Neuer Fluoreszenzmarker macht Grenzen von Hirntumoren sichtbar

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Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie
Universitätsmedizin
Göttingen
Pressemitteilung
1. Juli 2010
Neuer Fluoreszenzmarker macht Grenzen von
Hirntumoren sichtbar
Etwa 30 Prozent aller Hirntumoren bei Erwachsenen sind
sogenannte Gliome. Sie können langsam wachsend (Grad II)
bis schnell wachsend bösartig (Grad III und IV) auftreten, aber
für alle diese Gliome gilt: Je vollständiger der Tumor entfernt
werden kann, desto höher sind die Überlebenschancen der
Erkrankten. Forscher am Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie haben jetzt in Zusammenarbeit mit
Medizinern der Universitätsmedizin Göttingen eine neue
Fluoreszenzsonde entwickelt, die sich bei vielen Formen von
Gliomen anwenden lässt. Der Marker macht einzelne
Krebszellen im Mikroskop direkt sichtbar und könnte Chirurgen
zukünftig während Operationen das Auffinden von
Tumorgrenzen deutlich erleichtern. (PLoS ONE, 30. Juni 2010)
Bei der Diagnose eines Glioms der aggressiven Tumorgrade III und IV ist die
Prognose für Betroffene äußerst schlecht. Die Erkrankten überleben nach Diagnose
oft nur noch wenige Monate. Aggressive Gliome können völlig neu entstehen,
entwickeln sich aber auch aus weniger malignen Stadien. Solche weniger bösartigen
Tumoren nachzuweisen, ist allerdings äußerst schwierig. Mit bildgebenden Verfahren
wie der Computertomografie und der Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich
zwar viele Krebsgeschwüre hoher Tumorgrade deutlich erkennen, nicht aber die
genaue Ausdehnung und Wachstumsform der weniger bösartigen Gliome.
Forschern am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen ist es
jetzt gelungen, einen Fluoreszenzmarker zu entwickeln, der sich zum Nachweis der
Mehrheit der Gliome gleichermaßen gut eignet. „Wir machen uns dabei zunutze,
dass in vielen Gliomen sogenannte Epidermale Wachstumsfaktor (EGF)-Rezeptoren
vermehrt auftreten“, erklärt die Zellbiologin Donna Arndt-Jovin. Um die Krebszellen
sichtbar zu machen, koppelte das Wissenschaftlerteam um Arndt-Jovin hell
fluoreszierende Halbleiter-Nanopartikel (Quantum Dots) an Antikörper gegen den
EGF-Rezeptor oder den Wachstumsfakor selbst. Die Technik erlaubt höchste
räumliche Auflösung: Dank des 1000-fach stärkeren Fluoreszenzsignals im Vergleich
zu normalen Zellen werden damit einzelne Krebszellen im Gewebe sichtbar. Anders
als viele Fluoreszenzmarker sind Quantum Dots äußerst photostabil und bleichen
dabei nicht aus.
3 mm
Dass der Fluoreszenzmarker an lebendem Biopsie-Material funktioniert, konnten die
Max-Planck-Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit den Medizinern Sven
Kantelhardt und Alf Giese der Abteilung Neurochirurgie der Universitätsmedizin
Göttingen zeigen. Färbten die Forscher lebendes Tumorgewebe mit der neuen
Fluoreszenzsonde, ließen sich unter dem Mikroskop Krebszellen niedriger wie hoher
Tumorgrade als hell leuchtende Punkte deutlich erkennen. Normale Gehirnzellen
nehmen die Quantum Dots dagegen kaum auf und bleiben dunkel. Gerade die
Darstellung von Tumorzellen niedriger Tumorgrade war bislang mit anderen
Verfahren, die Aussicht auf einen Einsatz im Operationssaal haben, kaum möglich.
Gefördert wurde das Projekt der Wissenschaftler von der „Head and Neck Cancer
Research Foundation“, der „Novartis Foundation for Therapeutical Research“ und
der EU im Rahmen des von Donna Arndt-Jovin koordinierten FP6-FLUOROMAGProjekts.
Mithilfe der Magnetresonanztomografie ist ein Gliom vom Tumorgrad IV im Gehirn erkennbar (A).
Der Fluoreszenzmarker färbt Tumorgewebe rot (C), anders als gesundes Hirngewebe (B). B* und
C* zeigen 3-D-Fluoreszenzbilder desselben Gewebes mit dem PAM-Mikroskop bei hoher
Auflösung. (Bild: Arndt-Jovin / MPIbpc)
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Resttumorzellen aufspüren
Neurochirurgen sehen für den Fluoreszenzmarker einen möglichen praktischen
Einsatz während der Operation hochgradig bösartiger Tumoren. „Nach
konventionellem Entfernen des Tumors könnte das Gewebe in der Umgebung
mithilfe der Fluoreszenzsonde direkt nach Resttumorzellen abgesucht und Areale
hoher Tumorzelldichte dann entfernt werden“, sagt der Neurochirurg Alf Giese. Da
sich im Gehirn verbleibende Krebszellen zu neuen, häufig noch bösartigeren
Geschwüren entwickeln, ließen sich die Überlebenschancen der Erkrankten durch
eine vollständigere Entfernung beträchtlich steigern. Ein neuartiges
Hochgeschwindigkeits-Fluoreszenzmikroskop (Programmable Array Microscope,
PAM), das vom Forscherteam um Thomas Jovin und Donna Arndt-Jovin am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie derzeit zur Produktionsreife gebracht
wird, könnte dabei wertvolle Dienste leisten. Es ermöglicht, mit Quantum Dots
markierte Moleküle an lebenden Zellen mit einer hohen räumlichen, zeitlichen und
spektralen Auflösung zu untersuchen. Ein weiteres wichtiges Ziel der Göttinger
Wissenschaftler ist es, Nanopartikel auch als Werkzeug für die Krebstherapie nutzbar
zu machen: als Wirkstoff-Transporter, die gezielt Wirkstoffe in die Tumorzelle
einschleusen, die diese zerstören.
Originalveröffentlichung:
Sven R. Kantelhardt, Wouter Caarls, Anthony H.B. de Vries, Guy M. Hagen,
Thomas M. Jovin, Walter Schulz-Schaeffer, Veit Rohde, Alf Giese, Donna J.
Arndt-Jovin. Specific visualization of glioma cells in living low-grade tumor tissue.
PLoS ONE, 10.1371/journal.pone.0011323, 30. Juni 2010.
Ansprechpartner:
Dr. Donna Arndt-Jovin, Labor für Zelluläre Dynamik
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen
Tel.: +49 551 201-1393/-1401
E-Mail: [email protected]
PD Dr. med. Sven Kantelhardt und Prof. Dr. med. Alf Giese
Abteilung Neurochirurgie, Direktor Prof. Dr. med. Veit Rohde
Universitätsmedizin Göttingen
Tel.: +49 551 39-6036
E-Mail: [email protected]
Dr. Carmen Rotte, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen
Tel.: +49 551 201-1304
E-Mail: [email protected]
Hinweise für Redaktionen:
Sie finden Text und Bild in elektronischer Form unter www.mpibpc.mpg.de/groups/pr/PR/2010/10_18.
Beides darf im Rahmen der Berichterstattung mit dem angegebenen Quellennachweis verwendet
werden.
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