bewegte Flächen
Die horizontal arrangierten, verspringenden
Farb- und Materialflächen binden geschossweise die Öffnungen bandartig zusammen.
Ästhetisch entsteht eine „wellenartige“ Bewegung, obwohl nur rechtwinklige Formen
verwendet werden. Möglich wird dies durch
die Positionierung der Flächen, deren Überlagerungen und Anschnitte sowie durch
Wiederholung beziehungsweise Spiegelung
des Motivs.
Zudem ist die Wahl der Farbtöne und Helligkeitskontraste wesentlich. Sind diese nicht präzise
gewählt, kann die Bewegung nicht entstehen
beziehungsweise sie wird ungewollt unterbrochen.
In der Ausführung ergeben sich durch Positionierung und Größe der Flächen – losgelöst von
den gegebenen Öffnungsfluchten – Vorteile,
da Maßtoleranzen durch die Putzflächen ausgeglichen werden können.
Der leuchtend grüne Glas-Ton kontrastiert edel
zum rauen Putz der Kubatur und der grauen
Ergänzungsgliederung aus Glattputzfeldern.
Das Gebäude erhält eine deutliche Differenzierung zum Umfeld.
Rhythmisch versetzte Rahmen
Diese Komposition wertet in besonderem Maße
die Öffnungen auf. Sowohl Formgebung als auch
Farbgebung sind auf systematische Kontrastwechsel
angelegt.
Der raue Putz in kräftigem, erdfarbenem Orange
steht farblich in klarem Kontrast zu anthrazitfarbenen
Fenstern und weißen Profilen.
Zur weiteren Akzentuierung wird eine Glasmosaikfläche zwischen den Gesimsen eingefügt, die mit
ihren Lichtreflexen ein sehr elegantes Zusammenspiel mit den Putzflächen eingeht. Die leicht schräge
Anordnung dieser Glasflächen, gekoppelt mit der
asymmetrischen Positionierung, stellt ein permanentes
Spiel von Licht, Schatten und Reflexen her.
Mit einer solchen Gestaltungs- und Materiallösung
erhalten auch einfach strukturierte Lochfassaden
ein zeitgemäßes Äußeres.
Sie haben einen Teil verpasst?
Die StoDesign-Serien mit ihren einzelnen
Folgen finden Sie unter www.stodesign.de
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fallbeispiel
Der Imagewechsel für Freiburg-Weingarten ist eingeleitet: Die erste Sanierung zum Passivhochhaus sorgt bundesweit für große Aufmerksamkeit.
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fallbeispiel
Vertikales Wohnen: Wie ein Phönix aus der Asche
Bauherr:
Freiburger Stadtbau GmbH, Freiburg
Beteiligter Architekt:
Roland Rombach, Kirchzarten
Standort:
Bugginger Straße 50, Freiburg
Wissenschaftliche Begleitung:
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme
ISE, Freiburg
Sto-Leistungen:
Fassadendämmsystem (StoTherm Mineral), teilweise mit Naturstein, Fassadenfarbe (Lotusan),
Balkon- und Bodenbeschichtungen (StoCretec),
Innenbeschichtungen, Farbkonzept (StoDesign)
Fachhandwerker:
Hermann Emter GmbH, Freiburg
Bildquelle: Johannes Vogt, Mannheim
In Freiburg wurde das scheinbar Unmögliche möglich gemacht: ein 16-geschossiges
Wohnhochhaus aus den 1960er-Jahren in ein Passivhaus umzuwandeln. Dem
Bauherrn, der Freiburger Stadtbau GmbH, ist mit dem Pilotprojekt ein Geniestreich
geglückt, denn es ist weltweit die erste vertikale Wohnwelt ihrer Art, die nach
einer umfangreichen Sanierung wie Phönix aus der Asche in einem neuen Glanz
erstrahlt. Nach dem Umbau wird nun genau Buch geführt, ob sich die Erwartungen
an die Energieeinsparung auch erfüllen. Eines steht bereits fest: Die internationale
Aufmerksamkeit ist dem Bauherrn schon heute sicher.
„Buggi 50“ ist ausgebucht: Die 50 neu entstandenen Wohnungen waren schnell vermietet.
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fallbeispiel
Als grau und unattraktiv hätte man bis Mitte 2009 das Wohnhochhaus in der Bugginger Straße 50 in Freiburg beschreiben können.
Unrentabel und unmodern wären weitere passende Attribute gewesen. Für den Betonklotz im Stadtteil Weingarten aus dem Jahr
1968 schien es eigentlich nur eine Zukunft zu geben: den Abriss.
Doch die Eigentümerin des 16-geschossigen Gebäudes, die Freiburger Stadtbau (FSB), suchte nach Alternativen. So entstand
schließlich ein weltweites Pilotprojekt: die Sanierung eines ganzen
Wohnhochhauses nach Passivhausstandard. 2010 fiel der Startschuss, April 2011 waren die Arbeiten schließlich abgeschlossen.
Kosten- und Zeitrahmen eingehalten
13,6 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. Nicht gerade ein
Schnäppchen und ohne die üppigen Fördermittel von Kommune,
Bund und Land hätte die „Green City“ Freiburg heute wohl ein
ökologisches Wahrzeichen weniger. Der Geschäftsführer der FSB
Ralf Klausmann merkt allerdings an, dass ein Abriss des Hochhauses
ebenfalls mehrere Millionen Euro gekostet hätte. Und entgegen
manch anderem Vorzeigebauwerk der Republik hielt das Buggi 50
sowohl seinen Kosten- als auch seinen Zeitplan ein.
Dabei wurde das Gebäude in der Umbauphase praktisch einmal
„links gemacht“. Lediglich nackte Decken und Wände blieben stehen,
als die Bauarbeiter das Hochhaus komplett entkernten. Logistisch
ein immenser Aufwand. „Teilweise galt es, mehr als 150 Arbeiter
gleichzeitig auf der Baustelle zu koordinieren“, erklärt Klausmann.
Jede Menge neue Technik
Damit die Bewohner in Zukunft tatsächlich wie geplant weniger
Energie verbrauchen, mussten die Planer das Hochhaus mit viel
neuer Technik ausstatten. Auf dem Dach gibt es eine Solarstromanlage mit 25 Kilowatt Spitzenleistung und im Dachgeschoss drehen
sich große Industrieventilatoren. Sie saugen Frischluft an, die im
Wärmetauscher durch Abluft erwärmt wird. Diese Lüftungsanlage
war allein aufgrund der Gebäudegröße eine der größten Herausforderungen bei der Sanierung.
Außerdem muss die Gebäudehülle für den Passivhausstandard nahezu luftdicht sein. Deshalb wurden Dach, Fassade und Kellerdecke
mit einer 20 Zentimeter dicken Dämmung versehen und die neuen
Fenster dreifach verglast.
Der Aufwand scheint sich in Weingarten gelohnt zu haben: Heute
ist der Heizwärmebedarf von jährlich 68 Kilowattstunden pro Quadratmeter auf 15 Kilowattstunden gesunken. Die Bewohner benötigen
80 Prozent weniger Heizenergie. Durch neue Grundrisse ist die
Wohnfläche zudem insgesamt um fast 1.000 Quadratmeter gestiegen. 49 zusätzliche Wohneinheiten entstanden so für den überhitzten Freiburger Mietmarkt – ohne zusätzliche Baugrundstücke
zu benötigen.
Der Trick dabei: Die bestehenden Loggien integrierten die Planer in
die Wohnungen und setzten stattdessen neue Balkone vor die
Fassade. Dadurch gewann die FSB nicht nur zusätzliche Wohnfläche,
sondern eliminierte zugleich energetisch schädliche Wärmebrücken.
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Nur wenige Altmieter
Obwohl nur wenige ehemalige Bewohner dem Gebäude treu geblieben sind – viele Bewohner waren ältere Menschen, die nicht
zweimal umziehen wollten –, ist das Hochhaus wieder komplett vermietet. Rückblickend waren der Auszug der Altmieter und der spätere
Einzug der neuen Bewohner eine riesige Koordinationsaufgabe.
139 Einzüge innerhalb nur einer Woche galt es zu organisieren.
Längst sind alle Bewohner in ihr neues Zuhause eingezogen. Auch
den ersten Winter haben sie bereits im Passivhochhaus verbracht.
Offenbar verlief er zu ihrer besten Zufriedenheit. „Über den Winter
haben wir viele positive Rückmeldungen in Bezug auf die Raumtemperatur und den geringen Heizbedarf bekommen“, resümiert
FSB-Chef Klausmann. Er weiß allerdings auch, dass neue Technik
allein keine Garantie für Energieeinsparung und zufriedene Mieter
ist. „Natürlich kommt es auch auf das individuelle Heizverhalten
der Bewohner an.“
Fraunhofer-Forscher überwachen das Projekt
Damit die mit dem energiefitten Gebäude nicht allein klarkommen
müssen, hat sich die FSB etwas einfallen lassen: Im ganzen Haus
stehen Energieberater – oftmals selbst Bewohner – mit Rat und Tat
zur Seite. Sie geben Tipps, wie sich Energie sparen lässt und wie
Mieter mit dem für sie ungewohnten Passivhausstandard umgehen
sollten. Der bedeutet nämlich nicht, wie von vielen angenommen,
dass sie die Fenster überhaupt nicht mehr öffnen dürfen.
Doch nicht nur die Bewohner interessieren sich für den Energieverbrauch. Auch die Experten des Fraunhofer-Instituts für Solare
Energiesysteme ISE aus Freiburg führen genau Buch. Über insgesamt zwei Jahre analysieren sie den Energieverbrauch im realen
Betrieb. Auf drei Geschossen, in insgesamt 29 Wohnungen, erfassen
sie ein ganzes Bündel von Parametern. Wer macht wann das Fenster
auf? Wie ist die Temperatur morgens, mittags oder abends in diesem
oder jenem Raum? Und um herauszufinden, wie viel weniger Strom
energiesparende Geräte tatsächlich verbrauchen, vergleichen die
Wissenschaftler verschiedene Wohnungen miteinander. Die einen
sind mit modernen Stromspargeräten ausgerüstet, in den Referenzwohnungen verwenden die Mieter ihre eigenen Geräte.
Florian Kagerer, der das Projekt für Fraunhofer begleitet, erwartet,
dass sich das Konzept aus energetischer Sicht weitestgehend bestätigt. „Eine hohe Qualität der Bauausführung ist eine wichtige
Voraussetzung, die wir hier durch eine sehr gute Bauleitung auch
erreicht haben“, sagt er und nennt ein Beispiel: „Die Luftdichtigkeitsmessung ergab einen Wert von 0,22/h, was für ein Sanierungsprojekt ausgesprochen gut ist. Im alltäglichen Betrieb wird aber der
Nutzer entscheiden, wie gut sich das Konzept bewährt.“ Insbesondere das Lüftungsverhalten und die gewünschten Raumtemperaturen beeinflussen den Energieverbrauch maßgeblich.
Allerdings reicht es nicht, das Wohnhochhaus separat zu betrachten.
„Spannend wird es, wenn wir das Gebäude auch aus ökonomischer
Perspektive untersuchen“, sagt Florian Kagerer. „Im Gesamtprojekt
EnEff:Stadt geht es nicht nur um die Konzepte für einzelne Gebäude, sondern um das gesamte Siedlungsgebiet einschließlich der
fallbeispiel
Die wichtigste energetische Maßnahme war der Aufbau der neuen thermischen Hülle.
Fernwärmeversorgung. Auf diesem Maßstab relativieren sich manche
Maßnahmen am Gebäude, insbesondere im Hinblick auf CO2-Vermeidungskosten.“
Vorbild im In- und Ausland
Sollten sich die bislang erfassten Ergebnisse für das Buggi 50 bestätigen, dürfte Ralf Klausmann Recht behalten, wenn er sagt, dass
das Wohnhochhaus in der Bugginger Straße „vielen Kommunen
und Wohnungsgesellschaften national und international als BestPractice-Beispiel dient“. Längst haben auch Experten aus Skandinavien, Asien und den USA in Freiburg vorbeigeschaut. Bis genauere
Ergebnisse vorliegen, dauert es noch einige Zeit. So lange wartet
die FSB allerdings nicht. Sie saniert im Binzengrün 9 bereits ein
weiteres Wohnhochhaus nach Passivhausstandard. Dabei macht
sie trotz des positiven Fazits beim Buggi 50 einiges anders. So sollen
etwa die Wohnungen im Folgeprojekt wieder größer werden, um
mehr Familien anzusprechen. Und schneller geht es diesmal auch:
Die geplante Bauzeit hat die FSB um fünf Monate verkürzt. Den
Mietern scheint all das zu gefallen. 15 Prozent – und damit deutlich
mehr als beim Pilotprojekt – ziehen nach Abschluss der Bauarbeiten
wieder in den Wohnturm. Dann sind sie wahrscheinlich schon geschulte Energiesparfüchse, denn übergangsweise wohnen einige
Bewohner aus dem Binzengrün im Wohnhochhaus in der Bugginger
Straße.
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